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Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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Beschäftigungsgarantien <strong>und</strong> e<strong>in</strong>em etablierten System von Beziehungen, resp. Positionen<br />

gestützt wurde. Hierarchien hatten sich im Umgang mit Ungewissheit bewährt (vgl. Luhmann<br />

2000, 313). Unter diesen Bed<strong>in</strong>gungen war es nicht ernsthaft relevant, ob e<strong>in</strong> Akteur „aktiv“<br />

vertraut, d.h. ob er bewusst für sich die Frage stellte, ob er se<strong>in</strong>em Gegenüber denn auch trauen<br />

kann. E<strong>in</strong> <strong>der</strong>art reflexives <strong>Vertrauen</strong> war eher e<strong>in</strong>e hypothetische Spielerei o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>fach<br />

Luxus; <strong>Vertrauen</strong> wurde eben nicht als „<strong>der</strong> entscheidende Erfolgsfaktor von<br />

Unternehmensorganisationen“ (F<strong>und</strong>er 1999, 89) gesehen 155 – <strong>und</strong> gerade deshalb konnte<br />

<strong>Vertrauen</strong> entstehen, weil es nicht vorgeschrieben wurde.<br />

Die Planbarkeit von <strong>Vertrauen</strong> o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Vertrauen</strong>skultur ist, wie mehrfach<br />

beschrieben, ausgesprochen begrenzt. <strong>Vertrauen</strong> muss <strong>in</strong> Interaktionsbeziehungen aufgebaut<br />

werden <strong>und</strong> wird sich erst allmählich als Koord<strong>in</strong>ationsmechanismus weiter entfalten.<br />

Erfahrungen <strong>der</strong> <strong>Vertrauen</strong>swürdigkeit können das <strong>Vertrauen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> jeweils nächsten<br />

Handlungssituation vergrößern, womit wie<strong>der</strong>um die Gr<strong>und</strong>problematik beschrieben ist, dass<br />

<strong>Vertrauen</strong>sbe-ziehungen sich rekursiv stabilisieren <strong>und</strong> sich von daher immer schon als<br />

gelungen voraussetzen müssen. Dies ist e<strong>in</strong> langfristiger sozialer Prozess, <strong>der</strong> das persönliche<br />

Wie<strong>der</strong>sehen <strong>der</strong> Akteure voraussetzt. Um diese Komplexität kommt man nicht herum. Es sei<br />

denn, <strong>der</strong> Akteur hat ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Handlungsalternative, so dass er gerade deshalb vertrauen<br />

muss, auch wenn er eigentlich gute Gründe hat, dies nicht zu tun. Allerd<strong>in</strong>gs hat dieses<br />

Verhalten dann mehr mit Hoffen <strong>und</strong> Zuversicht zu tun als mit <strong>Vertrauen</strong>.<br />

Die bisherige Angestelltenforschung hat sich überwiegend auf den Professions- <strong>und</strong><br />

Qualifikationsaspekt beschränkt. Vernachlässigt wurde dabei allzu häufig, dass die Arbeit <strong>in</strong><br />

den sozialen Kontext <strong>der</strong> Firma e<strong>in</strong>gebettet ist (vgl. Kotthoff 1997, 166). Taylorismus, Fordismus,<br />

Wohlfahrtsstaat <strong>und</strong> soziale Marktwirtschaft gewannen ihre Anziehungskraft daraus, dass sie<br />

konkrete Aussagen darüber machten, wie <strong>der</strong> Erfolg des Kapitalismus zu sichern ist. Dazu<br />

wurden geeignete organisatorische <strong>und</strong> technische Rationalisierungs-strategien an die Hand<br />

gegeben <strong>und</strong> die <strong>in</strong>stitutionelle Ordnung för<strong>der</strong>te die unternehmerische Initiative. „Der heutige<br />

Marktradikalismus dagegen konfrontiert die Individuen direkt mit <strong>der</strong><br />

155 Es mag wenig e<strong>in</strong>drucksvollere Beschreibungen <strong>der</strong> perfekten Kontrolle über das menschlichen Wesen geben<br />

als Michel Foucaults „Überwachen <strong>und</strong> Strafen“ (1977 [1975]). Das militärische Träumen e<strong>in</strong>er Gesellschaft des<br />

18. Jh. kommt dabei völlig ohne diesen „Erfolgsfaktor <strong>Vertrauen</strong>“ aus; „dieses (Träumen, d. Verf.) berief sich<br />

nicht auf den Naturzustand, son<strong>der</strong>n auf die sorgfältig montierten Rä<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Masch<strong>in</strong>e; nicht auf e<strong>in</strong>en<br />

ursprünglichen Vertrag, son<strong>der</strong>n auf dauernde Zwangsverhältnisse; nicht auf gr<strong>und</strong>legende Rechte, son<strong>der</strong>n auf<br />

endlos fortschreitende Abrichtungen; nicht auf den allgeme<strong>in</strong>en Willen, son<strong>der</strong>n auf die automatische Gelehrigkeit<br />

<strong>und</strong> Fügsamkeit“ (<strong>der</strong>s. 218).<br />

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