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Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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e<strong>in</strong> guter Handwerker zu se<strong>in</strong>, waren e<strong>in</strong>deutig – bot ihm die Gesellschaft als Gegenleistung<br />

Status, Anerkennung <strong>und</strong> E<strong>in</strong>kommen (vgl. auch Harney 1993). Natürlich wurde auch das konkrete<br />

Ergebnis <strong>der</strong> Arbeit kontrolliert, aber es wurde nicht auf das bloße Produkt reduziert. Das<br />

Arbeitsethos des Produzenten selbst stand jeweils auf dem Spiel, <strong>in</strong> Frage gestellt zu werden.<br />

Kontrolliert wurde <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne die Kont<strong>in</strong>uität des Status Quo. Geißler (1999, 5) zitiert aus<br />

e<strong>in</strong>er Zunfturk<strong>und</strong>e von 1523: „Ke<strong>in</strong> Handwerksmann soll etwas Neues erdenken o<strong>der</strong> erf<strong>in</strong>den<br />

o<strong>der</strong> gebrauchen, son<strong>der</strong>n je<strong>der</strong> soll aus bürgerlicher Liebe se<strong>in</strong>em Nächsten folgen <strong>und</strong> se<strong>in</strong><br />

Handwerk ohne des nächsten Schaden treiben“. Unter dieser Konstellation war <strong>der</strong><br />

Zusammenhalt <strong>der</strong> Gesellschaft gesetzlich verordnet <strong>und</strong> die Solidarität <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Stände<br />

durch die Korporation reguliert <strong>und</strong> je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> etwas än<strong>der</strong>n wollte, wurde <strong>der</strong> vorsätzlichen<br />

Schädigung des harmonisierten Geme<strong>in</strong>wesens bezichtigt. 98<br />

II.<br />

Die Industriegesellschaft:<br />

Im Zeitalter <strong>der</strong> Industrialisierung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Massenproduktion verloren die Zünfte <strong>und</strong><br />

Korporationen ihre e<strong>in</strong>st dom<strong>in</strong>ante Def<strong>in</strong>itionsmacht. Die Gesellschaft wurde nun nicht mehr<br />

ausschließlich mit Hilfe von Arbeit <strong>und</strong> Beruf entwickelt <strong>und</strong> stabilisiert. Arbeitsteilung war<br />

nicht mehr die Teilung zwischen den Gewerben, son<strong>der</strong>n die Zerteilung des Arbeitsablaufs<br />

selbst.<br />

Die neu aufkommenden Formen <strong>in</strong>dustrieller Tätigkeiten wirkten ihrerseits als<br />

strukturbestimmende Dimensionen subjektivitätsbilden<strong>der</strong> Vergesellschaftungs- <strong>und</strong><br />

Sozialisationsprozesse. Die Kernkategorien dieser ersten Mo<strong>der</strong>ne waren die Industrie, <strong>der</strong><br />

Nationalstaat, <strong>der</strong> Technikglaube <strong>und</strong> das wissenschaftliche Wahrheitsmonopol (vgl. Markert<br />

1998, 64). So g<strong>in</strong>g es auch bei <strong>der</strong> Durchsetzung <strong>der</strong> Doktr<strong>in</strong>en von Taylor <strong>und</strong> Ford Anfang des<br />

20. Jahrh<strong>und</strong>erts <strong>in</strong> Deutschland nicht nur um e<strong>in</strong> neues Managementkonzept, son<strong>der</strong>n<br />

gleichsam um e<strong>in</strong>e gesellschaftspolitische Botschaft, die e<strong>in</strong>e Lösung <strong>der</strong> sozialen Konflikte<br />

durch technischen Fortschritt <strong>und</strong> Massenwohlstand versprach (vgl. Deutschmann 1999, 147). Diese<br />

Managementkonzepte entstanden aber nicht aus den Traditionen des Handwerks o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Zünfte, son<strong>der</strong>n aus <strong>der</strong> Masch<strong>in</strong>enbau<strong>in</strong>dustrie. Die Arbeit wurde zum passiven Faktor <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Produktion, zum „bloßen Anhängsel <strong>der</strong> Masch<strong>in</strong>en“ (Littler 1987, 71) degradiert. Berufliche<br />

Fähigkeiten waren ke<strong>in</strong>e Voraussetzungen mehr, um am Produktionsprozess teilzunehmen <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> Inhalt <strong>und</strong> das Tempo <strong>der</strong> Arbeit wurde durch die Anordnung <strong>der</strong> Betriebsanlagen <strong>und</strong> die<br />

98 Das ist wohl <strong>der</strong> Preis, den man für staatlich garantierte Vertrautheit bezahlen muss. So mag es auch Menschen<br />

geben, die <strong>der</strong> Solidarität zu <strong>Zeiten</strong> <strong>der</strong> DDR nachtrauern – auch diese Geme<strong>in</strong>schaftlichkeit hatte ihren Preis.<br />

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