NOvember 2011 - Humanistischer Verband Deutschlands ...
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2<br />
Berlin-Brandenburg<br />
Keine Macht den Dogmen<br />
Insgesamt 15.000 Menschen nahmen<br />
in Berlins Zentrum an der Protestdemonstration<br />
gegen die menschenund<br />
geschlechterfeindliche Politik<br />
des Papstes teil. Die Demonstration<br />
war ein wichtiges Zeichen für die säkulare<br />
Verfasstheit der Bundesrepublik<br />
Deutschland.<br />
Rundbrief Oktober – November <strong>2011</strong><br />
Als Papst Benedikt XVI. am Donnerstag,<br />
den 22. September <strong>2011</strong> am späten Nachmittag<br />
im Bundestag sprach, trafen sich<br />
am Potsdamer Platz tausende Menschen,<br />
und demonstrierten gegen die menschenund<br />
geschlechterfeindliche Sexualpolitik<br />
des Papstes und gegen dessen Auftritt im<br />
Bundestag. Dieser Auftritt verstieß nach<br />
Ansicht des Bündnisses „Der Papst kommt“<br />
gegen die verfassungsgemäße Trennung<br />
von Staat und Kirche in Deutschland. Angeführt<br />
von einem gigantischen Truck des<br />
Christopher Street Day Berlin e.V. zogen die<br />
circa 15.000 Demonstranten nach einer<br />
Auftaktkundgebung zum Bebel-Platz in<br />
Berlins Mitte.<br />
Ein buntes Treiben herrschte kurz vor der<br />
Protestkundgebung. Lesben und Schwule,<br />
Humanisten, Atheisten und kritische<br />
Gläubige, Jung und Alt versammelten sich<br />
friedlich am Potsdamer Platz. Während der<br />
Eröffnungskundgebung wurden fünf Reden<br />
gehalten. Sie widmeten sich den Themen<br />
der Frauenrechte, der Haltung der Amtskirche<br />
mit Homosexualität, der Trennung<br />
von Staat und Kirche und der Kondompolitik<br />
des Papstes. Die RadioEins-Moderatorin<br />
Frauke Ottenberg und der Pressesprecher<br />
der Deutschen AIDS Hilfe Holger Wicht moderierten.<br />
Die Vorstandsvorsitzende der Frauenrechtsorganisation<br />
Terre des Femmes, Irmingard<br />
Schewe-Gerigk, sagte, dass es ein fatales<br />
Zeichen sei, wenn der Papst an dem Ort<br />
sprechen dürfe, wo Gesetze beschlossen<br />
werden, die der Vatikan massiv bekämpfe.<br />
Davon betroffen seien auch zentrale Frauen-<br />
und Menschenrechte. Die kirchenkritische<br />
Theologin und ehemalige Ratzinger-<br />
Kommilitonin Dr. Uta Ranke-Heinemann<br />
empörte sich, dass Papst Benedikt der<br />
„größte Vertuscher“ der Missbrauchsfälle<br />
in der katholischen Kirche sei. Für den HVD<br />
trat der Präsident des Bundesverbandes<br />
Frieder O. Wolf an das Mikrofon. Es gebe<br />
„noch großen Nachholbedarf“ bei der<br />
Trennung von Staat und Kirche, sagte er.<br />
„Wir protestieren gegen eine schon längst<br />
überholte Privilegierung der ehemaligen<br />
Staatskirchen, deren Defizit an Modernisierung<br />
und Demokratisierung dieser Papst<br />
Benedikt XVI. hier und heute durch seinen<br />
Auftritt im Bundestag geradezu beispielhaft<br />
vorführt.“<br />
Bodo Mendel vom Lesben- und Schwulenverband<br />
Berlin-Brandenburg betonte, dass<br />
Papst Benedikt international Front gegen<br />
die Menschenrechte von Homosexuellen<br />
mache. Der Vorsitzende der Deutschen AIDS<br />
Hilfe Carsten Schatz verurteilte die Kondompolitik<br />
des Papstes, die die Gesundheit von<br />
Millionen Menschen gefährde und bat um<br />
eine Schweigeminute für die 2 Millionen<br />
Aids-Opfer im vergangenen Jahr.<br />
Anschließend machte sich der Protestzug<br />
auf den Weg durch die Innenstadt Richtung<br />
Bebel-Platz, wo die Abschlusskundgebung<br />
stattfinden sollte. Unter den Protestierenden<br />
sind zahlreiche Bundestagsabgeordnete<br />
der Linken, von SPD und Grünen, die<br />
der Rede des Papstes ferngeblieben sind.<br />
Auch Mitglieder des Abgeordnetenhauses<br />
nahmen an der Demonstration gegen die<br />
Rede des Pontifex im Bundestag teil.<br />
Der HVD Berlin-Brandenburg sorgte mit einer<br />
Gegenpäpstin für Aufsehen. Unter dem<br />
Motto Zuviel Weihrauch vernebelt ließ sich<br />
eine auf einer Nebelmaschine sitzende Persiflage<br />
des Papstes durch die Straßen kutschieren,<br />
während ihre bischöflichen Lakaien<br />
Werte wie Toleranz, Selbstbestimmung<br />
oder Menschenrechte aus ihrem Blickfeld<br />
wischten. Wollte der Papst mit seinen ernsten<br />
Botschaften durchdringen, machten<br />
sich die Demonstranten einen Gaudi daraus.<br />
Bei wummernden Bässen tanzten Tausende<br />
begeistert gegen den Papst an. Der katholischen<br />
Frömmigkeit setzten sie menschliche<br />
Ausgelassenheit entgegen. In Berlins Mitte<br />
wehte die Fahne der Toleranz.<br />
Die 15.000 Demonstranten waren in Berlins<br />
Zentrum weder zu übersehen noch zu<br />
überhören. Sie machten unmissverständlich<br />
deutlich, dass sie die menschen- und<br />
geschlechterfeindliche Sexualpolitik des<br />
Papstes sowie deren Propagierung im Deutschen<br />
Bundestag nicht unwidersprochen<br />
hinnahmen. Sie setzten mit ihrem Marsch<br />
durch Berlin ein deutliches und wichtiges<br />
Zeichen für die verfassungsgemäß säkulare<br />
Bundesrepublik Deutschland.<br />
Bei der Abschlusskundgebung sprach der<br />
Theologe David Berger, der in der katholischen<br />
Szene in Ungnade gefallen ist, weil er<br />
sich zu seiner Homosexualität bekannt hat.<br />
Er hatte die päpstliche Rede im Bundestag,<br />
die er als PR-Aktion des Vatikan beurteilte,<br />
verfolgt. Sie werde als Legitimation durch<br />
das deutsche Parlament für weitere Hasstiraden<br />
und politische Aktionen des Vatikan<br />
gegen Homosexuelle oder Abtreibungen<br />
dienen, sagte er.<br />
Der Sprecher der Giordano Bruno Stiftung,<br />
Michael Schmidt Salomon, forderte die<br />
deutschen Politiker auf, ihren Respekt vor<br />
der Amtskirche abzulegen und die Trennung<br />
von Staat und Kirche mit allen Konsequenzen<br />
zu vollenden. „Beseitigen wir die Reste<br />
des alten, autoritären, patriarchalen Denkens,<br />
für das die katholische Kirche wie kaum<br />
eine andere Institution weltweit steht!“<br />
Eine ausführliche Reportage lesen Sie im<br />
Onlinemagazin www.diesseits.de