01.12.2014 Aufrufe

Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Zeit fast ausschließlich über den Beruf (vgl. Geißler/ Geramanis 2001). Ohne erneut auf die<br />

vor<strong>in</strong>dustriellen Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> korporativen Traditionen e<strong>in</strong>zugehen, soll <strong>der</strong> H<strong>in</strong>weis<br />

genügen, dass die Erwerbsarbeit <strong>und</strong> <strong>der</strong> Beruf auch noch während des Industriezeitalters das<br />

Rückgrat <strong>der</strong> Lebensführung blieben. Zusammen mit <strong>der</strong> Familie bildeten sie e<strong>in</strong> zweipoliges<br />

Koord<strong>in</strong>atensystem, <strong>in</strong> welchem sich das Leben abspielte. Der Beruf des Vaters war <strong>der</strong><br />

Schlüssel zur Welt, ebenso wie die spätere Ausbildung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> auf das Jenseits des Berufes<br />

ausgerichtet war. Erwachsen se<strong>in</strong> bedeutete, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Berufswelt zu se<strong>in</strong> – e<strong>in</strong> Arbeitsleben lang.<br />

Obgleich im Zeitalter <strong>der</strong> Industrialisierung <strong>und</strong> Massenproduktion die Zünfte <strong>und</strong><br />

Korporationen ihre e<strong>in</strong>st dom<strong>in</strong>ante Def<strong>in</strong>itionsmacht verloren – nämlich Gesellschaft mit<br />

Hilfe <strong>der</strong> berufsförmigen Regelung von Arbeit zu entwickeln <strong>und</strong> zu stabilisieren – waren es<br />

nun vornehmlich die Betriebe, welche die Gesellschaft alle<strong>in</strong> über Arbeit reproduzierten. Die<br />

gesellschaftliche Problematik e<strong>in</strong>er nur betrieblichen Arbeitsorganisation besteht dabei<br />

allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> <strong>der</strong> Reichweite ihrer ausschließlich ökonomischen Verallgeme<strong>in</strong>erung.<br />

Der Beruf versprach zu sozialisieren, <strong>in</strong>dem er den e<strong>in</strong>zelnen <strong>in</strong>nerhalb se<strong>in</strong>es (Berufs-)<br />

Standes handlungsfähig werden ließ. Er qualifizierte, <strong>in</strong>dem er die notwendigen fachlichen<br />

Kenntnisse für die zugewiesene Tätigkeit vermittelte <strong>und</strong> er <strong>in</strong>tegrierte, <strong>in</strong>dem er die<br />

bestehende Ordnung legitimierte <strong>und</strong> perpetuierte. Es ist diese spezifische Art, wie durch<br />

Berufe auf e<strong>in</strong>e systematische Weise Wissen erzeugt <strong>und</strong> verarbeitet wurde, mit e<strong>in</strong>er<br />

beson<strong>der</strong>en Ausrichtung <strong>und</strong> Inhaltlichkeit. Die korporative Berufshierarchie zielte ab auf den<br />

gesamten Lebenszusammenhang, mit <strong>der</strong> Vollendung im Status des Meisters. Insofern ist <strong>der</strong><br />

Beruf e<strong>in</strong>e auf Perfektion gerichtete Logik <strong>der</strong> gesellschaftlichen Wissenserzeugung, welche<br />

sich gerade nicht auf funktionale Qualifikationen beschränken lässt, die sich <strong>in</strong> Formen <strong>der</strong><br />

Arbeitsteilung ergeben (vgl. Harney 1998, 22f). Mit dem Bedeutungszuwachs <strong>der</strong> Betriebe im<br />

Zeichen <strong>der</strong> Industrialisierung <strong>und</strong> <strong>der</strong> schw<strong>in</strong>denden Bedeutung <strong>der</strong> Berufe als Vor-aussetzung<br />

zur Teilhabe an <strong>der</strong> Erwerbsarbeit wurde befürchtet, dass e<strong>in</strong> Großteil <strong>der</strong> Arbeitsbevölkerung<br />

an die partikularen Interessen <strong>der</strong> Betriebe zuungunsten <strong>der</strong> Gesellschaft, verloren geht. Die<br />

Nullsummengleichung lautete dabei, dass nur auf die Gesellschaft als Ganzes h<strong>in</strong> sozialisiert<br />

werden darf. Nur sie ist <strong>der</strong> Ort <strong>der</strong> Moralität <strong>und</strong> <strong>der</strong> sozialen Ordnung, nur <strong>in</strong> ihr besteht das<br />

Gegengewicht zur Partikularität <strong>der</strong> betrieblichen Interessen. Je<strong>der</strong> Bedeutungsgew<strong>in</strong>n seitens<br />

<strong>der</strong> Unternehmen g<strong>in</strong>g auf Kosten <strong>der</strong> gesellschaftlichen Integration. Vermassung <strong>und</strong><br />

Proletarisierung waren die befürchteten, aber auch faktischen Konsequenzen des schw<strong>in</strong>denden<br />

gesellschaftlichen E<strong>in</strong>flusses.<br />

145

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!