28.11.2014 Aufrufe

ON-R 24009 - Denkmalpflege TU-Wien

ON-R 24009 - Denkmalpflege TU-Wien

ON-R 24009 - Denkmalpflege TU-Wien

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

KAPITEL 09 – <strong>ON</strong>-R <strong>24009</strong> - BEWER<strong>TU</strong>NG DER<br />

TRAGFÄHIGKEIT BESTEHENDER HOCHBAUTEN<br />

1 VORWORT<br />

2 ANWENDUNGSBEREICH<br />

INHALT<br />

3 GRUNDSÄTZE DER TRAGWERKSBEURTEILUNG<br />

4 KLASSIFIZIERUNG DER GEBÄUDE<br />

Schadensfolgeklasse (Consequence Classes)<br />

Bedeutungskategorien<br />

Versagensfolgeklasse<br />

5 METHODEN DER BEWER<strong>TU</strong>NG<br />

Rechnerischer Nachweis nach letztgültigem Normenwerk<br />

Rechnerischer Nachweis mit reduzierter Zuverlässigkeit<br />

Rechnerischer Nachweis nach altem Normenstand<br />

Qualitative Bewertung der Tagfähigkeit<br />

Experimentelle Tragfähigkeitsbewertung<br />

6 DOKUMENTATI<strong>ON</strong> EINER TRAGWERKSBEURTEILUNG<br />

7 RECHNERISCHER NACHWEIS DER TRAGFÄHIGKEIT<br />

Allgemeines<br />

Zulässige Abweichungen vom letztgültigen Normenstand<br />

betreffend konstruktiver Regeln<br />

8 NORMENVERWEIS & LITERA<strong>TU</strong>RHINWEISE<br />

1


1 VORWORT<br />

Die Basis dieses Kapitels ist die <strong>ON</strong>-R <strong>24009</strong>,<br />

Ausgabedatum September 2012 ist. Diese Ausgabe der<br />

vorliegenden Norm ist das Ergebnis einer Arbeitsgruppe von<br />

Experten aus dem <strong>Wien</strong>er Umfeld, die in einem<br />

Normenausschuss, Arbeitsgruppe 1011-03 seit Jänner 2009<br />

zusammenarbeitet.<br />

Die Arbeitsgruppe wird vom Vorsitzenden DI Erich Kern<br />

geführt. Zur gleichen Zeit hat die Arbeitsgruppe 176.02<br />

„Erdbebenkräfte“ unter dem Vorsitz von Dr. Walter Potoucek<br />

die ÖNORM B 1998-3 entwickelt. Die <strong>ON</strong>R <strong>24009</strong> und die<br />

ÖNORM B 1998-3 sind aufeinander abgestimmt.<br />

Die wesentlichen Beiträge stammen von allen Beteiligten,<br />

insbesondere jedoch von den Personen (ohne Titel):<br />

Bauer Peter - ZT <strong>Wien</strong><br />

Pech Anton – ZT <strong>Wien</strong><br />

Potoucek Walter – FH Campus <strong>Wien</strong><br />

Schwendemann Franz – BIG<br />

Ulreich Hansjörg – WKÖ Immobilien<br />

Ehrlich Franz – ZT <strong>Wien</strong><br />

Kolbitsch Andreas – <strong>TU</strong> <strong>Wien</strong><br />

2


Auch andere Experten haben durch ihr Engagement in<br />

dieser Arbeitsgruppe beigetragen. Die <strong>ON</strong>R <strong>24009</strong> ist ein<br />

Versuch, die nicht ganz befriedigende Lösung der<br />

Merkblätter durch eine aktivierte und in einem<br />

Expertenteam erarbeitete gemeinschaftliche Meinung und<br />

Bewertung der Sachlage zusammenzuführen.<br />

Ziel der Arbeit ist jedenfalls, die Bewertung bestehender<br />

Hochbauten einer Regelung und gemeinsamen Basis<br />

zuzuführen. Das ist jetzt das Personenrisiko, das durch<br />

eine reduzierte Zuverlässigkeit entstehen kann.<br />

Die vorliegende Vorlesung ist nicht für die Veröffentlichung<br />

gedacht, sondern dient ausschließlich Lehrzwecken.<br />

Originalzitate aus der Norm sind kursiv geschrieben.<br />

3


Die in Österreich vorhandene Bausubstanz besteht zu<br />

einem wesentlichen Teil aus Wohngebäuden mit insgesamt<br />

3,9 Mio Wohnungen. Davon befinden sich etwa 590.000<br />

Wohnungen bzw. 15% in Gebäuden, die vor 1919 und<br />

820.000 Wohnungen oder 21% in Gebäuden die zwischen<br />

1919 und 1960 errichtet wurden. Diese Wohnungen stellen<br />

einen Wiederbeschaffungswert von ca. 83 Mrd € (vor 1919<br />

errichtete Gebäude) und von ca. 100 Mrd € (zwischen 1919<br />

und 1960 errichtete Gebäude) dar.<br />

Dies entspricht dem 40-fachen des jährlichen<br />

Bauproduktionswertes für den Wohnungs- und<br />

Siedlungsbau und den sonstigen Hochbau in Österreich.<br />

Im Vergleich dazu sei der Bauproduktionswert für den<br />

Wohnungs- und Siedlungsbau und den sonstigen Hochbau<br />

genannt, der im Jahre 2005 ca. 4,2 Mrd € betrug (alle<br />

Zahlenangaben gemäß Statistik Austria).<br />

4


Um ältere Bauten auch heute noch sinnvoll nutzen zu<br />

können, sind vielfach Umbauten und Erweiterungen bzw.<br />

Sanierungen notwendig, die den seit Errichtung der Bauten<br />

geänderten Anforderungen Rechnung tragen. In vielen<br />

Fällen erfordern diese Maßnahmen Bewertungen der<br />

Tragfähigkeit, die bei Bedarf auch eine Bewertung der<br />

Gebrauchstauglichkeit beinhalten.<br />

Eine derartige Bewertung ist u.a. auch bei Erkennen von<br />

Schäden erforderlich. Für Bauwerke, die nach Regeln und<br />

Vorschriften errichtet wurden, die heute nicht mehr gültig<br />

sind, bestehen jedoch keine klaren Regeln für die<br />

Bestimmung der Tragfähigkeit.<br />

Diese <strong>ON</strong>R soll eine Hilfestellung für die möglichst<br />

wirklichkeitsnahe Bewertung der Tragfähigkeit und auch der<br />

Gebrauchstauglichkeit bestehender Hochbauten geben.<br />

Damit soll einerseits die Wirtschaftlichkeit von Umbauten<br />

der bestehenden Bausubstanz sichergestellt und<br />

andererseits eine mögliche Beeinträchtigung der<br />

Zuverlässigkeit rechtzeitig erkannt werden.<br />

5


Ein Großteil der in Österreich vorhandenen Bausubstanz<br />

besteht somit aus älteren, teilweise bis zu 150 Jahre alten<br />

Bauten, deren Erhaltung und Nutzung einerseits in<br />

Anbetracht der kulturellen Bedeutung dieser Gebäude und<br />

andererseits in Anbetracht ihres Wiederbeschaffungswertes,<br />

der ein Vielfaches des jährlichen Bauproduktionswertes<br />

darstellt, von volkswirtschaftlicher Bedeutung ist.<br />

Hervorzuheben ist besonders, dass die Bewertung der<br />

Tragfähigkeit bestehender Hochbauten eine sehr<br />

verantwortungsvolle Aufgabe ist und vielfach Kenntnisse<br />

verlangt, die über die, bei Planung und Ausführung von<br />

Neubauten erforderlichen Kenntnisse hinausgehen, wie zum<br />

Beispiel die alter Bauweisen bzw. alter Baustoffe. Vielfach<br />

ist auch besondere Sorgfalt in Hinblick auf die<br />

Gewährleistung der Vollständigkeit bei der Untersuchung<br />

und der Zustandsaufnahme von Bauwerken sowie bei der<br />

Modellierung von statischen Systemen erforderlich.<br />

6


2 ANWENDUNGSBEREICH<br />

Diese <strong>ON</strong>R regelt die möglichst wirklichkeitsnahe<br />

Bewertung der Tragfähigkeit und der<br />

Gebrauchstauglichkeit bestehender Hochbauten. Damit<br />

soll einerseits eine mögliche Beeinträchtigung der<br />

Zuverlässigkeit rechtzeitig erkannt und andererseits ein<br />

unnötiger Mitteleinsatz vermieden werden. Ziel dieser <strong>ON</strong>R<br />

ist auch die Sicherstellung einer sinnvollen Weiternutzung<br />

und Erweiterung bestehender Gebäude im Hinblick auf<br />

eine ressourcenschonende und nachhaltige<br />

Siedlungspolitik (Sanierung und Verdichtung).<br />

Diese <strong>ON</strong>R ist nicht für die Planung und Konstruktion von<br />

neuen Tragwerken anzuwenden.<br />

Bei Veränderungen eines Tragwerks sind neue<br />

Tragwerksteile gemäß ÖNORM EN 199x zu bemessen, die<br />

bestehenden Tragwerksteile jedoch gemäß dieser <strong>ON</strong>R zu<br />

behandeln.<br />

7


Im Rahmen dieser <strong>ON</strong>R zitierte, zurückgezogene Normen<br />

und Vorschriften sind nicht als gültige Normen sondern<br />

als Fachliteratur bzw. als Dokumentation zu verstehen<br />

bzw. dienen als Dokumentation ehemaliger Grundlagen.<br />

Ausnahmen von dieser <strong>ON</strong>R sind möglich, wenn der<br />

Entwicklungsstand der Technik dies rechtfertigt oder<br />

wenn sie durch Versuche oder theoretische Konzepte<br />

entsprechend begründet werden. Abweichungen von<br />

dieser <strong>ON</strong>R sind inklusive der Versuche und der<br />

theoretischen Konzepte nachvollziehbar zu<br />

dokumentieren.<br />

Dieses Dokument setzt voraus, dass über das Gebäude<br />

die für die durchzuführende Bewertung notwendigen<br />

Kenntnisstände über die Konstruktion und den<br />

Erhaltungszustand existieren. Die Erfahrungen der<br />

Benutzer stellen daher einen unverzichtbaren Bestandteil<br />

der Beurteilungsgrundlagen dar.<br />

8


Eine brandschutztechnische Beurteilung der<br />

Tragkonstruktion bzw. Teilen davon ist nicht Bestandteil<br />

dieser <strong>ON</strong>-Regel.<br />

Die Bewertung der Tragfähigkeit und der<br />

Gebrauchstauglichkeit bestehender Hochbauten im Sinne<br />

dieser <strong>ON</strong>-Regel ist auf alle tragenden Teile des<br />

Gebäudes anwendbar. In der Dokumentation ist der<br />

Bereich der Erhebung und Beurteilung anzugeben (z. B.<br />

nur die relevanten Bestandteile des Tragwerks,<br />

Ausbauelemente wie z. B. Geländer und<br />

Absturzsicherungen, Fassadenkonstruktionen, etc.).<br />

9


3 GRUNDSÄTZE DER TRAGWERKSBEURTEILUNG<br />

Tragwerksbeurteilung<br />

In folgenden Fällen kann es notwendig werden, die<br />

Tragfähigkeit eines bestehenden Hochbaus oder<br />

einzelner Bauteile zu beurteilen:<br />

- bei konstruktiven Eingriffen in das Tragwerk<br />

- bei statisch relevanten Nutzungsänderungen (z. B.<br />

erhöhte Beanspruchungen durch Widmungsänderung,<br />

Aufbringen von Lasten, die die widmungsgemäßen<br />

Nutzlasten übersteigen)<br />

- bei Vornahme größerer Investitionen zur Verbesserung<br />

des Bauwerkes (z. B. thermische Sanierung,<br />

Gebäudeverbesserungen und Innenausbauten aller<br />

Art), die zwar nicht die Tragstruktur betreffen, bei denen<br />

aber die Qualität der Tragstruktur (z. B. Tragfähigkeit,<br />

Dauerhaftigkeit) nachzuweisen ist, um sicherzustellen,<br />

dass die Dauerhaftigkeit der Investitionen nicht durch<br />

mangelnde Qualität der Tragstruktur gefährdet ist<br />

10


- bei Änderung der Schadensfolgeklasse bzw. der<br />

Bedeutungsklasse<br />

Anmerkung:<br />

Schadensfolgeklassen und Bedeutungsklassen erfordern<br />

bei Planung und Ausführung von Neubauten<br />

gegebenenfalls erhöhte Sicherheitsbeiwerte oder<br />

erhöhte Überwachungsmaßnahmen.<br />

- bei Feststellen von Bauschäden (z. B. Risse und<br />

Verformungen, Korrosion)<br />

- bei Feststellen von konstruktiven Mängeln<br />

- bei Auftreten von neuen Erkenntnissen, die die<br />

Tragfähigkeit betreffen<br />

Die Bewertung der Tragfähigkeit bestehender Bauwerke<br />

nach den neuen Erkenntnissen bzw. Rechenvorschriften<br />

ist nur dann erforderlich, wenn dies ausdrücklich in<br />

Neufassungen von Normen vorgeschrieben wird.<br />

11


4 KLASSIFIZIERUNG DER GEBÄUDE<br />

Differenzierung der Zuverlässigkeit<br />

4.1 Schadensfolgeklasse<br />

1) Zum Zwecke der Differenzierung der Zuverlässigkeit<br />

werden Schadensfolgeklassen (CC) eingeführt, bei<br />

denen die Auswirkungen des Versagens oder der<br />

Funktionsbeeinträchtigung eines Tragwerks gemäß<br />

Tabelle 1 betrachtet werden.<br />

12


Tabelle 1 — Klassen für Schadensfolgen<br />

Beispiele im Hochbau oder bei<br />

sonstigen Ingenieurbauwerken<br />

Schadensfolgeklassen<br />

CC 3<br />

Merkmale<br />

Hohe Folgen für<br />

Menschenleben<br />

oder sehr große<br />

wirtschaftliche,<br />

soziale oder<br />

umweltbeeinträchtigende<br />

Folgen<br />

– Bauwerke (oder eigenständige<br />

Bauwerksteile) mit einem<br />

widmungsgemäßen<br />

Fassungsvermögen für mehr<br />

als 1 000 Personen (wie z. B.<br />

Krankenanstalten, Einkaufszentren,<br />

Stadien,<br />

Bildungseinrichtungen)<br />

– Bauwerke, die eine Energieund<br />

Versorgungsfunktion<br />

erfüllen<br />

– Bauwerke und Einrichtungen,<br />

die für den<br />

Katastrophenschutz dienen<br />

– Bauwerke, die unter die<br />

SEVESO II a Richtline fallen<br />

– Bauwerke, die mehr als 16<br />

oberirdische Geschosse<br />

besitzen<br />

a RICHTLINIE 96/82/EG DES RATES vom 9. Dezember 1996 zur Beherrschung der<br />

Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen<br />

13


Beispiele im Hochbau oder bei<br />

sonstigen Ingenieurbauwerken<br />

Schadensfolgeklassen<br />

CC 2<br />

Merkmale<br />

Mittlere Folgen<br />

für<br />

Menschenleben,<br />

beträchtliche<br />

wirtschaftliche,<br />

soziale oder<br />

umweltbeeinträchtigende<br />

Folgen<br />

Bauwerke, die nicht der<br />

Schadensfolgeklasse CC1 oder<br />

CC3 zuzuordnen sind<br />

14


Beispiele im Hochbau oder bei<br />

sonstigen Ingenieurbauwerken<br />

Schadensfolgeklassen<br />

CC 1<br />

nicht mehr als 400 m² Brutto-<br />

Merkmale<br />

Niedrige Folgen<br />

für<br />

Menschenleben<br />

und kleine oder<br />

vernachlässigbare<br />

wirtschaftliche,<br />

soziale oder<br />

umweltbeeinträchtigende<br />

Folgen<br />

– Gebäude mit nicht mehr als<br />

drei oberirdischen Geschoßen<br />

und mit einem Fluchtniveau<br />

von nicht mehr als 7 m,<br />

bestehend aus höchstens<br />

fünf Wohnungen bzw.<br />

Betriebseinheiten von<br />

insgesamt nicht mehr als<br />

400 m² Brutto-Grundfläche<br />

der oberirdischen Geschoße.<br />

– Reihenhäuser mit nicht mehr<br />

als drei oberirdischen<br />

Geschoßen und mit einem<br />

Fluchtniveau von nicht mehr<br />

als 7 m, bestehend aus<br />

Wohnungen bzw.<br />

Betriebseinheiten von jeweils<br />

Grundfläche der oberirdischen<br />

Geschoße.<br />

15


Für die Ermittlung der Personenanzahl wird in Abhängigkeit<br />

der jeweiligen Nutzungskategorie folgende<br />

Vorgangsweise empfohlen:<br />

a) Die Personenanzahl je Nutzungsmerkmal ist gemäß<br />

Tabelle 2 zu ermitteln.<br />

Tabelle 2 ― Personenanzahl je Nutzungsmerkmal<br />

16


) Bei Bauwerken mit unterschiedlichen oder mehreren<br />

Nutzungsmerkmalen sind die für die einzelnen<br />

Nutzungsmerkmale ermittelten Personenzahlen in der<br />

Regel zu addieren, wenn die einzelnen Nutzungen<br />

unterschiedlichen Personen zugeordnet sind (z. B.<br />

Bettentrakt und Verwaltungstrakt in Krankenhäusern).<br />

c) Die Mehrfachberücksichtigung von Personen in einem<br />

Bauwerk ist nicht erforderlich, wenn die einzelnen<br />

Nutzungen gleichen Personen oder unterschiedlichen<br />

Betriebszeiten zugeordnet sind (z. B.<br />

Stellplatz in der Garage und zugehörige Wohnung). Ein<br />

gesonderter Nachweis der möglichen<br />

Gleichzeitigkeit der Personen ist unter Berücksichtigung<br />

der Gesamtnutzung des Bauwerks zu erbringen.<br />

17


3) Bauwerke und Bauwerksbereiche, die<br />

vorübergehenden und zeitlich begrenzten Zwecken dienen<br />

oder nicht dauernd bestehen bleiben, können in<br />

begründeten Ausnahmefällen von den Bestimmungen der<br />

Tabelle B.1 abweichen.<br />

4) Die Behörde kann im Sinne eines<br />

Katastrophenschutzplanes oder einer Risikoanalyse die<br />

jeweiligen Schadensfolgeklassen auch abweichend von<br />

den in Tabelle 1 festgelegten Klassen vorschreiben. Dies<br />

kann auch für einzelne Teile eines Tragwerks erfolgen.<br />

Je nach Tragwerksart und Bemessungsstrategie können<br />

somit verschiedene Teile eines Tragwerks der gleichen,<br />

einer höheren oder niedrigeren Schadensfolgeklasse<br />

zugeordnet werden wie das Gesamttragwerk.<br />

18


4.2 Festlegung der Bedeutungskategorien und<br />

Versagensfolgeklassen auf Basis der<br />

Schadensfolgeklassen<br />

Auf Basis der Schadensfolgeklassen CC 1, CC 2 und CC 3<br />

ist in Tabelle B.3 auch eine Zuordnung zu den<br />

Bedeutungskategorien gemäß ÖNORM EN 1998-1:2011,<br />

Tabelle 4.3 und Versagensfolgeklassen gemäß ÖNORM EN<br />

1991-1-7:2007, Tabelle A.1 gegeben.<br />

Tabelle 3:<br />

Festlegung der Bedeutungskategorien und<br />

Versagensfolgeklassen auf Basis der<br />

Schadensfolgeklassen<br />

19


5 METHODEN DER BEWER<strong>TU</strong>NG<br />

Rechnerischer Nachweis nach letztgültigem<br />

Normenwerk<br />

Rechnerischer Nachweis mit reduzierter<br />

Zuverlässigkeit<br />

Rechnerischer Nachweis nach altem<br />

Normenstand<br />

Qualitative Bewertung der Tragfähigkeit<br />

Experimentelle Tragfähigkeitsbewertung<br />

20


5.1 Einwirkungen<br />

Bei einem Nachweis nach aktuellem Normenstand sind die<br />

Nutzlasten nach diesen Normen anzusetzen. Darüber<br />

hinaus sind die tatsächliche Nutzungen und<br />

Nutzungsvereinbarungen, behördliche Genehmigungen<br />

inkl. der Festlegungen der Konsenspläne zu beachten.<br />

Das Unterschreiten des gemäß ÖNORM EN 1990 bei<br />

Beanspruchungen der Grundkombination geforderten<br />

Zuverlässigkeitsniveaus ist nicht zulässig. Wenn die<br />

geforderte Zuverlässigkeit unter den angenommenen<br />

Nutzlasten nicht gegeben ist, ist die Nutzung entsprechend<br />

zu ändern oder es sind entsprechende<br />

Verstärkungsmaßnahmen durchzuführen.<br />

Werden klimatische oder seismische Einwirkungen<br />

aufgrund von Feststellungen fundierter Gutachten genauer<br />

spezifiziert als dies den Zonierungen der einschlägigen<br />

ÖNORMEN entspricht, können auch diese Ergebnisse<br />

herangezogen werden.<br />

Die Notwendigkeit des Ansatzes von außergewöhnlichen<br />

Einwirkungen (z. B. Anprall) kann durch<br />

Sicherheitsvorrichtungen beeinflusst werden.<br />

21


5.2 Nachweis nach aktuellem Normenstand<br />

Die bevorzugte Methode ist der rechnerische Nachweis<br />

der Tragfähigkeit eines Bauteils bzw. des Tragwerkes<br />

nach aktuellem Normenstand. Für die Ausnutzung von<br />

Tragreserven können aktualisierte Daten sowohl bei der<br />

Einwirkung als auch in der Widerstandsseite berücksichtigt<br />

werden.<br />

Bei Bauweisen oder bei Baustoffen, die heute nicht mehr<br />

gebräuchlich sind, ist es manchmal unumgänglich, für die<br />

Nachweise Normen heranzuziehen, die bei Errichtung des<br />

Bauwerkes gültig waren. Diese Normen können dann bei<br />

Beibehaltung des Zuverlässigkeitsniveaus der letztgültigen<br />

Normen als Fachliteratur herangezogen werden.<br />

22


5.3. Nachweis mit reduzierter Zuverlässigkeit<br />

Wenn eine Nachrechnung nach letztgültigem Normenstand<br />

kein ausreichendes Zuverlässigkeitsniveau (wie für den<br />

Neubau) ergibt, kann für außergewöhnliche<br />

Beanspruchungen (gemäß ÖNORM EN 1991-1-7:<br />

Anprallstoß etc. und gemäß ÖNORM EN 1998-1, B 1998-1<br />

und EN 1998-3 – Erdbeben) ein Nachweis mit reduzierter<br />

Zuverlässigkeit geführt werden.<br />

Dabei ist eine Unterschreitung des nach aktuellem<br />

Normenstand geforderten Zuverlässigkeitsniveaus<br />

akzeptabel.<br />

Es ist ein Begründung anzugeben.<br />

Die Versagenswahrscheinlichkeiten gem. Tabelle 1 dürfen<br />

nicht unterschritten werden.<br />

23


Tabelle 1:<br />

akzeptable Zuverlässigkeit für Bestandsbauten bei<br />

außergewöhnlichen Einwirkungen und Erdbeben<br />

Schadensfolgeklasse /<br />

Versagensfolgeklasse<br />

Akzeptables,<br />

reduziertes<br />

Zuverlässigkeitsniveau<br />

Z red<br />

Versagenswahrscheinlichkeit<br />

P f,ist,max<br />

/ Gebäude(teil)<br />

und Jahr<br />

RC 1 - CC1<br />

RC2 - CC2<br />

RC3 - CC3<br />

1 - 1 x 10 -4<br />

1 - 1 x 10 -5<br />

1 - 1 x 10 -6<br />

1 x 10 -4<br />

1 x 10 -5<br />

1 x 10 -6<br />

Es bedeutet:<br />

Z red<br />

akzeptables, reduziertes Zuverlässigkeitsniveau von<br />

Bestandsgebäuden bei außergewöhnlichen<br />

P f,ist<br />

Einwirkungen und Erdbeben<br />

vorhandene Versagenswahrscheinlichkeit des<br />

Bestandsgebäudes<br />

P f,ist,max<br />

maximal akzeptierte Versagenswahrscheinlichkeit des<br />

Bestandsgebäudes<br />

24


Risikofaktor-Erfüllungsfaktor-Beziehung / Quelle SIA 2018<br />

CC 1<br />

CC 2<br />

CC 3<br />

25


Das erforderliche Zuverlässigkeitsniveau des rechtmäßigen<br />

Bestandes, d. h. jenes Zuverlässigkeitsniveau, das zum<br />

Zeitpunkt der Baubewilligung unter Berücksichtigung des<br />

damaligen Standes der Technik maßgebend war, bzw. sich<br />

aus der Anwendung der damaligen Normen und Vorschriften<br />

ergeben hat, darf nicht unterschritten werden.<br />

Bestehende Bauwerke, die ein höheres<br />

Zuverlässigkeitsniveau aufweisen als es zum Zeitpunkt der<br />

Baubewilligung vorgeschrieben war, dürfen nicht<br />

verschlechtert werden als es dem aktuellen Stand der<br />

Technik entspricht.<br />

26


5.4 Nachweis nach altem Normenstand<br />

Zum Nachweis der Einhaltung des Konsenses ist der<br />

Nachweis nach Normen, die bei der Errichtung des<br />

Bauwerks gültig waren, möglich.<br />

Dabei wird vorausgesetzt, dass<br />

• die Tragfähigkeit den Normen und Vorschriften entspricht,<br />

die zur Zeit der Errichtung des Bauwerks gültig waren<br />

• Instandsetzungen oder Austausch bestehender Tragwerke<br />

• bei Feststellen von Bauschäden (z. B. Risse und<br />

Verformungen, Korrosion)<br />

• bei Feststellen von konstruktiven Mängeln,<br />

geringfügigen Auswirkungen baulicher Maßnahmen auf<br />

den Bestand (z. B. keine wesentliche Lasterhöhung -<br />

Reklameschild, einzelne Balkone, Badeinbau, Solarpanel)<br />

• Umwidmungen ohne Lasterhöhung, geringfügige<br />

Schwächungen der tragenden Konstruktion (z. B. einzelne<br />

Türdurchbrüche, einzelne Deckendurchbrüche)<br />

27


Eine geringfügige Auswirkung liegt dann vor, wenn das<br />

rechtmäßig bestehende Sicherheitsniveau zum Zeitpunkt<br />

der Errichtung - ausgedrückt durch die<br />

Teilsicherheitsbeiwerte - um nicht mehr als 3/100<br />

verschlechtert wird, wobei auch die Auswirkungen früherer<br />

Baumaßnahmen zu berücksichtigen sind.<br />

Die bauliche Maßnahme selbst ist nach aktuellem<br />

Normenstand nachzuweisen:<br />

• bei allen Bewertungen, die lediglich den<br />

konsensgemäßen Zustand beurteilen.<br />

• bei allen, im Zuge von konstruktiven Maßnahmen<br />

durchgeführten Bewertungen, können Bauteile, welche<br />

von diesen Maßnahmen nicht betroffen sind, bei Bedarf<br />

nach den alten Normen bewertet werden.<br />

28


5.5 Qualitative Bewertung der Tragfähigkeit<br />

Eine qualitative Bewertung der Tragfähigkeit bietet die<br />

Möglichkeit, aufgrund von Erfahrungen mit dem Verhalten<br />

von Tragsystemen rasch zu einer Bewertung der<br />

Tragfähigkeit zu gelangen.<br />

Es darf eine ausreichende Tragfähigkeit für die bisher<br />

aufzunehmende Belastung vermutet werden („permanente<br />

Belastungsprobe“).<br />

Qualitativ bewertete Tragwerke sind in regelmäßigen<br />

Intervallen in einer auf das jeweilige Tragwerk abgestimmten<br />

Art und Weise zu überprüfen und zu bewerten.<br />

29


Eine qualitative Bewertung der Tragfähigkeit ist nur unter<br />

folgenden Voraussetzungen ausreichend:<br />

• Es handelt sich um Bauwerke, über deren Konstruktion<br />

und deren Tragverhalten ausreichende Erfahrungen aus<br />

vergleichbaren Bauwerken vorliegen.<br />

• Es handelt sich um Bauwerke, die über längere<br />

Zeiträume gleichartig genutzt worden sind und die keine<br />

sicherheitsrelevanten Mängel und Schäden aufweisen.<br />

• Es sind keine Widmungsänderungen, die größere<br />

Beanspruchungen hervorrufen, als die bisher in Verkehr<br />

gesetzten und keine Zu- oder Umbauten geplant.<br />

• Es ist kein sprödes Tragwerksversagen zu erwarten.<br />

Instandsetzungen sind dann nicht nach den alten Normen<br />

zulässig, wenn diese Normen aus der Schadensursache<br />

geändert worden sind.<br />

30


5.6. Experimentelle Tragfähigkeitsbewertung am<br />

Bauwerk<br />

Eine experimentelle Tragfähigkeitsbewertung anhand von<br />

statischen oder dynamischen Belastungsversuchen ist<br />

dann sinnvoll, wenn ein rechnerischer Nachweis der<br />

Tragfähigkeit nicht erbracht werden kann und wenn eine<br />

begründete Aussicht auf ein positives Ergebnis durch die<br />

experimentelle Tragfähigkeitsbewertung besteht.<br />

Wird ein Bauwerk durch eine steigende Einwirkung im<br />

Versuch belastet, so sollten die Reaktionen gemessen<br />

werden. Dabei wird das Verhalten des Tragwerks und der<br />

Tragwerksteile erfasst und aufgezeigt, ob unter<br />

bestimmten Belastungen die Verformungen des Bauwerks<br />

reversibel sind und keine übermäßigen Rissbildungen,<br />

Schwingungen oder Verschiebungen auftreten.<br />

Bei der nicht zu überschreitenden Versuchsgrenzlast<br />

beginnt die Schädigung des Bauwerkes. Die festgestellte<br />

Versuchsgrenzlast muss unter Berücksichtigung<br />

möglicher Widerstandsminderungen noch reduziert<br />

werden.<br />

31


Experimentelle Tragfähigkeitsbewertungen müssen<br />

schädigungsfrei sein. Dazu sind ein geeignetes<br />

Belastungssystem und ein messtechnischer Aufbau<br />

notwendig, mit dem Vorankündigungen von Schädigungen<br />

erkannt werden.<br />

Die Ergebnisse von Belastungsversuchen sind anhand<br />

von Tragwerksmodellen zu interpretieren. Dabei sind die<br />

Einflüsse infolge tatsächlicher Nutzungen,<br />

Temperaturänderungen, Wind und Schnee sowie<br />

gegebenenfalls eine mittragende Wirkung von Bauteilen,<br />

denen ursprünglich keine tragende Funktion zugemessen<br />

wurde, besonders zu beachten.<br />

Nähere Angaben finden sich in ÖNORM EN 1990:2003<br />

Anhang D, der DAfStb-Richtlinie und bei Steffens-<br />

32


6 DOKUMENTATI<strong>ON</strong> EINER TRAGWERKSBEURTEILUNG<br />

Jede Tragwerksbeurteilung durch einen versierten<br />

Fachmann ist zu dokumentieren (Nachvollziehbarkeit).<br />

Bekanntgegeben werden sollen:<br />

Eigentümer<br />

Auftraggeber<br />

Adresse des Objekts<br />

Prüfer bzw. Prüfanstalt<br />

Inhaltlich sind anzugeben:<br />

- Prüfgegenstand und –umfang<br />

- Gewählte Beurteilungsmethode<br />

- geometrische und konstruktive Grundlagen<br />

- Ergebnisse der Materialuntersuchungen<br />

- verwendete Normen und spezielle wissenschaftliche<br />

Literatur<br />

- Klassifizierung des Gebäudes<br />

- Einwirkungen<br />

- Modellbildung und Angabe des gewählten<br />

Sicherheitskonzeptes<br />

33


Bewertungsergebnis:<br />

Das Ergebnis dieser Bewertung ist das Aufzeigen von<br />

allfälligen Abweichungen von den letztgültigen Normen<br />

sowie der Bewertung, der sich daraus ergebenden<br />

Auswirkungen – Konsequenzen.<br />

Abweichungen vom letztgültigen Normenstand sind zu<br />

begründen. Der Ingenieur hat zu beurteilen, ob die<br />

Abweichungen den gemäß <strong>ON</strong>R <strong>24009</strong> zulässigen<br />

Abweichungen entsprechen.<br />

Wenn ja, ist zu begründen warum.<br />

Wenn nein, ist der Mangel aufzuzeigen und die<br />

Mängelbehebung vorzuschlagen.<br />

Ein wesentlicher Hinweis für die Unbedenklichkeit der<br />

Abweichungen ist das Fehlen von Schäden, die mit<br />

diesen Abweichungen in Verbindung gebracht werden<br />

könnten, sofern das Tragwerk ausreichend lange<br />

genutzt wurde.<br />

34


Empfehlung an die Nutzer von Wohnungen in Altbauten:<br />

„Der Nutzer ist informiert, dass es sich beim<br />

gegenständlichen Gebäude um einen Altbau handelt. Durch<br />

die laufenden Erhaltungsmaßnahmen bzw. Sanierungen<br />

werden die Qualitäten laut den für derartige Maßnahmen<br />

maßgeblichen gesetzlichen und behördlichen Vorschriften<br />

geschaffen. Der technische Standard eines Neubaus wird<br />

dabei in der Regel nicht erreicht.“<br />

Negatives Bewertungsergebnis oder Gefahr in Verzug:<br />

Sollten Rissbildungen, Verformungen oder Verfärbungen so<br />

deutlich sein, dass Gefahr in Verzug besteht, dann ist<br />

UMGEHEND (ohne Zeitverlust) zu handeln.<br />

Es sind eine Sicherheitsprüfung oder andere sichernde<br />

Maßnahmen anzuordnen.<br />

Wird gerade gebaut, kann die Baufirma, im Wege der<br />

Bauführung, diese Sicherungsmaßnahmen durchführen.<br />

Ist bei Gefahr in Verzug keine Baufirma vor Ort, sind der<br />

PERMANENZINGENIEUR der MA 37 / Am Hof und allfällig<br />

die FEUERWEHR (Berufsfeuerwehr in <strong>Wien</strong>) und die<br />

EIGENTÜMER bzw. HAUSVERWAL<strong>TU</strong>NG zu<br />

verständigen.<br />

35


Wenn ein negatives Bewertungsergebnis vorliegt ohne<br />

akute Gefährdung sind anzugeben:<br />

• Prognose und Abschätzung der weiteren Entwicklung<br />

• Empfehlung von Maßnahmen wie:<br />

Sicherung, Reparatur- und Instandsetzungsmaßnahmen,<br />

Überwachungsmaßnahmen, allfällige Verstärkung von<br />

Tragwerksteilen<br />

Eine reduzierte Zuverlässigkeit ist jedenfalls nach <strong>ON</strong>R<br />

<strong>24009</strong> für gewisse außergewöhnliche Einwirkungen, im<br />

Besonderen für den Lastfall Erdbeben, zulässig.<br />

36


7 Rechnerischer Nachweis der Tragfähigkeit von<br />

Bestandsbauten<br />

7.1 Allgemeines<br />

Die Nachrechnung von Bestandsobjekten erfordert in der<br />

Regel gegenüber der Neuberechnung eine erheblich<br />

wirklichkeitsnähere Modellierung des Tragverhaltens, stellt<br />

höhere Genauigkeitsansprüche und verlangt<br />

Nachweisforderungen mit meist höherem<br />

Berechnungsaufwand zur Aktivierung von Tragreserven.<br />

Darüber hinaus werden Kenntnisse des Normenwesens<br />

und der Materialtechnologie zum Zeitpunkt der Errichtung<br />

des Bauwerkes gefordert.<br />

Die statische Berechnung eines Tragsystems ist ein<br />

abgestimmtes System von<br />

- Einwirkungen (Einwirkungsseite),<br />

- Widerständen (Widerstandsseite), einschließlich der<br />

Modellbildung des Tragsystems,<br />

- verknüpft durch ein Sicherheitskonzept.<br />

Einwirkungen, Widerstände und Sicherheitskonzepte sind<br />

in der Regel in Normenreihen, Verordnungen und<br />

dergleichen festgelegt.<br />

37


7.2 Nachrechnung nach letztgültigem Normenstand<br />

Bei dieser Nachrechnung ist eine Einstufung des<br />

Tragwerkes nach letztgültigem Normenstand mit den darin<br />

festgelegten Zuverlässigkeitsstandards unter Erfüllung der<br />

Bedingung<br />

E d ≤ R d<br />

sicherzustellen.<br />

Es bedeutet:<br />

E d<br />

R d<br />

Bemessungswert der Auswirkung einer Einwirkung<br />

Bemessungswert eines Widerstandes<br />

38


7.3 Zulässige Abweichungen vom letztgültigen<br />

Normenstand<br />

7.3.1 Allgemeines<br />

Der Nachweis der Tragfähigkeit bestehender Bauteile nach<br />

letztgültigem Normenstand ist hinsichtlich der<br />

Widerstandsseite im Allgemeinen vollinhaltlich nur bei<br />

solchen Hochbauten möglich, die nach diesen Normen<br />

errichtet wurden, da die Bestimmungen neuer Normen bei<br />

älteren, nach früheren Normen errichteten Bauwerken<br />

zwangsläufig nicht vollinhaltlich eingehalten sein können.<br />

Normen werden an laufende Entwicklungen, Schadensfälle,<br />

Erfahrungen und den sich ständig verbessernden Stand der<br />

Technik angepasst.<br />

Der Nachweis der Tragfähigkeit bestehender Bauteile nach<br />

dem letztgültigen Normenstand ist vollinhaltlich nur bei<br />

solchen Hochbauten möglich, die nach diesem<br />

Normenstand errichtet wurden.<br />

39


Abweichungen sind in der Regel für geometrische<br />

Parameter zulässig, da diese zwangsläufig in früheren<br />

(älteren) Normen anders geregelt waren.<br />

Der Ingenieur hat zu befunden, ob diese Abweichungen<br />

vom letztgültigen Stand der Normung für die Sicherheit des<br />

Gebäudes tolerierbar ist, oder ob<br />

Ertüchtigungsmaßnahmen erfolgen müssen (siehe dazu<br />

Punkt 6).<br />

40


Zulässige Abweichungen vom letztgültigen Normenstand<br />

sind möglich für nachfolgend angeführte Punkte:<br />

7.3.2 Mindestabmessungen<br />

Mindestabmessungen von Bauteilen dienen vielfach der<br />

Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Herstellung bzw.<br />

der Erzielung robuster, dauerhafter Bauwerke. Sofern bei<br />

bestehenden Hochbauten keine wesentlichen Schäden<br />

zufolge mangelhafter Herstellung bzw. keine, über den<br />

Alterungseinfluss hinausgehende zeitbedingte Schäden<br />

festzustellen sind, ist eine Unterschreitung der<br />

Mindestabmessungen, wie sie bei Einhaltung des<br />

aktuellen Normenstandes bei Neubauten erforderlich<br />

wären, unbedenklich.<br />

Jedoch sind Mindestanforderungen an Bauteile die eine<br />

Mindestduktilität absichern sollen, vor allem bei relevanten<br />

Nutzungsänderungen zu überprüfen (z. B. Neuaufstellung<br />

einer Maschine mit Stoßbelastung (Stanze) auf einer<br />

Decke mit bisher ruhender Nutzung). Es sind vor allem<br />

Möglichkeiten zur Vermeidung von Sprödbrüchen (z. B.<br />

alternative Lastpfade, Querverteilungswirkungen) zu<br />

untersuchen oder verstärkte Kontrollen (z. B. der<br />

Einwirkungen) durchzuführen.<br />

41


7.3.3 Mindestgüten von Werkstoffen<br />

Mindestgüten von Werkstoffen dienen vielfach der<br />

Erzielung robuster Bauwerke bzw. der Schaffung von<br />

Tragreserven. Sie werden gegebenenfalls auch im<br />

Zusammenhang mit Eigenschaften gefordert, die nur<br />

indirekt mit der Festigkeit verbunden sind (Mindestgüten<br />

von Beton werden zum Beispiel oft im Interesse der<br />

Dichtheit der Betondeckung zum Korrosionsschutz der<br />

Bewehrung aber nicht wegen der Festigkeit gefordert).<br />

Wenn am Bauwerk keine entsprechenden Schäden<br />

festzustellen sind, ist die Unterschreitung der heute für<br />

Neubauten geforderten Mindestgüten von Baustoffen<br />

unbedenklich.<br />

42


7.3.4 Konstruktive Regeln<br />

Die konstruktiven Regeln, die in den Normen festgelegt<br />

sind, die bei Errichtung des Bauwerkes gültig waren, wie<br />

z. B. Mindestabmessungen von Bauteilen,<br />

Mindestdurchmesser von Bewehrungsstäben und deren<br />

Abstände, Mindestdicken von Knotenblechen,<br />

Mindestabstände von Schrauben im Stahlbau u. dgl.,<br />

stellen den damaligen Stand der Technik dar und sind<br />

üblicherweise auf die damals verwendeten Baustoffe<br />

abgestimmt. Sie stimmen vielfach nicht mit Vorschriften<br />

gemäß den aktuellen Normen überein.<br />

Sofern jedoch während der Bestandsdauer des<br />

Bauwerkes keine entsprechenden Schäden<br />

aufgetreten sind, können die konstruktiven Regeln<br />

der Bestandsnormen als bewährt angesehen werden<br />

und es sind aus diesem Grunde keine<br />

Bewertungsabschläge nötig.<br />

43


7.3.5 Baustoffe und deren Eigenschaften<br />

Die Eigenschaften der verwendeten Baustoffe können von<br />

den heute genormten Baustoffen abweichen. Die<br />

Nachweise der Tragfähigkeit sind jedenfalls mit den<br />

Werkstoffkennwerten der verwendeten Baustoffe zu führen.<br />

Diese sind aus den vorhandenen Unterlagen zu entnehmen<br />

und auf Plausibilität zu überprüfen. Bei festgestellten<br />

Abweichungen, bzw. fehlenden Unterlagen sind die<br />

Werkstoffeigenschaften durch einer ausreichende Anzahl<br />

von Proben, die aus dem Bauwerk gemäß Anhang A zu<br />

entnehmen sind, zu ermitteln.<br />

Bei Nachweisen nach den aktuellen Normen ist zu<br />

überprüfen, ob die vorhandenen Baustoffe die, in diesen<br />

Normen verlangten Eigenschaften, wie z. B. Bruchdehnung,<br />

aufweisen. Sollte dies nicht der Fall sein, ist dies bei den<br />

Nachweisen der Widerstände bzw. der Schnittkräfte (z. B.<br />

Ausmaß einer angesetzten Umlagerung der Schnittgrößen)<br />

zu berücksichtigen.<br />

44


7.3.6 Nachweise der Gebrauchstauglichkeit<br />

Das Überschreiten von Grenzwerten von Durchbiegungen<br />

(Verformungen), die nach aktuellem Normenstand im<br />

Interesse der Gebrauchstauglichkeit einzuhalten sind, kann<br />

toleriert werden, wenn durch die erhöhten Durchbiegungen<br />

keine Folgeschäden in angrenzenden bzw. benachbarten<br />

Bauteilen zu erwarten sind und die Durchbiegungen keine<br />

wesentlichen Einschränkungen der geplanten Nutzung<br />

verursachen (mangelnder Wasserablauf auf Dächern,<br />

unzulässige Schwingungen von Bauteilen, optische<br />

Beeinträchtigungen, Einschränkungen des Komforts etc.).<br />

Der Eigentümer ist nachweislich auf mögliche<br />

Einschränkungen der Gebrauchstauglichkeit durch das<br />

Überschreiten der Grenzwerte hinzuweisen.<br />

Bei der Notwendigkeit der Vermeidung von<br />

Resonanzerscheinungen zufolge dynamischer Einwirkungen<br />

(z. B. durch körperliche Aktivitäten, wie Tanzen oder Turnen,<br />

durch bewegte Lasten von Maschinen, durch<br />

Windeinwirkungen) sind keine Überschreitungen von<br />

Grenzwerten von Verformungen zulässig.<br />

45


8 Literaturhinweis<br />

[ 1] [4] Hanisch: Bestimmung der Biegungs-, Zug-, Druck- und Schubfestigkeit an<br />

Bausteinen der österr.- ungar. Monarchie. <strong>Wien</strong>: Verlag Carl Graeser & Co 1901.<br />

[ 2] [6] Leonhardt, F.: Vorlesung über Massivbau, Teil 1: Grundlagen zur Bemessung<br />

im Stahlbetonbau. Springer Verlag, Berlin – Heidelberg – New York: 1979.<br />

[ 3] [8] Mann, W.: Zum Tragverhalten von Mauerwerk aus Natursteinen.<br />

Mauerwerkskalender 1983.<br />

[ 4] [10] Ohler, A.: Zur Berechnung der Druckfestigkeit von Mauerwerk unter<br />

Berücksichtigung der mehrachsigen Spannungszustände in Stein und Mörtel,<br />

Bautechnik, 63. Jahrgang. 1986. Heft 5, s163-169.<br />

[ 5] [11] Steffens, K.: Experimentelle Tragsicherheitsbewertung von Bauwerken,<br />

Grundlagen und Anwendungsbeispiele. Ernst & Sohn.<br />

[ 6] [13] DAfStb-Richtlinie Belastungsversuche an Betonbauwerken. September 2000.<br />

[ 7] [21] Gemauerte Kreisbogengewölbe – Bewertung des Tragvermögens von<br />

Bestandsobjekte. Hg. Ing. Büro Pauser, <strong>Wien</strong>: 2004.<br />

[ 8] [ 22] JCSS-Model Code, Probabilistic Model Code Part I-III, Hg. v. Joint Committee<br />

on Structural Safety JCSS [www.jcss.ethz.ch]. Zürich: 2001.<br />

[ 9] J. Fornather, W. Potucek et al.: Grundlagen der Tragwerksplanung Eurocode “0“<br />

Erläuterungen zu ÖNORM EN 1990, ÖNORM B 1990-1, Österreichisches<br />

Normungsinstitut, <strong>Wien</strong>, 2005<br />

[ 10] Klenner, J.: Eisenbeton – die ersten Anwendungen, Diplomarbeit an der FH-<br />

Campus <strong>Wien</strong>, <strong>Wien</strong> 2005<br />

[ 11] Adali, K.: Altbaudeckenkonstruktionen Herstellung und Berechnungskonzepte.<br />

Sanierungs- und Verstärkungsmaßnahmen, Diplomarbeit an der FH Campus<br />

<strong>Wien</strong>, <strong>Wien</strong> 2005<br />

[ 12] Kolbitsch A.: Altbaukonstruktionen, Charakteristika, Rechenwerte,<br />

Sanierungsansätze. <strong>Wien</strong>, New York, Springer Verlag 1989<br />

[ 13] Pauser, A.: Eisenbeton 1850-1950: Idee – Versuch – Bemessung – Realisierung,<br />

unter Berücksichtigung des Hochbaus in Österreich, Manz’sche Verlags- und<br />

Universitätsbuchhandlung, <strong>Wien</strong> 1994<br />

[ 14] Potucek, W. et al.: Stahlbetonbau, Teil 1 Grundlagen und Beispiele, 13. Auflage,<br />

Manz Verlag, <strong>Wien</strong> 2012<br />

46

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!