01.12.2014 Aufrufe

Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Jenseits e<strong>in</strong>es re<strong>in</strong>en Opportunismus‘<br />

Abraham L<strong>in</strong>coln (16. Präsident <strong>der</strong> USA 1860-1865) drückte es wie folgt aus: „Schafft die<br />

Zölle ab <strong>und</strong> unterstützt den Freihandel, dann werden unsere Arbeiter <strong>in</strong> jedem Bereich <strong>der</strong><br />

Wirtschaft wie <strong>in</strong> Europa auf das Niveau von Leibeigenen <strong>und</strong> Paupern heruntergebracht“ (zit.<br />

n. Mart<strong>in</strong>/ Schumann 2000, 137). Das Dilemma um die Grenzenlosigkeit des Marktes ist nicht<br />

gerade neu, <strong>und</strong> dass <strong>der</strong> Markt alle<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e gerechte Verteilung – auch nicht <strong>der</strong> Arbeit<br />

schaffen kann, ist als Aussage eigentlich trivial, da Gerechtigkeit überhaupt ke<strong>in</strong>e Kategorie<br />

des Marktes darstellt. Die Argumentation für die Notwendigkeit e<strong>in</strong>es politischen Rahmens, <strong>in</strong><br />

dem die Wirtschaft agieren kann, muss folglich aus e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Richtung kommen. Es gilt<br />

aufzuzeigen, auf wessen Kosten sich <strong>der</strong> freie Markt entwickelt <strong>und</strong> <strong>in</strong>wieweit Kultur,<br />

Gesellschaft <strong>und</strong> Politik nur noch zu Restgrößen globaler Wirtschaftsprozesse werden. „Der<br />

real existierende Kapitalismus braucht, wenn er nicht an fühlloser Kälte zugr<strong>und</strong>e gehen soll,<br />

außer <strong>der</strong> unsichtbaren Hand des Marktes auch e<strong>in</strong> sichtbares Herz“ (Sommer 2000, 1).<br />

Aufgr<strong>und</strong> wirtschaftlicher Krisen, <strong>und</strong> hierbei <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> verfestigten<br />

Arbeitslosigkeit, s<strong>in</strong>d über die Jahre die Produktionsverhältnisse <strong>und</strong> die gesellschaftlichen<br />

Voraussetzungen, auf die e<strong>in</strong> funktionsfähiger Markt angewiesen ist, brüchig geworden.<br />

„Wenn ich nämlich auf e<strong>in</strong>en Wochenmarkt gehe, erwarten die Gemüsehändler <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Obsthändler von mir, dass ich ihren Stand nicht umwerfe; ich erwarte von ihnen, dass sie mich<br />

nicht jedes Mal über den Tisch ziehen. Treu <strong>und</strong> Glauben o<strong>der</strong> die guten Sitten nennen ehrbare<br />

Kaufleute solche verlässliche Erwartungen. Wenn umgekehrt immer mehr private Sheriffs an<br />

den Kaufhaustüren den Ladendiebstahl e<strong>in</strong>zudämmen suchen, dann s<strong>in</strong>d sie nicht bloß e<strong>in</strong>e<br />

Antwort auf die Nachfrage <strong>der</strong> Geschäftsleute, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Ausdruck e<strong>in</strong>er wachsenden<br />

Schieflage <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensverteilung“ (Hengsbach 1999, 118).<br />

Kann es e<strong>in</strong>e neoliberale Variante <strong>der</strong> Zivilgesellschaft überhaupt geben, wenn<br />

„Selbstverantwortung“ <strong>und</strong> „Zivilgesellschaft“ nur beschönigende Worte für e<strong>in</strong>e Politik s<strong>in</strong>d,<br />

welche die Kosten <strong>und</strong> Probleme auf den so genannten selbstverantwortlichen Bürger abwälzt:<br />

„Hier wird das hohe Wort <strong>der</strong> Selbstverantwortung missbraucht <strong>und</strong> Individuen werden zu<br />

Müllschluckern aller sozialen <strong>und</strong> ökonomischen Folgeprobleme privater Gew<strong>in</strong>nmaximierung<br />

<strong>und</strong> des Staatsabbaus gemacht“ (Beck 2000,11).<br />

Den vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung stellt allerd<strong>in</strong>gs die For<strong>der</strong>ung nach<br />

Bürgerarbeit dar. Bürgerarbeit ist dann das freiwillige soziale Engagement jenseits von<br />

Erwerbsarbeit <strong>und</strong> Freizeitbeschäftigung. Sie ist geme<strong>in</strong>wohlorientiert <strong>und</strong> soll<br />

nichtmarktgängige Tätigkeitsfel<strong>der</strong> erschließen <strong>und</strong> so die Folgen des Bedeutungsschw<strong>und</strong>s<br />

140

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!