01.12.2014 Aufrufe

Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Entwicklungszeiten, die Rentabilitätszeiten <strong>der</strong> Unternehmen sowie die „Wissenshalbwertzeiten“<br />

haben sich ebenfalls verkürzt.<br />

Drittens führt <strong>der</strong> Wegfall <strong>der</strong> Grenzen, die Integration Europas <strong>und</strong> <strong>der</strong> Fall des<br />

Eisernen Vorhangs zu e<strong>in</strong>er Entgrenzung, die als Globalisierung beschrieben wird.<br />

Und dieser Abbau <strong>in</strong>ternationaler Handelsschranken entfesselt viertens nicht nur die<br />

F<strong>in</strong>anzmärkte, son<strong>der</strong>n weitet den Wettbewerb unter verschärften Bed<strong>in</strong>gungen faktisch ohne<br />

Beschränkung aus, was zu e<strong>in</strong>er gr<strong>und</strong>sätzlichen Deregulierung <strong>in</strong> allen Sektoren führt.<br />

Diese neu aufkommende Gesellschaftsform nun lediglich als Informations- o<strong>der</strong><br />

Wissensgesellschaft zu beschreiben, ist eigentlich zu e<strong>in</strong>seitig, da zunächst nur e<strong>in</strong> Paradigma,<br />

nämlich Arbeit o<strong>der</strong> Industrie, i.S.v. Arbeits- <strong>und</strong> Industriegesellschaft, durch e<strong>in</strong> neues ersetzt<br />

wird. Der Gr<strong>und</strong> für die zahlreichen Krisensymptome liegt vielmehr <strong>in</strong> <strong>der</strong> Diskrepanz<br />

zwischen <strong>der</strong> <strong>in</strong>dustriegesellschaftlichen Prägung <strong>der</strong> Arbeit <strong>und</strong> den Herausfor<strong>der</strong>ungen e<strong>in</strong>er<br />

flexibel regulierten Dienstleistungs- <strong>und</strong> <strong>in</strong>novationszentrierten Wissensgesellschaft.<br />

Heidenreich (1998, 322) def<strong>in</strong>iert daher wie folgt: „E<strong>in</strong>e Wissensgesellschaft ist e<strong>in</strong>e<br />

Gesellschaft, <strong>der</strong>en wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie von dem verfügbaren<br />

Arbeits- o<strong>der</strong> Kapitalvolumen, son<strong>der</strong>n von <strong>der</strong> Organisation sozialer Beziehungen<br />

<strong>und</strong> von <strong>der</strong> Fähigkeit zur systematischen Erzeugung, zur flexiblen Rekomb<strong>in</strong>ation <strong>und</strong> zur<br />

produktiven Nutzung von Wissen abhängt“.<br />

Das eigentliche Problem gestaltet sich jetzt jedoch folgen<strong>der</strong>maßen: Sowohl die<br />

ständische Berufsgesellschaft als auch die Industriegesellschaft waren durchaus <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage,<br />

Gewissheit zu erzeugen. Diese Reduktion von Ungewissheit war dabei ke<strong>in</strong>eswegs das<br />

Hauptziel <strong>der</strong> Zünfte o<strong>der</strong> <strong>der</strong> „klassischen Kapitalisten“, es war aber möglich, e<strong>in</strong>e Setzung<br />

vorzunehmen <strong>und</strong> diese auch durchzuhalten. Und wenn Ford sagt, dass se<strong>in</strong>e Autos jede Farbe<br />

haben können, solange sie nur schwarz s<strong>in</strong>d, dann tat man gut, sich darauf zu verlassen, dass er<br />

es genauso me<strong>in</strong>te, wie er es gesagt hat. Es ist aber nicht mehr die Zeit für diktatorische<br />

Patriarchen wie Henry Ford auf Unternehmerebene o<strong>der</strong> für Meta-Erzählung (Lyotard) 100 auf<br />

Gesellschaftsebene. Das ist ke<strong>in</strong> Gr<strong>und</strong> für Traurigkeit, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Schlüssel zur<br />

Ungewissheit <strong>und</strong> mehr noch, es ist <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong> dafür, dass <strong>Vertrauen</strong> zu e<strong>in</strong>em Gegenstand<br />

erhöhter Aufmerksamkeit geworden ist.<br />

100 Die drei großen Meta-Erzählungen <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne: die aufklärerische von <strong>der</strong> Emanzipation <strong>der</strong> Menschheit, die<br />

idealistische von <strong>der</strong> Teleologie des Geistes <strong>und</strong> die historische von <strong>der</strong> Hermeneutik des S<strong>in</strong>ns (vgl. Lyotard<br />

1988, 169f).<br />

121

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!