Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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edeutsamen Mehrwert wird der Berufstätige allerdings nicht mehr schaffen können, auch wenn es für ihn selbst etwas besonderes dargestellt hat. Nur die Arbeit allein, als nicht quantifizierbares Substrat, ist wertschöpfend (vgl. Deutschmann 1999/II, 514), nur sie kann im Gegensatz zu Maschinen, Organisationen und Computerprogrammen kreativ sein; nur sie kann gegebene Strukturen transformieren und so einen Mehrwert schaffen. Unter den Bedingungen „dienstleistungs“-gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Veränderungsprozesse wird aktuell ein neues oder zumindest verändertes Verständnis von Arbeit forciert. 121 Arbeit wird, um Mehrwert zu schaffen, nicht mehr länger nur als Produktionsvorgang definiert, sondern – und damit sind wir wieder beim Begriff – als Dienstleitung. Der moderne Arbeitsbegriff wird nicht mehr primär aus der Beziehung zu Gegenständen, sondern aus den Interaktionen der Akteur abgeleitet (vgl. Buck 1996 in Markert 1998, 74). Vielleicht ist dies einer der letzten Bereiche, in denen Arbeit überhaupt noch kreativ und wertschöpfend sein kann. Und dies erfordert andere Kompetenzen und Qualifikationen als zu Zeiten der Hochindustrie. In modernen Arbeitsprozessen findet zum einen eine Enttraditionalisierung und Entstandardisierung statt. Dies bezieht sich primär auf überkommene Berufsidentitäten, sowie auf traditionelle und einseitig hierarchisch geprägter Sozialbeziehungen. Zum anderen gehen die Entwicklungen einher mit einer Dezentralisierung und Subjektivierung der Arbeit für den einzelnen. Ein Teil der Autoren sieht hierin eine besondere Chance: neue soziale Bindungen eingehen zu können, neue Beruflichkeit aufgrund einer Verstärkung des fachlichen Identitätsbezugs von Arbeit zu erfahren, eine subjektbezogene Identifizierung mit der Arbeit zu erreichen, bzw. die Arbeitsaufgaben selbstverantwortlich mit zu definieren und eigene Kompetenzen anzubringen und zu entwickeln (vgl. Arnold 1998, Dehnbostel 1998, Markert 1998, Heid 2000). Zweifellos sind dies neue Chancen, welche sich in einem solchen Ausmaß nur unter den Bedingungen einer dezentralisierten Arbeitsorganisation ergeben. Dies kann man als neue Chance ansehen – muss man aber nicht. Vor allem sollte man sich die ausgeblendeten Kosten der neuen Organisationsstrukturen vor Augen führen. Arbeit, Persönlichkeit und Selbstbezüglichkeit Die Schlüsselqualifikationen zu benennen, welche sicherstellen werden, den neuen Wandel gestalten zu können, ist eine relativ einfache Sache. Da Kompetenzanforderungen und 121 Es geht hierbei nicht um Arbeit als absoluten Begriff, als Wesensmerkmal des Menschen, sondern lediglich um den jeweiligen Stellenwert von Arbeit im Zeichen der Veränderungen. 151

Qualifikationsbedarf in der betrieblichen Praxis tendenziell unberechenbar geworden sind, kann man einer solchen Unsicherheit nicht einfach durch einen festgelegten Fächerkanon begegnen 122 , sondern der einzelne selbst muss flexibel und „entstandardisiert“ werden. Er sollte in der Lage sein, abstrakt zu denken, sowie kooperations-, kommunikations-, lern- und teamfähig sein. Die implizite Hoffnung besteht nun darin, dass per Akklamation einer neuen Organisationsstruktur und der Forderung nach sozialer Schlüsselkompetenz der Wandel sich von selbst vollzieht. Anhand dreier, bereits verschiedentlich erwähnter Argumente lässt sich jedoch aufzeigen, dass dies zunächst nicht mehr ist als ein hypothetisches Konstrukt. Erstens schafft eine nicht mehr auf organisationalen Strukturen basierende, damit unvermittelte und direkte Kooperation nicht per se eine höhere Abstimmung. Im Gegenteil, die Abstimmungsund Aushandlungsverfahren haben ihre frühere Komplexität gleichsam zurückgewonnen und sind vielfältiger und riskanter geworden 123 . Eine misslungene Kooperation dann auf das individuelle Versagen aufgrund mangelnder Sozialkompetenz zu schieben, ist leicht und entlastet die Organisation von der Verantwortung, selbst Strukturen zu schaffen. Wenn zweitens der einzelne Angestellte in der Ideologie des totalen Unternehmertums zum „Intrapreneur“ oder „Selfmanager“ geworden ist, wird auch er unternehmerisch denken. Er muss leistungsfähiger und billiger sein als seine Konkurrenten, er muss seinen Arbeitskrafteinsatz selbst organisieren, er muss sich selbst qualifizieren und weiterbilden und für seine soziale Sicherung selbst sorgen. Ein solch struktureller Egoist kämpft primär gegen das permanente Gefühl des Ungenügens und Versagens angesichts einer entgrenzten „marktlichen“ Umgebung, so dass die Dominanz der ökonomischen Logik ihm fast zwingend darwinistische Züge verleiht und wenig Raum für soziale Integration lässt. Drittens führen diese Entwicklungen auch auf der Managerebene zur persönlichen Überforderung. Alles ist ganzheitlich geworden, von der Verantwortung über die emotionale Belastung, bis hin zur 122 Hierin besteht letztlich auch die Krise des Dualen Systems der Berufsausbildung aufgrund der heterogenen Anforderungen sowohl von Seiten der Gesellschaft als auch von den Betrieben. Es ist ein Spagat zwischen höherwertiger versus kürzerer und kostengünstiger Ausbildung, zwischen stärkerer theoretischer Ausrichtung versus unmittelbarerem Praxisbezug, zwischen Verlässlichkeit durch langjährige Erfahrung versus beschleunigter Modernisierung, zwischen überbetrieblich und überregional anerkannter Ausbildung versus stärkerer betrieblicher Differenzierung und letztlich zwischen einer soliden Grundausbildung versus dem Glauben an Schlüsselqualifikationen (vgl. Heidenreich 1998, 327) 123 Luhmann (1992) kommt bei seinen Beobachtungen der Moderne auch zu einem Punkt, an dem er von epistemischen Blockierungen redet. Eine solche Blockierung liegt u.a. in der Annahme, „dass Kommunikation und sozial reflektierte Kommunikation (etwa im weiten Kontext von Gruppendynamik) zur Verständigung beitrage, statt den gegenteiligen Effekt zu haben“ (S.66) Insofern muss auch die Forderung nach Kooperation an allen Orten nicht zwingend zu einer Verbesserung der Situation führen – abgesehen von den Abstimmungsschwierigkeiten. (Aber hierzu siehe 5. Kapitel). 152

edeutsamen Mehrwert wird <strong>der</strong> Berufstätige allerd<strong>in</strong>gs nicht mehr schaffen können, auch<br />

wenn es für ihn selbst etwas beson<strong>der</strong>es dargestellt hat.<br />

Nur die Arbeit alle<strong>in</strong>, als nicht quantifizierbares Substrat, ist wertschöpfend (vgl.<br />

Deutschmann 1999/II, 514), nur sie kann im Gegensatz zu Masch<strong>in</strong>en, Organisationen <strong>und</strong><br />

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Gegenständen, son<strong>der</strong>n aus den Interaktionen <strong>der</strong> Akteur abgeleitet (vgl. Buck 1996 <strong>in</strong> Markert<br />

1998, 74). Vielleicht ist dies e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> letzten Bereiche, <strong>in</strong> denen Arbeit überhaupt noch kreativ<br />

<strong>und</strong> wertschöpfend se<strong>in</strong> kann. Und dies erfor<strong>der</strong>t an<strong>der</strong>e Kompetenzen <strong>und</strong> Qualifikationen als<br />

zu <strong>Zeiten</strong> <strong>der</strong> Hoch<strong>in</strong>dustrie.<br />

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Entstandardisierung statt. Dies bezieht sich primär auf überkommene Berufsidentitäten, sowie<br />

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die Entwicklungen e<strong>in</strong>her mit e<strong>in</strong>er Dezentralisierung <strong>und</strong> Subjektivierung <strong>der</strong> Arbeit für den<br />

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Identitätsbezugs von Arbeit zu erfahren, e<strong>in</strong>e subjektbezogene Identifizierung mit <strong>der</strong> Arbeit zu<br />

erreichen, bzw. die Arbeitsaufgaben selbstverantwortlich mit zu def<strong>in</strong>ieren <strong>und</strong> eigene<br />

Kompetenzen anzubr<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> zu entwickeln (vgl. Arnold 1998, Dehnbostel 1998, Markert 1998, Heid<br />

2000).<br />

Zweifellos s<strong>in</strong>d dies neue Chancen, welche sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em solchen Ausmaß nur unter<br />

den Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>er dezentralisierten Arbeitsorganisation ergeben. Dies kann man als neue<br />

Chance ansehen – muss man aber nicht. Vor allem sollte man sich die ausgeblendeten Kosten<br />

<strong>der</strong> neuen Organisationsstrukturen vor Augen führen.<br />

Arbeit, Persönlichkeit <strong>und</strong> Selbstbezüglichkeit<br />

Die Schlüsselqualifikationen zu benennen, welche sicherstellen werden, den neuen<br />

Wandel gestalten zu können, ist e<strong>in</strong>e relativ e<strong>in</strong>fache Sache. Da Kompetenzanfor<strong>der</strong>ungen <strong>und</strong><br />

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den jeweiligen Stellenwert von Arbeit im Zeichen <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungen.<br />

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