Geschichte des Kindergartens in Bayern (3.950 kb)
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Die Vorschulreform um 1970 Mit dem „Sputnikschock“ 1957 begann nicht nur ein wirtschaftlich-technologischer Wettkampf der Weltmächte. Man erkannte, dass Bildung eine große Rolle spielt. Eine Neuorientierung des gesamten (Aus-)Bildungssystems, ausgelöst Der Sputnik über Bayern Vorbereitung auf die Schule von wirtschaftlichen und bildungspolitischen Zielsetzungen, sollte zu einer besseren Vorbereitung der Kinder auf die Erfordernisse in einer modernen, technisierten Welt führen. In dieser Bildungsreform geriet der herkömmliche Kindergarten in den Verruf, eine bloße Verwahranstalt zu sein und wegen fehlender Strategien zur Begabungsförderung die Kinder künstlich dumm zu halten. „Zur Begabung begaben“ wurde zum Stichwort einer Frühpädagogik, die die Verwahrpädagogik des Kindergartens durch eine spezifische Vorschulerziehung abzulösen versuchte. Nach dem Strukturplan für das Bildungswesen von 1970 sollte der Kindergarten zum Elementarbereich des Bildungswesens ausgebaut werden. Zugespitzt hieß es, dass die Kinder in der Familie, im Kindergarten und in der Schule kulturell vernachlässigt würden, weil sie nicht entwicklungsgemäße Anregungsangebote erhielten. 25
Die Vorschulreform um 1970 „Die pädagogischen Leitgedanken für den Kindergarten haben sich gewandelt. Aus der ,Aufbewahrungsidee‘ wurde die Idee einer behüteten Kinderheimat neben der Familie und schließlich einer Stätte für Reifen und Lernen in einem von Erwachsenen pädagogisch geleiteten Zusammenleben mit Gleichaltrigen im Auftrag der Eltern. Neu ist, dass sich heute, aufgrund einer neuen Einschätzung der Lernfähigkeit des Kindes, der pädagogische Ansatz der Förderung schwerpunkthaft vom Reifevorgang auf das Lernen verlagert hat. So bekommen Lernaktivitäten ein größeres Gewicht, die auch Kindern mehr Freude machen.“ Strukturplan für das Bildungswesen 1970 Eine Vielzahl von unterschiedlichen curricularen Entwürfen zur Vorschulerziehung im Kindergarten wurde veröffentlicht und beeinflusste die Praxis. Ihnen allen war gemeinsam, dass sie die Phase der frühen Kindheit effektiver zur Bildung nutzen wollten: Frühes Lesenlernen galt als Schlüsselkompetenz. neue Vorschulerziehung betonte Lernaufgaben für die Kinder, Vorschulmappen und Erstlesen wurden eingeführt. Ein weiterer curricularer Entwurf war der Situationsansatz, der in verschiedenen Bundesländern erprobt wurde. Er erhob den Anspruch, die Einseitigkeiten früherer Ansätze überwinden zu können. Merkmale des Situationsansatzes sind vor allem der Bezug zu den Lebenssituationen der Kinder, das Lernen in Erfahrungszusammenhängen und in altersgemischten Gruppen, die Mitwirkung von Eltern an der pädagogischen Arbeit und eine engere Verbindung von Kindergarten und Gemeinwesen. In diesem Curriculumentwurf sollten Kompetenz und Selbständigkeit der Kinder als höchste Ziele an soziale Verantwortung gebunden werden, das einseitige Training einzelner Funktionen wurde abgelehnt. Wissenschaftsorientierte Ansätze empfahlen geschlossene Grundlernprogramme, die nach dem System der Wissenschaften eingeteilt wurden, so etwa für die Disziplinen Sprache, Mathematik, Naturwissenschaft. Funktionsorientierte Ansätze stellten darauf ab, dass das Kind spezielle Fähigkeiten, Qualifikationen und Verhaltensweisen erwerben sollte. Diese beiden pädagogischen Ansätze führten zu einer Verschulung des Kindergartens. Die 26
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Die Vorschulreform um 1970<br />
„Die pädagogischen Leitgedanken für<br />
den K<strong>in</strong>dergarten haben sich gewandelt.<br />
Aus der ,Aufbewahrungsidee‘ wurde die<br />
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pädagogisch geleiteten Zusammenleben<br />
mit Gleichaltrigen im Auftrag der Eltern.<br />
Neu ist, dass sich heute, aufgrund e<strong>in</strong>er<br />
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schwerpunkthaft vom Reifevorgang<br />
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Strukturplan für das Bildungswesen 1970<br />
E<strong>in</strong>e Vielzahl von unterschiedlichen curricularen<br />
Entwürfen zur Vorschulerziehung<br />
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wollten: Frühes Lesenlernen galt als<br />
Schlüsselkompetenz.<br />
neue Vorschulerziehung betonte Lernaufgaben<br />
für die K<strong>in</strong>der, Vorschulmappen<br />
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E<strong>in</strong> weiterer curricularer Entwurf war<br />
der Situationsansatz, der <strong>in</strong> verschiedenen<br />
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erhob den Anspruch, die E<strong>in</strong>seitigkeiten<br />
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sollten Kompetenz und<br />
Selbständigkeit der K<strong>in</strong>der als höchste<br />
Ziele an soziale Verantwortung gebunden<br />
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Wissenschaftsorientierte Ansätze empfahlen<br />
geschlossene Grundlernprogramme,<br />
die nach dem System der Wissenschaften<br />
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für die Diszipl<strong>in</strong>en Sprache, Mathematik,<br />
Naturwissenschaft. Funktionsorientierte<br />
Ansätze stellten darauf ab, dass das K<strong>in</strong>d<br />
spezielle Fähigkeiten, Qualifikationen und<br />
Verhaltensweisen erwerben sollte. Diese<br />
beiden pädagogischen Ansätze führten zu<br />
e<strong>in</strong>er Verschulung <strong>des</strong> <strong>K<strong>in</strong>dergartens</strong>. Die<br />
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