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Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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Mehr Autonomie <strong>und</strong> Verantwortung seitens des e<strong>in</strong>zelnen Akteurs be<strong>in</strong>haltet e<strong>in</strong>erseits<br />

die Tendenz zur Höherqualifizierung aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Aufgabenerweiterung. Dies führt jedoch<br />

an<strong>der</strong>erseits auf dem Arbeitsmarkt, beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Randgruppen, zu verstärkten<br />

Verdrängungs- <strong>und</strong> Dequalifizierungsprozessen (vgl. Ick<strong>in</strong>g 2000, 69). Outsourc<strong>in</strong>g <strong>und</strong> schlanke<br />

Kernorganisationen be<strong>in</strong>halten immer auch „soziale Schließung“ <strong>und</strong> „Ausbeutung <strong>der</strong><br />

Peripherie durch das Zentrum“ (Jürgens 1994, 197). Beson<strong>der</strong>s auffällig ist dies, wenn ganze<br />

Unternehmenssparten aufgesplittet werden <strong>und</strong> dies nicht zuletzt deshalb, um aus den<br />

Arbeitgeberverbänden ausscheiden zu können. Tarifflucht ist hierbei das Schlagwort, mit dem<br />

es möglich wird, die Arbeitszeiten <strong>der</strong> Mitarbeiter von 35 auf 40 St<strong>und</strong>en ganz ohne<br />

Lohnausgleich 105 anzuheben, mit <strong>der</strong> generalpräventiven Argumentation, dass es ke<strong>in</strong>en<br />

an<strong>der</strong>en Weg gäbe, gegen kle<strong>in</strong>ere Dienstleister konkurrieren zu können <strong>und</strong> sonst<br />

„Freisetzungen“ drohten.<br />

Die Leitbil<strong>der</strong> <strong>der</strong> Firmenphilosophien, an denen sich die Restrukturierung <strong>in</strong>dustrieller<br />

Kernbereiche gegenwärtig orientiert, ist die Beteiligung – genauer: die direkte Partizipation <strong>der</strong><br />

Beschäftigten. Allerd<strong>in</strong>gs geht die Initiative zur Propagierung von Arbeitnehmerbeteiligung<br />

diesmal nicht von den Betriebsräten <strong>und</strong> Gewerkschaften aus. Es s<strong>in</strong>d Teile des Managements,<br />

die unter den Fahnen von Lean, Gruppenarbeit <strong>und</strong> Dezentralisierung für e<strong>in</strong>e aktive<br />

E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Lohnabhängigen <strong>in</strong> unternehmerische Planungs- <strong>und</strong> Entscheidungsprozesse<br />

werben. Die Tatsache, dass sich die Interessen von Arbeitnehmern <strong>und</strong> Management oft<br />

erheblich vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> unterscheiden, ebenso wie von unterschiedlichen Arbeitnehmergruppen,<br />

<strong>und</strong> diese Unterschiede auch weiterbestehen, parallel zum geme<strong>in</strong>samen Interesse am Erhalt<br />

des Unternehmens, verschw<strong>in</strong>den fast vollständig <strong>in</strong> diesen Überlegungen. 106 Man kann sich<br />

des E<strong>in</strong>drucks nicht erwehren, dass es sich bei all diesen unternehmerischen<br />

Partizipationsofferten schlicht um subtile Herrschaftsmittel handelt, welche unmittelbar auf die<br />

Persönlichkeit des Arbeiters abzielen (vgl. Dörre 1996, 7). Die These, dass <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelne zum<br />

Unternehmer se<strong>in</strong>er Arbeitskraft werden soll, täuscht schlicht darüber h<strong>in</strong>weg, dass auch <strong>in</strong><br />

absehbarer Zukunft die Mehrheit <strong>der</strong> Erwerbsbevölkerung ganz o<strong>der</strong> teilweise abhängig<br />

beschäftigt se<strong>in</strong> wird.<br />

Der Bericht <strong>der</strong> bayerisch-sächsische Zukunftskommission (von 1996/97 vgl. Bergmann<br />

1998, 325f) schlägt als Anpassungsstrategie für die Lohnpolitik die komplette Auflösung<br />

e<strong>in</strong>heitlicher branchenweiter Tarifverträge vor sowie e<strong>in</strong>e dezentrale Lohnf<strong>in</strong>dung <strong>und</strong> die<br />

Flexibilisierung <strong>der</strong> Arbeitszeiten, h<strong>in</strong> zu Teilarbeit. „Der Weg ist frei für mehr Eigen<strong>in</strong>itiative<br />

105 Dies entspricht e<strong>in</strong>er faktischen Gehaltskürzung von 14,3 % (vgl. auch Gesterkamp 1998, 52).<br />

106 „Management by Love“ o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gedanke <strong>der</strong> Organisation als e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heit spiegelt diese mutmaßliche<br />

Symbiotik wi<strong>der</strong> (vgl. auch Drexel 1998, 54).<br />

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