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Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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Adaptionsfähigkeit. Das Duale System <strong>der</strong> Berufsausbildung ist e<strong>in</strong> spezifisch deutsches<br />

Ausbildungs-, Qualifikations- <strong>und</strong> Integrationsmodell – <strong>und</strong> damit gesellschaftlich partikular.<br />

Das Wesensmerkmal <strong>der</strong> Industriegesellschaft mit Massenproduktion <strong>und</strong><br />

Massenbeschäftigung ist e<strong>in</strong>e spezifische Form <strong>der</strong> Erwerbsarbeit <strong>in</strong> abhängigen Positionen,<br />

<strong>und</strong> das Normalarbeitsverhältnis zeichnete sich dadurch aus, dass man abhängig <strong>und</strong><br />

unbefristet <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Betrieb arbeitete, wo die Normalarbeitszeit tagsüber an Werktagen war.<br />

Die Arbeitnehmer waren e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>en <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em System sozialer Sicherung <strong>und</strong> traten ihre<br />

Arbeit nach e<strong>in</strong>er beruflichen Erstausbildung an. Weiterbildung war nur soweit nötig, wie man<br />

sich – meist aus Zwang – umorientieren musste, <strong>und</strong> die Erwerbstätigkeit vollzog sich ohne<br />

Unterbrechungen nach Abschluss <strong>der</strong> Ausbildung. Langjährige Berufs- <strong>und</strong><br />

Betriebszugehörigkeit <strong>und</strong> umfangreiche persönliche Kontakte am Arbeitsplatz waren hierbei<br />

gleichsam die Gewähr für Subsistenzsicherung <strong>und</strong> gesellschaftliche Integration 119 (vgl. Dostal et<br />

al. 1998, 448).<br />

Es darf aber bei all dem nicht übersehen werden, dass <strong>in</strong> dieser sogenannten<br />

Erwerbsarbeitsgesellschaft nicht e<strong>in</strong>mal die Hälfte <strong>der</strong> gesellschaftlich nützlichen Arbeit<br />

erwerbswirtschaftlich organisiert war. Mehr als 50 % <strong>der</strong> Arbeit, die den Bestand <strong>der</strong><br />

mo<strong>der</strong>nen Gesellschaft sicherte, wurde außerhalb des Marktes geleistet. Der sozioökonomische<br />

Gesellschaftsvertrag <strong>der</strong> Nachkriegszeit ruhte auf zwei Säulen: Zum e<strong>in</strong>en die<br />

Normalerwerbsbiographie <strong>der</strong> Männer, welche <strong>der</strong> monetären Steuerungsform unterworfen<br />

war; <strong>und</strong> zum an<strong>der</strong>en e<strong>in</strong>e Art Dienstverpflichtung <strong>der</strong> Frauen zur Familienarbeit, welche den<br />

traditionellen Steuerungsformen <strong>der</strong> Liebe <strong>und</strong> Solidarität überlassen wurde (vgl. Hengsbach 1999,<br />

120ff). Der Gr<strong>und</strong> für die lange Zeit ökonomischer Stabilität war gerade deshalb die soziale<br />

E<strong>in</strong>bettung monetärer Erwerbsarbeit.<br />

Das soziale Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Reziprozität<br />

Gewissenhaftigkeit, Ordentlichkeit, Zeitdiszipl<strong>in</strong> <strong>und</strong> Verlässlichkeit stellen<br />

traditionelle bürgerliche Tugenden dar, ebenso wie berufliche Tüchtigkeit <strong>und</strong> kaufmännische<br />

Redlichkeit. Das dazugehörige, <strong>in</strong> Deutschland lange Zeit vorherrschende Organisationspr<strong>in</strong>zip<br />

„<strong>in</strong>stitutionalisierter Reziprozität“ (Heisig 1997, 140) basierte seitens <strong>der</strong> Betriebe auf e<strong>in</strong>em<br />

hochgradig zentralistisch denkenden Management, auf traditionellen L<strong>in</strong>ienorganisationen<br />

sowie e<strong>in</strong>em hierarchisch bürokratischen Arbeitsmodell. Unter dieser Konstellation konnte e<strong>in</strong><br />

119 E<strong>in</strong> statistischer H<strong>in</strong>weis vorweg: unter e<strong>in</strong> solches Normalarbeitsverhältnis fielen 1985 77 % aller<br />

Beschäftigten gegenüber nur noch 60 % 1996 (vgl. Henckel 1999, 528).<br />

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