Über-Landschlösser Flair und S-Klasse
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72 promobil 10/2007<br />
DOPPELTEST | Hymer S-<strong>Klasse</strong> / Niesmann + Bischoff <strong>Flair</strong><br />
<strong>Über</strong>-<strong>Landschlösser</strong><br />
<strong>Flair</strong> <strong>und</strong> S-<strong>Klasse</strong> sind die beiden Flaggschiffe des Hymer-<br />
Konzerns <strong>und</strong> beanspruchen in der Oberklasse vordere Plätze für<br />
sich. Wie reist es sich in der Preisklasse weit über 120 000 Euro?
Eine aristokratische Kulisse,<br />
zwei Top-Integrierte aus gutem<br />
Haus. Ein Stoff für Urlaubsträume.<br />
Im Oberhaus der<br />
schnelllebigen Reisemobilbranche<br />
zählen <strong>Flair</strong> <strong>und</strong> S-<strong>Klasse</strong><br />
längst zum alten Adel. Und erregen<br />
entsprechendes Aufsehen.<br />
Allein die Größe schindet<br />
mächtig Eindruck. Was der geduckte<br />
S 830 mit 8,63 Metern<br />
dem <strong>Flair</strong> 7100i an Länge voraus<br />
hat, macht dieser mit seiner<br />
HYMER<br />
www.promobil.de<br />
NIESMANN + BISCHOFF<br />
Edel: Die Lederbezüge passen zum Premiumanspruch des Flaggschiffs<br />
von Niesmann + Bischoff. Wie so vieles im <strong>Flair</strong> kosten sie Aufpreis.<br />
Stilvoll: Ein aufwendiger Möbelbau ziert das Interieur, das von edlen<br />
Hell-Dunkel-Kontrasten lebt. Das Raumangebot ist äußerst großzügig.<br />
aufragenden Front wieder wett. zu kleinen Wischfeld, sehr gut. ße Vorzüge. Der Motorzugang<br />
Der dezente Auftritt ist beider Busspiegel mit Weitwinkelfel- lässt in beiden Fällen stark zu<br />
Sache nicht. Man fährt vor, redern <strong>und</strong> eine optionale Rück- wünschen übrig.<br />
präsentiert. Zeigt, was man hat fahrkamera erleichtern das Beide Hersteller setzen auf<br />
<strong>und</strong> wer man ist.<br />
Han tieren mit dem Achtmeter- Rahmenfenster mit bequemer<br />
Das gelingt im <strong>Flair</strong> noch Dampfer. Der Verzicht auf eine Einhandbedienung <strong>und</strong> sehr<br />
besser als in der S-<strong>Klasse</strong>. We- zweifellos praktische Fahrertür solide Aufbautüren – bei der S-<br />
gen der riesigen Frontscheibe spart den Fenstersteg, der beim <strong>Klasse</strong> in eine Zentralverriege-<br />
sitzt die Besatzung im hohen Hymer den Blick in Kurven <strong>und</strong> lung mit eingeb<strong>und</strong>en. Die Ver-<br />
Iveco-Daily-Fahrerhaus regel- den einfachen linken Spiegel arbeitung, auch in den sensibrecht<br />
auf dem Präsentierteller. stark beschneidet. Andererseits len Bereichen des Aufbaus, ist<br />
Panorama <strong>und</strong> Sichtverhält- hat der komfortabel breite bei beiden Modellen nahezu<br />
nisse sind, abgesehen vom viel Zugang ins Cockpit auch gro - makellos. Die Aufbautech- ▷<br />
promobil 10/2007<br />
73
DOPPELTEST | Hymer S-<strong>Klasse</strong> / Niesmann + Bischoff <strong>Flair</strong><br />
■ DATEN UND MESSWERTE<br />
Niesmann + Bischoff <strong>Flair</strong> 7100i C Hymer S 830<br />
Basisfahrzeug Iveco Daily 60 C 18, Leiterrahmen, Heckantrieb, Vierzylinder-<br />
Turbodiesel, Hubraum 2999 cm³, Leistung 129 kW (176 PS),<br />
Drehmoment 400 Nm bei 1400/min, automatisiertes Sechsgang-Getriebe<br />
(Aufpreis), Radstand 4350 mm.<br />
Fahrleistungen <strong>und</strong> Verbrauch Beschleunigung 0–50/80/100 km/h 11,9/24,0/39,2 s; Wiederbeschleunigung<br />
60–80/100 km/h 7,1/21,2 s (Testgewicht 4850<br />
kg), Testverbrauch 18,3 L/100 km.<br />
Abmessungen <strong>und</strong> Gewichte (L x B x H) 8060 x 2340 x 3270 mm; Innenhöhe 2040 mm;<br />
Leergewicht Testwagen 4850 kg (inkl. Kraftstoff, Frischwasser,<br />
Gas <strong>und</strong> 350 kg Extras), zulässiges Gesamtgewicht 6000 kg;<br />
Zuladung 1150 kg.<br />
Aufbau Sandwich-Bauweise, außen <strong>und</strong> innen Aluminium, Unterboden<br />
GfK, Bugmaske aus GfK, Isoliermaterial Styrofoam; Stärke Wand/<br />
Dach/Boden 40/40/40 mm. 5 Kunststoff-Isolierfenster mit Rahmen,<br />
2 Klarglas-Dachhauben, elektrisches Panoramadachfenster<br />
(Aufpreis), 2 Ventilatordachhauben (Aufpreis). Fahrerhausverdunkelung<br />
Rollladen <strong>und</strong> Faltrollo (Aufpreis).<br />
Ausbau (B x H x T) Möbel Sperrholz, Dekor Ahorn, Kleiderschrank<br />
510 x 2050 x 680 mm, 14 Hängeschränke, offene Ablagen über<br />
Sitzgruppe <strong>und</strong> Heckbett, Halter für Flach-TV, Heckstauraum<br />
1350–1540 x 1200–1380 x 2180 mm (ca. 4600 L), Tür (Aufpreis),<br />
Klappe (größter Zugang 1160 x 1320 mm). Außenstaufach,<br />
2 Doppelbodenfächer (gesamt 490 L).<br />
Küche (B x H x T) 1240 x 950 x 590–880 mm, Absorberkühl schrank<br />
Dometic RMT 7855 L, 175 L, Gefrierfach 31 L, Backofen (Aufpreis),<br />
3 Hängeschränke, Unterschrank, 2 Schubladen, 2 Auszüge,<br />
Mülleimer.<br />
Sanitärraum 890–1500 x 2040 x 1200 mm, separate Dusche 720 x 2010 x<br />
720 mm, Thetford-Cassettentoilette C 200, 17 L + 17 L (Aufpreis).<br />
Bordtechnik Gas-Warmwasserheizung/Boiler Alde Compact, 11 Konvektoren.<br />
Blei-Gel-Batterie 144 Ah + 144 Ah (Aufpreis), 20 Halogenlampen,<br />
4 Transistorlampen, 5 Lichtschläuche. Frischwassertank<br />
180 L, Abwassertank 120 L, isoliert <strong>und</strong> beheizt,<br />
Gas flaschen 2 x 11 kg.<br />
2180<br />
1480 1900<br />
1970<br />
1700–<br />
1870<br />
www.promobil.de<br />
MB Sprinter 518 CDI, Heckantrieb, Sechszylinder-Turbodiesel,<br />
Hubraum 2987 cm³, Leistung 135 kW (184 PS) (Aufpreis),<br />
Drehmoment 400 Nm bei 1600–2600/min, Sechsgang-Getriebe,<br />
Radstand 4825 mm.<br />
Beschleunigung 0–50/80/100 km/h 9,5/18,5/27,4 s; Elastizität<br />
60–80/100 km/h (4. Gang) 7,12/16,0 s (5. Gang) 11,6/23,2 s<br />
(Testgewicht 4310 kg), Testverbrauch 15,1 L/100 km.<br />
(L x B x H) 8630 x 2350 x 2900 mm; Innenhöhe 1980 mm;<br />
Leergewicht Testwagen 4270 kg (inkl. Kraftstoff, Frischwasser,<br />
Gas <strong>und</strong> 70 kg Extras), zul. Gesamtgewicht 5000 kg; Zuladung<br />
730 kg.<br />
Sandwich-Bauweise, außen Aluminium, innen foliertes Sperrholz,<br />
Unterboden Holz, Bugmaske aus GfK, Isoliermaterial PU-Schaum;<br />
Stärke Wand/Dach/Boden 35/35/46 mm. 5 Kunststoff-Isolierfenster<br />
mit Rahmen, 2 Klarglas-Dachhauben, 2 Panoramadachfenster,<br />
Fahrerhausverdunkelung Faltrollos.<br />
(B x H x T) Möbel Sperrholz, Dekor Nussbaum/Creme, 1. Kleiderschrank<br />
470 x 740 x 1420 mm, 2. Kleiderschrank 450 x 650 x<br />
1470 mm, Unterschrank, 6 Schubladen, 2 Auszüge, 12 Hängeschränke,<br />
offene Ablage über Heckbett <strong>und</strong> im Fahrerhaus, el.<br />
Hebe-/Senk-Mechanismus für Flach-TV, Halter für Flach-TV (Auf -<br />
preis), Heckstauraum 800–1270 x 1230 x 2190 mm (ca. 2900 L),<br />
2 Türen (größter Zugang 930 x 1140 mm), 4 Schürzenfächer<br />
(gesamt ca. 430 L).<br />
(B x H x T) 1280 x 900 x 600–900 mm, Absorberkühl schrank<br />
Thetford RMT 7855 L, 175 L, Gefrierfach 31 L, Backofen, 3 Hängeschränke,<br />
3 Schubladen, 2 Auszüge, Mülleimer.<br />
1080–990 x 1850–1900 x 810 mm, separate Dusche 720 x 1840<br />
x 610 mm, Jet-Festtanktoilette, Fäkaltank 45 L.<br />
Gas-Warmwasserheizung/Boiler Alde Compact, 12 Konvektoren,<br />
Fußbodenheizung. Aufbauklimaanlage Truma Saphir Komfort.<br />
Blei-Gel-Batterie 2 x 80 Ah. 28 Halogenlampen, 3 Transistorlampen,<br />
6 Lichtschläuche, 6 LED-Lampen. Frischwassertank 140 L,<br />
Abwassertank 100 L, isoliert <strong>und</strong> beheizt,<br />
Gasflaschen 2 x 11 kg.<br />
INFO Tel. 0 26 54/93 30, www.niesmann-bischoff.com Tel. 0 75 24/99 90, www.hymer.com<br />
nik unterscheidet sich f<strong>und</strong>amental.<br />
40 Millimeter Wandstärke<br />
beim <strong>Flair</strong> stehen 35<br />
beim Hymer gegenüber. Kein<br />
großer Unterschied bei der Isolationsleistung,<br />
doch der <strong>Flair</strong>-<br />
Aufbau mit den auch innen mit<br />
Alu-Blech beplankten Wänden<br />
74 promobil 10/2007<br />
1950<br />
ist merklich steifer. Hymer verwendet<br />
ein Sandwich mit Sperrholz<br />
auf der Innenseite. In Kurven<br />
<strong>und</strong> Schlaglöchern entwickelt<br />
der getestete S 830 ein<br />
recht ausgeprägtes Eigenleben,<br />
das die Einrichtung zu vernehmlichen<br />
Knarzen anregte.<br />
1260<br />
560–<br />
820<br />
670–<br />
1180<br />
2010–<br />
2190<br />
Ausgerechnet beim Top-Modell<br />
von Hymer fehlt ein Doppelboden.<br />
In puncto Stauraum<br />
sorgen Schürzenfächer aber für<br />
einen gewissen Ausgleich gegenüber<br />
dem <strong>Flair</strong>. Dessen oben<br />
angeschlagene Ga ragenklappe<br />
verlangt viel Platz zum Nach-<br />
barn, gibt aber den größeren<br />
Zugang frei. Im Hymer reichen<br />
80 Zentimeter nutzbare Breite<br />
mindestens für zwei Drahtesel.<br />
Auf der Habenseite verbucht<br />
die S-<strong>Klasse</strong> wenigstens eine<br />
Zurrschiene. Die Ausstattung<br />
des <strong>Flair</strong> enttäuscht in der ▷
DOPPELTEST | Hymer S-<strong>Klasse</strong> / Niesmann + Bischoff <strong>Flair</strong><br />
NIESMANN + BISCHOFF HYMER<br />
Hohe Stirn: Der Doppelboden bringt Stauraum <strong>und</strong> Höhe. Nach alter Liner<br />
Sitte gibt es keine Fahrertür. Äußerlich gibt’s 2008 wenig Veränderungen.<br />
Kellergeschoss: Zwei Bodenfächer<br />
sind auch von innen zugänglich.<br />
Praxisgerecht:<br />
Die Stärken der<br />
<strong>Flair</strong>-Küche liegen<br />
im Detail.<br />
Ohne Aufpreis<br />
geht’s nicht.<br />
Altbewährt:<br />
Querbett im<br />
Heck mit konstanter<br />
Breite. Mit<br />
Schlafzimmerschiebetüren.<br />
76 promobil 10/2007<br />
Offen: Der WC-Bereich ist großzügig,<br />
Stauraum <strong>und</strong> Platz überzeugen.<br />
Länge läuft: Auf 8,63 Meter streckt sich der Hymer. Der Verzicht auf einen<br />
Doppelboden bedingt eine flache Silhouette. Die Metalliclackierung ist Serie.<br />
Baddesign: edle Anmutung. Das<br />
Waschbecken ist pflegebedürftig.<br />
Klappe auf: Die großen Fächer<br />
eignen sich gut für Kabel <strong>und</strong> Keile.<br />
Hingucker:<br />
Weiß lackierte,<br />
elektrisch verriegelte<br />
Fronten,<br />
komplette Ausstattung.<br />
Exotisch: guter<br />
Zugang, aber<br />
sehr ungleiche<br />
Maße links <strong>und</strong><br />
rechts. Umbau<br />
nicht möglich.
Beziehung. Eine GfK-Bodenwanne<br />
brächte gegenüber dem in<br />
beiden Fällen verlegten gewöhnlichen<br />
Wohnraumboden<br />
Vorteile bei der Reinigung.<br />
Man reist auf hohem Niveau.<br />
Dass man in den <strong>Flair</strong> höher<br />
hinaufklettert, hat damit<br />
nur am Rande zu tun. Die S-<br />
<strong>Klasse</strong> schmeichelt den Augen<br />
mehr als der <strong>Flair</strong>. Gegen den<br />
Aufwand, den Hymer beim<br />
kontrastreich hell-dunklen Mobiliar<br />
seines Top-Modells getrieben<br />
hat, wirkt der <strong>Flair</strong><br />
vergleichsweise konventionell.<br />
Auch hier sind die unteren Kanten<br />
der Hängeschränke mit<br />
cremefarbenem Kunstleder bezogen,<br />
doch so aufwendig geformt<br />
<strong>und</strong> gegen Klappergeräusche<br />
immunisiert sind die<br />
Schränke nicht. Doch auch beim<br />
Hymer gehen Ästhetik <strong>und</strong><br />
Funktion nicht immer Hand in<br />
Hand. Die filigranen, verchromten<br />
Drucktasten der hinteren<br />
Schränke sind zwar todschick,<br />
aber mit langen Fingernägeln<br />
praktisch nicht zu bedienen.<br />
Reisen auf hohem Niveau:<br />
Wohnkultur <strong>und</strong> Raumangebot<br />
sind vom Feinsten<br />
Im Gegensatz zur S-<strong>Klasse</strong><br />
sucht man im <strong>Flair</strong> vergeblich<br />
eine Garderobe. Hier bleibt der<br />
Kleiderschrank <strong>und</strong> eine praktische<br />
Stange in der Dusche.<br />
Zwei Kleiderschränke erlauben<br />
■ PREISE UND AUSSTATTUNG<br />
www.promobil.de<br />
Gr<strong>und</strong>modell N + B <strong>Flair</strong> 7100 i C Hymer S 830<br />
Gr<strong>und</strong>preis 122 990 Euro1) 125 990 Euro2) Testwagenpreis 152 646 Euro 135 320 Euro<br />
Turbodiesel 129 kW (176 PS) Serie<br />
–<br />
135 kW (184 PS)<br />
–<br />
2910 Euro<br />
ABS/ESP Serie/– Serie/Serie<br />
Airbag Fahrer/Beifahrer nicht erhältlich 1400 Euro<br />
automatisiertes Schaltgetriebe 1210 Euro –<br />
Wandler-Automatikgetriebe – 1490 Euro<br />
Klimaanlage Fahrerhaus 1470 Euro Serie<br />
Klimaanlage Aufbau 2040 Euro Serie<br />
Panoramadachfenster 1190 Euro3) Serie<br />
Fahrertür nicht erhältlich Serie<br />
Ledersitze 2690 Euro 3070 Euro<br />
1) 129 kW (176 PS); 2) 110 kW (150 PS); 3) Komfortpaket inkl. elektrischem Frontrollladen, Verdunk-<br />
lungs plissee Fahrer-/Beifahrerseite, 175-Liter-Kühlschrank mit Backofen <strong>und</strong> Froli-Schlafsystem.<br />
im Hymer eine konfliktfreie<br />
Aufteilung in weibliche <strong>und</strong><br />
männliche Garderobe. Doch im<br />
<strong>Flair</strong> herrscht keineswegs Mangel<br />
an Stauraum, wenngleich<br />
ihm ein paar Schubladen für die<br />
Wäscheaufbewahrung wie im<br />
Hymer gut täten. Bei der Nutzlast<br />
löst der <strong>Flair</strong> den Bonus seines<br />
tragfähigeren Chassis ein.<br />
1150 stehen 730 Kilogramm<br />
Zuladung gegenüber.<br />
▷
DOPPELTEST | Hymer / Niesmann + Bischoff<br />
TECHNIK-INFO: FAHRKOMFORT<br />
Fahrkomfort hat viele Facetten. Nicht zuletzt prägt das<br />
Geräuschniveau das subjektive Empfinden der Passagiere.<br />
Entscheidend hängt er jedoch von den Qualitäten des<br />
Fahrwerks, also von Federung <strong>und</strong> Dämpfung, ab. Um der<br />
Besatzung die Reise so angenehm wie möglich zu machen,<br />
rüstet Niesmann + Bischoff den <strong>Flair</strong> optional mit<br />
einer aufwendigen Vollluftfederung aus. Das System mit<br />
automatischer Niveauregulierung <strong>und</strong> Hebe- <strong>und</strong> Senkfunktion<br />
kostet für Vorder- <strong>und</strong> Hinterachse 7580 Euro. An<br />
der Vorderachse des Testwagens war bereits eine Goldschmitt-Feder<br />
eingebaut. Hinten tat noch die Original-Iveco-Luftfeder<br />
Dienst, die aber bald durch eine Version von<br />
Goldschmitt abgelöst werden soll. Die Vollluftfeder soll vor<br />
allem den Komfort des etwas knochigen Original-Iveco-<br />
Fahrwerks verbessern. Dagegen lässt bei der Hymer S-<br />
<strong>Klasse</strong> die Zusatzluftfeder an der ansonsten unveränderten<br />
Sprinter-Hinterachse in erster Linie mehr Wankstabilität<br />
erwarten. Durch die zusätzlichen Luftbälge, deren Druck<br />
abhängig von der jeweiligen Hinterachslast eingestellt<br />
werden muss, erhöht sich die Federrate.<br />
Bei ausführlichen Testfahrten zeigen beide Integrierte<br />
eine ausgesprochen satte Straßenlage. Wanken spielt<br />
kaum eine Rolle. Lediglich in sehr langsamen Kurven<br />
schaukelt der Sprinter etwas um die Längsachse. Der<br />
Komfort auf glatten Fahrbahnbelägen ist gut. Auf längere<br />
Bodenwellen reagiert der <strong>Flair</strong> empfindlich mit vertikalen,<br />
känguruartigen Schwingbewegungen, während sich die<br />
S-<strong>Klasse</strong> davon weitgehend unbeeindruckt zeigt.<br />
Kurze Stöße (Kopfsteinpflaster, Aufwerfungen) meistern<br />
beide Fahrwerke recht souverän mit einem befriedigenden<br />
Restkomfort. Der <strong>Flair</strong> taucht etwas weicher <strong>und</strong><br />
weniger stark ein. Die S-<strong>Klasse</strong> scheint sich (auch aufgr<strong>und</strong><br />
der Aufbau-Vibrationen <strong>und</strong> des ansteigenden Geräuschpegels)<br />
schwerer zu tun.<br />
Mit aufwendigen Messungen untersuchte promobil<br />
die Fähigkeit, heftige Fahrbahnstöße von Aufbau <strong>und</strong> In-<br />
<strong>Flair</strong> 7100i C: Der <strong>Flair</strong> erschüttert seine Insassen<br />
beim Aufrollen der Vorderachse mit 2,8 m/s², um mit<br />
der Hinterachse noch 4,1 m/s² durch den Aufbau zu<br />
schicken. Insgesamt härter, beruhigt sich der Aufbau<br />
schneller wieder. Der <strong>Flair</strong> teilt kräftiger aus, das<br />
schnellere Ausschwingen nach Erschütterungen kann<br />
aber auch ein Plus an Fahrsicherheit bedeuten.<br />
Die Lederbezüge im <strong>Flair</strong><br />
wirken standesgemäßer als das<br />
Stoffdekor des Hymer-Top-Modells,<br />
das Sitzplatzangebot ist<br />
vergleichbar. L-Bank, Seitensofa<br />
<strong>und</strong> drehbare Pilotensitze<br />
ergeben sechs realistische, bequeme<br />
Plätze – falls Gäste auf<br />
einen Drink vorbeikommen.<br />
78 promobil 10/2007<br />
Hymer spendiert die passenden<br />
Gläser dazu, in einer Vitrine<br />
stilvoll, aber nicht ganz ohne<br />
Klirrfaktor angerichtet.<br />
Der Fahrersitz des <strong>Flair</strong> lässt<br />
sich nur umständlich drehen.<br />
Der fest stehende Bildschirm ist<br />
nur aus der umgedrehten Cockpit-Perspektive<br />
gut zu sehen.<br />
www.promobil.de<br />
Kurvendiskussion: Die Auswertung der zahlreichen<br />
Messwerte fördert erstaunliche Erkenntnisse zu Tage.<br />
sassen fernzuhalten. Um Nebeneinflüsse auszufiltern, sah<br />
das Testlayout einen isolierten Impuls vor: eine sechs Zentimeter<br />
hohe Kante auf ebener Fahrbahn, die mit 30 km/h<br />
überfahren wurde. Ein echter Härtetest für alle beteiligten<br />
Komponenten: Reifen, Radaufhängung, Stoßdämpfer <strong>und</strong><br />
Federn selbst. Ein spezieller Sensor zeichnete präzise die<br />
Beschleunigungen des Bodens in der Mitte des Fahrzeugs<br />
auf. Diese Bewegungen entsprechen vom Fahrwerk nicht<br />
absorbierten Stößen. Bei diesem Test macht der Sprinter<br />
den besseren Job, der Daily spricht zulasten des Komforts<br />
spürbar schlechter an. Die Messwerte erlauben eine differenzierte<br />
Aussage über den Komfort des Gesamtfederpakets,<br />
nicht jedoch über die Qualitäten von Luft- oder Stahlfahrwerk<br />
allein.<br />
Insgesamt bewegen sich die getesteten Ausführungen<br />
von Sprinter <strong>und</strong> Daily beim Fahrkomfort auf Augenhöhe,<br />
entwickeln aber einen jeweils eigenen Charakter. Gegenüber<br />
dem Serienfahrwerk des Daily ist beim <strong>Flair</strong> mit Vollluftfederung<br />
aber eine deutliche Verbesserung spürbar.<br />
Hymer S 830: Die Vorderachse reagiert beim <strong>Über</strong>fahren<br />
der Kante mit hochfrequentem, aber wenig<br />
intensivem (1,2 m/s²) Schwingen. Eine größere Erschütterung<br />
im Innenraum (3,4 m/s²) löst die Hinterachse<br />
aus. Wohl auch durch die komfortable, sprich<br />
schwächere Dämpfung nickt der Aufbau immerhin<br />
3,3 Sek<strong>und</strong>en lang nach der ersten Anregung nach.<br />
Im Hymer hat man vom langen<br />
Schenkel der L-Bank den besten<br />
Blick auf die Tagesschau, die<br />
sich eine handbreit über der<br />
Lehne des Seitensofas abspielt.<br />
Trickreich <strong>und</strong> schnell verwandeln<br />
sich die Tische in<br />
große Tafeln. Ganz abbauen<br />
lassen sie sich nicht, etwa ▷
DOPPELTEST | Hymer S-<strong>Klasse</strong> / Niesmann + Bischoff <strong>Flair</strong><br />
NIESMANN + BISCHOFF HYMER<br />
Für Quads: Die <strong>Flair</strong>-Garage ist riesig, die Ausstattung klein. Zurrösen für<br />
die Ladungssicherung fehlen zur Gänze. Optional gibt’s eine Außendusche.<br />
wenn Passagiere auf den Gurtplätzen<br />
hinten mitreisen.<br />
Getrennte Wege gehen <strong>Flair</strong><br />
<strong>und</strong> S-<strong>Klasse</strong> beim Schlafkomfort.<br />
Der Zuschnitt der Einzelbetten<br />
ist extravagant – doch<br />
auch etwas praxisfremd. Zwar<br />
gestattet der keilförmige Einschnitt<br />
einen guten Zugang,<br />
Ansichtssache: Die<br />
Heckansicht macht<br />
den eklatanten Höhenunterschied<br />
deutlich.<br />
37 Zentimeter trennen<br />
<strong>Flair</strong> <strong>und</strong> Hymer.<br />
■ WERTUNG<br />
Modell N + B <strong>Flair</strong> 7100i C Hymer S 830<br />
Fahren<br />
Sicherheit<br />
Zuladung<br />
Aufbau<br />
Möbel<br />
Sitze<br />
Betten<br />
Küche<br />
Bad<br />
Bordtechnik<br />
Stauraum<br />
Winter<br />
Preise<br />
80 promobil 10/2007<br />
doch das linke Bett verjüngt<br />
sich zum Fußende auf nur 56<br />
Zentimeter. Die rechte Taschenfederkern<br />
matratze ist deutlich<br />
breiter, aber auch kürzer. Ein<br />
Umbau zum Doppelbett ist<br />
nicht vorgesehen. Die Alternative<br />
wäre, das Hubbett vorn mitzubestellen<br />
<strong>und</strong> räumlich ge-<br />
Für Drahtesel: Die nutzbare Breite am Boden liegt bei 80 Zentimetern.<br />
Mehrere Fächer <strong>und</strong> zwei Lampen komplettieren die Ausstattung.<br />
trennt zu schlafen. Dann könnte<br />
sich der Bettnachbar auch nicht<br />
an den blendenden Leselampen<br />
stören. Im Übrigen gibt es zwei<br />
weitere Gr<strong>und</strong>risse mit Queroder<br />
Längsbett. Wie es auch einen<br />
<strong>Flair</strong> mit Einzelbetten gibt.<br />
Der Testwagen hatte im Bug ein<br />
Hubbett, dessen Maße <strong>und</strong><br />
Liegekomfort befriedigen.<br />
Der Aufstieg über die Seitenbank<br />
ist durchaus praktikabel.<br />
Weicher <strong>und</strong> bequemer<br />
ruht man im <strong>Flair</strong>-Querbett hinten<br />
auf punktelastischen Federele<br />
men ten (Aufpreis) <strong>und</strong> Kaltschaummatratze.<br />
Zwei Stufen<br />
führen hinauf in die geräumige<br />
Koje. Unter Umständen muss<br />
der hinten Liegende über den<br />
vorne Liegenden klettern.<br />
Sicher nicht jedermanns<br />
Geschmack treffen die Nähe zur<br />
offen im Zwischengang stehenden<br />
Toilette oder gar der Teppich<br />
um die Schüssel. Das Platz<strong>und</strong><br />
Stauraumangebot im Bad,<br />
das mit der Dusche gegenüber<br />
eine räumliche Einheit bildet,<br />
ist allerdings bestechend. Den<br />
Corian-Waschtisch mit eingegossenem,<br />
großem Waschbecken<br />
ziert eine solide Metallarmatur.<br />
Die Dusche gegenüber<br />
ist ausreichend geräumig <strong>und</strong><br />
wird von einer durchsichtigen,<br />
ger<strong>und</strong>eten Kunststofftür mit<br />
vertrauenerweckend stabiler<br />
Führung dicht verschlossen.<br />
Wellness-Qualitäten besitzt<br />
auch das Designerbad der S-<br />
<strong>Klasse</strong>. Hinter einer Rollotür<br />
verbirgt sich ein schickes Arrangement,<br />
im Zentrum ein nobles<br />
Glaswaschbecken, das freilich<br />
oft nach einer pflegenden Hand<br />
verlangt. Dagegen ruft die neue<br />
Jet-Toilette mit Zerhacker <strong>und</strong><br />
45-Liter-Festtank Urlauber seltener<br />
auf den Plan als übliche<br />
Cassetten klosetts.<br />
Die über den Gang schließende<br />
äußere Duschtür schottet<br />
den Sanitärbereich nach<br />
vorne ab. Auffallend: die ebenso<br />
hübsche wie effektive Beleuchtung<br />
in der Duschkabine.<br />
Die Platzierung des Schalters<br />
im Heckbett leuchtet weniger<br />
ein. Wie im Bad gegenüber haben<br />
große Menschen in der Dusche<br />
Schwierigkeiten mit der<br />
recht geringen Stehhöhe.<br />
Optische Akzente setzt die S-<br />
<strong>Klasse</strong> in der Küche mit aufwendig<br />
hochglanzlackierten Fronten.<br />
An Funktionalität mangelt<br />
es nicht. Spritzschutz <strong>und</strong> Verfugung<br />
sind lückenlos. Abstellfläche<br />
gibt es ebenfalls. Auch<br />
ein Abtropfblech ist vorhanden.<br />
<strong>Über</strong> der etwas flachen Spüle<br />
klappt ein ausziehbarer Wasserhahn<br />
aus einer Chrom-Säule.<br />
Die Ausstattung ergänzen<br />
Backofen <strong>und</strong> großer Kühlschrank,<br />
die man im <strong>Flair</strong> nur<br />
gegen Aufpreis bekommt. An<br />
einen unentbehrlichen Mülleimer<br />
wurde auch gedacht. Drei<br />
Hängeschränke <strong>und</strong> mehrere<br />
Auszüge bergen viel Stauraum.<br />
Alle Schränke werden auf
Knopfdruck oder beim Motorstart<br />
elektrisch verriegelt.<br />
Die manuelle Zentralverriegelung<br />
des <strong>Flair</strong> schließt nur die<br />
Schubladen. Sonst kann der<br />
<strong>Flair</strong> in puncto Esskultur dem<br />
Hymer das Wasser reichen.<br />
Zwei Spülbecken, zwei Mülleimer<br />
– hier wurde nicht gekleckert.<br />
Die Beleuchtung ist umfangreicher.<br />
Durch die optio-<br />
DOMINIC VIERNEISEL<br />
www.promobil.de<br />
tät steht nicht an erster Stelle.<br />
Das automatisierte Daily-Getriebe<br />
fällt vor allem durch<br />
Trägheit <strong>und</strong> <strong>und</strong>urchsichtige<br />
Schaltlogik auf. Die Sprinter-<br />
Lenkung gefällt mit mehr Präzision<br />
<strong>und</strong> Direktheit. Auch Sitzposition<br />
<strong>und</strong> Ablagenkonzept<br />
sind besser als beim Konkurrenten.<br />
Allerdings fehlen Lampen<br />
im Cockpit. Die bekommt<br />
Mercedes gegen Iveco:<br />
Das Duell an der Basis hat<br />
keinen eindeutigen Sieger<br />
nale Ventilatorhaube ziehen<br />
Dünste noch effektiver ab. Haptisch<br />
toppt die Corian-Arbeitsplatte<br />
die Pseudoholz-Abdeckung<br />
im Hymer. Zudem ist sie<br />
pflegeleichter.<br />
Der Doppelboden erlaubt<br />
im <strong>Flair</strong> den Einbau größerer,<br />
gut zugänglicher Tanks. Hymer<br />
verbannt den Abwassertank unter<br />
den Wagenboden in eine<br />
isolierte Kiste. Für den Winterurlaub<br />
sind beide Liner mit aufwendigen<br />
Warm wasser heiz systemen<br />
gerüstet, die S-<strong>Klasse</strong> sogar<br />
mit einer Fußbodenheizung.<br />
Serienmäßig ist im Hymer eine<br />
Klimaanlage an Bord, die mit<br />
dem großen Innenraum aber<br />
ganz schön zu kämpfen hat.<br />
Stromtechnisch sind beide<br />
ordentlich versorgt. Gewöhnungsbedürftig:<br />
Im <strong>Flair</strong> sprechen<br />
manche Lampen nur verzögert<br />
auf den Schaltimpuls an.<br />
An der Platzierung der Schalter<br />
im Einstieg könnte sich die S-<br />
<strong>Klasse</strong> ein Beispiel nehmen. Allerdings<br />
ist die Beleuchtung im<br />
Hymer de luxe. Das informative<br />
Kontrollbord wird über einen<br />
Drück-Dreh-Schalter gesteuert.<br />
Die Bedienung leuchtet ein.<br />
Mercedes gegen Iveco heißt<br />
das Duell an der Basis. Mit durstigen<br />
Dreiliter-Aggregaten keineswegs<br />
übermotorisiert, pflegen<br />
beide – schwer beladen –<br />
die behäbige Gangart. <strong>Flair</strong> <strong>und</strong><br />
S-<strong>Klasse</strong> nehmen in aller Ruhe<br />
Fahrt auf, fordern frühes Zurückschalten<br />
am Berg. Mobili-<br />
derzeit nur, wer das Hubbett<br />
nicht abwählt. Dem Thema<br />
Fahrkomfort haben wir eine separate<br />
Betrachtung gewidmet<br />
(siehe Kasten Seite 78). Ein<br />
spannendes Kapitel.<br />
Text: Dominic Vierneisel<br />
Fotos: Konstantin Tschovikov<br />
FAZIT: Wie bei jedem Luxusliner<br />
liegen auch hier die Stärken im<br />
Wohnkomfort. Davon bieten <strong>Flair</strong><br />
<strong>und</strong> S-<strong>Klasse</strong> eine Menge. Viel<br />
Platz in allen Bereichen, reichlich<br />
Stauraum, hohe Zuladungen <strong>und</strong><br />
volle Wintertauglichkeit. Nur bei<br />
wenigen Details hapert es: der<br />
seltsamen Bettlösung im Hymer,<br />
dem etwas blassen Mobiliar des<br />
<strong>Flair</strong>. Bei alledem stehen beide für<br />
ganz unterschiedliche Konzepte.<br />
Ob mit oder ohne Doppelboden ist<br />
wohl für viele eine Glaubensfrage.<br />
Das preislich attraktivere Angebot<br />
ist eindeutig die S-<strong>Klasse</strong>. Die<br />
Serien ausstattung des <strong>Flair</strong> ist sehr<br />
bescheiden. Sogar die Front -<br />
scheibenrollos kosten Aufpreis.<br />
promobil 10/2007<br />
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