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Geschichte des Kindergartens in Bayern (3.950 kb)

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Bayerisches Staatsm<strong>in</strong>isterium für<br />

Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen<br />

Familie und Jugend<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>K<strong>in</strong>dergartens</strong> <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong><br />

Von der Bewahranstalt zur<br />

modernen Bildungse<strong>in</strong>richtung


<strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>K<strong>in</strong>dergartens</strong> <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong><br />

Von der Bewahranstalt zur<br />

modernen Bildungse<strong>in</strong>richtung


Vorwort<br />

der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan<br />

für K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

bis zur E<strong>in</strong>schulung aus dem Jahr 2005<br />

unterstreicht die hohe Bedeu tung frühk<strong>in</strong>dlicher<br />

Bildung für den Prozess <strong>des</strong><br />

lebenslangen Lernens und <strong>des</strong> k<strong>in</strong>dlichen<br />

Spiels als pädagogisches Pr<strong>in</strong>zip.<br />

K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Spie -<br />

gel ihrer Zeit: Dies gilt von den ersten<br />

Anfängen – den sog. Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>derbewahranstalten<br />

<strong>in</strong> den 30er Jahren <strong>des</strong> 19.<br />

Jahrhunderts – bis h<strong>in</strong> zu den K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen<br />

als Bildungse<strong>in</strong>richtungen<br />

nach dem Bayerischen K<strong>in</strong>derbildungs-<br />

und -betreuungsgesetz unserer<br />

Tage. Dabei fällt auf, dass sich drei<br />

Konstanten wie e<strong>in</strong> roter Faden durch die<br />

<strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> <strong>K<strong>in</strong>dergartens</strong> ziehen:<br />

So wurden die K<strong>in</strong>dergärten <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong><br />

stets – wenn auch mit unterschiedlicher<br />

Akzentuierung – als E<strong>in</strong>richtungen zur<br />

Bildung und Erziehung der K<strong>in</strong>der vor<br />

der E<strong>in</strong>schulung angesehen und deutlich<br />

zum Unterricht <strong>in</strong> der Schule abgegrenzt.<br />

Schon König Ludwig I. von <strong>Bayern</strong> betonte<br />

zur Errichtung der ersten so genann -<br />

ten „Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>derschule“ <strong>in</strong> München:<br />

„Die Sache f<strong>in</strong>de ich gut, nur soll <strong>in</strong> dieser<br />

Schule noch gar ke<strong>in</strong> Unterricht, sondern<br />

bloß Erziehung zur Frömmigkeit, zur<br />

Re<strong>in</strong>lichkeit etc. se<strong>in</strong>, auch ke<strong>in</strong>e Arbeit,<br />

sondern jugendlicher Frohs<strong>in</strong>n (...).“ Auch<br />

Die zweite Konstante lässt sich mit „Vere<strong>in</strong>barkeit<br />

von Familie und Erwerbstätigkeit“<br />

überschreiben. In der Zeit der<br />

Früh<strong>in</strong>dustrialisierung mussten auch<br />

Mütter erstmals zum Lebensunterhalt<br />

der Familien mit be zahlter Arbeit beitragen.<br />

Ihre K<strong>in</strong>der wur den <strong>in</strong> so genannten<br />

K<strong>in</strong>derbewahranstalten beaufsichtigt. In<br />

den 50er und 60er Jahren <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts<br />

ließ die zunehmende Erwerbstätigkeit<br />

von Frauen die Nachfrage an<br />

K<strong>in</strong>dergartenplätzen stark ansteigen. In<br />

Deutschland s<strong>in</strong>d heute 64 Prozent aller<br />

Mütter erwerbstätig. In <strong>Bayern</strong> liegt<br />

dieser Wert sogar bei 68 Prozent.<br />

E<strong>in</strong>e weitere Konstante ist schließlich das<br />

hohe Engagement der freien Wohlfahrtspflege,<br />

das auf dem Subsidiaritätspr<strong>in</strong>zip<br />

basiert und zu e<strong>in</strong>er bunten Vielfalt der<br />

K<strong>in</strong>dergärten beigetragen hat. Der freien<br />

Wohlfahrt, aber auch den bayerischen<br />

Städten und Geme<strong>in</strong>den, den pädagogischen<br />

Kräften sowie engagierten Eltern<br />

ist es zu verdanken, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er fast<br />

zweihundertjährigen Entwicklung die K<strong>in</strong>dergärten<br />

zu e<strong>in</strong>em anerkannten und von<br />

mehr als 99 Prozent der K<strong>in</strong>der angenom-<br />

4


menen Bildungsangebot geworden s<strong>in</strong>d.<br />

Die bayerischen K<strong>in</strong>dergärten können<br />

<strong>in</strong> ihrer wechselvollen <strong>Geschichte</strong> auf<br />

viele Höhepunkte zurückschauen: Die<br />

von König Ludwig I. 1839 genehmigten<br />

„Bestimmungen, die die E<strong>in</strong>richtungen<br />

von K<strong>in</strong>derbewahranstalten betreffen“<br />

waren mit ihrer Anerkennung der K<strong>in</strong>dergärten<br />

als eigenständige E<strong>in</strong>richtung für<br />

Vorschulk<strong>in</strong>der ebenso e<strong>in</strong> Meilenste<strong>in</strong><br />

wie das Bayerische K<strong>in</strong>dergartengesetz<br />

von 1972, das den Bildungs- und Erziehungsauftrag<br />

der K<strong>in</strong>dergärten erstmals<br />

<strong>in</strong> aller Deutlichkeit hervorhebt. Ich b<strong>in</strong><br />

überzeugt, dass auch das Bayerische K<strong>in</strong>derbildungs-<br />

und -betreuungsgesetz von<br />

2005 und der im gleichen Jahr veröffentlichte<br />

Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan<br />

mit den normativen Bildungsund<br />

Erziehungszielen rüc<strong>kb</strong>lickend als<br />

e<strong>in</strong> weiterer großer Schritt <strong>in</strong> der Entwicklung<br />

aller K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen<br />

zu Bildungse<strong>in</strong>richtungen angesehen<br />

werden. Unser Ansatz ist, die bildsamste<br />

Zeit der K<strong>in</strong>der zu ihrer optimalen Förderung<br />

zu nutzen. Ob dies gel<strong>in</strong>gt, hängt<br />

maßgeblich davon ab, dass alle pädagogischen<br />

Kräfte <strong>in</strong> den K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen<br />

auch weiterh<strong>in</strong> mit voller<br />

Kraft und Liebe ihrer Berufung nachgehen.<br />

Ihnen allen gebührt hierfür me<strong>in</strong><br />

aufrichtiger Dank.<br />

den E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die heutige K<strong>in</strong>dergartenlandschaft<br />

und e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Ausblick über<br />

mögliche Weiterentwicklungen zu geben.<br />

Christa Stewens<br />

Bayerische Staatsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong><br />

für Arbeit und Sozialordnung,<br />

Familie und Frauen<br />

Ziel dieser Broschüre ist es, die Ausstellung<br />

„<strong>Geschichte</strong> <strong>des</strong> <strong>K<strong>in</strong>dergartens</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>Bayern</strong>“ <strong>in</strong>formativ zu begleiten sowie<br />

5


Inhaltsverzeichnis<br />

Anfänge der öffentlichen<br />

Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dererziehung <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong><br />

8<br />

Erste kommunale<br />

Bewahranstalten <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong><br />

10<br />

Die „Allgeme<strong>in</strong>en Bestimmungen“<br />

von 1839 und 1910<br />

12<br />

Friedrich Fröbel<br />

und der K<strong>in</strong>dergarten<br />

14<br />

Der Münchener<br />

K<strong>in</strong>dergartenvere<strong>in</strong><br />

16<br />

Die Diskussion der Erziehungs-<br />

und Bildungsziele im<br />

19. Jahrhundert<br />

18<br />

Zeit der Weimarer Republik:<br />

Von der Reichsschulkonferenz<br />

1920 bis 1933<br />

20<br />

Der K<strong>in</strong>dergarten unter<br />

dem Nationalsozialismus<br />

22<br />

Der Wiederaufbau<br />

<strong>in</strong> der Nachkriegszeit<br />

24<br />

Die Vorschulreform um 1970<br />

25<br />

Neue Anforderungen<br />

seit den 90er Jahren<br />

28<br />

Die Ausbildung der Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

30<br />

6


Trägerschaft und F<strong>in</strong>anzierung<br />

32<br />

Statistische Entwicklung<br />

<strong>in</strong> <strong>Bayern</strong><br />

34<br />

K<strong>in</strong>dergarten und Schule<br />

36<br />

Das Bayerische K<strong>in</strong>derbildungs-<br />

und -betreuungsgesetz von 2005<br />

38<br />

Der Bildungs- und<br />

Erziehungsplan 2005<br />

40<br />

Weiterführende Literatur<br />

42<br />

7


Die Anfänge der Außer-Haus-Betreuung<br />

Anfänge der öffentlichen<br />

Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dererziehung <strong>in</strong><br />

<strong>Bayern</strong><br />

Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>derschulen<br />

König Ludwig I. von <strong>Bayern</strong> genehmigte<br />

am 4. August 1833 die E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>er<br />

Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>derschule <strong>in</strong> München. Die Sache<br />

sei gut, so schrieb er, nur solle <strong>in</strong> dieser<br />

Schule noch ke<strong>in</strong> Unterricht vorherrschen.<br />

Ke<strong>in</strong>e Arbeit, sondern jugendlicher Frohs<strong>in</strong>n<br />

sollte im Vordergrund stehen.<br />

„Der Erteilung e<strong>in</strong>es eigentlichen Unterrichts<br />

haben sich die Pfleger und Aufseher<br />

… gänzlich und strenge zu enthalten …<br />

und wenn es unbenommen bleiben mag,<br />

(die K<strong>in</strong>der) im Zusammensetzen und<br />

Vergleichen von Buchstaben und Zahlen zu<br />

üben, so hat dieses doch <strong>in</strong> der Absicht zu<br />

geschehen, das Auffassungs- und Anschauungsvermögen<br />

zu wecken, S<strong>in</strong>n und Urteil<br />

zu schärfen, an geregelte Geistestätigkeit<br />

und ruhiges Aufmerken zu gewöhnen<br />

und auf diesem Wege die Kle<strong>in</strong>en auf<br />

die Benutzung der öffentlichen Schulen<br />

vorzubereiten.“<br />

Allgeme<strong>in</strong>e Bestimmungen 1839<br />

oder W<strong>in</strong>kelschulen. Auch reguläre Elementarschulen<br />

wurden von Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dern<br />

zusammen mit den älteren Geschwistern<br />

besucht. Im Ursul<strong>in</strong>enkloster zu Straub<strong>in</strong>g<br />

ist bereits 1782 e<strong>in</strong>e Vorbereitungsschule<br />

bekannt, die 80 Mädchen betreute.<br />

„In der ... Vorbereithungs-Schul [s<strong>in</strong>d]<br />

Mägdle<strong>in</strong> von 4 und 5 Jahren, die nur<br />

aufgenommen werden, damit sie ... vom<br />

schädlichen Herumlaufen auf den Gassen,<br />

und von der schlechten Zucht der K<strong>in</strong><strong>des</strong><br />

Mägden bey zeiten weg genohmen, zur<br />

Liebe zum Lernen angemuthet, und zu<br />

den folgenden Schul-Klassen hergerichtet<br />

werden.“<br />

Straub<strong>in</strong>g, 1782 (siehe auch Seite 9 oben)<br />

Um die Mitte der 20er Jahre <strong>des</strong> 19.<br />

Jahrhunderts wurden erstmals die Aufgaben<br />

und die gesellschaftspolitische<br />

Wirksamkeit e<strong>in</strong>er „Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>derschule“<br />

systematisch diskutiert. Diese Diskussion<br />

wurde <strong>in</strong> Deutschland entscheidend<br />

angestoßen durch Samuel Wildersp<strong>in</strong>s<br />

Handbuch „Über die frühzeitige Erziehung<br />

der K<strong>in</strong>der und die englischen<br />

Kle<strong>in</strong>-K<strong>in</strong>der-Schulen“.<br />

Das königliche Wohlwollen hat maßgeblich<br />

zum raschen Ausbau der E<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>in</strong> <strong>Bayern</strong> beigetragen. E<strong>in</strong>e außerhäusliche<br />

Betreuung von Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dern im<br />

nichtschulpflichtigen Alter gab es bereits<br />

<strong>in</strong> Städten <strong>in</strong> Form von Warte-, Strick-<br />

Unter dem E<strong>in</strong>fluss dieses Werkes schien<br />

die Errichtung derartiger Anstalten e<strong>in</strong><br />

Heilmittel gegen die offenkundig werdenden<br />

Probleme der Zeit.<br />

8


In der Früh<strong>in</strong>dustrialisierung nahm die<br />

Armut <strong>in</strong> breiten Kreisen der Bevölkerung<br />

zu. Mehr und mehr mussten Frauen und<br />

auch Mütter zum Lebensunterhalt mit bezahlter<br />

Arbeit beitragen. Die unbeaufsichtigten<br />

K<strong>in</strong>der drohten zu verwahrlosen.<br />

Durch Beaufsichtigung und Bewahrung<br />

sollten sie vor körperlicher und sittlicher<br />

Verwahrlosung geschützt und ihren<br />

Samuel Wildersp<strong>in</strong>s Buch<br />

„Über die frühzeitige Erziehung der K<strong>in</strong>der<br />

und die englischen Kle<strong>in</strong>-K<strong>in</strong>der-Schulen“<br />

Raum <strong>in</strong> Wildersp<strong>in</strong>s Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>derschule, England<br />

Müttern die Erwerbstätigkeit ermöglicht<br />

werden. Die K<strong>in</strong>der wurden zu fügsamen<br />

Mitgliedern der Gesellschaft und für e<strong>in</strong><br />

Leben <strong>in</strong> Armut erzogen. Erziehung zu Gehorsam,<br />

Fleiß, Re<strong>in</strong>lichkeit, Pünktlichkeit<br />

und Gottesfurcht standen im Mittelpunkt<br />

der Arbeit <strong>in</strong> den Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>derschulen.<br />

„Die Achtung, die man ihnen von K<strong>in</strong><strong>des</strong>be<strong>in</strong>en<br />

an für die bestehenden gesellschaftlichen<br />

Verhältnisse e<strong>in</strong>flößt; die ... unausgesetzte<br />

Subord<strong>in</strong>ation ... unter der sie stehen<br />

... s<strong>in</strong>d ebenso viele Schutzwehren gegen<br />

Unzufriedenheit und Ungenügsamkeit“<br />

Aus Wildersp<strong>in</strong>, 1826<br />

In <strong>Bayern</strong> empfahl die Regierung<br />

1832 und 1837 die E<strong>in</strong>richtung von<br />

Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>derschulen.<br />

Die ersten E<strong>in</strong>richtungen s<strong>in</strong>d nachweisbar<br />

1831 <strong>in</strong> Nürnberg, 1832 <strong>in</strong> Ansbach,<br />

Burgfarnbach, Nürnberg, 1834<br />

<strong>in</strong> Augs burg, Bayreuth, München (2),<br />

1835 <strong>in</strong> Augsburg (2), 1836 <strong>in</strong> Nürnberg,<br />

Schwe<strong>in</strong>furt, Würzburg, 1837 <strong>in</strong> Fürth,<br />

München, Aschaffenburg, Hof, Coburg,<br />

1839 <strong>in</strong> Bamberg.<br />

9


Unterricht, Arbeit und Spiel<br />

Erste kommunale<br />

Bewahranstalten <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong><br />

Die ersten kommunalen Anstalten <strong>Bayern</strong>s<br />

wurden <strong>in</strong> Augsburg 1834 gegründet und<br />

von Johann Georg Wirth (1807 – 1851)<br />

geleitet. Bee<strong>in</strong>flusst von praktischen Erfahr<br />

ungen, veröffentlichte er 1838 e<strong>in</strong> erstes<br />

deutsches Handbuch zur Pädagogik der<br />

Bewahranstalten.<br />

Weitere Schriften, darunter e<strong>in</strong> „Mütterbuch“<br />

und e<strong>in</strong>e Bestandsaufnahme der<br />

ersten E<strong>in</strong>richtungen <strong>in</strong> Deutschland,<br />

erschienen 1840.<br />

Neben e<strong>in</strong>em Überblick über die räumlichen<br />

und organisatorischen Notwendigkeiten<br />

erläuterte Wirth didaktische<br />

Überlegungen zur Differenzierung der Beschäftigungen,<br />

die er als Unterricht, Arbeit<br />

und Spiel verstanden wissen wollte.<br />

Zusätzlich bezog er Feste aus dem Jahresablauf<br />

<strong>in</strong> die Arbeit mit e<strong>in</strong> sowie persönliche<br />

Ereignisse der K<strong>in</strong>der. Geburtstage,<br />

Krankheits- und Sterbefälle <strong>in</strong> der Familie<br />

wurden mit den K<strong>in</strong>dern besprochen. Das<br />

pädagogische Konzept Wirths, welches<br />

auch die konkrete Betrachtung k<strong>in</strong>dlicher<br />

Lebensbedürfnisse und das Spiel <strong>in</strong><br />

den Mittelpunkt stellte, unterschied sich<br />

grundlegend von den bisherigen Auffassungen<br />

von Verwahrung und schulischen<br />

Unterrichtsplänen und war vergleichsweise<br />

modern.<br />

Lieder aus der Bewahranstalt<br />

10


E<strong>in</strong> Bauspiel im<br />

Ratgeber für Mütter<br />

Raum <strong>in</strong> Wildersp<strong>in</strong>s Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>derschule, England<br />

„Aus ihren Spielsachen, die den Kle<strong>in</strong>en<br />

überlassen werden, bilden sie e<strong>in</strong>e Welt,<br />

<strong>in</strong> der sie als die wichtigsten Bewohner<br />

ersche<strong>in</strong>en. … Ihre ganze Tätigkeit ist e<strong>in</strong>e<br />

Übertragung <strong>des</strong>sen, was sie im wirklichen<br />

Leben gesehen, gehört, erfahren haben, <strong>in</strong><br />

ihre eigene Welt. Hier soll nun alles vorgehen,<br />

wovon sie sich e<strong>in</strong>en Begriff verschafft<br />

haben. Auch die Bewahranstalten mögen<br />

nicht störend auf das k<strong>in</strong>dliche Verlangen,<br />

spielen zu wollen, e<strong>in</strong>wirken, sondern den<br />

S<strong>in</strong>n für das Spielen noch mehr beleben,<br />

sogar die sämtlichen Übungen mehr spielender<br />

als ernster Natur ersche<strong>in</strong>en lassen.“<br />

Johann Georg Wirth, 1838<br />

Wirth erkannte erstmals das Rollenspiel<br />

als e<strong>in</strong>e eigene Welt <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong>, die es zu<br />

respektieren galt.<br />

Se<strong>in</strong>e Ausführungen über die Bewahranstalten<br />

hatten besonderen E<strong>in</strong>fluss auf die<br />

Struktur der Bewahranstalten der „Armen<br />

Schulschwestern“. Um 1900 wurden 98<br />

von <strong>in</strong>sgesamt 577 bayerischen E<strong>in</strong>richtungen<br />

von den „Armen Schulschwestern“<br />

geleitet.<br />

11


Erste gesetzliche Regelungen<br />

Die „Allgeme<strong>in</strong>en Bestimmungen“<br />

von 1839 und 1910<br />

Mit den „Allgeme<strong>in</strong>en Bestimmungen“<br />

über die Errichtung und Beaufsichtigung<br />

der Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>derbewahranstalten unter<br />

König Ludwig I. schuf <strong>Bayern</strong> 1839 als<br />

erstes Land gesetzliche Regelungen für<br />

die K<strong>in</strong>derbetreuung.<br />

Diese Bestimmungen galten 70 Jahre<br />

unverändert und wurden erst 1910 notdürftig<br />

an die veränderten Verhältnisse<br />

angepasst.<br />

Die Richtl<strong>in</strong>ien von 1910 sahen als neue<br />

Aufgabe die Gesundheitserziehung vor<br />

und regelten e<strong>in</strong>e verbesserte Raumund<br />

Gruppengröße.<br />

§ 1 „Die Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>derbewahranstalten s<strong>in</strong>d,<br />

<strong>in</strong> so lange nicht anders verfügt werden<br />

wird, als Privat<strong>in</strong>stitute zu betrachten<br />

und als solche den bestehenden<br />

Vorschriften gemäß zu behandeln. Es<br />

ist jedoch zur Bildung e<strong>in</strong>er solchen<br />

Anstalt die obrigkeitliche Bewilligung<br />

erforderlich.<br />

Ihre E<strong>in</strong>richtung und Erhaltung ist<br />

allenthalben zu befördern, wo sich<br />

das Bedürfnis für sie kund gibt, wo die<br />

erforderlichen Mittel dazu aufgebracht<br />

werden können, und wo sich gegen<br />

den Inhalt der zur Genehmigung<br />

vorzulegenden Statuten etwas Wesentliches<br />

nicht er<strong>in</strong>nern läßt.<br />

§ 2. Die erwähnten Anstalten sollen ke<strong>in</strong>en<br />

anderen Zweck haben, als den kle<strong>in</strong>en,<br />

für die öffentlichen Schulen noch<br />

nicht reifen K<strong>in</strong>dern Aufenthalt und<br />

Pflege <strong>in</strong> der Art angedeihen zu lassen,<br />

wie solche von verständigen und<br />

gewissenhaften Eltern zu gedeihlicher<br />

Entwicklung geistiger und leiblicher<br />

Kräfte für dieses zarte Jugendalter<br />

gewährt zu werden pflegen. Auf diese<br />

ihre Bestimmung s<strong>in</strong>d sie allenthalben<br />

zu beschränken, und es ist daher auch<br />

nicht zu gestatten, daß ihnen der<br />

noch hie und da übliche Name e<strong>in</strong>er<br />

Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>derschule beigelegt oder, daß<br />

den dabei beschäftigten Personen der<br />

Titel e<strong>in</strong>es Lehrers oder e<strong>in</strong>er Lehrer<strong>in</strong><br />

verliehen werde …“<br />

12


Der § 4 macht deutlich, welche Funktion<br />

der öffentlichen Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dererziehung als<br />

e<strong>in</strong>er Armenerziehung zugedacht war.<br />

§ 4 „Da bei Weitem der größere Teil der<br />

<strong>in</strong> diese Anstalt aufgenommenen<br />

K<strong>in</strong>der armen Eltern angehört, und für<br />

e<strong>in</strong>en Stand erzogen werden soll, welcher<br />

vorzugsweise e<strong>in</strong>en gesunden,<br />

kräftigen und gewandten Körper, Lust<br />

und Liebe zu anstrengender Arbeit<br />

und möglichste Beschränkung se<strong>in</strong>er<br />

Bedürfnisse zu se<strong>in</strong>em künftigen<br />

E<strong>in</strong>kommen und zu se<strong>in</strong>em äußeren<br />

Lebensglücke nötig hat: so muß <strong>in</strong><br />

den Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>derbewahranstalten alles<br />

sorgfältig vermieden werden, was<br />

nachteilig auf den Gesundheitszustand<br />

e<strong>in</strong>wirkt (wie dieses namentlich<br />

durch überheizte Lokalitäten<br />

geschieht), die Pflegl<strong>in</strong>ge schwächt<br />

und verweichlicht, den Hang zum<br />

Wohlleben hervorruft und Bedürfnisse<br />

erzeugt, die <strong>in</strong> späteren Lebensjahren<br />

nicht mehr befriedigt werden können,<br />

und im Entbehrungsfalle leicht e<strong>in</strong>e<br />

Quelle der Unzufriedenheit und <strong>des</strong><br />

Unfriedens eröffnen dürften.“<br />

13


Der Vater <strong>des</strong> <strong>K<strong>in</strong>dergartens</strong><br />

Friedrich Fröbel und<br />

der K<strong>in</strong>dergarten<br />

Friedrich Wilhelm August Fröbel (1782<br />

– 1852) gilt als Vater <strong>des</strong> <strong>K<strong>in</strong>dergartens</strong>.<br />

Für Fröbel war K<strong>in</strong>dererziehung e<strong>in</strong><br />

geme<strong>in</strong>sames Werk von Familie und<br />

K<strong>in</strong>dergarten. Fröbel prägte den Begriff<br />

K<strong>in</strong>dergarten. Der Begriff drückt Fröbels<br />

romantische Vorstellung frühk<strong>in</strong>dlicher<br />

Erziehung aus. Er sah die Hauptaufgabe<br />

<strong>des</strong> <strong>K<strong>in</strong>dergartens</strong> <strong>in</strong> der „allseitigen<br />

Pflege <strong>des</strong> K<strong>in</strong>derlebens“, der S<strong>in</strong>nesschulung,<br />

der Ausbildung <strong>des</strong> Verstan<strong>des</strong>,<br />

der motorischen Förderung, der<br />

Persönlichkeitsentwicklung und der<br />

Vorbereitung auf die Schule.<br />

„Der Mensch ist ihm [Fröbel] e<strong>in</strong> göttliches<br />

Gewächs und der Erzieher der Gärtner,<br />

der ihm Licht und Nahrung verschafft,<br />

das Wesentliche aber se<strong>in</strong>en Lebenskräften<br />

überlässt. Aus dieser Weltanschauung<br />

heraus stellt Fröbel die Selbsttätigkeit und<br />

besonders den natürlichen Darstellungstrieb<br />

<strong>in</strong> den Mittelpunkt der Erziehung.“<br />

Albert Reble<br />

Fröbel entdeckte im K<strong>in</strong>derspiel die<br />

spezifische Aneignungsweise <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong>:<br />

Es „erahnt“ die Welt. Er entwickelte 1836<br />

se<strong>in</strong>e „Spielgaben“ und „Beschäftigungs–<br />

oder Bildungsmittel“, das so genannte<br />

Fröbelmaterial. Das K<strong>in</strong>d sollte damit <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>er „Allseitigkeit“ angeregt werden.<br />

Friedrich W. A. Fröbel, 1839<br />

„Das ,Ganze der entwickelnd erziehenden<br />

Spielgaben‘ war e<strong>in</strong>e Folge von altbekannten<br />

und e<strong>in</strong>igen neuen Spielzeugen,<br />

zurückgeführt auf e<strong>in</strong>e mathematische<br />

Ordnung: Regelmäßige Körper (Kugel,<br />

Würfel, Kristallformen) – Flächen (Legetafeln,<br />

Papierquadrat) – L<strong>in</strong>ien (Papierstreifen,<br />

Holzstäbchen, Wollfaden) – Punkte (alles<br />

E<strong>in</strong>zelne wie Ste<strong>in</strong>chen, Früchte, Sandkorn).<br />

Im Zerteilen und Zusammenfügen ergaben<br />

sich die üblichen K<strong>in</strong>derspiele und Formen<br />

<strong>des</strong> schmückenden Hausfleißes (Perlenfädeln,<br />

Weben, Falten, Faltschnitt usw.). Diese<br />

Aufstellung war weniger e<strong>in</strong>e methodische<br />

Anleitung zur gelenkten Durchführung<br />

lehrender Spiele als e<strong>in</strong>e didaktische Bes<strong>in</strong>nung,<br />

die den Erwachsenen die Bedeutung<br />

<strong>des</strong> k<strong>in</strong>dlichen Spielens aufdecken sollte;<br />

ihnen sollte das Gesetz der unter den Händen<br />

entstehenden ornamentalen ,schönen<br />

Gestalten‘, dem das K<strong>in</strong>d ahnend folgte, zur<br />

klaren Erkenntnis gebracht werden.“<br />

Erika Hoffmann<br />

14


Was zuerst für das Spiel von Mutter und<br />

K<strong>in</strong>d gedacht war, weitete er 1840 <strong>in</strong> der<br />

Idee der Spielpflege auch auf die öffentliche<br />

Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dererziehung aus.<br />

„In allem, was das K<strong>in</strong>d tut, zeigt es<br />

sich als e<strong>in</strong> nach Bewusstse<strong>in</strong> streben<strong>des</strong><br />

Wesen. Es ist Aufgabe der K<strong>in</strong>dergärten, das<br />

K<strong>in</strong>d zu e<strong>in</strong>em solchen selbstbewussten<br />

Wesen zu erheben, das sich klar wird über<br />

<strong>des</strong> Menschen <strong>in</strong>nerstes Wesen, über die<br />

Natur und se<strong>in</strong> Verhältnis zu Andern.“<br />

Friedrich Fröbel<br />

Spiele im K<strong>in</strong>dergarten<br />

„K<strong>in</strong>derspiel ist ke<strong>in</strong>eswegs e<strong>in</strong> nichtiges,<br />

gehalt- und fruchtloses Zeitvertreiben<br />

… nicht e<strong>in</strong> zufälliges ungeordnetes Leben<br />

und Bewegen … ke<strong>in</strong>eswegs e<strong>in</strong> Nichtlernen,<br />

sondern vielmehr e<strong>in</strong> ununterbrochenes<br />

Lernen, aber am, um und im Leben<br />

selbst. Das Gelernte geht hier sogleich wieder<br />

<strong>in</strong>s Leben über … damit unterscheidet<br />

sich dieses Lernen von dem <strong>in</strong> der Schule.“<br />

Friedrich Fröbel<br />

Fröbel forderte e<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>dergarten als<br />

notwendige Vorstufe zur Schule. Im<br />

Zentrum se<strong>in</strong>er Überlegungen stand die<br />

Bildung e<strong>in</strong>es jeden K<strong>in</strong><strong>des</strong>, unabhängig<br />

von <strong>des</strong>sen sozialem Stand. Friedrich Fröbels<br />

Konzept <strong>des</strong> <strong>K<strong>in</strong>dergartens</strong> und se<strong>in</strong>e<br />

Bildungstheorie der frühen K<strong>in</strong>dheit f<strong>in</strong>den<br />

noch heute weltweit Aufmerksamkeit<br />

und Anerkennung. Das Wort K<strong>in</strong>dergarten<br />

wurde <strong>in</strong> viele Sprachen übernommen.<br />

Spiel mit Ball,<br />

Kugel und Würfel<br />

15


Geburtsstunde der Münchener Fachakademie<br />

Der Münchener<br />

K<strong>in</strong>dergartenvere<strong>in</strong><br />

Im Jahr 1868 wurde <strong>in</strong> München der<br />

„K<strong>in</strong>dergartenvere<strong>in</strong>“ <strong>in</strong>s Leben gerufen,<br />

der <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>richtungen die pädagogischen<br />

Ansätze von Fröbel umsetzte.<br />

Die K<strong>in</strong>dergärten erhielten von der Stadt<br />

München neben f<strong>in</strong>anziellen Zuwendungen<br />

auch Räume <strong>in</strong> regulären Schulbauten<br />

zur Verfügung gestellt.<br />

Lorenz Ill<strong>in</strong>g, der erste Direktor <strong>des</strong><br />

K<strong>in</strong>dergärtner<strong>in</strong>nensem<strong>in</strong>ars, hob den<br />

allgeme<strong>in</strong>en Bildungsanspruch <strong>des</strong> Fröbelschen<br />

<strong>K<strong>in</strong>dergartens</strong> hervor. Er betonte<br />

die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>führung<br />

der K<strong>in</strong>dergärten. Für alle K<strong>in</strong>der<br />

sollten die gleichen Entwicklungs- und<br />

Erfahrungsmöglichkeiten gegeben se<strong>in</strong>.<br />

Nach zehn Jahren existierten sechs<br />

K<strong>in</strong>dergärten sowie e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>dergärtner<strong>in</strong>nensem<strong>in</strong>ar,<br />

das heute als Fachakademie<br />

für Sozialpädagogik unter Trägerschaft<br />

der Stadt München weiterbesteht.<br />

Ankunft im K<strong>in</strong>dergarten<br />

K<strong>in</strong>der helfen mit<br />

16


E<strong>in</strong>e Weiterentwicklung der K<strong>in</strong>dergartenpädagogik<br />

wurde von Albert Hermann,<br />

dem zweiten Direktor <strong>des</strong> K<strong>in</strong>dergärtner<strong>in</strong>nensem<strong>in</strong>ars<br />

<strong>in</strong> München, vorgeschlagen:<br />

Er forderte e<strong>in</strong> familienähnliches Gruppensystem<br />

von sechs bis acht K<strong>in</strong>dern<br />

Aus dem Sem<strong>in</strong>ark<strong>in</strong>dergarten Bogenhausen<br />

(statt der bis dah<strong>in</strong> üblichen Gruppengröße<br />

von 40 bis 50 K<strong>in</strong>dern und mehr)<br />

und die E<strong>in</strong>richtung von Betätigungsräumen<br />

für K<strong>in</strong>der mit Ausstattung<br />

zum Experimentieren, z. B. überdachte<br />

Hofräume mit Gelegenheit zum freien<br />

Bau- und Sandspiel, e<strong>in</strong>e Waschküche<br />

und e<strong>in</strong>e Küche.<br />

Tafelbild für e<strong>in</strong>e Erzählung<br />

17


Pädagogischer Richtungsstreit<br />

Die Diskussion der<br />

Erziehungs- und Bildungsziele<br />

im 19. Jahrhundert<br />

In Deutschland kam es Mitte <strong>des</strong> 19.<br />

Jahrhunderts zu heftigen Ause<strong>in</strong>andersetzungen<br />

zwischen Anhängern<br />

der Fröbelpädagogik und Vertretern<br />

der pädagogischen Grundsätze der<br />

K<strong>in</strong>derbewahranstalten.<br />

Vertreter konfessioneller Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>derschulen<br />

und K<strong>in</strong>derbewahranstalten<br />

betonten e<strong>in</strong> konservatives Familienbild<br />

mit strenger Rollenverteilung zwischen<br />

Mann und Frau. Mütterliche Erwerbsarbeit<br />

konnte nur als Notarbeit akzeptiert<br />

werden. Man glaubte, deren unmittelbare<br />

Folge sei e<strong>in</strong>e Verwahrlosung der<br />

K<strong>in</strong>der. Die Lösung der sozialen Probleme<br />

wurde <strong>in</strong> der Rückkehr zur alten,<br />

gottgegebenen Familienform gesehen:<br />

die Mutter <strong>in</strong> ihrer naturgegebenen<br />

Aufgabe als ausschließliche Erzieher<strong>in</strong><br />

der K<strong>in</strong>der.<br />

Die Vertreter der Fröbelpädagogik argumentierten,<br />

dass der K<strong>in</strong>dergarten jedem<br />

K<strong>in</strong>d als e<strong>in</strong>e Bildungsmöglichkeit neben<br />

der Familie offen stehen sollte. Sie plädierten<br />

für den K<strong>in</strong>dergarten als erste<br />

Stufe <strong>des</strong> allgeme<strong>in</strong>en Bildungssystems.<br />

Diese Forderung setzte sich jedoch nicht<br />

durch, blieb aber bis heute virulent.<br />

In der konfessionellen Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>derbetreuung<br />

gewannen die Spielgaben Fröbels<br />

und die <strong>in</strong>nere Differenzierung <strong>in</strong> der<br />

K<strong>in</strong>dergartenarbeit an Bedeutung. E<strong>in</strong><br />

Streitpunkt blieb jedoch: Der Selbstentfaltung<br />

<strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong> bei Fröbel stand e<strong>in</strong><br />

theologischer Ansatz mit der Betonung<br />

der Erbsünden- und Gnadenlehre gegenüber.<br />

Die Unterschiede wurden nie<br />

ausdiskutiert. Der Streit ist mit der Zeit<br />

gewissermaßen e<strong>in</strong>geschlafen.<br />

So wurden Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>deranstalten bzw.<br />

K<strong>in</strong>derbewahranstalten lange als notwendige<br />

E<strong>in</strong>richtungen zur „Ersatzerziehung“<br />

gesehen, ihre pr<strong>in</strong>zipielle Existenzberechtigung<br />

jedoch bestritten.<br />

18


Das geme<strong>in</strong>same Spiel, um 1850<br />

19


Der K<strong>in</strong>dergarten als Wohlfahrtse<strong>in</strong>richtung<br />

Zeit der Weimarer Republik:<br />

Von der Reichsschulkonferenz<br />

1920 bis 1933<br />

Die nach der neuen Reichsverfassung<br />

von 1919 notwendig gewordene Neuorientierung<br />

<strong>des</strong> gesamten Schulwesens<br />

wurde auf der so genannten Reichsschulkonferenz<br />

1920 beraten. Dem Ausschuss<br />

„K<strong>in</strong>dergarten“ kam dabei die Aufgabe<br />

zu, die Stellung <strong>des</strong> <strong>K<strong>in</strong>dergartens</strong> im<br />

System <strong>des</strong> Bildungswesens zu klären.<br />

E<strong>in</strong> Leitsatz der Diskussion lautete: „Als<br />

Überleitung zur Schule s<strong>in</strong>d für K<strong>in</strong>der<br />

vom vollendeten dritten Lebensjahr an<br />

öffentliche K<strong>in</strong>dergärten e<strong>in</strong>zurichten;<br />

der Besuch darf nur für solche K<strong>in</strong>der<br />

verb<strong>in</strong>dlich se<strong>in</strong>, bei denen e<strong>in</strong>e geordnete<br />

häusliche Erziehung nicht vorhanden<br />

ist.“<br />

Argumente gegen die Aufnahme <strong>des</strong><br />

<strong>K<strong>in</strong>dergartens</strong> <strong>in</strong> das Schulwesen waren:<br />

■ ke<strong>in</strong>e Verlängerung der Schulpflicht<br />

■ ke<strong>in</strong> E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> das Recht der Eltern<br />

Entsprechend den Beratungs- und<br />

Abstimmungsergebnissen wurde für<br />

das K<strong>in</strong>dergartenwesen e<strong>in</strong>e reichse<strong>in</strong>heitliche<br />

gesetzliche Regelung erstmalig<br />

1922 im Reichsjugendwohlfahrtsgesetz<br />

(RJWG) getroffen. Danach war als bed<strong>in</strong>gte<br />

Pflichtaufgabe der neu zu schaffenden<br />

Jugendämter bestimmt, für die<br />

„Wohlfahrt der Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>der“ (§ 4 RJWG)<br />

Sorge zu tragen unter vorrangiger Trägerschaft<br />

der freien Wohlfahrtsverbände.<br />

Diese Zuordnung <strong>des</strong> <strong>K<strong>in</strong>dergartens</strong> zur<br />

Jugendwohlfahrt bedeutete e<strong>in</strong>e Ab sage<br />

an den Gedanken der Vorschulpflichtigkeit,<br />

die bis <strong>in</strong> unsere Tage Gültigkeit<br />

behalten hat. E<strong>in</strong>richtungen der öffen t-<br />

lichen Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dererziehung blieben somit<br />

e<strong>in</strong> Angebot der Jugendpflege und Familienhilfe.<br />

„Man betonte wohl, dass der<br />

K<strong>in</strong>dergarten e<strong>in</strong>en für die Schule grundlegenden<br />

Bildungsauftrag habe, aber nur<br />

für die K<strong>in</strong>der, deren Elternhaus ihn nicht<br />

erfüllen könne. Man forderte auch, die<br />

Grundschule solle mit ihren Methoden<br />

an die <strong>des</strong> <strong>K<strong>in</strong>dergartens</strong> anschließen.“<br />

(Erika Hoffmann)<br />

20


Gruppenbild um 1900<br />

1. Recht und Pflicht der Erziehung der<br />

K<strong>in</strong>der im vorschulpflichtigen Alter<br />

liegt grundsätzlich bei der Familie.<br />

3. Für Eltern, die ihre K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> den<br />

K<strong>in</strong>dergarten schicken wollen, muss<br />

die Möglichkeit dazu geboten werden.<br />

E<strong>in</strong>e Verpflichtung zum Besuch <strong>des</strong><br />

<strong>K<strong>in</strong>dergartens</strong> ist abzulehnen.<br />

Aus den „Leitsätzen“ <strong>des</strong><br />

Ausschusses „K<strong>in</strong>dergarten“<br />

21


Ideologie statt Pädagogik<br />

Der K<strong>in</strong>dergarten unter<br />

dem Nationalsozialismus<br />

Nach 1933 gab es zunächst ke<strong>in</strong>e Bee<strong>in</strong>trächtigung<br />

der K<strong>in</strong>dergärten durch<br />

die neuen Machthaber, da die Parteiorganisationen<br />

der NSDAP sich nicht um<br />

den Bereich der öffentlichen Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dererziehung<br />

kümmerten. Nach der Vere<strong>in</strong>barung<br />

<strong>des</strong> Reichskonkordates von 1933<br />

mit der Katholischen Kirche schien der<br />

Bestand der E<strong>in</strong>richtungen <strong>in</strong> katholischer<br />

und analog <strong>in</strong> evangelischer Trägerschaft<br />

gesichert zu se<strong>in</strong>.<br />

Ab 1935/36 wurde versucht, alle E<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>in</strong> freier Trägerschaft der<br />

Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt<br />

(NSV) zu unterstellen. Ziel der „Gleichschaltung“<br />

war die Durchsetzung der<br />

nationalsozialistischen Ideologie bereits<br />

<strong>in</strong> der frühk<strong>in</strong>dlichen Erziehung. Trägerverbände,<br />

wie z. B. die AWO, wurden<br />

aufgelöst, konfessionelle K<strong>in</strong>dergärten<br />

sollten durch e<strong>in</strong>e künstliche und<br />

politisch gewollte Verknappung der<br />

Zuschüsse zur Aufgabe ihrer Arbeit<br />

gebracht werden. Die konfessionellen<br />

Trägerverbände erhoben energischen<br />

E<strong>in</strong>spruch gegen dieses Vorgehen. Den<br />

beiden großen Kirchen gelang es, durch<br />

zähe Verhandlungen den Bestand an<br />

E<strong>in</strong>richtungen weitgehend zu bewahren.<br />

So konnte die NSV nur e<strong>in</strong> Drittel der<br />

konfessionellen K<strong>in</strong>dergärten übernehmen.<br />

Auch die Elternschaft hat sich mit<br />

der Übernahme von E<strong>in</strong>richtungen durch<br />

die NSV nicht abf<strong>in</strong>den wollen und <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>igen Fällen auch e<strong>in</strong>e Rückgabe an<br />

die konfessionellen Träger erzwungen.<br />

„Die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt<br />

sieht die K<strong>in</strong>dertagesstätte als e<strong>in</strong>e<br />

ihrer bedeutendsten E<strong>in</strong>richtungen an, <strong>in</strong><br />

denen die Ziele ... an e<strong>in</strong>er ... besonders<br />

bee<strong>in</strong>flussbaren Altersstufe verwirklicht<br />

werden müssen.“<br />

Reichsamtsleiter Althaus, 1942<br />

K<strong>in</strong>der beobachten<br />

Soldaten bei e<strong>in</strong>er Übung<br />

22


Dennoch sollte die religiöse Erziehung beh<strong>in</strong>dert<br />

werden. Zu erheblichen Unruhen<br />

kam es 1941, als <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong> von Gauleiter<br />

Wagner e<strong>in</strong> sogenannter Kruzifixerlass<br />

verfügt wurde, welcher die Verwendung<br />

von kirchlichem Bilderschmuck und<br />

Gemälde als Wandschmuck wählten, auf<br />

denen christliche Motive wie Kreuzstöcke<br />

o. ä. zu sehen waren. Letztendlich war es<br />

den Protesten der Bevölkerung zu verdanken,<br />

dass der Erlass aufgehoben wurde.<br />

Soldatenspiele<br />

Kruzifixen <strong>in</strong> öffentlichen Schulgebäuden<br />

untersagte. E<strong>in</strong>ige K<strong>in</strong>dergärtner<strong>in</strong>nen<br />

unterliefen diesen Erlass, <strong>in</strong>dem sie<br />

Mit dem E<strong>in</strong>fluss der nationalsozialistischen<br />

Ideologie veränderte sich auch die<br />

Arbeit im K<strong>in</strong>dergarten. Bl<strong>in</strong><strong>des</strong> Gefolgschaftsdenken<br />

und Gehorsam statt <strong>in</strong>dividualisierender<br />

Erziehung standen im<br />

Vordergrund. Die Bildungsförderung der<br />

K<strong>in</strong>der wurde zur nachrangigen Aufgabe,<br />

Hauptziele der Förderung wurden Gesundheitserziehung,<br />

Gymnastik und Sport.<br />

Im Rollenspiel wird die Bombennacht<br />

„im Keller“ verarbeitet<br />

Das Thema Krieg drang auch <strong>in</strong> die K<strong>in</strong>dergärten.<br />

Der Luftkrieg verwischte die<br />

Grenzen zwischen Heimat und Front. Die<br />

unmittelbare Erfahrung von Tod und Zerstörung<br />

bee<strong>in</strong>flusste das Spiel der K<strong>in</strong>der.<br />

23


Nach 1945 bis zur Vorschulreform<br />

Der Wiederaufbau <strong>in</strong> der<br />

Nachkriegszeit<br />

Unmittelbar nach Kriegsende haben die<br />

kirchlich-konfessionellen und die wieder<br />

neu gegründeten freien Träger ihre<br />

Arbeit im K<strong>in</strong>dergartenbereich wieder<br />

aufgenommen. Der K<strong>in</strong>dergarten wurde<br />

als e<strong>in</strong>e Not-Betreuungse<strong>in</strong>richtung für<br />

solche K<strong>in</strong>der gesehen, deren Familiensituation<br />

e<strong>in</strong>en Ersatz für Erziehungsaufgaben<br />

der Familie erforderte: Betreuung,<br />

Verköstigung, Förderung etc.<br />

E<strong>in</strong> Engagement <strong>in</strong> diesem Bereich<br />

blieb <strong>in</strong> das Ermessen der freien Wohlfahrtsverbände<br />

gestellt, die aber beim<br />

Wiederaufbau <strong>des</strong> zerstörten K<strong>in</strong>dergartenwesens<br />

nur mit ger<strong>in</strong>ger f<strong>in</strong>anzieller<br />

Unterstützung durch die öffentliche<br />

Versorgung der K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> der Nachkriegszeit<br />

Hand rechnen konnten. Große K<strong>in</strong>dergruppen<br />

von über 60 K<strong>in</strong>dern waren<br />

Folge <strong>des</strong> Personalmangels. Frauen und<br />

Mädchen ohne besondere Ausbildung<br />

halfen <strong>in</strong> den K<strong>in</strong>dergärten aus. Die<br />

Notsituation forderte die K<strong>in</strong>dergärtner<strong>in</strong>nen<br />

bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit.<br />

E<strong>in</strong>e pädagogische Förderung<br />

der K<strong>in</strong>der konnte <strong>in</strong> den überfüllten<br />

K<strong>in</strong>dergärten kaum stattf<strong>in</strong>den.<br />

Zerstörter K<strong>in</strong>dergarten 1945<br />

Die zunehmende Erwerbstätigkeit von<br />

Frauen und Müttern <strong>in</strong> den 50er und 60er<br />

Jahren ließ die Nachfrage nach K<strong>in</strong>dergartenplätzen<br />

ansteigen. Vere<strong>in</strong>zelt<br />

wurde die Forderung erhoben: Jedem<br />

K<strong>in</strong>d se<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>dergarten!<br />

24


Die Vorschulreform um 1970<br />

Mit dem „Sputnikschock“ 1957 begann<br />

nicht nur e<strong>in</strong> wirtschaftlich-technologischer<br />

Wettkampf der Weltmächte. Man<br />

erkannte, dass Bildung e<strong>in</strong>e große Rolle<br />

spielt. E<strong>in</strong>e Neuorientierung <strong>des</strong> gesamten<br />

(Aus-)Bildungssystems, ausgelöst<br />

Der Sputnik<br />

über <strong>Bayern</strong><br />

Vorbereitung auf die Schule<br />

von wirtschaftlichen und bildungspolitischen<br />

Zielsetzungen, sollte zu e<strong>in</strong>er<br />

besseren Vorbereitung der K<strong>in</strong>der auf<br />

die Erfordernisse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er modernen,<br />

technisierten Welt führen. In dieser Bildungsreform<br />

geriet der herkömmliche<br />

K<strong>in</strong>dergarten <strong>in</strong> den Verruf, e<strong>in</strong>e bloße Verwahranstalt<br />

zu se<strong>in</strong> und wegen fehlender<br />

Strategien zur Begabungsförderung die<br />

K<strong>in</strong>der künstlich dumm zu halten.<br />

„Zur Begabung begaben“ wurde zum<br />

Stichwort e<strong>in</strong>er Frühpädagogik, die die<br />

Verwahrpädagogik <strong>des</strong> <strong>K<strong>in</strong>dergartens</strong><br />

durch e<strong>in</strong>e spezifische Vorschulerziehung<br />

abzulösen versuchte. Nach dem<br />

Strukturplan für das Bildungswesen<br />

von 1970 sollte der K<strong>in</strong>dergarten zum<br />

Elementarbereich <strong>des</strong> Bildungswesens<br />

ausgebaut werden.<br />

Zugespitzt hieß es, dass die K<strong>in</strong>der <strong>in</strong><br />

der Familie, im K<strong>in</strong>dergarten und <strong>in</strong> der<br />

Schule kulturell vernachlässigt würden,<br />

weil sie nicht entwicklungsgemäße Anregungsangebote<br />

erhielten.<br />

25


Die Vorschulreform um 1970<br />

„Die pädagogischen Leitgedanken für<br />

den K<strong>in</strong>dergarten haben sich gewandelt.<br />

Aus der ,Aufbewahrungsidee‘ wurde die<br />

Idee e<strong>in</strong>er behüteten K<strong>in</strong>derheimat neben<br />

der Familie und schließlich e<strong>in</strong>er Stätte für<br />

Reifen und Lernen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em von Erwachsenen<br />

pädagogisch geleiteten Zusammenleben<br />

mit Gleichaltrigen im Auftrag der Eltern.<br />

Neu ist, dass sich heute, aufgrund e<strong>in</strong>er<br />

neuen E<strong>in</strong>schätzung der Lernfähigkeit <strong>des</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>des</strong>, der pädagogische Ansatz der Förderung<br />

schwerpunkthaft vom Reifevorgang<br />

auf das Lernen verlagert hat. So bekommen<br />

Lernaktivitäten e<strong>in</strong> größeres Gewicht, die<br />

auch K<strong>in</strong>dern mehr Freude machen.“<br />

Strukturplan für das Bildungswesen 1970<br />

E<strong>in</strong>e Vielzahl von unterschiedlichen curricularen<br />

Entwürfen zur Vorschulerziehung<br />

im K<strong>in</strong>dergarten wurde veröffentlicht und<br />

bee<strong>in</strong>flusste die Praxis. Ihnen allen war<br />

geme<strong>in</strong>sam, dass sie die Phase der frühen<br />

K<strong>in</strong>dheit effektiver zur Bildung nutzen<br />

wollten: Frühes Lesenlernen galt als<br />

Schlüsselkompetenz.<br />

neue Vorschulerziehung betonte Lernaufgaben<br />

für die K<strong>in</strong>der, Vorschulmappen<br />

und Erstlesen wurden e<strong>in</strong>geführt.<br />

E<strong>in</strong> weiterer curricularer Entwurf war<br />

der Situationsansatz, der <strong>in</strong> verschiedenen<br />

Bun<strong>des</strong>ländern erprobt wurde. Er<br />

erhob den Anspruch, die E<strong>in</strong>seitigkeiten<br />

früherer Ansätze überw<strong>in</strong>den zu können.<br />

Merkmale <strong>des</strong> Situationsansatzes s<strong>in</strong>d<br />

vor allem der Bezug zu den Lebenssituationen<br />

der K<strong>in</strong>der, das Lernen <strong>in</strong> Erfahrungszusammenhängen<br />

und <strong>in</strong> altersgemischten<br />

Gruppen, die Mitwirkung von<br />

Eltern an der pädagogischen Arbeit und<br />

e<strong>in</strong>e engere Verb<strong>in</strong>dung von K<strong>in</strong>dergarten<br />

und Geme<strong>in</strong>wesen. In diesem Curriculumentwurf<br />

sollten Kompetenz und<br />

Selbständigkeit der K<strong>in</strong>der als höchste<br />

Ziele an soziale Verantwortung gebunden<br />

werden, das e<strong>in</strong>seitige Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />

e<strong>in</strong>zelner Funktionen wurde abgelehnt.<br />

Wissenschaftsorientierte Ansätze empfahlen<br />

geschlossene Grundlernprogramme,<br />

die nach dem System der Wissenschaften<br />

e<strong>in</strong>geteilt wurden, so etwa<br />

für die Diszipl<strong>in</strong>en Sprache, Mathematik,<br />

Naturwissenschaft. Funktionsorientierte<br />

Ansätze stellten darauf ab, dass das K<strong>in</strong>d<br />

spezielle Fähigkeiten, Qualifikationen und<br />

Verhaltensweisen erwerben sollte. Diese<br />

beiden pädagogischen Ansätze führten zu<br />

e<strong>in</strong>er Verschulung <strong>des</strong> <strong>K<strong>in</strong>dergartens</strong>. Die<br />

26


Lernspiele <strong>in</strong> der Vorschulreform<br />

Im Rahmen <strong>des</strong> neu entdeckten Interesses<br />

für Fragen der Vorschulerziehung wurde<br />

der Übergang <strong>in</strong> die Schule thematisiert.<br />

In <strong>Bayern</strong> und anderen Bun<strong>des</strong>ländern<br />

wurden Modellversuche durchgeführt.<br />

E<strong>in</strong>e Optimierung der Übergangspraxis<br />

<strong>in</strong> personellen, didaktisch-methodischen<br />

und organisatorischen Fragen wurde<br />

angestrebt.<br />

Erfahrungen und Ergebnisse aus dem<br />

bayerischen Modellversuch bildeten die<br />

Grundlage für die Empfehlungen zum<br />

„Übergang vom K<strong>in</strong>dergarten zur Grundschule“<br />

von 1973.<br />

27


H<strong>in</strong> zu mehr pädagogischer Qualität<br />

Neue Anforderungen<br />

seit den 90er Jahren<br />

Seit 1990 wurden über 120.000 neue<br />

Plätze <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong> bereitgestellt. Nachdem<br />

damit der K<strong>in</strong>dergartenausbau großteils<br />

bewältigt war, wurde zunehmend diskutiert,<br />

wie sich die Qualität der K<strong>in</strong>dergärten<br />

steigern lasse.<br />

Instrumente zur E<strong>in</strong>schätzung der pädagogischen<br />

Qualität wurden erprobt<br />

und brachten als Ergebnis, dass <strong>in</strong> den<br />

K<strong>in</strong>dergärten <strong>in</strong> Deutschland erhebliche<br />

Entwicklungspotentiale nicht genügend<br />

wahrgenommen wurden.<br />

Danach wurde bun<strong>des</strong>weit versucht, mit<br />

e<strong>in</strong>er Vielzahl von Projekten den Rückstand<br />

aufzuholen:<br />

Auf die rückläufigen K<strong>in</strong>derzahlen reagierten<br />

die K<strong>in</strong>dergartenträger mit der Altersöffnung<br />

ihrer E<strong>in</strong>richtungen. Zunehmend<br />

werden K<strong>in</strong>der unter drei Jahren und<br />

Schü ler <strong>in</strong> K<strong>in</strong>dergärten aufgenommen,<br />

diese entwickeln sich weiter zu Häusern<br />

für K<strong>in</strong>der.<br />

Die unterdurchschnittlichen Ergebnisse<br />

deutscher Schüler bei der <strong>in</strong>ternationalen<br />

Schulleistungsvergleichsstudie PISA 2001<br />

hat die Qualitätsdebatte noch <strong>in</strong>tensiviert<br />

und zusätzlich die Erkenntnis bekräftigt,<br />

die Anstrengungen im Elementarbereich<br />

zu verstärken.<br />

Auf Bun<strong>des</strong>ebene beteiligte sich <strong>Bayern</strong><br />

an der Nationalen Qualitäts<strong>in</strong>itiative und<br />

entwickelte e<strong>in</strong> Selbstevaluationskonzept<br />

zur Feststellung der Trägerqualität.<br />

Um mittelbar die Qualität <strong>in</strong> den E<strong>in</strong>richtungen<br />

besser steuern zu können, wurde<br />

e<strong>in</strong>e k<strong>in</strong>dbezogene Förderung modellhaft<br />

erprobt und schließlich flächendeckend<br />

e<strong>in</strong>geführt.<br />

Die <strong>in</strong>dividuelle Entwicklung<br />

steht im Vordergrund<br />

28


Das Staats<strong>in</strong>stitut für Frühpädagogik (IFP)<br />

<strong>in</strong> München entwickelte im Anschluss an<br />

die <strong>in</strong>ternationale Diskussion zur Bedeutung<br />

frühk<strong>in</strong>dlicher Bildung den Baye -<br />

r ischen Bildungs- und Erziehungsplan für<br />

K<strong>in</strong>der bis zur E<strong>in</strong>schulung.<br />

Großzügige Neubauten der 90er Jahre<br />

Die Notwendigkeit der Vere<strong>in</strong>barkeit von<br />

Familie und Erwerbstätigkeit und gesellschaftliche<br />

Änderungen haben zu e<strong>in</strong>em<br />

erheblich höheren Bedarf der K<strong>in</strong>derbetreuung<br />

bei Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dern und Schülern<br />

geführt. Das Gesamtkonzept K<strong>in</strong>derbetreuung<br />

der Staatsregierung trug<br />

dem Rechnung. Seit 2002 werden auch<br />

Krippen staatlich gefördert, der Ausbau<br />

der Angebote für Schüler wurde ausgeweitet.<br />

Seit Inkrafttreten <strong>des</strong> Bayerischen<br />

K<strong>in</strong>der bildungs- und -betreuungsgesetzes<br />

(BayKiBiG) im Jahr 2005 fördert der Freistaat<br />

<strong>Bayern</strong> alle bedarfsnotwendigen<br />

K<strong>in</strong>derbetreuungsformen e<strong>in</strong>schließlich<br />

der Tagespflege.<br />

29


Von der Wartfrau zur staatlich anerkannten Erzieher<strong>in</strong><br />

Die Ausbildung<br />

der Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

... bis zum Ende <strong>des</strong> Ersten Weltkrieges<br />

Die Zielbeschränkung der Bewahranstalten,<br />

K<strong>in</strong>der der ärmeren Schichten<br />

zu erziehen, erforderte zunächst ke<strong>in</strong>e<br />

besondere Ausbildung der Wartfrauen.<br />

Die Anleitung der K<strong>in</strong>der zu „Re<strong>in</strong>lichkeit<br />

und Gehorsam“ und die „Gewöhnung<br />

an e<strong>in</strong>en frommen S<strong>in</strong>n“ wurden vom<br />

jeweiligen Trägervere<strong>in</strong> durch Aufsichtsdamen<br />

überwacht.<br />

„Es genügt vielmehr vollständig, wenn<br />

dergleichen Leute das gegründete Zeugnis<br />

e<strong>in</strong>es frommen S<strong>in</strong>nes, e<strong>in</strong>es unbescholtenen<br />

Rufes und e<strong>in</strong>es tadellosen Wandels<br />

für sich haben.“<br />

Allgeme<strong>in</strong>e Bestimmungen, 1839<br />

Erst die Entwicklung eigener Ausbildungsgänge<br />

auf der Basis der Fröbelschen<br />

K<strong>in</strong>dergartenpädagogik sowie <strong>in</strong>nerhalb<br />

klösterlicher Kongregationen brachte e<strong>in</strong>e<br />

Ablösung von dieser Praxis.<br />

Auf katholischer Seite wurde der erste<br />

Ausbildungsgang <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong> Anfang der<br />

40er Jahre <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts <strong>in</strong> München<br />

von den „Armen Schulschwestern<br />

von Unserer Lieben Frau“ e<strong>in</strong>gerichtet<br />

und im Laufe der Zeit zu e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>jährigen<br />

Kursus ausgebaut. 1881 umfasste<br />

der Lehrplan neben der pädagogischen<br />

Unterweisung Sprach- und Sachunterricht,<br />

Zeichnen, Handarbeitsunterricht, Musik<br />

und Turnen. Diese Fächer wurden ergänzt<br />

durch e<strong>in</strong>e praktische Ausbildung <strong>in</strong> der<br />

angeschlossenen Bewahranstalt sowie<br />

durch e<strong>in</strong>e hauswirtschaftliche Ausbildung.<br />

Auf protestantischer Seite wurde<br />

der erste Ausbildungsgang für Diakonissen<br />

1854 <strong>in</strong> Neuendettelsau bei Ansbach<br />

gegründet; diese Ausbildung verstand<br />

sich vor allem als praktische Anleitung für<br />

die religiöse Erbauung der K<strong>in</strong>der.<br />

Das erste spezifische K<strong>in</strong>dergärtner<strong>in</strong>nensem<strong>in</strong>ar<br />

<strong>in</strong> <strong>Bayern</strong>, das auf den Ideen<br />

Friedrich Fröbels gründete, wurde 1870 <strong>in</strong><br />

München als private Anstalt e<strong>in</strong>gerichtet.<br />

Das Münchener Sem<strong>in</strong>ar war zunächst<br />

als e<strong>in</strong>jähriger, ab 1911 als zweijähriger<br />

Kursus ausgestaltet, der e<strong>in</strong> breites Fächerspektrum<br />

unter anderem mit Deutsch<br />

(e<strong>in</strong>schließlich Literatur), Rechnen,<br />

<strong>Geschichte</strong>, Geografie, Naturkunde und<br />

methodischen Unterricht <strong>in</strong> weiblichen<br />

Handarbeiten, Erziehungskunde und K<strong>in</strong>dergartenpädagogik<br />

umfasste. Bis 1904<br />

wurden im Münchener Sem<strong>in</strong>ar 678 K<strong>in</strong>dergärtner<strong>in</strong>nen<br />

ausgebildet. Die heutige<br />

städtische Fachakademie für Sozialpädagogik<br />

geht auf dieses Sem<strong>in</strong>ar zurück.<br />

Am Ende <strong>des</strong> Ersten Weltkrieges bestanden<br />

sieben Ausbildungsstätten <strong>in</strong> München,<br />

Mallersdorf, Nördl<strong>in</strong>gen, Würzburg,<br />

Dill<strong>in</strong>gen, Haag und Bamberg <strong>in</strong> katholischer<br />

Trägerschaft und zwei Ausbildungsstätten<br />

<strong>in</strong> Neuendettelsau und Augsburg<br />

<strong>in</strong> evangelischer Trägerschaft.<br />

30


... unter dem Nationalsozialismus<br />

Die K<strong>in</strong>dergärtner<strong>in</strong>nenausbildung wurde<br />

1937 und 1942 nach der faschistischen<br />

Weltanschauung neu geordnet. Die Zulassungsvoraussetzungen<br />

wurden abgesenkt,<br />

es genügte e<strong>in</strong> Volksschulabschluss.<br />

Die nationalsozialistische Volkswohlfahrt<br />

übernahm die Ausbildungsstätten aus<br />

kommunaler oder freier Trägerschaft. Das<br />

… die heutige Situation<br />

E<strong>in</strong>e wesentliche Änderung <strong>in</strong> der Ausbildung<br />

erbrachte zu Beg<strong>in</strong>n der Vorschulreform<br />

e<strong>in</strong> Beschluss der Kultusm<strong>in</strong>isterkonferenz<br />

von 1967. Danach sollten <strong>in</strong> allen<br />

Bun<strong>des</strong>ländern e<strong>in</strong>e zweijährige theoretische<br />

Ausbildung und e<strong>in</strong> Berufsanerkennungsjahr<br />

zur staatlich anerkannten<br />

Erzieher<strong>in</strong> (bzw. Erzieher) führen, die <strong>in</strong><br />

Ausbildung pädagogischer Fachkräfte –<br />

damals und heute<br />

Verbot, neue Schüler<strong>in</strong>nen aufzunehmen,<br />

führte zur Schließung der konfessionellen<br />

Ausbildungsstätten.<br />

Die sozialpädagogische Berufsausbildung<br />

wurde ersetzt durch e<strong>in</strong>e Volksgeme<strong>in</strong>schaftserziehung.<br />

E<strong>in</strong>e gründliche, wissenschaftlich<br />

orientierte Ausbildung wurde<br />

als spezialistisch, <strong>in</strong>tellektuell und fachegoistisch<br />

verurteilt. Die K<strong>in</strong>dergärtner<strong>in</strong><br />

wurde nicht ausgebildet, sondern erzogen<br />

zu e<strong>in</strong>er „nationalsozialistischen deutschen<br />

Volksmütterlichkeit“. Humanitäre,<br />

liberale oder konfessionelle Ansätze <strong>in</strong> der<br />

K<strong>in</strong>dergartenarbeit wurden ausge blendet,<br />

statt<strong>des</strong>sen durchdrang die nationalsozialistische<br />

Ideologie alle Fächer.<br />

unterschiedlichen sozialpädagogischen<br />

E<strong>in</strong>satzfeldern arbeiten konnte.<br />

Die Ausbildung zur Erzieher<strong>in</strong> setzt e<strong>in</strong>en<br />

mittleren Schulabschluss sowie e<strong>in</strong>e abge<br />

schlossene Berufsausbildung voraus.<br />

Diese kann vor allem durch e<strong>in</strong> zweijähriges<br />

„Sozialpädagogisches Sem<strong>in</strong>ar“<br />

erworben werden, bei dem e<strong>in</strong>e praktische<br />

Ausbildung im K<strong>in</strong>dergarten und<br />

e<strong>in</strong>e fachtheoretische Ausbildung an der<br />

Fachakademie für Sozialpädagogik wie im<br />

dualen Berufsbildungssystem komb<strong>in</strong>iert<br />

wird. Nach diesem Sozialpädagogischen<br />

Sem<strong>in</strong>ar können die Absolventen als<br />

K<strong>in</strong> der pfleger<strong>in</strong>nen arbeiten oder ihre<br />

Ausbildung zwei Jahre lang an e<strong>in</strong>er der<br />

39 Bayerischen Fachakademien für Sozialpädagogik<br />

fortsetzen.<br />

31


Organisation der E<strong>in</strong>richtungen<br />

Trägerschaft und F<strong>in</strong>anzierung<br />

In der Regel wurden Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>derbewahranstalten<br />

im 19. Jahrhundert als Vere<strong>in</strong>e<br />

oder Stiftungen durch wohltätige Bürger<br />

oder durch die Kirchen <strong>in</strong>s Leben gerufen.<br />

Da die Vere<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>e Genehmigung benötigten,<br />

war dadurch auch e<strong>in</strong>e Kontrollmöglichkeit<br />

für die Regierung gegeben.<br />

Staatliche Behörden drängten mehrfach<br />

auf die E<strong>in</strong>richtung von Bewahranstalten.<br />

Die Kommunen verhielten sich aber <strong>in</strong><br />

der Regel zögerlich. Sie fürchteten neue<br />

Kosten und wollten die Aufgabe der freien<br />

bürgerlichen Wohltätigkeit überlassen.<br />

Lediglich <strong>in</strong> Augsburg kam es 1834 zu<br />

e<strong>in</strong>er kommunalen Gründung unter der<br />

verantwortlichen Leitung <strong>des</strong> Lehrers Johann<br />

Georg Wirth. Die E<strong>in</strong>richtung wurde<br />

schnell von der Bevölkerung akzeptiert,<br />

so dass b<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>es Jahres zwei weitere<br />

Anstalten ihren Betrieb aufnahmen.<br />

E<strong>in</strong> Rechtsanspruch auf staatliche Förderung<br />

bestand im 19. Jahrhundert noch<br />

nicht, dieser wurde erstmalig im Bayerischen<br />

K<strong>in</strong>dergartengesetz von 1972<br />

formuliert. Es kam daher häufig zu Vere<strong>in</strong>sauflösungen,<br />

<strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> wirtschaftlich<br />

schwierigen Zeiten. In vielen Fällen<br />

wurde die Trägerschaft der E<strong>in</strong>richtungen<br />

von der Kommune oder von Kirchenstiftungen<br />

übernommen. Die überwiegende<br />

Mehrzahl der K<strong>in</strong>derbetreuungse<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>in</strong> <strong>Bayern</strong> war konfessionell<br />

orientiert. Auch die bürgerlichen Trägervere<strong>in</strong>e<br />

hatten meist Betreuungsverträge<br />

mit Ordensgeme<strong>in</strong>schaften geschlossen<br />

und ihnen die Betriebsträgerschaft übertragen.<br />

Damit ließ sich das Problem der<br />

Personalkont<strong>in</strong>uität leichter lösen. Ordensschwestern<br />

schienen den Trägervere<strong>in</strong>en<br />

auch die Gewähr e<strong>in</strong>er beispielhaften<br />

Übere<strong>in</strong>stimmung von Lebensführung<br />

und Erziehungszielen zu bieten: Um 1900<br />

waren rund 80 % aller E<strong>in</strong>richtungen <strong>in</strong><br />

konfessioneller Trägerschaft.<br />

Der Rückgang der Ordensfrauen <strong>in</strong> den<br />

letzten 50 Jahren führte zum E<strong>in</strong>satz von<br />

weltlichen Mitarbeitern auch bei den<br />

konfessionellen Trägern, die heute noch<br />

rund 56 % aller E<strong>in</strong>richtungen <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong><br />

betreiben.<br />

<strong>Bayern</strong> <strong>in</strong>sgesamt<br />

(2005)<br />

K<strong>in</strong>dergärten<br />

% K<strong>in</strong>dergärten<br />

6.005 100,0<br />

Kommunale Träger 1.875 31,2<br />

Träger <strong>in</strong> der<br />

katholischen Kirche<br />

Evangelische Kirche /<br />

Diakonie<br />

Paritätischer<br />

Wohlfahrtsverband<br />

2.422 40,3<br />

959 15,9<br />

22 0,4<br />

Arbeiterwohlfahrt 173 2,8<br />

Bayerisches Rotes<br />

Kreuz<br />

66 1,0<br />

Sonstige Träger 488 8,1<br />

(nach: Bayerisches Lan<strong>des</strong>amt für Statistik<br />

und Datenverarbeitung)<br />

32


Die Trägervielfalt im Bereich <strong>des</strong> <strong>K<strong>in</strong>dergartens</strong><br />

beruht auch auf der Entscheidung<br />

der Reichsschulkonferenz von 1920: Kommunale<br />

E<strong>in</strong>richtungen werden erst dann<br />

gegründet, wenn ke<strong>in</strong> freier Träger diese<br />

Aufgabe übernimmt. Mit der Unterschiedlichkeit<br />

der Träger wird e<strong>in</strong> plurales<br />

e<strong>in</strong>em Grundbetrag, e<strong>in</strong>em Faktor für die<br />

zeitliche Betreuungsdauer sowie Gewichtungsfaktoren,<br />

die dem unterschiedlichen<br />

erzieherischen und pflegerischen Aufwand<br />

für e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d Rechnung tragen.<br />

Mit der Fachberater<strong>in</strong> im Gespräch<br />

K<strong>in</strong>dergartenangebot geschaffen, das den<br />

Bedürfnissen der Eltern entgegenkommt.<br />

Die Spitzenverbände der öffentlichen<br />

und freien Wohlfahrtspflege bieten ihren<br />

Mitgliedse<strong>in</strong>richtungen Trägerberatungen,<br />

Fachberatung und Fortbildungen für die<br />

Träger und das pädagogische Personal an.<br />

Die Träger haben seit dem Bayerischen<br />

K<strong>in</strong>dergartengesetz von 1972 e<strong>in</strong>en gesetzlichen<br />

Anspruch auf f<strong>in</strong>anzielle Förderung<br />

und damit Planungssicherheit. Seit<br />

dem Inkrafttreten <strong>des</strong> Bayerischen K<strong>in</strong>derbildungs-<br />

und -betreuungsgesetzes zum<br />

1.8.2005 werden die Zuschüsse als k<strong>in</strong>dbezogene<br />

Förderung gewährt. Danach errechnet<br />

sich der Förderbetrag je K<strong>in</strong>d aus<br />

Team-Fortbildung<br />

<strong>in</strong> der E<strong>in</strong>richtung<br />

33


Immer mehr neue Plätze entstehen<br />

Statistische Entwicklung<br />

<strong>in</strong> <strong>Bayern</strong><br />

Aus kle<strong>in</strong>en Anfängen mit e<strong>in</strong>em ger<strong>in</strong>gen<br />

Angebot an Plätzen entwickelte sich<br />

der K<strong>in</strong>dergarten zu e<strong>in</strong>er flächendeckenden<br />

E<strong>in</strong>richtung für alle K<strong>in</strong>der.<br />

Der Ausbau verlief <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen<br />

bayerischen Regierungsbezirken sehr<br />

unterschiedlich, wie e<strong>in</strong> Vergleich der<br />

Platzzahlen zeigt:<br />

Jahr<br />

Zahl der<br />

K<strong>in</strong>dergärten<br />

Zahl der<br />

Plätze<br />

Plätze je 100<br />

K<strong>in</strong>der<br />

Zahl der Plätze je 100 K<strong>in</strong>der im<br />

Alter von 3 bis unter 6 Jahren<br />

1833/34 8 515<br />

1871 227 21.678 7<br />

1909/10 773 68.872 14<br />

Von 1918 bis 1945 ke<strong>in</strong>e gesicherten Daten verfügbar<br />

1946 1.391 84.933 24<br />

1950 1.827 117.747 32<br />

1960 2.313 149.021 34<br />

1970 3.121 188.911 36<br />

Regierungsbezirk 1884 2005<br />

Oberbayern 10,67 95,20<br />

Niederbayern 3,08 94,60<br />

Oberpfalz 2,64 98,40<br />

Oberfranken 3,44 105,10<br />

Mittelfranken 8,41 104,80<br />

Unterfranken 10,32 111,10<br />

Schwaben 8,80 96,40<br />

1980 3.771 212.606 71<br />

1990 4.280 250.791 82<br />

2000 5.857 368.504 93<br />

2005 6.005 386.822 99<br />

34


Erst die F<strong>in</strong>anzierungssicherheit, die mit<br />

dem Bayerischen K<strong>in</strong>dergartengesetz<br />

von 1972 für die freien Träger erreicht<br />

wurde, führte zu e<strong>in</strong>em zügigen Ausbau<br />

der E<strong>in</strong>richtungen, der <strong>in</strong> den 90er Jahren<br />

noch beschleunigt wurde.<br />

Plätze mit Mittagsverpflegung<br />

Inzwischen hat <strong>Bayern</strong> e<strong>in</strong>e faktische Vollversorgung<br />

für die K<strong>in</strong>der im Alter von<br />

drei Jahren bis zur E<strong>in</strong>schulung. Die <strong>in</strong>folge<br />

der zurückgehenden Geburtenzahlen<br />

freiwerdenden K<strong>in</strong>dergartenplätze werden<br />

von ca. 1/3 der K<strong>in</strong>dergärten <strong>in</strong>zwischen<br />

genutzt, um auch K<strong>in</strong>der unter drei Jahren<br />

und Schulk<strong>in</strong>der aufzunehmen.<br />

... es geht<br />

aufwärts!<br />

35


Harmonischer Übergang<br />

K<strong>in</strong>dergarten und Schule<br />

Auf den K<strong>in</strong>dergarten folgt die Schule:<br />

Dieser e<strong>in</strong>fache Satz verdeckt das schwierige<br />

Verhältnis der beiden Institutionen,<br />

das erst heute unter dem Begriff der<br />

„anschlussfähigen Bildung“ e<strong>in</strong>e neue<br />

Bewertung erlangt.<br />

Vor 1800 wurden kle<strong>in</strong>e und schulpflichtige<br />

K<strong>in</strong>der zusammen <strong>in</strong> Warte-, W<strong>in</strong>kelund<br />

Nebenschulen und auch <strong>in</strong> regulären<br />

niederen Schulen beaufsichtigt. Da die<br />

Lehrer auf das Schulgeld der K<strong>in</strong>der angewiesen<br />

waren, konnten sie die jüngeren<br />

nicht zurückweisen. Diese Altersmischung,<br />

die e<strong>in</strong>en störungsfreien Unterricht verh<strong>in</strong>derte,<br />

wurde mit dem Ausbau <strong>des</strong><br />

Schulwesens bere<strong>in</strong>igt. Neue Schulverordnungen<br />

seit ca. 1820/25 bestimmten, dass<br />

die Schule nur von schulpflichtigen K<strong>in</strong>dern<br />

besucht werden darf. Die jüngeren<br />

K<strong>in</strong>der sollten <strong>in</strong> den neuen Bewahranstalten<br />

betreut werden. Auch <strong>in</strong> <strong>Bayern</strong> wurde<br />

mit den Allgeme<strong>in</strong>en Bestimmungen<br />

von 1839 die Trennung von K<strong>in</strong>dergärten<br />

und Schule vollzogen. Der übliche Name<br />

„Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>derschule“ wurde verboten, der<br />

Name „Bewahranstalt“ vorgeschrieben,<br />

um jede Ähnlichkeit mit der Schule zu vermeiden.<br />

E<strong>in</strong>e fruchtbare Zusammenarbeit<br />

beider Institutionen fand nicht statt.<br />

In der zweiten Hälfte <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts<br />

wiesen <strong>in</strong>sbesondere Vertreter<br />

der Fröbelpädagogik auf die von Fröbel<br />

gewollte Verb<strong>in</strong>dung von Schule und<br />

K<strong>in</strong>dergarten h<strong>in</strong>.<br />

„Die Schule verlangt von den aus dem<br />

K<strong>in</strong>dergarten ihr zugeführten K<strong>in</strong>dern<br />

z. B., daß sie sich willig und gern <strong>in</strong> den<br />

Kreis ihrer Mitschüler e<strong>in</strong>ordnen,<br />

■ daß die K<strong>in</strong>der mit Aufmerksamkeit und<br />

Interesse den k<strong>in</strong>dlichen Gesprächen,<br />

Unterhaltungen und Erzählungen <strong>des</strong><br />

Lehrers folgen,<br />

■ daß die K<strong>in</strong>der senkrechte, waagrechte<br />

und schiefe Striche leidlich schreiben<br />

können,<br />

■ daß die K<strong>in</strong>der die hauptsächlichsten<br />

Richtungen, Bewegungen, Tätigkeiten<br />

und Gegenstände ihrer Umgebung richtig<br />

benennen können …,<br />

■ daß die K<strong>in</strong>der die Zahlen E<strong>in</strong>s, Zwei<br />

und Drei genau von e<strong>in</strong>ander unterscheiden<br />

und zehn D<strong>in</strong>ge präzise<br />

abzählen können …<br />

Der K<strong>in</strong>dergarten verfehlt<br />

aber z. B. se<strong>in</strong>en Zweck,<br />

■ wenn er Unterrichtsgegenstände der<br />

Schule, wie Schreiben, Lesen, Rechnen,<br />

Anschauungs- und Naturgeschichtsunterricht<br />

mit aufnimmt,<br />

■ wenn er die Spiele und Beschäftigungen<br />

<strong>in</strong> Spielerei überleitet,<br />

■ wenn <strong>in</strong> ihm die Spiele und Beschäftigungen<br />

mechanisch betrieben werden“<br />

„K<strong>in</strong>dergarten – Bewahranstalt und Elementarklasse“,<br />

hrsg. unter Mitwirkung<br />

<strong>des</strong> Deutschen Fröbelvere<strong>in</strong>s 1866<br />

36


In der Weimarer Republik wurde auf der<br />

Reichsschulkonferenz 1920 über die Struktur<br />

<strong>des</strong> gesamten Bildungswesens beraten.<br />

Der Ausschuss „K<strong>in</strong>dergarten“ verabschiedete<br />

Leitl<strong>in</strong>ien, die das geschichtlich<br />

gewachsene Verhältnis von Schule und<br />

K<strong>in</strong>dergarten <strong>in</strong>sofern zementierten,<br />

als jede Verb<strong>in</strong>dung zur Schule abgelehnt<br />

und die <strong>K<strong>in</strong>dergartens</strong>ache zur Aufgabe<br />

der Jugendwohlfahrt erklärt wurde. Damit<br />

wurde der K<strong>in</strong>dergarten der Aufsicht der<br />

Sozialm<strong>in</strong>isterien und nicht der Schulm<strong>in</strong>isterien<br />

unterstellt.<br />

<strong>Bayern</strong> entschied sich 1972 für e<strong>in</strong>en<br />

Sonderweg: Das Bayerische K<strong>in</strong>dergartengesetz<br />

(BayKiG) wurde nicht als Ausführungsgesetz<br />

zum Bun<strong>des</strong>jugendwohlfahrtsgesetz<br />

(1990 abgelöst durch SGB VIII)<br />

erlassen, sondern als e<strong>in</strong> eigenständiges<br />

Bildungsgesetz verankert.<br />

Heute wird die Zusammenarbeit von<br />

K<strong>in</strong>dergarten und Grundschule im Bayerischen<br />

K<strong>in</strong>derbildungs- und -betreuungsgesetz<br />

(BayKiBiG) geregelt. Damit wird<br />

e<strong>in</strong> konstruktives Mite<strong>in</strong>ander von Schule<br />

und K<strong>in</strong>dergarten im Interesse der K<strong>in</strong>der<br />

selbstverständlich. Der Bildungs- und<br />

Erziehungsplan für K<strong>in</strong>der bis zur E<strong>in</strong>schulung<br />

und der Grundschullehrplan wurden<br />

aufe<strong>in</strong>ander abgestimmt.<br />

„Schule“-Spiel<br />

„Die K<strong>in</strong>der für die Schule aufnahmefähig<br />

zu machen und die Schule aufnahmefähig<br />

zu machen für die K<strong>in</strong>der – dies ist e<strong>in</strong><br />

aufe<strong>in</strong>ander bezogener Prozess und e<strong>in</strong>e<br />

geme<strong>in</strong>same Aufgabe. Aufgabe der Tagese<strong>in</strong>richtung<br />

ist es, die K<strong>in</strong>der langfristig und<br />

angemessen auf den Übergang vorzubereiten.<br />

… Aufgabe der Schule ist es, Lehrplan<br />

und Unterricht so differenziert und flexibel<br />

auszugestalten, dass unter Berücksichtigung<br />

der <strong>in</strong>dividuellen Unterschiede jedem<br />

K<strong>in</strong>d die bestmögliche Unterstützung zuteil<br />

werden kann.“<br />

Bayerischer Bildungs- und<br />

Erziehungsplan von 2005<br />

37


Aktuelle Gesetzgebung<br />

Das Bayerische K<strong>in</strong>derbildungs-<br />

und -betreuungsgesetz<br />

(BayKiBiG) von 2005<br />

Gut 30 Jahre nach dem Erlass <strong>des</strong> Bayerischen<br />

K<strong>in</strong>dergartengesetzes von<br />

1972 wird mit dem neuen Bayerischen<br />

K<strong>in</strong>der bildungs- und -betreuungsgesetz<br />

von 2005 e<strong>in</strong>e umfassende Reform der<br />

K<strong>in</strong>der tagese<strong>in</strong>richtungen durchgeführt,<br />

die auf die veränderten Familienstrukturen<br />

und die zurückgehenden K<strong>in</strong>derzahlen<br />

e<strong>in</strong>geht sowie die Grundlage für<br />

e<strong>in</strong> bedarfsgerechtes und qualitätsorientiertes<br />

Angebot an K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen<br />

und Angeboten der Tagespflege<br />

für K<strong>in</strong>der aller Altersgruppen schafft.<br />

Wichtig s<strong>in</strong>d folgende Neuerungen durch<br />

das BayKiBiG:<br />

■ Mehr Bildung für K<strong>in</strong>der: Die frühe<br />

K<strong>in</strong>dheit ist nach den Ergebnissen<br />

der modernen Hirnforschung e<strong>in</strong>e<br />

Zeit großer Lernfähigkeit. Deswegen<br />

schreibt das BayKiBiG und die dazu<br />

erlassene Verordnung vor, dass geförderte<br />

K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen<br />

verb<strong>in</strong>dliche, präzise umschriebene<br />

Bildungs- und Erziehungsziele umzusetzen<br />

haben. Deren E<strong>in</strong>haltung<br />

ist Voraussetzung für e<strong>in</strong>e staatliche<br />

Mitf<strong>in</strong>anzierung.<br />

auch die Krippe, den Hort und Häuser<br />

für K<strong>in</strong>der sowie die Tagespflege e<strong>in</strong>,<br />

während das alte Gesetz nur den<br />

K<strong>in</strong>dergarten <strong>in</strong> den Blick genommen<br />

hatte. Mit e<strong>in</strong>er örtlichen Bedarfsplanung<br />

wird der Ausbau der K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen<br />

auf die Bedürfnisse<br />

der Eltern und ihrer K<strong>in</strong>der vor Ort<br />

abgestimmt.<br />

■ Mehr Rechtssicherheit: Auch Krippen,<br />

Horte und Häuser für K<strong>in</strong>der erhalten<br />

e<strong>in</strong>en gesetzlichen Förderanspruch, wie<br />

ihn die K<strong>in</strong>dergärten schon seit 1972<br />

haben.<br />

■ Mehr Fördergerechtigkeit: Die F<strong>in</strong>anzierung<br />

durch das Land und die Kommunen<br />

wird von e<strong>in</strong>er gruppenbezogenen<br />

auf e<strong>in</strong>e k<strong>in</strong>dbezogene Förderung<br />

umgestellt. Dabei wird bei der Förderung<br />

genauer differenziert, wie lange<br />

die K<strong>in</strong>der die K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtung<br />

besuchen und welcher Bildungs- und<br />

Erziehungsaufwand für das K<strong>in</strong>d<br />

notwendig ist, um den <strong>in</strong>dividuellen<br />

Bildungsbedürfnissen der K<strong>in</strong>der besser<br />

entsprechen zu können.<br />

■ Mehr Flexibilität: Das BayKiBiG bezieht<br />

alle Formen der K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen,<br />

also neben dem K<strong>in</strong>dergarten<br />

38


Hortk<strong>in</strong>der bei<br />

den Hausaufgaben<br />

■ Mehr Integration: K<strong>in</strong>der mit und ohne<br />

Beh<strong>in</strong>derung können vone<strong>in</strong>ander<br />

lernen. Die <strong>in</strong>tegrative Bildung und<br />

Erziehung von K<strong>in</strong>dern wird <strong>des</strong>wegen<br />

E<strong>in</strong> Platz für je<strong>des</strong> K<strong>in</strong>d, nicht<br />

nur auf der Bilderleiste<br />

„K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen bieten jedem<br />

e<strong>in</strong>zelnen K<strong>in</strong>d vielfältige und entwicklungsangemessene<br />

Bildungs- und Erfahrungsmöglichkeiten,<br />

um beste Bildungs- und<br />

Entwicklungschancen zu gewährleisten,<br />

Entwicklungsrisiken frühzeitig entgegenzuwirken<br />

sowie zur Integration zu befähigen.“<br />

BayKiBiG, Art. 10 Abs. 1<br />

vom BayKiBiG besonders gefördert.<br />

Für je<strong>des</strong> beh<strong>in</strong>derte K<strong>in</strong>d wird über<br />

e<strong>in</strong>en so genannten Gewichtungsfaktor<br />

die 4,5-fache Förderung gegenüber<br />

nicht beh<strong>in</strong>derten K<strong>in</strong>dern gewährt.<br />

Dadurch kann e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive Betreuung<br />

dieser K<strong>in</strong>der durch pädagogisches<br />

Personal erreicht werden. K<strong>in</strong>der mit<br />

Migrationsh<strong>in</strong>tergrund werden vor<br />

allem durch e<strong>in</strong>e besondere Sprachförderung<br />

bei ihrer Integration unterstützt.<br />

■ Mehr Bildungs- und Erziehungspartnerschaft:<br />

Die Zusammenarbeit der<br />

pädagogischen Teams mit den Eltern<br />

wird gestärkt.<br />

39


E<strong>in</strong> neues Bild vom K<strong>in</strong>d<br />

Der Bildungs- und<br />

Erziehungsplan 2005<br />

In breiter Übere<strong>in</strong>stimmung mit Vertretern<br />

der Träger, der Verbände, der Fachwissenschaft,<br />

der M<strong>in</strong>isterien und der<br />

Fachpraxis entwickelte das Staats<strong>in</strong>stitut<br />

für Frühpädagogik 2002 – 2005 den „Bayerischen<br />

Bildungs- und Erziehungsplan<br />

für K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Tagese<strong>in</strong>richtungen bis zur<br />

E<strong>in</strong>schulung“. Der Plan ist ke<strong>in</strong> Lehrplan<br />

im schulischen S<strong>in</strong>ne, sondern e<strong>in</strong> Orientierungsrahmen<br />

für das pädagogische<br />

Personal. Er stellt die gesetzlich festgelegten<br />

Bildungs- und Erziehungsziele <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>en systematischen Bezugsrahmen<br />

und ermöglicht kreative Eigenständigkeit<br />

und Entscheidungsfreiheit der örtlichen<br />

E<strong>in</strong>richtungen bei gleichzeitiger B<strong>in</strong>dung<br />

an fachliche Standards. Er lässt Raum für<br />

vielfältige Bildungsangebote.<br />

Der Bildungs- und Erziehungsplan macht<br />

aber auch transparent, was pädagogische<br />

Fachkräfte heute <strong>in</strong> den K<strong>in</strong>dertagese<strong>in</strong>richtungen<br />

an Bildungs- und Erziehungsarbeit<br />

leisten.<br />

E<strong>in</strong>e angemessene Bildung, Erziehung<br />

und Betreuung aller K<strong>in</strong>der von der Geburt<br />

bis zum Schule<strong>in</strong>tritt ist Leitl<strong>in</strong>ie <strong>des</strong><br />

Plans. Grundlegend ist das neue Bild vom<br />

K<strong>in</strong>d als e<strong>in</strong>em aktiven Mitgestalter se<strong>in</strong>er<br />

Bildung und Entwicklung. Das K<strong>in</strong>d wird<br />

als <strong>in</strong>dividuelle Persönlichkeit geachtet<br />

und durch se<strong>in</strong> soziales Umfeld <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Entwicklung begleitet und unterstützt.<br />

Erzieher<strong>in</strong>nen und Träger erstellen die<br />

pädagogische Konzeption für ihre E<strong>in</strong>richtung<br />

unter Berücksichtigung der<br />

lokalen Bedürfnisse. An der Weiterentwicklung<br />

werden die Eltern beteiligt.<br />

E<strong>in</strong> besonderes Augenmerk gilt auch der<br />

Integration von K<strong>in</strong>dern mit besonderen<br />

Bedürfnissen – mit Hochbegabung, mit<br />

Beh<strong>in</strong>derung, mit Migrationsh<strong>in</strong>tergrund,<br />

mit Entwicklungs- und Sprachdefiziten.<br />

„[K<strong>in</strong>der] wollen von sich aus lernen,<br />

ihre Neugierde und ihr Erkundungs- und<br />

Forscherdrang s<strong>in</strong>d der Beweis. Sie lernen<br />

mit Begeisterung und mit bemerkenswerter<br />

Leichtigkeit und Geschw<strong>in</strong>digkeit.<br />

Ihr Lerneifer, ihr Wissensdurst und ihre<br />

Lernfähigkeit s<strong>in</strong>d groß. Sie haben<br />

viele <strong>in</strong>telligente Fragen und s<strong>in</strong>d reich an<br />

Ideen und E<strong>in</strong>fällen. Mit zunehmendem<br />

Alter werden sie zu ‚Experten‘, deren Weltverständnis<br />

<strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelbereichen dem der<br />

Erwachsenen ähnelt.“<br />

Das Spiel bleibt weiterh<strong>in</strong> pädagogisches<br />

Grundpr<strong>in</strong>zip: Spielen und Lernen gehen<br />

immer Hand <strong>in</strong> Hand. Die Erzieher<strong>in</strong>nen<br />

motivieren und regen die K<strong>in</strong>der an, das<br />

Lernen zu lernen für e<strong>in</strong>en lebenslangen<br />

Bildungsprozess, um Veränderungen<br />

und auch Belastungen kompetent bewältigen<br />

zu können.<br />

40


Wie funktio -<br />

niert das?<br />

■ Naturwissenschaftliche und technische<br />

Bildung weckt die Neugier der<br />

K<strong>in</strong>der. Sie wollen wissen, wie etwas<br />

funktioniert oder warum etwas <strong>in</strong><br />

bestimmter Weise reagiert. Die K<strong>in</strong>der<br />

Gespiegeltes „Ich“ –<br />

gespiegelte Welt im Bilderbuch<br />

H<strong>in</strong>zu kommt e<strong>in</strong>e Neugewichtung<br />

und Neuausrichtung e<strong>in</strong>zelner<br />

Bildungsbereiche.<br />

■ Sprache und Schrift s<strong>in</strong>d die Voraussetzungen<br />

für die Teilhabe an unserer<br />

Gesellschaft. Vorlesen, Sprechen<br />

im alltäglichen Umgang und erste<br />

Schrifterfahrungen schaffen die<br />

Basis für sprachliche Bildung und<br />

Schriftanbahnung.<br />

untersuchen alltägliche D<strong>in</strong>ge, beschreiben<br />

ihre Entdeckungen, stellen<br />

Fragen und f<strong>in</strong>den Antworten <strong>in</strong> Experimenten.<br />

So bahnen s<strong>in</strong>nliche Erfahrungen<br />

e<strong>in</strong> rationales Verstehen an.<br />

■ Mathematik wird elementar erfahrbar<br />

beim Messen und Zählen, Erkennen<br />

geometrischer Flächen und Körper,<br />

Ordnen von Gegenständen. K<strong>in</strong>der<br />

erleben <strong>in</strong> ihrem Tun e<strong>in</strong>e Regelhaftigkeit,<br />

die später <strong>in</strong> mathematischem<br />

Denken ihren Ausdruck f<strong>in</strong>det.<br />

41


Literatur<br />

Bayer. Staatsm<strong>in</strong>isterium für Arbeit<br />

und Sozialordnung, Familie und Frauen,<br />

Hrsg.: Das Bayerische K<strong>in</strong>derbildungsund<br />

-betreuungsgesetz (BayKiBiG) mit<br />

Ausführungsverordnung (AVBayKiBiG).<br />

München, 2005<br />

Bayer. Staatsm<strong>in</strong>isterium für Arbeit und<br />

Sozialordnung, Familie und Frauen /<br />

Staats<strong>in</strong>stitut für Frühpädagogik, Hrsg.:<br />

Der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan<br />

für K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Tagese<strong>in</strong>richtungen<br />

bis zur E<strong>in</strong>schulung. We<strong>in</strong>heim<br />

und Basel, 2005<br />

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Deutschland. Witten, 1971<br />

Köhler / Schmidt / Seidel unter Mitwirkung<br />

<strong>des</strong> Deutschen Fröbelverban<strong>des</strong>:<br />

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Elementar-Klasse. Weimar, 1867<br />

Krecker, M.: Quellen zur <strong>Geschichte</strong> der<br />

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Pousset, R., Hrsg.: Handwörterbuch für<br />

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und Basel, 2006<br />

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und Kultus, Hrsg.: 150 Jahre K<strong>in</strong>dergartenwesen<br />

<strong>in</strong> <strong>Bayern</strong>. München/Basel,<br />

1989<br />

Becker-Textor, I.: Me<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d soll <strong>in</strong> den<br />

K<strong>in</strong>dergarten. Freiburg, 1993<br />

Becker-Textor, I.: K<strong>in</strong>dergartenalltag.<br />

Neuwied / Kriftel / Berl<strong>in</strong>, 1995<br />

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1973<br />

Ern<strong>in</strong>g, G.: <strong>Geschichte</strong> der öffentlichen<br />

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Hrsg.: Liedtke, V. M. Bad<br />

Heilbrunn, 1997<br />

Reble, A.: <strong>Geschichte</strong> der Pädagogik.<br />

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Reyer, J.: E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die <strong>Geschichte</strong><br />

<strong>des</strong> <strong>K<strong>in</strong>dergartens</strong> und der Grundschule.<br />

Bad Heilbrunn, 2006<br />

Tietze / Rossbach / Grenner: K<strong>in</strong>der von<br />

4 bis 8 Jahren. Zur Qualität der Erziehung<br />

und Bildung <strong>in</strong> K<strong>in</strong>dergarten, Grundschule<br />

und Familie. We<strong>in</strong>heim und Basel, 2005<br />

Ziegler, M. L.: Die Armen Schulschwestern<br />

von unserer Lieben Frau. E<strong>in</strong> Beitrag<br />

zur bayerischen Bildungsgeschichte.<br />

München, 1935<br />

42


www.sozialm<strong>in</strong>isterium.bayern.de<br />

Dem Bayerischen Staatsm<strong>in</strong>isterium für Arbeit und Sozialordnung,<br />

Familie und Frauen wurde durch die Beruf & Familie geme<strong>in</strong>nützige<br />

GmbH die erfolgreiche Durchführung <strong>des</strong> Audits Beruf & Familie ®<br />

besche<strong>in</strong>igt: www.beruf-und-familie.de.<br />

BAYERN DIREKT<br />

ist Ihr direkter Draht zur Bayerischen Staatsregierung.<br />

Unter Tel.: 0 18 01/ 20 10 10 (4,6 Cent pro M<strong>in</strong>ute aus dem<br />

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sowie H<strong>in</strong>weise zu Behörden, zuständigen Stellen<br />

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Bayerisches Staatsm<strong>in</strong>isterium für<br />

Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen<br />

W<strong>in</strong>zererstr. 9, 80797 München<br />

E-Mail: kommunikation@stmas.bayern.de<br />

Gestaltung: trio-group münchen<br />

Bildnachweis: Bildarchiv Dr. G. Ern<strong>in</strong>g, Universität Bamberg;<br />

Jochen Fiebig, Staats<strong>in</strong>stitut für Frühpädagogik;<br />

Andreas Bohnenstengel; Heidi Mayer<br />

Druck: Druckerei Schmerbeck, Tiefenbach<br />

Stand: Juli 2006<br />

Bürgerbüro: Tel.: 0 89/ 12 61-16 60, Fax: 0 89/ 12 61-14 70<br />

Mo – Fr 9.30 bis 11.30 Uhr und Mo – Do 13.30 bis 15.00 Uhr<br />

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