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Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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se<strong>in</strong>e eigene Selbstdarstellung so zu konzipieren, dass er dem <strong>Vertrauen</strong> se<strong>in</strong>er Frau gerecht<br />

wird – wenn ihm etwas daran liegt.<br />

Feld II <strong>und</strong> IV.<br />

Eigentlich hat <strong>der</strong> Mann ja e<strong>in</strong>e „re<strong>in</strong>e Weste“, weil er se<strong>in</strong>e Frau nicht betrogen hat, so<br />

dass es ihm nichts ausmachen dürfte, wenn se<strong>in</strong>e Frau den Brief liest. Aber vielleicht ist er nun<br />

misstrauisch geworden, da er sich sagt: Wie kommt me<strong>in</strong>e Frau dazu, mir etwas so<br />

Ungeheuerliches zu unterstellen. Wenn sie bei e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>fachen Brief schon so reagiert, dann<br />

kann es mit ihrem <strong>Vertrauen</strong> ja nicht weit her se<strong>in</strong>.<br />

Öffnet die Frau den Brief (Feld II), so wird sie die Unschuld ihres Mannes erkennen,<br />

dieser wird nun vielleicht se<strong>in</strong>erseits se<strong>in</strong>e Frau verlassen, weil er diesen <strong>Vertrauen</strong>sbruch für<br />

zu groß empf<strong>in</strong>det. Öffnet die Frau den Brief nicht (Feld IV), so gew<strong>in</strong>nen beide wie<strong>der</strong> Zeit.<br />

Wobei nun beide ihre Selbstdarstellung überprüfen werden, die Frau, ob nicht doch etwas<br />

gewesen se<strong>in</strong> könnte <strong>und</strong> <strong>der</strong> Mann bzgl. des <strong>Vertrauen</strong>s se<strong>in</strong>er Frau zu ihm.<br />

Kann ich jemandem vertrauen, obwohl ich misstrauisch b<strong>in</strong>? Vermutlich werde ich ihm<br />

dann vertrauen, wenn ich mich auf se<strong>in</strong>e Selbstdarstellung verlassen kann. Hierzu schreibt<br />

Fichte 1798: „In Absicht dessen, worauf zu rechnen ich e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en veranlasst habe, b<strong>in</strong> ich<br />

nicht mehr bloß von mir, son<strong>der</strong>n von dem An<strong>der</strong>en mit abhängig: Ich b<strong>in</strong> hierüber <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en<br />

Diensten; ich kann me<strong>in</strong> Wort nicht zurückziehen, ohne diejenigen se<strong>in</strong>er Handlungen, die er<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Hoffnung auf me<strong>in</strong> Versprechen getan hat, zu vereiteln, sonach ohne se<strong>in</strong>e Kausalität <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> S<strong>in</strong>nenwelt zu stören“ (zit. n. Emrich 1998, 104). Trau ich me<strong>in</strong>em Gegenüber zu, dass er<br />

willentlich me<strong>in</strong>em <strong>Vertrauen</strong> gerecht werden will, dann ist me<strong>in</strong>e Verw<strong>und</strong>barkeit die<br />

Vorleistung <strong>und</strong> das Instrument <strong>der</strong> Initiation <strong>der</strong> <strong>Vertrauen</strong>sbeziehung, weil ich dem An<strong>der</strong>en<br />

zugleich damit klar gemacht habe, dass ich ihm se<strong>in</strong>e (Selbst-) Darstellung zutraue.<br />

Diese Form von <strong>Vertrauen</strong> ist damit hoch reflexiv, weil sie die Fehlbarkeit <strong>und</strong> Freiheit<br />

des an<strong>der</strong>en mitdenkt, <strong>und</strong> ihm wahrsche<strong>in</strong>lich gerade dadurch gerechter wird als die<br />

unmenschliche For<strong>der</strong>ung, von jemandem bl<strong>in</strong>de Treue zu verlangen.<br />

<strong>Vertrauen</strong> ist nicht die Fortsetzung des Immergleichen. <strong>Vertrauen</strong> ist <strong>der</strong> Spielraum für<br />

die vielfältigen Handlungsalternativen <strong>der</strong> Akteure, die nur unter e<strong>in</strong>er je bestimmten<br />

Perspektive an Relevanz gew<strong>in</strong>nen. Diese Handlungsweisen können dabei pr<strong>in</strong>zipiell<br />

unerwartet se<strong>in</strong>, sie werden aber nicht beliebig se<strong>in</strong>, wenn den Akteuren an ihrer sozialen<br />

Reziprozität gelegen ist. <strong>Vertrauen</strong> kann dann auch aufrechterhalten werden, wenn man den<br />

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