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Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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Qualifikationsbedarf <strong>in</strong> <strong>der</strong> betrieblichen Praxis tendenziell unberechenbar geworden s<strong>in</strong>d,<br />

kann man e<strong>in</strong>er solchen Unsicherheit nicht e<strong>in</strong>fach durch e<strong>in</strong>en festgelegten Fächerkanon<br />

begegnen 122 , son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelne selbst muss flexibel <strong>und</strong> „entstandardisiert“ werden. Er<br />

sollte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage se<strong>in</strong>, abstrakt zu denken, sowie kooperations-, kommunikations-, lern- <strong>und</strong><br />

teamfähig se<strong>in</strong>.<br />

Die implizite Hoffnung besteht nun dar<strong>in</strong>, dass per Akklamation e<strong>in</strong>er neuen<br />

Organisationsstruktur <strong>und</strong> <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung nach sozialer Schlüsselkompetenz <strong>der</strong> Wandel sich<br />

von selbst vollzieht. Anhand dreier, bereits verschiedentlich erwähnter Argumente lässt sich<br />

jedoch aufzeigen, dass dies zunächst nicht mehr ist als e<strong>in</strong> hypothetisches Konstrukt. Erstens<br />

schafft e<strong>in</strong>e nicht mehr auf organisationalen Strukturen basierende, damit unvermittelte <strong>und</strong><br />

direkte Kooperation nicht per se e<strong>in</strong>e höhere Abstimmung. Im Gegenteil, die Abstimmungs<strong>und</strong><br />

Aushandlungsverfahren haben ihre frühere Komplexität gleichsam zurückgewonnen <strong>und</strong><br />

s<strong>in</strong>d vielfältiger <strong>und</strong> riskanter geworden 123 . E<strong>in</strong>e misslungene Kooperation dann auf das<br />

<strong>in</strong>dividuelle Versagen aufgr<strong>und</strong> mangeln<strong>der</strong> Sozialkompetenz zu schieben, ist leicht <strong>und</strong><br />

entlastet die Organisation von <strong>der</strong> Verantwortung, selbst Strukturen zu schaffen. Wenn<br />

zweitens <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelne Angestellte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ideologie des totalen Unternehmertums zum<br />

„Intrapreneur“ o<strong>der</strong> „Selfmanager“ geworden ist, wird auch er unternehmerisch denken. Er<br />

muss leistungsfähiger <strong>und</strong> billiger se<strong>in</strong> als se<strong>in</strong>e Konkurrenten, er muss se<strong>in</strong>en Arbeitskrafte<strong>in</strong>satz<br />

selbst organisieren, er muss sich selbst qualifizieren <strong>und</strong> weiterbilden <strong>und</strong> für se<strong>in</strong>e<br />

soziale Sicherung selbst sorgen. E<strong>in</strong> solch struktureller Egoist kämpft primär gegen das<br />

permanente Gefühl des Ungenügens <strong>und</strong> Versagens angesichts e<strong>in</strong>er entgrenzten „marktlichen“<br />

Umgebung, so dass die Dom<strong>in</strong>anz <strong>der</strong> ökonomischen Logik ihm fast zw<strong>in</strong>gend darw<strong>in</strong>istische<br />

Züge verleiht <strong>und</strong> wenig Raum für soziale Integration lässt. Drittens führen diese<br />

Entwicklungen auch auf <strong>der</strong> Managerebene zur persönlichen Überfor<strong>der</strong>ung. Alles ist<br />

ganzheitlich geworden, von <strong>der</strong> Verantwortung über die emotionale Belastung, bis h<strong>in</strong> zur<br />

122 Hier<strong>in</strong> besteht letztlich auch die Krise des Dualen Systems <strong>der</strong> Berufsausbildung aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> heterogenen<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen sowohl von Seiten <strong>der</strong> Gesellschaft als auch von den Betrieben. Es ist e<strong>in</strong> Spagat zwischen<br />

höherwertiger versus kürzerer <strong>und</strong> kostengünstiger Ausbildung, zwischen stärkerer theoretischer Ausrichtung<br />

versus unmittelbarerem Praxisbezug, zwischen Verlässlichkeit durch langjährige Erfahrung versus beschleunigter<br />

Mo<strong>der</strong>nisierung, zwischen überbetrieblich <strong>und</strong> überregional anerkannter Ausbildung versus stärkerer betrieblicher<br />

Differenzierung <strong>und</strong> letztlich zwischen e<strong>in</strong>er soliden Gr<strong>und</strong>ausbildung versus dem Glauben an<br />

Schlüsselqualifikationen (vgl. Heidenreich 1998, 327)<br />

123 Luhmann (1992) kommt bei se<strong>in</strong>en Beobachtungen <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne auch zu e<strong>in</strong>em Punkt, an dem er von<br />

epistemischen Blockierungen redet. E<strong>in</strong>e solche Blockierung liegt u.a. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Annahme, „dass Kommunikation<br />

<strong>und</strong> sozial reflektierte Kommunikation (etwa im weiten Kontext von Gruppendynamik) zur Verständigung<br />

beitrage, statt den gegenteiligen Effekt zu haben“ (S.66) Insofern muss auch die For<strong>der</strong>ung nach Kooperation an<br />

allen Orten nicht zw<strong>in</strong>gend zu e<strong>in</strong>er Verbesserung <strong>der</strong> Situation führen – abgesehen von den Abstimmungsschwierigkeiten.<br />

(Aber hierzu siehe 5. Kapitel).<br />

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