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Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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okkupieren, desto mehr wird eben diese Existenz gegensätzlicher Interessen verdeckt o<strong>der</strong> soll<br />

zum<strong>in</strong>dest marg<strong>in</strong>alisiert werden. Wenn sich dann etwa, wie beim amerikanischen<br />

Sportartikelhersteller Nike zeitweilig praktiziert, ganze Mitarbeitergruppen das Firmenlogo<br />

e<strong>in</strong>tätowieren lassen, um ihre Zugehörigkeit zu demonstrieren, ist diese Kultur gefährlich nah<br />

am Sektierertum <strong>und</strong> dann ist es auch nicht mehr weit zur Gehirnwäsche (vgl. Deysson 1999, 168).<br />

Die Gefahr ist groß, dass das Management die alte Illusion pflegt, dass beides zu haben<br />

ist: mehr Macht <strong>und</strong> zugleich mehr <strong>Vertrauen</strong>, mehr Partizipation <strong>und</strong> Konsens <strong>der</strong><br />

Untergebenen. Mehr authentische Kommunikation <strong>und</strong> Initiative <strong>der</strong> Beschäftigten hat aber<br />

den Preis e<strong>in</strong>es relativen Machtverzichts, <strong>der</strong> se<strong>in</strong>erseits gestaltet werden muss. D.h. wenn jede<br />

Zubilligung von <strong>Vertrauen</strong> e<strong>in</strong>en Autonomiegew<strong>in</strong>n seitens des Treuhän<strong>der</strong>s bedeutet, müssen<br />

Wege gef<strong>und</strong>en werden, mit dieser Ungewissheit umgehen zu können, ohne sie wie<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

Kontrolle zu überführen. Posttayloristische Reorganisation ist unter den dargestellten<br />

Bed<strong>in</strong>gungen mit Sicherheit nicht identisch mit mehr Mitbestimmung im Betrieb, geschweige<br />

denn mit se<strong>in</strong>er Demokratisierung. Es sche<strong>in</strong>t, „als zweifelten nicht zuletzt viele <strong>der</strong> den<br />

unmittelbaren Produktionsprozess tragenden Beschäftigten am persönlichen Nutzen direkter<br />

Partizipation. Abgesehen von den Verbesserungen des betrieblichen B<strong>in</strong>nenklimas ist ihnen<br />

offenbar unklar, was sie als Gegenleistung für e<strong>in</strong> umfassen<strong>der</strong>es E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen ihrer Erfahrungen<br />

<strong>und</strong> ihres Arbeitsvermögens erhalten“ (Dörre et al. 1993, 20).<br />

<strong>Vertrauen</strong>sspielräume <strong>und</strong> die Zeit schaffen Kultur<br />

Bestünde bereits e<strong>in</strong> <strong>Vertrauen</strong>skapital <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Organisation, so könnte man<br />

dies mit <strong>der</strong> gegenseitig geteilten Erwartung <strong>der</strong> Akteure umschreiben, dass e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>seitige,<br />

freiwillige Vorleistung im S<strong>in</strong>ne kooperativen Handelns nicht ausgebeutet wird. <strong>Vertrauen</strong><br />

könnte dann als Ergänzung bzw. als Ersatz für vertragliche Regelungen <strong>und</strong> Überwachung<br />

begriffen werden. Gleichzeitig ist es e<strong>in</strong> Medium, das Kooperation selbst beför<strong>der</strong>t. Herrscht<br />

<strong>Vertrauen</strong>, dann stellt es se<strong>in</strong>erseits e<strong>in</strong>e „soziale Produktivkraft“ (Heisig 1997, 130) dar, die<br />

ihrerseits jedoch immer riskant bleiben wird, da e<strong>in</strong>er <strong>Vertrauen</strong>sbeziehung <strong>der</strong> <strong>Vertrauen</strong>sbruch<br />

genu<strong>in</strong> <strong>in</strong>härent ist. <strong>Vertrauen</strong>serosion ließe sich dann e<strong>in</strong>erseits als <strong>der</strong> Zerfall<br />

kooperativer Zusammenarbeit zwischen Organisationsmitglie<strong>der</strong>n def<strong>in</strong>ieren, hervorgerufen<br />

aus <strong>der</strong> Angst, für Fehler sanktioniert zu werden, sowie an<strong>der</strong>erseits als das E<strong>in</strong>stellen von<br />

Engagement, aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Erwartung, dass dieses nicht von <strong>der</strong> Institution h<strong>in</strong>reichend<br />

gewürdigt wird (vgl. Beckert et al. 1998, 58f).<br />

Kont<strong>in</strong>uität <strong>der</strong> Organisation, gekoppelt mit <strong>der</strong> Mehrstufigkeit von Hierarchien, schuf<br />

lange Zeit e<strong>in</strong>e mehr o<strong>der</strong> weniger unh<strong>in</strong>terfragbare Vertrautheit, die überdies durch<br />

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