Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit
Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit
ereuen, wenn es schief geht. Zuversicht wirkt sich in diesem Sinne auch nicht auf die Situation selbst aus. Ob ein Akteur zuversichtlich ist, dass die Regierung hält, was sie verspricht, bleibt seine Angelegenheit. Vertraute Räume wie Nachbarschaft, Clubs, Vereine, Seilschaften etc. sind als Institutionen insofern immer schon da. Die Situation nimmt eine andere Gestalt an, wenn das Risiko die unmittelbare Folge einer Entscheidung im Sinne einer Vertrauensentscheidung darstellt. Ein Gemälde bei einem Händler zu kaufen beinhaltet das Risiko, dass es sich um eine Fälschung handeln könnte. Die Alternative wäre es dann, das Bild nicht zu kaufen und das Risiko gänzlich zu vermeiden. Bereuen könnte man beides: das Bild gekauft, oder nicht gekauft zu haben. Die Frage in diesem Beispiel ist dann: Ist es, unter den gegebenen Bedingungen, dem Treuhänder zuzutrauen, dass er das Vertrauen des Treugebers nicht missbrauchen wird? Eine derartige Entscheidungssituation, welche als Zutrauen definiert wurde, lässt sich dann auf die Parameter einer Wette reduzieren: Der Treugeber vergleicht den möglichen Verlust bei Vertrauensmissbrauch mit dem möglichen Gewinn und aufgrund eines bestimmtes Verhältnisses von Vertrauenswürdigkeit und -unwürdigkeit vergibt er Vertrauen. Das Problem an dieser Gleichung ist nicht die einfache Kontingenz der Situation, da die Entscheidung, jemandem etwas zuzutrauen oder nicht, in diesem Sinne immer einfach kontingent konzipiert ist. Das Problem ist, dass das Soziale fast ausschließlich auf die Kalkulation von Parametern reduziert werden muss. Damit lässt sich zwar eine Gleichung modellieren, aber die Gleichung hat nicht mehr viel mit Vertrauen zu tun. Denn wenn sich potentiell Vertrauen hinreichend durch ein funktionales Äquivalent ersetzen lässt, wenn eine Situation unter Risiko in eine Situation von Gewissheit überführt werden kann, dann wird Vertrauen nicht mehr benötigt. Vertrauen ist dann die Form, welche ausschließlich mit Ungewissheit umgehen muss. Und diese Ungewissheit besteht tendenziell bereits in einfach kontingenten Situationen, da es bspw. keine intersubjektiv vergleichbare Skalierung von Vertrauenswürdigkeit geben kann. Potenziert wird diese Ungewissheit jedoch endgültig in doppelt kontingenten Situationen, sowohl zwischen zwei Akteuren als auch sich selbst gegenüber. 91 Ab wann eine Kneipe zur Stammkneipe oder ein Kuss zur Gewohnheit wurde, lässt sich meist erst im Nachhinein feststellen. 111
Vertrauen fängt dort an, wo Kalkulierbarkeit und Kontrollierbarkeit aufhören, bzw. hat weder mit dem einen, noch mit dem anderen etwas zu tun. Vertrauen ist eine Entscheidung unter Ungewissheit 92 , mit dem Ziel, sich gegenseitig einen Spielraum zu eröffnen. Damit bleibt ein Akteur zurück, der sich im Bewusstsein seiner begrenzten Rationalität aufgrund eines aufgeklärten Eigeninteresses auf einen anderen Akteur selbst einlässt. Er vertraut dabei nicht (allein) auf dessen Motivstruktur im Sinne einer gemeinsamen Zielerreichung, sondern verlässt sich auf die Kontingenz des anderen selbst. Dieses Sich- Verlassen auf den anderen unterliegt dann der spezifischen Einschätzung des Treugebers über die Vertrauenswürdigkeit des Treuhänders. Der Schlüssel zum Vertrauen verbleibt in der Freiheit des Treugebers. Für Böhme (1998) nimmt Vertrauen dann die Form einer Tugend an. D.h., Vertrauen kann man nicht einfordern oder erzwingen, da das Tugendhafte gerade nicht die Erfüllung einer äußeren Pflicht beinhalten darf. Vertrauen stellt die Bereitschaft eines Akteurs dar, sich als Souverän einem Risiko auszusetzen, im Wissen, dass die Verhältnisse nicht halten müssen, was sie versprechen. Jemandem zu vertrauen heißt damit immer, ihm zugleich einen Vertrauensvorschuss zu gewähren. Dem Gegenüber zu unterstellen, dass er meint, was er sagt, bedeutet durch Vertrauen die Subjektivität des anderen anzunehmen. Vertrauen ist dann eine an den Akteur gebundene Kompetenz und stellt eine dispositionale Handlungsfähigkeit dar. Letztlich bleibt es dabei: Erstens bedeutet Vertrauen eine Entscheidung unter Risiko 93 im Bewusstsein um die Nicht-Reduzierbarkeit auf formelhafte, situative Parameter. Und von daher gründet Vertrauen zweitens auf rationaler Kalkulation, unter den Bedingungen von sozialer Vertrautheit oder persönlicher Selbst-Vertrautheit 94 . D.h., weil Vertrauen sozial bedingt ist, kann es nicht un-sozial grundgelegt werden. Vertrauen erheischt dann Vertrauen und kann zur Konsequenz seiner eigenen Voraussetzung werden. Der Nutzen liegt dann nicht darin, Unsicherheit zu eliminieren, sondern willentlich einen Spielraum positiver Konnotation von Handlungen zu erzeugen im Wissen um die Gemachtheit und Bedingtheit dieser Entscheidung. In diesem Arrangement mehrt Vertrauen sich selbst als soziales Kapital und „erzieht“ die Akteure, indem es ihnen die Freiheit lässt, so zu werden, wie man es ihnen positiv unterstellt. 92 Dies gilt prinzipiell ebenso für Zutrauen, was nicht weiter explizit behandelt, sondern lediglich implizit vorausgesetzt wird. 93 Risiko hierbei lediglich im Sinne von riskant und nicht in der Unterscheidung: Risiko versus Ungewissheit. 94 In diesem Sinne ist auch Selbstvertrauen eine zur Gewohnheit gewordene Selbstdarstellung, welche sich selbst gegenüber Vertrautheit erzeugt und Komplexität reduziert. 112
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ereuen, wenn es schief geht. Zuversicht wirkt sich <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne auch nicht auf die<br />
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diesem Beispiel ist dann: Ist es, unter den gegebenen Bed<strong>in</strong>gungen, dem Treuhän<strong>der</strong><br />
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Das Problem an dieser Gleichung ist nicht die e<strong>in</strong>fache Kont<strong>in</strong>genz <strong>der</strong> Situation, da die<br />
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potentiell <strong>Vertrauen</strong> h<strong>in</strong>reichend durch e<strong>in</strong> funktionales Äquivalent ersetzen lässt, wenn e<strong>in</strong>e<br />
Situation unter Risiko <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Situation von Gewissheit überführt werden kann, dann wird<br />
<strong>Vertrauen</strong> nicht mehr benötigt.<br />
<strong>Vertrauen</strong> ist dann die Form, welche ausschließlich mit Ungewissheit umgehen muss.<br />
Und diese Ungewissheit besteht tendenziell bereits <strong>in</strong> e<strong>in</strong>fach kont<strong>in</strong>genten Situationen, da es<br />
bspw. ke<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tersubjektiv vergleichbare Skalierung von <strong>Vertrauen</strong>swürdigkeit geben kann.<br />
Potenziert wird diese Ungewissheit jedoch endgültig <strong>in</strong> doppelt kont<strong>in</strong>genten Situationen,<br />
sowohl zwischen zwei Akteuren als auch sich selbst gegenüber.<br />
91 Ab wann e<strong>in</strong>e Kneipe zur Stammkneipe o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Kuss zur Gewohnheit wurde, lässt sich meist erst im<br />
Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> feststellen.<br />
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