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Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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partikulare Orientierungen vor, die sich ausschließlich auf ökonomische Größen wie „speed“,<br />

„result“ <strong>und</strong> „profit“ richten. Darüber h<strong>in</strong>ausgehende Identifikationsmöglichkeiten bieten sie<br />

nur sehr wenig. Um jedoch über diese unternehmerische Partikularität h<strong>in</strong>ausweisen zu<br />

können, bedarf es etwas Universellem, etwas, das verb<strong>in</strong>dend <strong>und</strong> verb<strong>in</strong>dlich zugleich ist. Der<br />

Betrieb hat aber unter heutigen Bed<strong>in</strong>gungen nicht mehr, son<strong>der</strong>n weniger Corporate Identity<br />

als <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit. „Und es ist ke<strong>in</strong> sozialer Kitt <strong>in</strong> Sicht“ (Kotthoff 1995, 20, vgl. auch<br />

Hirsch-Kre<strong>in</strong>sen 1995, 431). In den USA ist nicht e<strong>in</strong>mal jedes sechste Unternehmen mit den<br />

Ergebnissen <strong>der</strong> <strong>in</strong> den vergangenen Jahren durchgeführten Reorganisationsmaßnahmen<br />

zufrieden. Es fehlt immer etwas Entscheidendes, <strong>und</strong> dies, obwohl die verantwortlichen Top-<br />

Manager i.d.R. glauben, alles richtig gemacht zu haben (vgl. Heisig/ Littek 1995, 295). Auch die<br />

neuesten Beispiele boomen<strong>der</strong> Unternehmensfusionen zeigen, dass die Unternehmen <strong>der</strong><br />

Lösung dieses Problems nicht näher gekommen s<strong>in</strong>d. So stellt Oswald Neuberger (2000) <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Interview fest: „Fusionen s<strong>in</strong>d aber von Haus aus e<strong>in</strong> schlecht strukturiertes Problem,<br />

welches mit e<strong>in</strong>er hohen Mehrdeutigkeit behaftet ist. Das Problem <strong>der</strong> neuen Unternehmenskultur,<br />

<strong>der</strong> Corporate Identity, lässt sich nicht regeln, <strong>in</strong>dem man die Firmenfarbe von Blau auf<br />

Grün umstellt o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> neues Logo kreiert. Das ist Kokolores.“<br />

Wofür soll dieser Kulturbegriff <strong>in</strong> Anspruch genommen werden? 137 Nassehi (2000)<br />

macht zunächst e<strong>in</strong>mal auf die Doppeldeutigkeit dieses Begriffs im Allgeme<strong>in</strong>en aufmerksam.<br />

Für ihn kann Kultur zum e<strong>in</strong>en jene Struktur me<strong>in</strong>en, die alles gesellschaftliche Geschehen<br />

immer schon <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e S<strong>in</strong>nform e<strong>in</strong>bettet, <strong>in</strong> Sprache <strong>und</strong> Normen, Praktiken <strong>und</strong><br />

Gewohnheiten. In diesem S<strong>in</strong>ne ist Kultur gewissermaßen unvermeidlich. „Die Kultur, das ist<br />

<strong>der</strong> Igel des Hasen“ (ebd.). Kultur lässt sich se<strong>in</strong>es Erachtens aber auch an<strong>der</strong>s beobachten,<br />

nämlich im H<strong>in</strong>blick darauf, unter welchen Bed<strong>in</strong>gungen S<strong>in</strong>nformen als Kultur überhaupt<br />

beobachtet <strong>und</strong> bezeichnet werden. In dem Moment, wo uns Kultur jedoch als Kultur ersche<strong>in</strong>t,<br />

werden wir mit an<strong>der</strong>en Möglichkeiten, mit Alternativen konfrontiert – mit Kont<strong>in</strong>genz. Dies<br />

wie<strong>der</strong>um ist e<strong>in</strong> Zeichen von Mo<strong>der</strong>nität, <strong>und</strong> damit entspricht Kultur e<strong>in</strong>er ähnlichen<br />

Dynamik, e<strong>in</strong>er ähnlichen Paradoxie wie <strong>Vertrauen</strong>. Wie ich <strong>in</strong> Kapitel 3 beschrieben habe,<br />

besteht <strong>Vertrauen</strong> <strong>und</strong> Vertrautheit solange als unh<strong>in</strong>terfragte Vertrautheit, solange sie nicht<br />

unvertraut geworden ist. Beg<strong>in</strong>nt diese Vertrautheit zu zerbrechen, so muss man sie via<br />

<strong>Vertrauen</strong> e<strong>in</strong>for<strong>der</strong>n. Je mehr dann um dieses <strong>Vertrauen</strong> gebuhlt wird, desto größer <strong>und</strong><br />

gefährlicher ersche<strong>in</strong>t die Virulenz <strong>der</strong> Anwesenheit von Misstrauen. In dieser Logik versucht<br />

man Kont<strong>in</strong>genzbewältigung durch Betonung von Kont<strong>in</strong>genz leisten zu wollen. Dass etwas<br />

137 Und dass dieser Begriff wie<strong>der</strong> hochaktuell ist, zeigt die eigenwillige Diskussion im Herbst/ W<strong>in</strong>ter 2000/2001<br />

über e<strong>in</strong>e mögliche o<strong>der</strong> unmögliche „Deutsche Leitkultur“.<br />

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