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Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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von Erwerbsarbeit <strong>und</strong> die damit e<strong>in</strong>hergehende Krise des Sozialstaats mil<strong>der</strong>n. E<strong>in</strong>e <strong>der</strong>artige<br />

Renaissance <strong>der</strong> Konzentration auf lebensweltliche Geme<strong>in</strong>schaften <strong>und</strong> bürgerliches<br />

Engagement ist aber letztlich nur <strong>der</strong> hilflose Versuch, e<strong>in</strong>er Enttraditionalisierung sozialer<br />

Geme<strong>in</strong>schaftsbezüge <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er Labilisierung regionaler Geme<strong>in</strong>schaft entgegenzuwirken.<br />

Faktisch aber handelt es schlicht um e<strong>in</strong>en neoliberalen Missbrauch <strong>der</strong> Zivilgesellschaft, die<br />

sich so die Funktionsfähigkeit jenseits ihrer „bl<strong>in</strong>den Flecken“ erschleichen will (vgl. Bergmann<br />

1998, 332; Galuske 1999, 78; Beck 2000, 11). 116<br />

Das ist we<strong>der</strong> illegitim, noch unmoralisch – denn auch das s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Kategorien des<br />

Marktes. Diese neoliberale Diktatur ist e<strong>in</strong>fach nur kurzfristig <strong>und</strong> wi<strong>der</strong>spricht damit <strong>in</strong> sich<br />

selbst je<strong>der</strong> Unternehmensstrategie, die langfristig ausgelegt ist, auf strukturelle Innovationen<br />

setzt o<strong>der</strong> schrittweise geplantes Vorgehen erfor<strong>der</strong>t, um auf Verän<strong>der</strong>ungen adäquat e<strong>in</strong>gehen<br />

zu können. Es ist <strong>der</strong> Konflikt <strong>der</strong> Zeithorizonte, <strong>der</strong> die Unvere<strong>in</strong>barkeit e<strong>in</strong>er Marktlogik mit<br />

e<strong>in</strong>er Kooperationslogik offensichtlich macht. Der Markt kann Kooperation nicht begreifen,<br />

weil Kooperation ab dem Zeitpunkt, wo die Unmittelbarkeit des ökonomischen Tauschs nicht<br />

mehr besteht, schlicht irrational <strong>und</strong> daher falsch ist. Die sogenannten „Ich-Faktoren“ (vgl.<br />

Jansen 2000, 34) als Voraussetzung für e<strong>in</strong>en sozialen Tausch wie: Jobsicherheit, Zugehörigkeit<br />

zu Abteilungen <strong>und</strong> Vorgesetzten, planbare Karrieren <strong>und</strong> <strong>in</strong>formelle Netzwerke dürfen neben<br />

dem ökonomischen Hauptmotiv für Motivation (i.e. Geld <strong>und</strong> Macht) nicht ignoriert werden.<br />

Auch sollten diese nicht-ökonomischen Faktoren nicht dem e<strong>in</strong>zelnen Akteur alle<strong>in</strong> anheim<br />

gestellt werden, da es ansonsten immer unattraktiver wird, selbst e<strong>in</strong>e langfristige B<strong>in</strong>dung an<br />

e<strong>in</strong>e Organisation e<strong>in</strong>zugehen.<br />

Managerkarrieren entscheiden sich aber an primär kurzfristig messbaren <strong>und</strong> raschen<br />

Rationalisierungserfolgen. Es geht nicht mehr darum, im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er langfristigen Perspektive<br />

das Beste zu machen. Die durchschnittliche Dauer f<strong>in</strong>anzieller Anlagen beträgt nicht mehr als<br />

116 Diese Entwicklung bedeutet nicht automatisch, dass sogenannte Freiwilligenarbeit ke<strong>in</strong>erlei Relevanz mehr<br />

hätte. Zech schreibt hierzu: „Die Vermutung, dass die <strong>in</strong>dividualisierten Subjekte ke<strong>in</strong>e Bereitschaft zur<br />

Alltagssolidarität <strong>und</strong> zum Engagement hätten, ist empirisch zu wi<strong>der</strong>legen“ (2000, 22). Se<strong>in</strong>es Erachtens ist<br />

bürgerschaftliches Engagement weitaus verbreiteter als geme<strong>in</strong>h<strong>in</strong> angenommen. „Die Mitglie<strong>der</strong>zahlen <strong>in</strong><br />

Nonprofit-Organisationen steigen <strong>in</strong>sgesamt an, allerd<strong>in</strong>gs nur im Bereich Selbsthilfe, Kultur, Freizeit <strong>und</strong> Sport.<br />

Traditionelle Wohlfahrtsorganisationen, Parteien, Kirche <strong>und</strong> Gewerkschaften gehören weiterh<strong>in</strong> zu den<br />

Verlierern“ (ebd. <strong>in</strong> Bezug auf Priller/ Zimmer 1999, 23). M.E. ist aber gerade dies e<strong>in</strong> Beleg dafür, dass<br />

universale Ansprüche, wie gewerkschaftliche Solidarität o<strong>der</strong> christliche Nächstenliebe, persönlich-<strong>in</strong>dividuell<br />

eben ke<strong>in</strong>e Nutzenmaximierung mehr versprechen. Vor allem steht die ökonomische Frage im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>: „wie<br />

sieht me<strong>in</strong> <strong>in</strong>dividuell zu erwarten<strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>n aus?“ „Tue Gutes <strong>und</strong> rede darüber“. Das dürfte e<strong>in</strong>em moralischen<br />

Anspruch an Ehrenamt eigentlich nicht genügen – es sei denn, die Prämisse lautet: „Hauptsache irgendwer macht<br />

die Arbeit, egal was er sich dabei denkt“. Das heißt wie<strong>der</strong>um nicht, dass ehrenamtliche Arbeit <strong>in</strong> (vor)mo<strong>der</strong>nen<br />

<strong>Zeiten</strong> nicht ebenso e<strong>in</strong>en persönlichen Nutzen gebracht hätte, es war aber m.E. e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e, e<strong>in</strong>e universaler<br />

wirkende Motivation dah<strong>in</strong>ter – mit all ihrer Dogmatik. Das macht die heutige Arbeit nicht schlechter, aber<br />

„unberechenbarer“, weil sie <strong>in</strong> den kurzfristigen Launen <strong>der</strong> Akteure <strong>und</strong> ihrem Eigen<strong>in</strong>teresse gr<strong>und</strong>gelegt ist.<br />

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