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Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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Die Reaktivierung e<strong>in</strong>es pr<strong>in</strong>zipiell universalen Tugendenkonzepts <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

hyperflexiblen Welt e<strong>in</strong>es partikularen Turbo-Kapitalismus mutet <strong>in</strong> <strong>der</strong> Konsequenz des<br />

Gesagten eigentlich als fast schon zw<strong>in</strong>gend an. Dennoch bleibt es e<strong>in</strong> Paradoxon, das sich<br />

wie<strong>der</strong>um sehr schnell zuungunsten e<strong>in</strong>er Universalität auflösen lässt. Es handelt sich gerade<br />

nicht mehr um positive Tugenden, son<strong>der</strong>n um „Vermeidungsimperative“ (Deutschmann 1999 II,<br />

513) wie Flexibilität, Mobilität <strong>und</strong> Lernbereitschaft. Damit tritt die Verantwortlichkeit<br />

unbeschränkt auf das Individuum über. „Das Kuriosum ist, dass <strong>in</strong> <strong>der</strong> Umbruchphase, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

die Unternehmens-leitungen e<strong>in</strong> Organisationskonzept proklamieren, das den<br />

Hochqualifizierten e<strong>in</strong>e stärkere Subjekt-Stellung im Betriebsgeschehen verspricht, diese sich<br />

durch die reale Entwicklung stärker als vorher <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Objekt-Stellung gedrängt sehen“ (Kotthoff<br />

1997, 163).<br />

E<strong>in</strong> Unternehmen kann <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er universellen Partikularität ke<strong>in</strong>e partikulare<br />

Universalität herstellen, daher müssen alle Konzepte scheitern, welche Zwecke als Mittel <strong>und</strong><br />

Mittel als Zwecke ausgeben wollen. E<strong>in</strong>e <strong>der</strong>artige moralisch-soziale Kommunikation stellt<br />

dann die „höchste Form <strong>der</strong> Entfremdung“ (Dörre et al. 1993, 17) e<strong>in</strong>es „kulturellen Imperialismus<br />

des Managements dar, <strong>der</strong> danach (strebt), auch noch das letzte Refugium lebensweltlicher<br />

Kommunikations- <strong>und</strong> Wissensformen se<strong>in</strong>en Zwecken zu unterwerfen“ (ebd.).Unter<br />

Marktbed<strong>in</strong>gungen kann e<strong>in</strong> Mensch nicht mit Würde behandelt werden, son<strong>der</strong>n wird an<br />

se<strong>in</strong>em Preis gemessen. Das ist legitim <strong>und</strong> wird eigentlich erst dann problematisch, wenn man<br />

so tut, als ob es gar nicht so wäre. 153<br />

Der e<strong>in</strong>fachen Dialektik von Befehl <strong>und</strong> Gehorsam, von Kontrolle <strong>und</strong> Wi<strong>der</strong>stand,<br />

steht nun e<strong>in</strong>e gebrochene Wechselwirkung von Kontrolle, Konsens <strong>und</strong> Aushandlung, von<br />

unklaren Macht- <strong>und</strong> Abhängigkeitsverhältnissen sowie von wi<strong>der</strong>sprüchlichen Zeithorizonten<br />

154 gegenüber. Das Ende <strong>der</strong> E<strong>in</strong>deutigkeit führt <strong>in</strong> neue Ungewissheiten, die<br />

Komplexität wird wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> ihrem ganzen Ausmaß gegenwärtig. „Moral, <strong>Vertrauen</strong> <strong>und</strong><br />

Loyalität werden als Heilmittel gesucht – im sozialen Kontext, <strong>der</strong> nach wie vor durch<br />

handfeste Machtungleichheiten bestimmt ist. Wer mehr Macht will, wird sie mit mehr<br />

Bürokratie <strong>und</strong> Formalismus erkaufen müssen“ (Deutschmann 1991, 34). Je totalisieren<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Firmenideologie aber beg<strong>in</strong>nt – systemwidrig, weil ökonomisch – soziale Aspekte zu<br />

153 Der Autor Scott Adams schuf die Cartoon-Figur Dilbert, e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>fachen Angestellten, <strong>der</strong> zum Symbol für die<br />

alte Abhängigkeit von meist dummen <strong>und</strong> geme<strong>in</strong>en Chefs geworden ist. Tausende von Zuschriften an den Autor<br />

zeigen auf, dass Angestellte darüber wütend s<strong>in</strong>d, dass ihre Arbeitgeber zwar wie früher über sie bestimmen<br />

wollen, aber nicht mehr bereit s<strong>in</strong>d, wie früher für sie zu sorgen (vgl. Heuser 2000, 475).<br />

154 i.e. die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er langfristigen strategischen Ausrichtung des Unternehmens versus <strong>der</strong> Dom<strong>in</strong>anz<br />

e<strong>in</strong>es kurzfristigen Kostenwettbewerbs.<br />

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