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Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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Beziehung. Das implizite <strong>Vertrauen</strong>sversprechen <strong>in</strong> diesem Beispiel ließe sich wie folgt<br />

<strong>in</strong>terpretieren: Wenn du mir vertraust, ohne Gewissheit <strong>und</strong> Garantie, dann verlasse dich<br />

darauf, dass ich weiterh<strong>in</strong> vorgeben werde, <strong>der</strong> zu se<strong>in</strong>, <strong>der</strong> ich bisher vorgegeben habe zu<br />

se<strong>in</strong>.<br />

Selbstverpflichtung durchbricht doppelte Kont<strong>in</strong>genz<br />

Auf jemanden vertrauen, heißt se<strong>in</strong>er „Selbigkeit“ zu vertrauen (vgl. Emrich 1998). Diese<br />

Selbigkeit ist die Darstellung <strong>der</strong> eigenen <strong>Vertrauen</strong>swürdigkeit als E<strong>in</strong>schätzbarkeit für den<br />

potentiellen Treugeber. <strong>Vertrauen</strong>swürdigkeit ist die Selbstverpflichtung auf die eigene<br />

Selbstdarstellung als Anhaltspunkt für die Bildung von <strong>Vertrauen</strong> (vgl. Luhmann 1989, 40f).<br />

Das Problem an dieser Darstellung ist, dass man mit sich selbst ebenfalls <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

doppelt kont<strong>in</strong>genten Situation steht: Wenn <strong>Vertrauen</strong> sich darauf bezieht, dass ich mich<br />

darauf verlasse, dass <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e se<strong>in</strong>e Selbstdarstellung fortsetzt, setze ich me<strong>in</strong> <strong>Vertrauen</strong> <strong>in</strong><br />

die Reflexivität dieser Selbstdarstellung.<br />

Die Erwartung besteht nun nicht dar<strong>in</strong>, dass <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e sich nicht verän<strong>der</strong>t; man<br />

erwartet auch nicht, dass er etwas konkret Vorausgesagtes ordnungsgemäß erfüllt, da es sich<br />

dann nur um die Erfüllung von Normen handeln würde. Man erwartet, dass <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />

konsistent dah<strong>in</strong>gehend ist, als was er sich selbst dargestellt hat, um das <strong>Vertrauen</strong> zu<br />

erwerben. Damit bleibt das Risiko sowohl für den Treugeber bestehen als auch letztlich für den<br />

Treuhän<strong>der</strong>, da er selbst zu e<strong>in</strong>em späteren Zeitpunkt se<strong>in</strong>e Selbstdarstellung als überholt<br />

<strong>in</strong>terpretieren kann. So kann sich ja plötzlich die E<strong>in</strong>stellung dah<strong>in</strong>gehend gewandelt haben,<br />

dass man ke<strong>in</strong>en Wert mehr auf das <strong>Vertrauen</strong> des an<strong>der</strong>en legt, bzw. nicht mehr selbst<br />

vertrauen muss. D.h., e<strong>in</strong>e <strong>Vertrauen</strong>sbeziehung bleibt <strong>in</strong> je<strong>der</strong> H<strong>in</strong>sicht riskant, sei es, dass <strong>der</strong><br />

Treuhän<strong>der</strong> von vorne here<strong>in</strong> die Absicht hat, opportunistisch zu handeln o<strong>der</strong> se<strong>in</strong>e eigene<br />

Entwicklung ihn se<strong>in</strong>e Me<strong>in</strong>ung än<strong>der</strong>n lässt.<br />

Das Konzept, sowohl <strong>Vertrauen</strong> als auch <strong>Vertrauen</strong>swürdigkeit als aufgeklärtes<br />

Eigen<strong>in</strong>teresse zu konzipieren, hieße wie<strong>der</strong>um, sich auf die Rationalität zu verlassen. Wie<br />

auch sonst wäre reflexives <strong>Vertrauen</strong> möglich, da man dem Chaos ja nicht trauen kann.<br />

<strong>Vertrauen</strong> hat somit nicht mehr viel mit Faktizität o<strong>der</strong> Wahrheit zu tun. <strong>Vertrauen</strong> ist<br />

e<strong>in</strong> Abkommen, <strong>in</strong> dem man den an<strong>der</strong>en <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er dargestellten Subjektivität als gegeben<br />

nimmt, im Wissen, dass dieser sich selbst dadurch b<strong>in</strong>det.<br />

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