mutual exclusivity constraint - Opus - KOBV

mutual exclusivity constraint - Opus - KOBV mutual exclusivity constraint - Opus - KOBV

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29.11.2014 Aufrufe

Prinzipien generell auch Kindern mit genetischen Syndromen zur Verfügung stehen. Ein interessanter Testfall wären Kinder mit Syndromen, bei denen durch genetische Defekte, Einschränkungen im universellen Wissen in der sprachlichen Domäne bekannt sind. Fehlten z.B. die spezifischen Teile des universellen Wissens, die den Lexikonerwerb betreffen, würden möglicherweise einzelne oder alle constraints nicht angewendet werden können. Möglich wäre eventuell auch ein Ersatz oder eine bedingt durch einen genetischen Defekt veränderte Anwendung einzelner constraints, was einer Abweichung in der Art und Weise des Aufbaus lexikalischer Repräsentationen gleich käme (Stevens & Karmiloff-Smith 1997; Karmiloff-Smith et al. 2006). Diesen Testfall könnte das WBS nach der Argumentation der letztgenannten Autoren darstellen. Nach den Untersuchungen von Stevens und Karmiloff- Smith steht Kindern mit WBS lediglich der mutual exclusivity constraint zur Verfügung, was zu einer veränderten lexikalischen Entwicklung führt (vgl. Kapitel 2.4.2 zur Darstellung der Studie von Stevens & Karmiloff-Smith 1997). Es ist jedoch nach Markmans Ausführungen (1992: 72) unklar, wie sich eine veränderte Anwendungsart ausdrücken sollte. Eine normale Anwendung von constraints bedeutet nicht, dass Kinder sie in 100% aller Fälle anwenden. Insofern stellt die seltenere Anwendung einer Erwerbsbeschränkung keine Evidenz dafür dar, dass dieser constraint einer besonderen Population weniger ausgeprägt, anders oder gar nicht zur Verfügung steht. Dies begründet sich in der Grundannahme, dass es sich bei den lexikalischen Erwerbsbeschränkungen um flexible default assumptions handelt, die durch Gegenevidenz überschreibbar sind (vgl. Kapitel 2.1 bzw. 2.3). This view of word-learning biases as default assumptions implies that violations of a constraint in a child´s lexicon do not necessarily invalidate the constraint. The existence of violations is not sufficient to show that children lack the bias (Markman 1992: 72). Insofern ist es für alle Kinder normal, dass die constraints nicht immer zum Tragen kommen; solche Situationen sollten mit zunehmender Wortschatzgröße sogar häufiger werden (vgl. die Argumentation in Kapitel 2.3). Es entstehen vermehrt Konflikte, wenn das Kind bereits ein Wort für ein Objekt kennt und dieses Objekt mit einer neuen Wortform benannt wird. Am Beispiel des mutual exclusivity constraints wird die Komplexität einer solchen Situation in Hinblick auf die Vielfältigkeit der Reaktionsmöglichkeiten eines normalen Kindes sichtbar. Als erste Interpretationsmöglichkeit für das Kind könnte zufällig ein anderes, noch nicht familiäres Objekt in der Situation anwesend sein, so dass das neue Wort (z.B. Pudel) auf dieses unbekannte Objekt abgebildet wird. Eine Alternative wäre, die bereits bestehende Wortform (z.B. Hund) an die nun neu gehörte anzupassen, d.h. Hund durch Pudel zu ersetzen. 73

Eine dritte Möglichkeit liegt darin, die neue Bezeichnung als falsch abzulehnen, sie also zu ignorieren. Teilweise bestehen die Kinder in diesen Fällen durch einen verbalen Kommentar auf ihren bisherigen Begriff (z.B. Nein, das ist kein Pudel, das ist ein Hund). Als letzte Alternative zur Erhaltung des mutual exclusivity constraints besteht die Möglichkeit, das neue Wort als Teilbezeichnung, Unterbegriff o.ä. zur interpretieren. Welche dieser vier Alternativen das Kind in der jeweiligen Situation bevorzugt, hängt von der Ausdifferenzierung der bisherigen Wortform ab. Je differenzierter diese bereits im mentalen Lexikon des Kindes verankert ist, desto weniger wird das Kind bereit sein, diese zu ersetzen (Markman 1992). Somit sollten sich gerade hochfrequente Begriffe, die sehr früh gelernt werden, robust gegen Ersetzungen zeigen. Bei Konflikten mit noch nicht stark ausdifferenzierten, neuen Repräsentationen dagegen könnten auch ungestörte Kinder auf eine der anderen Alternativen zurückgreifen und so das Wort nicht im Sinne der Zielsprache erwerben. Da in kontrollierten Versuchssituationen häufig mit Pseudo-Wortmaterial gearbeitet wird, handelt es sich bei den Stimuli um neu gelernte Repräsentationen, bei denen die Anwendung des mutual exclusivity constraints potentiell auch zu anderen Konsequenzen als zum Akzeptieren der unfamiliären Wortform als Wort führen kann. Eine wichtige Information für mögliche Fehleranalysen liegt in dem Hinweis von Markman, dass der Grad der Ausdifferenzierung der bereits bestehenden Wortformen mit bestimmt, wie das Kind in einer Wortlernsituation reagieren könnte. Das bestehende lexikalische Inventar spielt demnach eine wichtige Rolle. Das Kind muss sicher darauf zugreifen können und es als Basis für die Interpretation einer möglichen neuen Wortbedeutung benutzen. Dies vorausgesetzt, stellt sich die Frage, ob Kinder mit eingeschränkter constraint-Anwendung vergleichsweise erfolgreich in der Ausdifferenzierung des Wortwissens sein können. Es wäre möglich, dass ihr bestehender Wortschatz durch die mangelnde Interpretationseinschränkung im mapping weniger resistent gegen Substitutionen ist, die durch Konfliktsituationen, wie die oben beschriebene, entstehen. So könnte dieses Kind z.B. den constraint zwar anwenden, jedoch mehr als andere Kinder zu der Alternative neigen, die bestehende Wortform zu ersetzen. Gerade ein schwächer zur Verfügung stehender constraint sollte also zu Konsequenzen führen, die sich noch im Rahmen des normalen Verhaltens bewegen. Die Darstellung der Alternativen oben demonstriert damit gleichzeitig, dass auch ein Kind, dem ein constraint nicht oder nur eingeschränkt verfügbar ist, nicht automatisch offensichtlich interpretierbare Fehler machen muss. Die Schlussfolgerung, die aus solchem Verhalten von Stevens und Karmiloff-Smith für das Sprachsystem von WBS-Probanden vorgeschlagen wird, ist somit nicht die einzige Interpretation, die sich aus Markmans Modell ergeben kann. Unterschieden werden muss eine fehlende oder abweichende constraint-Anwendung von einfachen entwicklungsbedingten Verzögerungen im Wortschatzerwerb. Letztere wären bei 74

Eine dritte Möglichkeit liegt darin, die neue Bezeichnung als falsch abzulehnen, sie also zu<br />

ignorieren. Teilweise bestehen die Kinder in diesen Fällen durch einen verbalen Kommentar<br />

auf ihren bisherigen Begriff (z.B. Nein, das ist kein Pudel, das ist ein Hund). Als letzte<br />

Alternative zur Erhaltung des <strong>mutual</strong> <strong>exclusivity</strong> <strong>constraint</strong>s besteht die Möglichkeit, das neue<br />

Wort als Teilbezeichnung, Unterbegriff o.ä. zur interpretieren. Welche dieser vier<br />

Alternativen das Kind in der jeweiligen Situation bevorzugt, hängt von der<br />

Ausdifferenzierung der bisherigen Wortform ab. Je differenzierter diese bereits im mentalen<br />

Lexikon des Kindes verankert ist, desto weniger wird das Kind bereit sein, diese zu ersetzen<br />

(Markman 1992). Somit sollten sich gerade hochfrequente Begriffe, die sehr früh gelernt<br />

werden, robust gegen Ersetzungen zeigen. Bei Konflikten mit noch nicht stark<br />

ausdifferenzierten, neuen Repräsentationen dagegen könnten auch ungestörte Kinder auf eine<br />

der anderen Alternativen zurückgreifen und so das Wort nicht im Sinne der Zielsprache<br />

erwerben. Da in kontrollierten Versuchssituationen häufig mit Pseudo-Wortmaterial<br />

gearbeitet wird, handelt es sich bei den Stimuli um neu gelernte Repräsentationen, bei denen<br />

die Anwendung des <strong>mutual</strong> <strong>exclusivity</strong> <strong>constraint</strong>s potentiell auch zu anderen Konsequenzen<br />

als zum Akzeptieren der unfamiliären Wortform als Wort führen kann.<br />

Eine wichtige Information für mögliche Fehleranalysen liegt in dem Hinweis von Markman,<br />

dass der Grad der Ausdifferenzierung der bereits bestehenden Wortformen mit bestimmt, wie<br />

das Kind in einer Wortlernsituation reagieren könnte. Das bestehende lexikalische Inventar<br />

spielt demnach eine wichtige Rolle. Das Kind muss sicher darauf zugreifen können und es als<br />

Basis für die Interpretation einer möglichen neuen Wortbedeutung benutzen. Dies<br />

vorausgesetzt, stellt sich die Frage, ob Kinder mit eingeschränkter <strong>constraint</strong>-Anwendung<br />

vergleichsweise erfolgreich in der Ausdifferenzierung des Wortwissens sein können. Es wäre<br />

möglich, dass ihr bestehender Wortschatz durch die mangelnde Interpretationseinschränkung<br />

im mapping weniger resistent gegen Substitutionen ist, die durch Konfliktsituationen, wie die<br />

oben beschriebene, entstehen. So könnte dieses Kind z.B. den <strong>constraint</strong> zwar anwenden,<br />

jedoch mehr als andere Kinder zu der Alternative neigen, die bestehende Wortform zu<br />

ersetzen. Gerade ein schwächer zur Verfügung stehender <strong>constraint</strong> sollte also zu<br />

Konsequenzen führen, die sich noch im Rahmen des normalen Verhaltens bewegen. Die<br />

Darstellung der Alternativen oben demonstriert damit gleichzeitig, dass auch ein Kind, dem<br />

ein <strong>constraint</strong> nicht oder nur eingeschränkt verfügbar ist, nicht automatisch offensichtlich<br />

interpretierbare Fehler machen muss. Die Schlussfolgerung, die aus solchem Verhalten von<br />

Stevens und Karmiloff-Smith für das Sprachsystem von WBS-Probanden vorgeschlagen<br />

wird, ist somit nicht die einzige Interpretation, die sich aus Markmans Modell ergeben kann.<br />

Unterschieden werden muss eine fehlende oder abweichende <strong>constraint</strong>-Anwendung von<br />

einfachen entwicklungsbedingten Verzögerungen im Wortschatzerwerb. Letztere wären bei<br />

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