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Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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Durch Beseitigung <strong>der</strong> Überwachungsuhren <strong>und</strong> dem Offenlassen aller Bereiche soll<br />

auch gerade die Reziprozität zwischen Management <strong>und</strong> Angestellten erreicht werden. Ohne<br />

diese gegenseitig geteilte Annahme wäre es verführerisch, <strong>in</strong> kurzfristige Nutzenmaximierung<br />

zu <strong>in</strong>vestieren. E<strong>in</strong>e weitere Bed<strong>in</strong>gung liegt dar<strong>in</strong>, dass die Beziehung lange genug dauern<br />

muss, damit sich das geleistete <strong>Vertrauen</strong> auch rechtfertigt. Dies wurde bei HP durch den<br />

frühzeitigen Beschluss erreicht, ke<strong>in</strong>e „hire and fire company“ se<strong>in</strong> zu wollen. Und zur<br />

damaligen Zeit wurde auch das Versprechen e<strong>in</strong>gehalten, als <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rezession von 1980 diese<br />

Taktik auf dem Prüfstand stand. Aber je<strong>der</strong> Angestellte nahm 10 % weniger Gehalt <strong>in</strong> Kauf<br />

<strong>und</strong> arbeitet 10 % weniger, so dass niemand gefeuert wurde. Dies überzeugte jeden, dass es um<br />

langfristige Beziehungen g<strong>in</strong>g.<br />

Selbstb<strong>in</strong>dung <strong>und</strong> Moralität<br />

Solange das Risiko für opportunistisches <strong>und</strong> kurzfristiges Handeln nicht glaubwürdig<br />

e<strong>in</strong>geschränkt ist, kann sich <strong>Vertrauen</strong> als soziales Kapital nicht jenseits e<strong>in</strong>er bloßen<br />

Nutzenkalkulation etablieren. 132 Das Soziale ist dann das „Mehr“ <strong>der</strong> Summe <strong>der</strong> rationalen<br />

Teile. Es ist das Jenseits <strong>der</strong> willentlichen Initiation subjektiver Vertrautheit. O<strong>der</strong> etwas<br />

unpathetischer: es ist das Nebenprodukt e<strong>in</strong>es auf rationaler Fairness aufbauenden<br />

Aushandlungsprozesses.<br />

Unter Fairness möchte ich dabei das „vernünftige“ Gleichgewicht zwischen<br />

Profitmaximierung <strong>und</strong> Effizienz verstehen, was sich wie<strong>der</strong>um als Nullsumme <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />

Betriebe identifizieren lässt: Profitmaximierung def<strong>in</strong>iert als das Sharehol<strong>der</strong>-Value Kalkül <strong>und</strong><br />

Effizienz als <strong>der</strong> mittel- bis langfristige Ausbau <strong>der</strong> Produktions<strong>in</strong>telligenz <strong>und</strong> des kreativen<br />

Humanvermögens, zur Entfaltung <strong>der</strong> Produktivitäts- <strong>und</strong> Innovationsressourcen. Fair ist dann<br />

das, was von den Akteuren als fair verstanden wird. Fairness ist dann die vertrauensvolle<br />

gegenseitige Unterstellung von nicht ausschließlich opportunistischen Handlungsabsichten,<br />

aufgr<strong>und</strong> e<strong>in</strong>er längerfristigen Perspektive durch die jeweilige Selbstb<strong>in</strong>dung. Chester Barnard<br />

sagte dazu 1938: „Organisationen dauern im Verhältnis zur Spanne <strong>der</strong> moralischen<br />

Gr<strong>und</strong>sätze an, durch die sie geführt werden“ (zit. n. Miller 1992, 156, Übersetzung d. Verf.). Womit<br />

wir wie<strong>der</strong> an <strong>der</strong> spieltheoretischen Ausgangslage angekommen wären, wonach beide Seiten<br />

besser dran s<strong>in</strong>d, wenn sie sich aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verlassen könnten. Wie also kann man glaubhaft<br />

das opportunistische Eigen<strong>in</strong>teresse zugunsten längerfristiger sozialer Beziehungen zügeln?<br />

132 Der Ertr<strong>in</strong>kende vertraut nicht auf den Strohhalm, er hat ke<strong>in</strong>e bessere Alternative, <strong>der</strong> Börsenmakler vertraut<br />

auch nicht auf die Kurse, weil se<strong>in</strong> konkretes <strong>Vertrauen</strong> auf die Kurse völlig irrelevant ist.<br />

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