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Schlossverein Werdringen<br />
haus gab mit seinen Aktivitäten und<br />
Bestrebungen den entscheidenden Impuls<br />
in Richtung Moderne, die später in der<br />
Bauhauskunst ihren Ausdruck fand. Auch<br />
dafür ist das Bahnhoffenster ein sichtbares<br />
Zeugnis. Es zeigt im Zentrum des Bildes<br />
den Lehrenden, der mit Hilfe eines Zirkels<br />
auf einem Papierbogen, den Umstehenden<br />
etwas zu verdeutlichen sucht. Die ihn<br />
umgebenden Menschen sind unterschiedlichen<br />
Alters und Geschlechts. Sie führen<br />
teilweise Gegenstände mit sich, die ihre<br />
berufliche oder freizeitliche Tätigkeit symbolisieren.<br />
Die Farben der Figuren sind in<br />
Grau-, Graubraun-, Graugrün- und Graublautönen<br />
gehalten, während der Hintergrund<br />
einen Sockel aus klinkerfarbenem<br />
Mauerwerk zeigt und darüber einen lichtgrauen<br />
Luftraum.Andere Deutungen sind<br />
selbstverständlich erlaubt. In der Zeitschrift<br />
“Zwischen Ruhr und Lenne” Nr. 2<br />
vom Februar 1960 ist in dem Beitrag von<br />
Wilhelm Claas “Die ersten Eisenbahnlinien”<br />
nachzulesen;<br />
Das schöne Glasgemälde von Thorn Prikker:<br />
“Es ist immer wieder <strong>als</strong> Darstellung<br />
der “Allegorie der Künste” missdeutet<br />
worden. Das stimmt nicht. Es handelt sich<br />
um die Darstellung der alten Industrie in<br />
Hagen und zwischen Ennepe und Ruhr.<br />
Links ist die längst vergangene Hagener<br />
Tuchmacherei und rechts sind die Hammerschmiede<br />
der alten, eisenverarbeitenden<br />
Industrie mit ihren Werkzeugen konterfeit,<br />
die nun auch zu den Akten gelegt<br />
werden kann. In der Bildmitte aber steht<br />
ein Bahnbediensteter, der mit einem<br />
großen Zirkel die Entfernung zwischen<br />
Hagen und dem Bestimmungsort abmisst”.<br />
Wie in der gesamten Kunst, sind auch hier<br />
der Phantasie des Betrachters keine Grenzen<br />
gesetzt. Den Entwurfskarton für das<br />
Fenster, der noch 1910 in Krefeld entstand,<br />
erwarb Osthaus selbst, um den ohnehin<br />
schleppenden Prozess der Beauftragung<br />
zu beschleunigen. Die Ausführung übernahm<br />
die Glaswerkstätte Gottfried Heinersdorff<br />
in Berlin. Den Zerstörungen des<br />
2. Weltkrieges ist das Fenster durch Einlagerung<br />
zwar entkommen, der ursprünglich<br />
vorhandene, circa 50 cm hohe ornamentale<br />
Fries, der den Abschluss zum darüber<br />
liegenden, normal verglasten Rundbogenfenster<br />
bildete, war aber schon beim Wiedereinbau<br />
durch die Firma Wilhelm Derix<br />
aus Kaiserswerth 1950/51 nicht mehr vorhanden.<br />
Er wurde durch eine dunkle Füllung<br />
ersetzt. Erhebliche Beschädigungen<br />
beseitigte dieselbe Firma bei einer ersten<br />
Restaurierung 1969. Konstruktive Fehler<br />
machten aber eine erneute gründliche<br />
Überarbeitung erforderlich, die 1995/96<br />
von der Glasmalerei Oidtmann im niederrheinischen<br />
Linnich durchgeführt wurde.<br />
Dabei wurden, nach gründlicher Reinigung,<br />
die sogenannten Sprungbleie, die das<br />
Motiv an einigen Stellen wie Spinnennetze<br />
durchzogen, durch Kunstharzverklebungen<br />
ersetzt.<br />
Durch seine nicht zu übersehende Position<br />
ist das Fenster vorzüglich geeignet, viele<br />
Menschen mit den künstlerischen Erziehungsidealen<br />
von Karl-Ernst Osthaus<br />
bekannt zu machen und ist den Ankommenden<br />
ein erster Hinweis auf die außergewöhnliche<br />
Hagener Kunstgeschichte.<br />
Jürgen Thormählen<br />
Literatur: Dr. Herta Hesse-Frielinghaus, Jan Thorn Prikker,<br />
Eine Dokumentation zum Leben und Werk des Künstlers in<br />
den Jahren 904-1921. Herausgegeben vom Karl-Ernst-Osthaus-Museum<br />
1967. Westfälische Rundschau, Rundschau-<br />
Wochenend 10. Februar 1996<br />
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