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VALIE EXPORT DALLA E DE gREgORI - Kultur.bz.it

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INTERVIEW<br />

INTERVIEW<br />

Der Sanftmütige<br />

Franz Haller, Südtiroler Kickboxing-Legende,<br />

über sein Leben, seinen Sport und die Ethik.<br />

Herr Haller, wie oft haben Sie m<strong>it</strong> einem blauen<br />

Auge einen Sieg errungen, wie viele Knochenbrüche<br />

hat sie ihre Karriere gekostet?<br />

Franz Haller: Ein blaues Auge kann man sich<br />

auch beim Training holen, aber wenn man diesen<br />

Sport agonistisch treibt, ist er schon äußerst hart.<br />

Klassische Verletzungen sind Schn<strong>it</strong>twunden<br />

oberhalb der Augenbrauen, ich habe mir die Nase<br />

und ein Bein gebrochen, die Netzhaut musste<br />

ich operieren lassen, und ich trage eine Hüftprothese.<br />

Ich war extrem, doch darauf bin ich nicht<br />

stolz. Ich sage deshalb immer, dass ich nicht als<br />

Beispiel für andere dienen kann. Es war meine<br />

persönliche Entscheidung, m<strong>it</strong> der ich niemandem<br />

geschadet habe außer vielleicht mir selbst.<br />

Ich habe aber alles gut weggesteckt, nach außen<br />

merkt man mir nichts an.<br />

Warum die Faszination für den Kampfsport?<br />

Ich bin als 14-jähriger auf Karate gestoßen, das<br />

aber nicht auf full-contact ausgerichtet war: es<br />

hat die Trad<strong>it</strong>ion gelehrt, die Kunst m<strong>it</strong> dem<br />

Körper umzugehen, auch die Zen-Philosophie.<br />

Mir hat das nicht gereicht. Ich wollte die volle<br />

Herausforderung, es musste echt, konkret,<br />

realistisch sein. So habe ich es m<strong>it</strong> dem Boxen<br />

versucht. Es war die Ze<strong>it</strong> des amerikanischen<br />

Kickboxing. Das war mein Weg, nicht Karate, wo<br />

wir „herumspielten“, das hatte für mich keinen<br />

Sinn. Heute als reifer Mann würde ich den Sinn<br />

darin schon sehen, aber als junger Mann fühlt<br />

man sich vielleicht in Sturm- und Drang-Jahren<br />

und kann sich m<strong>it</strong> einer Sache, in der es nicht<br />

um alles geht, nicht zufrieden geben.<br />

Für den Zuschauer sieht Kickboxing und Boxen<br />

generell recht brutal aus!<br />

Es kann brutal erscheinen: Wie kann man sich so<br />

schlagen! Das ist schon richtig: die Leute schlagen<br />

sich zwar, aber der Respekt, den sie voreinander<br />

haben, der ist gewaltig. Das findet man in<br />

keinem anderen Sport.<br />

Ihre ersten großen Erfolge?<br />

M<strong>it</strong> 19 wurde ich M<strong>it</strong>telgewicht-Amateurweltmeister<br />

in Tampa (USA). Ich hatte vorher die<br />

Italienmeisterschaft gewonnen. Da kommt einer<br />

von den Bergen runter und gewinnt! Das war<br />

selbst für die Insider überraschend.<br />

Nach ihren ersten Erfolgen haben Sie sich zum<br />

Med<strong>it</strong>ieren zurückgezogen. Das klingt eher<br />

nach Mönch als nach Boxer!<br />

Ich hatte mich als Unternehmer versucht, ich<br />

wollte ein großes Kampfsport-Zentrum aufbauen,<br />

hatte aber Pech, das Zentrum ist einem Brand<br />

zum Opfer gefallen, ich stand plötzlich m<strong>it</strong> Schulden<br />

da und wusste nicht, wie ich das in den Griff<br />

bekommen könnte. So habe ich mich auf die<br />

Mendel zurückgezogen, um alles zu verarbe<strong>it</strong>en.<br />

Ich habe diese Ze<strong>it</strong> gebraucht, um als Mensch zu<br />

reifen, ich war aber sportlich nie inaktiv. Die Philosophie<br />

ist meine wahre Leidenschaft geblieben.<br />

Was ist beim Kickboxing entscheidend: Schnelligke<strong>it</strong>,<br />

Taktik, Kraft – oder alles in einer guten<br />

Kombination?<br />

Auch wenn es brutal klingt: Bei Ringsportarten<br />

geht es nur um das Resultat, es zählen schlussendlich<br />

nur die Schlagkraft, die Wirkungstreffer.<br />

Ich könnte es auch beschönigen, aber es wäre<br />

nicht die Wahrhe<strong>it</strong>. Wenn jemand in den Ring<br />

steigt, ist er sich bewusst, dass er sich m<strong>it</strong> den<br />

anderen Körper gegen Körper misst. Der Geist,<br />

die Entschlossenhe<strong>it</strong> ist schon wichtig, aber<br />

letztendlich geht es darum, dem anderen so viel<br />

Schaden zuzufügen wie möglich. Je härter man<br />

schlägt, umso besser ist es.<br />

Auf ihrer Homepage steht: „La vera sfida<br />

dell’uomo – da sempre – è l’etica“? Wie kann<br />

man so einen Sport m<strong>it</strong> der Ethik verbinden?<br />

Man stößt an die Grenzen, und genau deswegen<br />

erfährt man, wie wichtig die Ethik ist. Sie ist der<br />

Ausgangspunkt des Menschseins überhaupt. Ich<br />

möchte hier m<strong>it</strong> einem Vorurteil aufräumen:<br />

Ich bin nicht gewalttätig. Unsere Sportart zeigt<br />

Gewalt, doch darf man dabei nie gemein oder<br />

hinterhältig sein, sondern muss die Regeln einhalten<br />

und fair sein. Anstand ist sehr wichtig. Ein<br />

Thai-Box- oder Kickboxing-Lehrer, der ein Rüpel<br />

ist, ein halber Schläger, hat nichts verstanden. Es<br />

ist für mich wichtig, dass die Leute diese Sportart<br />

m<strong>it</strong> ethischen Prinzipien verbinden.<br />

Aber kann man Jugendlichen so eine Sportart<br />

anraten?<br />

Ja, weil es eine Lebensschule ist, die auch an<br />

Hochschulen in England oder Japan we<strong>it</strong> verbre<strong>it</strong>et<br />

ist: es wird Respekt gelehrt. Man lernt,<br />

die Regeln einzuhalten, denn sonst wird es rohe<br />

Gewalt. Jemand muss wissen, dass er sich auf<br />

das Gegenüber verlassen kann, dass er Respekt<br />

haben muss, dass er sich nie überlegen fühlen<br />

darf. Wir unterstützen auch Projekte gegen das<br />

Rabaukentum, den „bullismo“. Viele Kickboxing-<br />

Schulen übernehmen gewalttätige Jugendliche<br />

und bringen ihnen Regeln bei: Gewalt ist unfair<br />

und schlecht, wenn du stark sein willst, dann<br />

beweis es auf legale Art. Ich schicke dich in den<br />

Ring, da kannst du dich austoben, aber m<strong>it</strong> Regeln.<br />

Boxen wird oft auch für Therapien gewählt,<br />

wenn jemand m<strong>it</strong> seinen Aggressionen nicht<br />

fertig wird. Lass einen eine halbe Stunde auf den<br />

Sack schlagen, dann geht er beruhigt weg.<br />

Und der Grund fürs Aufhören? Eine Familie,<br />

die hofft, dass der Franz heil nach Hause<br />

kommt?<br />

Aufhören musste ich aus körperlichen Gründen.<br />

Den letzten Kampf habe ich m<strong>it</strong> 41 Jahren gemacht<br />

– auch darauf bin ich nicht stolz! Ein alter<br />

Mann kann nicht in den Ring steigen, m<strong>it</strong> 41 ist<br />

man dafür bere<strong>it</strong>s extrem alt.<br />

Was macht Franz Haller, wenn er provoziert<br />

oder bedroht wird?<br />

Ich bin ein sanftmütiger Mensch, ich suche nicht<br />

den Stre<strong>it</strong>. Wenn man mich beleidigen oder bedrohen<br />

würde, würde ich einfach weggehen, auch<br />

wenn man mich einen „Feigling“ nennen würde.<br />

Ich habe es nicht nötig, mich zu beweisen.<br />

Interview: Mateo Taibon<br />

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