IM BLICK Herbst/Winter 2014
Das Magazin des Verlag Österreich - einem der führenden juristischen Fachverlage in Österreich.
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6 Im Blick Im interview<br />
zumindest, nachdem eine allgemeine<br />
Grundlage im B-VG geschaffen wurde,<br />
ihres Ranges entkleidet. Im Rahmen<br />
des Österreich-Konvents wurde darüber<br />
nachgedacht, wie man die Bundesverfassung<br />
vereinfachen kann und<br />
ob es möglich ist, sie in einer einzigen<br />
Urkunde niederzuschreiben. Letzteres<br />
ist zwar nicht ganz geglückt, aber<br />
dennoch war der Kommentar Anstoß<br />
für zahlreiche Neuerungen: So gibt es<br />
seit 2008 keine (neuen) Verfassungsbestimmungen<br />
mehr in Staatsverträgen<br />
und die Notwendigkeit der Weisungsfreistellung<br />
von Verwaltungsorganen<br />
im Verfassungsrang ist entfallen. Ich<br />
glaube also, dass der Kommentar<br />
insgesamt Impulsgeber für Weiterentwicklung<br />
und durchaus auch ein Wegbereiter<br />
für mehr Verfassungshygiene<br />
war und ist.<br />
Bezemek: Allein die kompilatorische<br />
Leistung, die zahllosen Bestandteile<br />
des österreichischen Bundesverfassungsrechts<br />
zusammenzuführen, ist<br />
eine der vielen einzigartigen Leistungen,<br />
die vom bisherigen Herausgeberteam<br />
in Verbindung mit der Redaktionsarbeit<br />
durch Andrea Martin<br />
erbracht worden sind und die damit<br />
diesen Kommentar zu etwas ganz<br />
Besonderem machen. Wenn Sie mich<br />
fragen, warum man ihn kaufen soll,<br />
dann ist die Antwort ganz einfach: Weil<br />
er besonders gut ist. Besonders gut ist<br />
er durch die Arbeit, die bisher geleistet<br />
wurde und auf der wir nun aufbauen<br />
können. Das Format Loseblatt spricht<br />
bereits dafür, dass es sich bei einem<br />
Großkommentar zum österreichischen<br />
Bundesverfassungsrecht um ein Projekt<br />
handelt, das stets „work-in-progress“<br />
ist; das wahrscheinlich nie ganz abgeschlossen<br />
sein wird, was dem dynamischen<br />
Charakter der Materie geschuldet<br />
ist. Wir sind nicht mit dem Auftrag<br />
angetreten, dieses Projekt zu Ende<br />
zu bringen. Wir versuchen, das hohe<br />
Niveau, auf dem sich der Kommentar<br />
bewegt, beizubehalten und die Fackel<br />
ein gutes Stück weiterzutragen.<br />
Fuchs: Freilich ist ein solches Vorhaben<br />
nur gemeinsam mit einem hochkarätigen<br />
Autorenteam realisierbar und wir<br />
sind stolz, die führenden Expertinnen<br />
und Experten aus Wissenschaft und Praxis<br />
zu unserem Autorenkreis zählen zu<br />
können. Im Zuge des Relaunch-Prozesses<br />
haben wir mit vielen der bisherigen<br />
und auch mit potentiellen zukünftigen<br />
Autorinnen und Autoren gesprochen,<br />
und es war schön zu sehen, dass eine<br />
sehr große Zahl bedingungslos zugesagt<br />
hat, sich an der Aktualisierung<br />
zu beteiligen oder auch neue Kommentierungen<br />
zu übernehmen. Das ist<br />
einerseits eine tolle Rückbestätigung<br />
für das Werk und andererseits eine<br />
wichtige Perspektive für die Zukunft,<br />
denn wir wollen eben auch die jüngere<br />
Autorinnen- und Autorengeneration<br />
gewinnen, um das Kommentarprojekt<br />
im bestmöglichen Sinn weiterzuführen.<br />
Wie schätzen Sie die Bedeutung<br />
des Kommentars über die Grenzen<br />
hinweg ein, hat er in Deutschland<br />
beispielsweise Relevanz?<br />
Martin: Der Kommentar ist gesamthaft<br />
im deutschsprachigen Raum<br />
bereits seit Jahren etabliert; wobei<br />
die Zusammenarbeit mit C.F. Müller<br />
wesentlich dazu beiträgt, optimale<br />
Verbreitung sicherzustellen. Gerade<br />
was grundlegende Konzepte der<br />
österreichischen Verfassungsordnung<br />
und deren Behandlung in Wissenschaft<br />
und Rechtsanwendung anlangt,<br />
dient der Kommentar damit<br />
als Fenster, das einen repräsentativen<br />
Einblick in die österreichische Verfassungsdogmatik<br />
gestattet.<br />
Zellenberg: Insgesamt ist aus der<br />
Perspektive anderer Länder und<br />
Rechtsordnungen mit Sicherheit von<br />
Interesse, wie bestimmte Fragen in<br />
Österreich geregelt sind und welche<br />
Systementscheidungen getroffen<br />
wurden, um einen fundierten Verfassungsvergleich<br />
– etwa auch de lege<br />
ferenda – vorzunehmen. Auch wenn<br />
nicht jede Detailfrage unmittelbar<br />
vergleichbar ist: die Verfassungsvergleichung<br />
und der Blick über die<br />
Grenzen gewinnen zusehends an<br />
Bedeutung.<br />
Ist die österreichische Bundesverfassung<br />
Vorbild für Verfassungen<br />
anderer Länder?<br />
Zellenberg: In gewisser Weise schon.<br />
Das österreichische Modell der Verfassungsgerichtsbarkeit<br />
ist ein Export–<br />
erfolg und von anderen Ländern<br />
übernommen worden. So kann man<br />
durchaus sagen, dass die österreichische<br />
Bundesverfassung Vorbildwirkung<br />
entfaltet hat.<br />
„Die große Herausforderung<br />
ist, das Feuer<br />
am Brennen zu halten.“<br />
Andrea Martin<br />
Bezemek: Was das Modell der Verfassungsgerichtsbarkeit<br />
anlangt, so<br />
ist die österreichische Verfassung<br />
historisch gesehen ein Unikum – auch,<br />
aber nicht nur, was Ausgestaltung<br />
und Etablierung einer spezialisierten<br />
Verfassungsgerichtsbarkeit betrifft.<br />
Allein dahingehend hat die österreichische<br />
Bundesverfassung Großes<br />
geleistet. Sie müssen aber auch sehen,<br />
dass wir im Maß der Verfassungskontinuität<br />
Vorbildfunktion für viele<br />
Länder haben, nicht nur in Europa,<br />
sondern weltweit. Das B-VG stammt<br />
aus 1920, es hatte stärkere und weniger<br />
starke Zeiten, zum Teil war es<br />
überlagert, zum Teil außer Kraft gesetzt.<br />
Es hat Geltungskraft über einen<br />
Weltkrieg hinaus bewiesen und es hat<br />
in seinem Regelungsanspruch, wahrscheinlich<br />
auch in der Bescheidenheit<br />
der Ausformulierung einer Quasi-<br />
Übergangsverfassung, umso mehr<br />
Flexibilität gezeigt. Österreich von der<br />
Zeit, in der ein monarchisches Gebilde