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Vertrauen und Vertrauensspielräume in Zeiten der Unkontrollierbarkeit

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dass dieser sich abwerben lässt. Der Arbeitnehmer als Treugeber geht e<strong>in</strong> Risiko e<strong>in</strong>, wenn er<br />

se<strong>in</strong> spezielles Wissen <strong>in</strong> das betriebsspezifische Kapital <strong>in</strong>vestiert <strong>und</strong> sich selbst dadurch<br />

„wertloser“ macht, da er se<strong>in</strong>e Wissens<strong>in</strong>vestitionen nicht mitnehmen o<strong>der</strong> rückgängig machen<br />

kann 86 .<br />

Kreativität <strong>und</strong> Innovation brauchen <strong>Vertrauen</strong>sspielräume. Wieso sollte e<strong>in</strong><br />

Arbeitnehmer e<strong>in</strong> Interesse daran haben, kreativ <strong>und</strong> <strong>in</strong>novativ zu se<strong>in</strong>, wenn genau diese<br />

Handlung se<strong>in</strong>en eigenen Arbeitsplatz kosten kann? Auch Deutschmann (1999, 156f) nennt<br />

diesen „Imperativ <strong>der</strong> Kreativität“, <strong>der</strong> zur Zeit allerorts propagiert wird, e<strong>in</strong>en paradoxen<br />

Versuch, durch Kontextsteuerung <strong>und</strong> Druck des Marktes Kreativität erzw<strong>in</strong>gen zu wollen.<br />

Gerade hier ist <strong>Vertrauen</strong> die notwendige Voraussetzung, um e<strong>in</strong>en Spielraum zu schaffen für<br />

personale Selbstentfaltung. „Wer neue Produkte entwickeln <strong>und</strong> am Markt durchsetzen will,<br />

kann nicht zugleich auch an allen sozialen Fronten kämpfen, son<strong>der</strong>n braucht im Gegenteil<br />

verlässliche Rückendeckung durch Partner, eigene Truppen <strong>und</strong> Gefolgsleute“ (ebd. 170).<br />

<strong>Vertrauen</strong> ist noch ke<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>reichende Bed<strong>in</strong>gung für Kreativität, aber e<strong>in</strong>e notwendige<br />

Bed<strong>in</strong>gung für die Selbstdarstellung <strong>und</strong> Selbstfestlegung <strong>der</strong> Akteure.<br />

<strong>Vertrauen</strong> als Anarchie?<br />

<strong>Vertrauen</strong>sbildung ist die Inszenierung e<strong>in</strong>es Spielraumes, e<strong>in</strong>er Leerstelle. Mit dieser<br />

Leerstelle gilt es umzugehen. In religiösem S<strong>in</strong>ne soll <strong>in</strong> diese Leerstelle Gott e<strong>in</strong>treten, d.h.<br />

diese Lücke muss bleiben <strong>und</strong> darf gerade nicht geschlossen werden 87 . Das Verbot, sich e<strong>in</strong><br />

Bildnis von Gott zu machen, spiegelt diese Spannung wi<strong>der</strong>, <strong>und</strong> es gilt, das Unbeschriebene<br />

auszuhalten <strong>und</strong> nicht durch Konkretisierung zu ersetzen. In dieser Logik ist <strong>Vertrauen</strong><br />

ebenfalls e<strong>in</strong>e Utopie. <strong>Vertrauen</strong> ist u-topisch, weil es e<strong>in</strong>en Nicht-Ort bezeichnet. Je mehr<br />

Sicherheitsmaßnahmen anstelle von <strong>Vertrauen</strong> gefor<strong>der</strong>t werden, desto eher wird zugleich die<br />

Bereitschaft getilgt, Unsicherheit h<strong>in</strong>zunehmen (vgl. Böhme 1998).<br />

Wird <strong>Vertrauen</strong> dann anarchisch? „Genau die Anarchie ist es, die <strong>Vertrauen</strong> o<strong>der</strong>, wenn<br />

man e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en Ausdruck verwenden will, sozialen Zusammenhang erzeugt. Es ist die<br />

effektive politische Herrschaft, die <strong>Vertrauen</strong> zerstört“ (Gellner 1988, zit. n. Z<strong>in</strong>tl 1993, 102). E<strong>in</strong>e<br />

anonyme Rechtsordnung beseitigt damit sowohl den Unfrieden als auch die „Inseln <strong>der</strong><br />

Geborgenheit“ (Z<strong>in</strong>tl ebd.) <strong>in</strong> ihm <strong>und</strong> beseitigt beides durch e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige homogene Form <strong>der</strong><br />

86 Innovative Ideen nehmen dabei die Gestalt <strong>der</strong> Po<strong>in</strong>te e<strong>in</strong>es Witzes an, e<strong>in</strong>mal erzählt, ist sie dem Besitzer für<br />

immer entglitten.<br />

87 Diesen H<strong>in</strong>weis verdanke ich Joachim von Soosten auf <strong>der</strong> Tagung <strong>Vertrauen</strong> <strong>in</strong> Gesellschaft <strong>und</strong> Organisation<br />

<strong>in</strong> Tutz<strong>in</strong>g, Mai 2000.<br />

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