Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit
Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit
Arbeitsverhältnissen und dementsprechend werden auch die Konturen der Arbeitsgesellschaft des 21. Jahrhunderts aussehen: Die größten aktuellen und zukünftigen Arbeitgeber werden die Zeit- und Leiharbeitsfirmen sein 120 und in dieser Logik die damit zusammenhängenden marginalen Beschäftigungsformen wie Teilzeitarbeit oder versicherungsfreie Beschäftigungen. Die Lohnarbeit wird an Bedeutung ab-, dafür die Tätigkeiten außerhalb des Berufssystems zunehmen. Berufsbiographien werden die Form eines Flickenteppichs annehmen und die entstehende Ungewissheit gilt es individuell auszuhalten und aktiv selbst zu konturieren. Weiterhin werden sich Lohnarbeit und materielle Absicherung zunehmend entkoppeln und der gesellschaftliche Diskurs über Solidarität und Verteilungsgerechtigkeit wird sich darauf beschränken, wie viel Selbständigkeit den Bürgern einer Gesellschaft noch zugemutet werden kann (vgl. Galuske 1999, 81 u. Hengsbach 1999, 121). Es wäre also falsch davon zu reden, dass der Arbeitsgesellschaft die Arbeit ausgehen würde, vielmehr gehen der Berufsgesellschaft die Berufe aus, die von den Individuen nachgefragt werden, bzw. mit denen sie auf zunehmend instabile Qualifikationsanforderungen angemessen reagieren könnten. Nach Priddat (1999, 135f) wird die Arbeit zukünftig überhaupt alles Berufshafte verlieren, sie wird eine anstrengende, rhythmisierte, wechselnde Tätigkeit an interessanten Projekten sein. An der Schwelle zum 21. Jahrhundert darf seines Erachtens nicht mehr darauf beharrt werden, Arbeit als befohlene Ausführung innerhalb eines hierarchisch gegliederten Organisationszusammenhangs zu betrachten, ebenso gilt es sich zu befreien von den alten Leitvorstellungen einer hochgelagerten Entscheidungskompetenz. Es gilt „Arbeit als Zusammenarbeit zu verstehen – zu reaktualisieren, aber nicht im Gespensterkleid des 19. Jahrhunderts, das noch die Fahne der „Solidarität“ hochhielt, sondern in der Ausschöpfung der Individualität und ihrer Kommunikationen. ... Erst der Kapitalismus bringt die Arbeiter dazu, die Arbeit interessant zu finden. Es ist eine Paradoxie des Kapitalismus, dass genau seine Form der Kultur, nämlich das Unternehmertum, kommen muss, um die Arbeiter dazu zu bringen, die Arbeit interessant zu finden“ (ders. 140). Statistischer Exkurs: Der Strukturwandel und die Auswirkungen auf die Arbeitsplätze Das BIBB führte um die Jahreswende 1998/99 eine Erhebung zur Qualifikation und zum beruflichen Werdegang der erwerbstätigen Bevölkerung durch (ref. n. Jansen R. 2000, 5ff). Fokussiert auf unsere bisherigen Fragestellungen lassen sich folgende Ergebnisse darstellen: 120 Martin/ Schumann (2000, 168f) sprechen in diesem Zusammenhang von einem Just-in-time-worker, einem Angestellten auf Abruf, bzw. davon, dass man früher schlicht Tagelöhner dazu gesagt hat. Auch in den USA war 149
1. Der Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft lässt sich anhand des stetigen Bedeutungsverlusts auf Seiten von Industrie und Handwerk erkennen. Im Vergleich zur Erhebung von 1991/92 sank der Anteil der Beschäftigten im Handwerk um 2 % auf 17 %, in der Industrie um 7 % auf 21 %. Damit umfasst dieser Bereich nur noch ein Drittel aller Beschäftigten. „Gewinner“ war der private Dienstleistungsbereich, der von 13 % auf 20 % anstieg. 2. Im Zeichen der Dezentralisierung gehen große Betriebseinheiten zugunsten kleiner Betriebe zurück. 55 % aller Betriebe haben weniger als 50 Beschäftigte, 28 % weniger als 500 Beschäftigte, dies entspricht einem Rückgang von 3 % in den letzten 7 Jahren, und 15 % der Betriebe haben mehr als 500 Beschäftigte, d.h. ein Rückgang um 6 % in dieser Sparte. Diese Veränderungen erfuhren mittelbar in den Betrieben 77 % der Erwerbstätigen, während 41 % aller Erwerbspersonen auch unmittelbar betroffen waren. 3. Die subjektive Einschätzung bzgl. der Veränderungen der Arbeit selbst wird von 46 % positiv gesehen aufgrund der Zunahme fachlicher Anforderungen. Dies bezieht sich auf Entwicklungschancen, beruflichen Aufstieg, Anpassen von Kenntnissen und Fertigkeiten, sowie der Vielseitigkeit der Arbeit. Negativ wurde die Entwicklung innerhalb der letzten zwei Jahre damit begründet, dass 46 % der Ansicht waren: der Stress und der Arbeitsdruck habe zugenommen, ebenso wie die körperliche Belastung (21 %), die Überstunden (21 %), sowie das Risiko, arbeitslos zu werden (22 %). Auch die Tendenz zur Entsolidarisierung wurde von 16 % damit begründet, dass der Zusammenhalt unter den Kollegen abgenommen habe. Neue Kompetenzen und Wertschöpfung durch Arbeit Auf Berufszugehörigkeit, Ausdauer, Fleiß und Pünktlichkeit allein kann man sich als Erwerbstätiger heute nicht mehr viel einbilden. Mag sein, dass man sich bei der Herstellung eines Produkts meisterhaft selbst verwirklicht, ökonomisch besehen ist jedoch der Akt, der von einer Maschine ebenso gut – wenn nicht sogar besser ausgeführt wird, völlig substituierbar. Das, was jeder kann, ist im Vergleich nichts mehr Wert. Damit ist diese Entwertung der Arbeit primär ein Akt der sozialen Zuschreibung. Es mag vom Produkt her gleichgültig sein, ob eine technische Zeichnung von Hand oder über eine CAD-Programm erstellt wurde, einen 1995 die Zeitarbeitsfirma „Manpower“ der größte private Arbeitgeber, nicht mehr GM, AT&T oder IBM. 150
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Es wäre also falsch davon zu reden, dass <strong>der</strong> Arbeitsgesellschaft die Arbeit ausgehen<br />
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Jahrh<strong>und</strong>erts, das noch die Fahne <strong>der</strong> „Solidarität“ hochhielt, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausschöpfung <strong>der</strong><br />
Individualität <strong>und</strong> ihrer Kommunikationen. ... Erst <strong>der</strong> Kapitalismus br<strong>in</strong>gt die Arbeiter dazu,<br />
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Statistischer Exkurs:<br />
Der Strukturwandel <strong>und</strong> die Auswirkungen auf die Arbeitsplätze<br />
Das BIBB führte um die Jahreswende 1998/99 e<strong>in</strong>e Erhebung zur Qualifikation <strong>und</strong><br />
zum beruflichen Werdegang <strong>der</strong> erwerbstätigen Bevölkerung durch (ref. n. Jansen R. 2000, 5ff).<br />
Fokussiert auf unsere bisherigen Fragestellungen lassen sich folgende Ergebnisse darstellen:<br />
120 Mart<strong>in</strong>/ Schumann (2000, 168f) sprechen <strong>in</strong> diesem Zusammenhang von e<strong>in</strong>em Just-<strong>in</strong>-time-worker, e<strong>in</strong>em<br />
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