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Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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dann sche<strong>in</strong>t es den Geschmack des Käuflichen <strong>und</strong> damit Ord<strong>in</strong>ären zu bekommen; man<br />

denke nur an die käufliche Liebe (vgl. Deutschmann 1999, 7f). An<strong>der</strong>erseits ist Kapital<br />

akkumulierte Arbeit, entwe<strong>der</strong> <strong>in</strong> objektiver Form von Materie o<strong>der</strong> <strong>in</strong> ver<strong>in</strong>nerlichter,<br />

„<strong>in</strong>korporierter“ Form, <strong>und</strong> diese Akkumulation von Kapital braucht Zeit (B 184). Die Formel<br />

hierfür lautet: Kapital ist gleich (akkumulierte) Arbeit mal Zeit.<br />

Der primär ökonomisch orientierte Kapitalbegriff <strong>der</strong> Wirtschaftstheorie ist für<br />

Bourdieu e<strong>in</strong>e „historische Erf<strong>in</strong>dung des Kapitalismus“ (ebd.), <strong>der</strong> die Gesamtheit<br />

gesellschaftlicher Austauschverhältnisse auf den bloßen Warentausch reduziert. Dieser Tausch<br />

f<strong>in</strong>det dabei auf e<strong>in</strong>em – mehr o<strong>der</strong> weniger perfekten – Markt statt. Bezieht man dieses<br />

ökonomische Gesetz des Marktes unmittelbar auf soziale Austauschbeziehungen, dann besagt<br />

es, dass das, „was man hat o<strong>der</strong> was man verdient, vollkommen bestimmt, was man „wert“ ist<br />

<strong>und</strong> was man ist.“(B 196). E<strong>in</strong> solcher Kapitalbegriff zeichnet sich damit durch se<strong>in</strong>e<br />

Unmittelbarkeit, vollständige Bestimmbarkeit <strong>und</strong> direkte Konvertierbarkeit <strong>in</strong> Geld aus. Der<br />

Tausch kann 1:1 stattf<strong>in</strong>den <strong>und</strong> ist damit auch schon beendet.<br />

Bourdieu ergänzt diesen ökonomischen Kapitalbegriff durch zwei weitere<br />

Kapitalformen: zum E<strong>in</strong>en das kulturelle, zum an<strong>der</strong>en das soziale Kapital. Das kulturelle<br />

Kapital lässt sich dabei am e<strong>in</strong>fachsten mit Colemans Def<strong>in</strong>ition des Humankapitals (C 394)<br />

vergleichen. Humankapital wird geschaffen, <strong>in</strong>dem Personen so verän<strong>der</strong>t werden, dass sie<br />

Fertigkeiten <strong>und</strong> Fähigkeiten erlangen, die ihnen erlauben, auf neue Art <strong>und</strong> Weise zu handeln.<br />

Bourdieu zählt über diesen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Worten <strong>in</strong>korporierten Zustand h<strong>in</strong>aus noch den<br />

objektivierten, <strong>in</strong> Form kultureller Güter, Bil<strong>der</strong>, Bücher, etc., sowie den <strong>in</strong>stitutionalisierten<br />

Zustand h<strong>in</strong>zu. Letzterer stellt e<strong>in</strong>e Form von Objektivation dar 6 (B 185).<br />

Das soziale Kapital „ist die Gesamtheit <strong>der</strong> aktuellen <strong>und</strong> potentiellen Ressourcen, die<br />

mit dem Besitz e<strong>in</strong>es dauerhaften Netzes von mehr o<strong>der</strong> weniger <strong>in</strong>stitutionalisierten<br />

Beziehungen gegenseitigen Kennens o<strong>der</strong> Anerkennens verb<strong>und</strong>en s<strong>in</strong>d; o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s<br />

ausgedrückt, es handelt sich dabei um Ressourcen, die auf <strong>der</strong> Zugehörigkeit zu e<strong>in</strong>er Gruppe<br />

beruhen“ (B 190, kursiv im Orig<strong>in</strong>al). Und nach Coleman entsteht soziales Kapital, wenn sich<br />

Beziehungen<br />

zwischen Personen so verän<strong>der</strong>n, dass bestimmte Handlungen erleichtert werden.<br />

„Beispielsweise wird e<strong>in</strong>e Gruppe, <strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong> vertrauenswürdig s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> sich<br />

6 Derartige „Objektivationen“ stellen für Bourdieu ganz allgeme<strong>in</strong> Titel dar: Schulische Titel sollen e<strong>in</strong> Zeugnis<br />

für „kulturelle Kompetenz“ se<strong>in</strong>, berufliche Titel die Anschlussfähigkeit an das betriebliche Unternehmens-system<br />

sicherstellen.<br />

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