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Abteilung Tierhaltung und Tierschutz, Vetsuisse Fakultät Bern

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<strong>Abteilung</strong> <strong>Tierhaltung</strong> <strong>und</strong> <strong>Tierschutz</strong>, <strong>Vetsuisse</strong>-Fakultät der Universität <strong>Bern</strong><br />

GOLDHAMSTER ALS HEIMTIERE: WIE BEEINFLUSST DIE HALTUNG IHR<br />

WOHLBEFINDEN?<br />

Sabine G. Gebhardt-Henrich, Evelyne M. Vonlanthen, Andrina R. Hauzenberger,<br />

Katerina Fischer, Patrizia Eberli, Esther Gerber, Andreas Steiger<br />

Einleitung<br />

Seitdem 1937 zum ersten Mal Goldhamster an Privatpersonen abgegeben wurden, stieg<br />

ihre Beliebtheit als Heimtiere. Man schätzt den weltweiten Bestand von „Heimtier-<br />

Goldhamstern“ auf 7 – 8 Mio. Tiere, eine weitere halbe Mio. werden als Labortiere<br />

gehalten. Damit werden mehr Goldhamster gehalten, als wild in Syrien <strong>und</strong> im Südosten<br />

der Türkei leben (Gattermann, 2000). Die Haltungsbedingungen der Goldhamster in<br />

Gefangenschaft unterscheiden sich gr<strong>und</strong>legend von den Lebensbedingungen in der<br />

Natur. In der Natur lebt der Goldhamster solitär, bewohnte Hamsterbauten hatten in Syrien<br />

einen Mindestabstand von 100 m (Gattermann et al., 2001). Als Labortiere werden<br />

Goldhamster oft in Gruppen gehalten, obwohl diese Haltungsart zu vermehrtem Stress<br />

<strong>und</strong> Verletzungen führt (Kuhnen, 2002). Die Fläche, die Hamstern zur Verfügung gestellt<br />

wird, ist um ein Vielfaches kleiner als die Territorien in der Natur. Wahrscheinlich<br />

benötigen Goldhamster so grosse Territorien, um genügend Futter zu „hamstern“. Dabei<br />

verfügen Goldhamster über Methoden der Orientierung, um bei grossen Distanzen auf<br />

direktem Weg in den Bau zurückzufinden (Etienne et al., 1995; Siegrist et al., 2003;<br />

Etienne and Jeffery, 2004). In Gefangenschaft ist die Fortbewegung über grosse<br />

Distanzen zwecks Futtereintragen unnötig, oft sogar in kleinen Käfigen unmöglich. Wilde<br />

Goldhamster verbringen die meiste Zeit in selbstgegrabenen, in verschiedene Kammern<br />

unterteilten Bauten ca. 80 cm tief im Boden bei einer Temperatur von 12º C (Gattermann<br />

et al., 2001). In Käfigen ist bestenfalls ein unstrukturierter Unterschlupf vorhanden. Der<br />

Aufenthalt im Bau ist neben einem Witterungsschutz auch ein Schutz vor Prädatoren.<br />

Goldhamster als Labor- <strong>und</strong> Heimtiere werden oft berührt <strong>und</strong> in die Hand genommen.<br />

Auch das ist eine für ein Beutetier ungewöhnliche Situation.<br />

Alle Goldhamster, die weltweit als Heimtiere gehalten werden, stammen von einem<br />

Goldhamsterweibchen ab, das 1932 in der Nähe von Aleppo ausgegraben wurde<br />

(Gattermann, 2002). Rechnet man mit vier Generationen pro Jahr (konservative<br />

Schätzung), dann sind seitdem 308 Generationen Goldhamster gezüchtet worden. Das<br />

Verhalten der domestizierten Hamster unterscheidet sich allerdings nur wenig von<br />

Wildfängen (Gattermann, 2000).<br />

Unnatürliche Haltungsbedingungen können zu physischen <strong>und</strong> psychischen<br />

Schäden bei Wildtieren <strong>und</strong> domestizierten Arten führen (z.B. Mason, 1991a; Balcombe,<br />

2006). Verhaltensstörungen, die durch unnatürliche Haltungsbedingungen ausgelöst<br />

werden, ähneln Psychosen bei Menschen (Garner et al., 2001; Garner et al., 2003). In der<br />

Forschung können Verhaltensstörungen, ausgelöst durch die unnatürliche Haltung, die<br />

Validität der Resultate schwerwiegend beeinträchtigen (Barnett and Hemsworth, 1990;<br />

Würbel, 2001; Garner, 2005). Ganz allgemein beeinflusst die Haltung das Wohlbefinden<br />

der Labor- <strong>und</strong> Heimtiere (Balcombe, 2006). Daher untersuchten wir die Einflüsse von<br />

Boxengrösse, -struktur, -einrichtung (besonders Einstreutiefe, Laufrad, Unterschlupf) <strong>und</strong><br />

Handling auf das Verhalten in Hinblick auf das Wohlbefinden von Goldhamstern. Als<br />

Messung für das Wohlbefinden diente vor allem das Verhalten (Fehlen von<br />

Verhaltensstörungen wie Stereotypien z.B. Gitternagen), aber auch der<br />

Lebensfortpflanzungserfolg (reproductive success) <strong>und</strong> die Körpertemperatur (emotionales


Fieber). Das Messen von Stresshormonen stellte sich als unbrauchbare Methode zur<br />

Stressbeurteilung heraus (Gebhardt-Henrich et al., 2007).<br />

Untersuchungen über den Einfluss von Haltungsbedingungen auf das<br />

Wohlbefinden von Goldhamstern bezogen sich vor allem auf Hamster unter<br />

Labortierbedingungen (Review von Sørensen et al., 2005). Kuhnen (1999) untersuchte die<br />

Körpertemperatur <strong>und</strong> damit Stresszustände bei Goldhamstern in verschiedenen<br />

Käfiggrössen, der grösste Käfig umfasste allerdings nur 1815 cm 2 . Mrosovsky et al.<br />

(1998) <strong>und</strong> Reebs <strong>und</strong> St-Onge (2005) untersuchten Laufräder. Dabei war das grösste<br />

Laufrad (Durchmesser 17.5 cm) weit unter den empfohlenen 30 cm Durchmesser.<br />

Dieser Beitrag fasst die Projekte zusammen, die an der <strong>Abteilung</strong> <strong>Tierhaltung</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Tierschutz</strong> der <strong>Vetsuisse</strong>-Fakultät in <strong>Bern</strong> zum Zweck durchgeführt wurden, Empfehlungen<br />

zur tiergerechten Heimtierhaltung von Goldhamstern zu geben.<br />

Allgemein: Tiere <strong>und</strong> Methoden<br />

Alle Goldhamster, die in den Versuchen eingesetzt wurden, waren an der <strong>Abteilung</strong><br />

gezüchtet wurden. Sie gehörten den Stämmen Crl: LVG (SYR) von Charles River,<br />

Deutschland, <strong>und</strong> RjHan: AURA vom Centre d’Elevage R. Janvier, Frankreich, an. Die<br />

Hamster wurden einzeln in Gittterboxen mit Plastikschalen gehalten (95x45x57 cm,<br />

einschl. dem Gitteraufsatz). Die Einstreu bestand aus Hobelspänen (Allspan ® , 10 cm tief)<br />

vermischt mit Heu. Äste <strong>und</strong> Papiertücher wurden zur Verfügung gestellt. Ein Unterschlupf<br />

aus Tannenholz ohne Boden (20x14x14 cm) befand sich in der Boxe. Übliches<br />

Goldhamsterfutter <strong>und</strong> Wasser wurden ad lib. angeboten. Jeden Tag wurde ein kleines<br />

Stück Obst oder Gemüse gegeben. Abweichende Haltungsbedingungen folgen in den<br />

Abschnitten zu den einzelnen Studien.<br />

1. Käfiggrösse<br />

In dieser Studie wurde das Verhalten von weiblichen Goldhamstern während drei Monaten<br />

nach dem Absetzen (im Alter von 28 Tagen) in vier verschiedenen Boxengrössen<br />

untersucht: 1800 cm 2 (Grösse eines Makrolon Typ 4 Versuchstierkäfig), 2500, 5000 <strong>und</strong><br />

10‘000 cm 2 (Fischer, 2005; Gebhardt et al., 2005c; Fischer et al., 2007). Alle Boxen waren<br />

mit einem Laufrad (Durchmesser 30 cm) ausgerüstet, dessen Umdrehungen vom<br />

Computer erfasst wurden. Insgesamt wurden drei drei-stündige Videoaufnahmen (Wochen<br />

3, 6 10) gemacht <strong>und</strong> das Verhalten der Hamster während ca. 30 min, die gleichmässig in<br />

den drei-stündigen Aufnahmen verteilt waren, in den verschieden grossen Boxen<br />

ausgewertet. In den Wochen 11 oder 12 wurden die Hamster an zwei aufeinander<br />

folgenden Tagen in der Lichtphase (Schlafphase) ähnlich den möglichen Situationen in der<br />

praktischen Heimtierhaltung leicht bis mässig gestresst (Wecken, „Handling“, Herumjagen,<br />

Austauschen der Einstreu <strong>und</strong> Lärm). Zu vier verschiedenen Zeitpunkten (Wochen 0, 2, 8,<br />

13) wurden die Tiere gewogen.<br />

Gitternagen, häufig als ein Indikator für ungenügende Haltungsbedingungen<br />

verwendet, wurde in allen vier Boxengrössen beobachtet. Verglichen mit dem Nagen an<br />

verschiedenen Objekten, wie z.B. Kartonrollen, Zweigen, Unterschlupf, dauerte das Nagen<br />

am Gitter signifikant länger (Wilcoxon Signed Rank Test: Z = 4.34, P < 0.0001). Für die<br />

weiteren Analysen wurde Gitternagen berücksichtigt, welches mindestens 1% der<br />

Beobachtungsdauer einnahm. Die Hamster in den kleinen Boxen zeigten signifikant länger<br />

Gitternagen als die Hamster in den grossen Boxen (Abb. 1) (Mixed Model mit REML: F =<br />

14.00, N = 22, P = 0.0015). Je kleiner die Boxe war, umso häufiger wurde Gitternagen<br />

beobachtet (F = 3.35, N = 22, P = 0.0454).<br />

Die erhöhte Plattform auf dem Unterschlupf wurde vermehrt von Hamstern aus den<br />

kleinen Boxen genutzt (χ 2 3 = 22.05, P < 0.0001). In den vier Boxengrössen konnten keine<br />

signifikanten Unterschiede in der Laufradaktivität festgestellt werden. An den zwei Tagen


nach den Stress-Prozeduren liefen die Hamster signifikant länger im Laufrad als an den<br />

zwei Tagen vor dem Stress <strong>und</strong> während des Stresses (T = 3.2, P = 0.002).<br />

Abb. 1. Boxplots von der Dauer des Gitternagens in verschiedenen Boxengrössen. Das Rechteck<br />

umfasst die mittleren 50% der Daten, die horizontale Linie ist der Median. Der Stern ist der<br />

Durchschnitt. Die vertikalen Linien zeigen das 1.5-fache Interquartil.<br />

Zu Beginn des Experiments bestanden keine signifikanten Gewichtsunterschiede in<br />

den vier Boxengrössen. Die Gewichtszunahme bis zum Projektende war in den kleinen<br />

Boxen signifikant höher als in den grossen Boxen (F = 4.03, N = 57, P = 0.013). Das<br />

Gewicht bezogen auf die Körpergrösse (berechnet aus: Endkörpergewicht / Körperlänge 3 )<br />

unterschied sich aber nicht zwischen den Boxengrössen.<br />

Aus den Resultaten schliessen wir, dass eine Boxe von 10'000 cm 2 oder grösser für<br />

Goldhamster zu empfehlen ist. Die grössere Dauer <strong>und</strong> Häufigkeit des Gitternagens in<br />

kleineren Boxen deutet darauf hin, dass die Boxengrösse wichtig für das Wohlbefinden<br />

des Goldhamsters ist. Das Gitternagen wird oft als stereotyp bezeichnet, weil es repetitiv<br />

<strong>und</strong> gleichförmig ist <strong>und</strong> an bevorzugten Stellen der Boxe ausgeübt wird (Würbel <strong>und</strong><br />

Stauffacher 1996). Stereotypien sind häufige Anzeichen für ein verringertes Wohlbefinden<br />

wegen unzureichender Haltungsbedingungen (Mason, 1991b; Würbel 2001). Der<br />

vermehrte Aufenthalt auf dem Dach vom Unterschlupf in kleinen Boxen könnte durch ein<br />

grösseres Bedürfnis nach zusätzlichem Platz erklärt werden. Da Gitternagen aber selbst in<br />

den grössten Boxen auftrat, reichte die Grösse von über einem Quadratmeter Gr<strong>und</strong>fläche<br />

für den Goldhamster offensichtlich nicht aus. Ausser der Grösse können andere Aspekte<br />

wichtig für das Wohlbefinden sein, z.B. verschiedene Strukturen. Das ist nicht unabhängig<br />

von der Boxengrösse, da grössere Boxen mit mehr Strukturen angereichert werden<br />

können als kleine, so dass die Hamster mehr Beschäftigungsmöglichkeiten haben.<br />

Nachfolgende Versuche beschäftigten sich deshalb mit der Einrichtung der Boxen <strong>und</strong><br />

einer tieferen Einstreu.<br />

Die Gewichtszunahme bis zum Projektende war in den kleinen Boxen signifikant<br />

höher, beruhte aber nicht auf einem höheren Fettansatz der Tiere. Bei der Sektion wurden<br />

keine grösseren Fettablagerungen gef<strong>und</strong>en. Da sich die Hamster jedoch noch im<br />

Wachstum befanden, besteht die Möglichkeit, dass die überschüssige Energie zu einem<br />

späteren Zeitpunkt zu adipösen Tieren führen könnte. Dieses Problem könnte in kleineren<br />

Boxen bedeutsamer sein, da dort die Tiere mehr an Gewicht zunahmen.<br />

Die zweitägigen Stressperioden bewirkten einen Anstieg des Laufradlaufens.<br />

Dieser Anstieg war in allen Boxengrössen gleich. Ob vermehrtes Laufen im Laufrad eine<br />

Art Stressbewältigung darstellt, konnte mit dieser Studie nicht untersucht werden <strong>und</strong> ist<br />

Gegenstand eines anderen Projekts.


2. Einstreutiefe<br />

Da Goldhamster in der Natur in unterirdischen Gangsystemen leben, wurde der<br />

Einfluss von unterschiedlicher Einstreutiefe (kaum Möglichkeit zu graben bis 80 cm<br />

Einstreutiefe) auf das Verhalten, v.a. auf stereotype Verhaltensweisen (Gitternagen), <strong>und</strong><br />

das Laufen im Laufrad bei Goldhamstern untersucht (Hauzenberger, 2005; Hauzenberger<br />

et al., 2005, 2006). Der Versuch wurde in drei Durchgängen mit insgesamt 45 Tieren<br />

durchgeführt. Jeweils 15 männliche Goldhamster wurden in je einer der drei<br />

Einstreugruppen (10 cm, 40 cm, 80 cm Tiefe) einzeln gehalten. Die Datenaufnahme fand<br />

von der 4. bis zur 16. Alterswoche statt.<br />

In den zwei Gruppen mit tieferer Einstreu waren die Boxen mit einem Einsatz aus<br />

Acrylglas ausgestattet. Ein zweiter, auf allen Seiten um 10 cm kürzerer, geschlossener<br />

Einsatz stand in der Mitte des ersten. Die Einstreu wurde dazwischen bis zum Gitterrand<br />

der Boxe aufgefüllt. So konnten die Hamster auf jeder Seite in 10 cm Breite bis auf den<br />

Boxenboden graben.<br />

Jeder Hamster mit 40 oder 80 cm Einstreu verbrachte keinen Tag im Unterschlupf,<br />

sondern grub sich sofort ein Gangsystem in der Einstreu, in dem er schlief. Diese Gänge<br />

reichten bis an den Boden, die Schlafkammer befand sich oft etwas oberhalb davon. Die<br />

Tiere mit der geringsten Einstreutiefe zeigten signifikant häufiger Gitternagen im Vergleich<br />

zu den Tieren mit mittlerer <strong>und</strong> 80 cm Einstreutiefe (Tabelle 1).<br />

Tabelle 1. Anzahl Goldhamster, die bei verschiedenen Einstreutiefen beim Gitternagen beobachtet<br />

wurden (GN) <strong>und</strong> die nie Gitternagen zeigten (N).<br />

Einstreutiefe [cm] GN N Total<br />

80 0 15 15<br />

40 3 11 14<br />

10 7 8 15<br />

Total 10 34 44<br />

Fisher’s Exact Test: n = 44, P = 0.006<br />

Auch die Dauer des Gitternagens unterschied sich signifikant zwischen den<br />

Gruppen (x 2 = 9.598483, d.f. = 2, P = 0.008). Die Laufradaktivität war ebenfalls signifikant<br />

unterschiedlich zwischen den Gruppen. Die Hamster in der geringsten Einstreutiefe<br />

wiesen eine signifikant höhere Laufradleistung auf (F=16.95, p


Tabelle 2. Körpermasse (M [g]) bei Beginn <strong>und</strong> Ende des Versuchs. Die Kondition [g/cm 3 ] ist<br />

berechnet als die Körpermasse geteilt durch das Kubik der Körperlänge (L [cm]). X –<br />

Durchschnittswert, SE - Standardfehler.<br />

Einstreutiefe 80 cm 40 cm 10 cm F P<br />

x SE x SE x SE<br />

M beim Absetzen 43.2 2.8 43.0 3.8 44.6 4.0 - -<br />

M bei<br />

Versuchsende 135.0 3.8 125.7 4.4 121.4 3.1 6.5 0.039<br />

L bei<br />

Versuchsende 16.8 0.01 16.6 0.1 16.7 0.1 - -<br />

Kondition 0.029 7.83 E-04 0.028 6.85 E-04 0.021 5.23 E-04 3.25 0.049<br />

3. Laufrad<br />

Zum Laufrad gibt es keine entsprechende Struktur in der natürlichen Umgebung, es<br />

ist ein künstliches Gerät in einer künstlichen Umwelt (Sherwin, 1998b). Mäuse arbeiten in<br />

operant tests soviel für die Benutzung des Laufrads wie sie für das Futter arbeiten<br />

(Sherwin, 1998a), mehr als für andere Resourcen. Auch Goldhamster benutzen Laufräder.<br />

Pro Nacht macht ein Goldhamster im Durchschnitt ca. 5000 Umdrehungen (Zucker &<br />

Stephan, 1973). Über dieses Verhalten gibt es zahlreiche Theorien, die sich in 2 Gruppen<br />

einteilen lassen: Theorien, die den Laufradgebrauch für das Tier als eine Anpassung<br />

ansehen, oder solche, die es für das Tier als schädlich ansehen. Zu den positiven<br />

Aspekten des Laufrads gehören: Substitution für Bewegungsmangel in einem (relativ<br />

kleinen) Käfig, Aufrechterhaltung der Muskulatur <strong>und</strong> Steigerung des körperlichen<br />

Wohlbefindens (Harri et al., 1999, Gattermann et al., 2004). Bei Goldhamstern wurde ein<br />

zirkadianer Einfluss des Laufradgebrauchs auf die Körpertemperatur gezeigt, der<br />

möglicherweise einen therapeutischen Nutzen zur Wiederherstellung des inneren<br />

biologischen Rhythmus hat (Golombek et al., 1993). Rennen im Laufrad kann aber auch<br />

schädlich für den Körper bzw. die Ges<strong>und</strong>heit des Tieres sein oder gar zum Tod führen<br />

(Paré, 1976 in Vincent & Paré, 1976; Altemus et al., 1993 in Sherwin, 1998b). Da Rennen<br />

im Laufrad eine gleichablaufende Bewegung ohne Ziel ist, wird es manchmal als<br />

Stereotypie angesehen (Referenzen in Sherwin, 1998b). Wenn die Umwelt, in dem das<br />

Tier gehalten wird, sich sehr von der Umwelt unterscheidet, in der sich das Verhalten<br />

während der Evolution ausgebildet hat, führt das Tier u.U. Verhaltensweisen aus, die in<br />

der künstlichen Umwelt nicht nützlich sind (Dawkins, 1990). Daher kann der<br />

Laufradgebrauch für den Hamster durchaus schädlich sein <strong>und</strong> Wahlversuche sind in<br />

diesem Fall möglicherweise nicht aussagekräftig (Sachser, 1998). Das besagt aber nicht,<br />

ob <strong>und</strong> unter welchen Umständen das Laufrad bei der privaten Hamsterhaltung empfohlen<br />

werden sollte. Die Haltungsbedingungen von Goldhamstern als Labortiere <strong>und</strong> Heimtiere<br />

können sehr unterschiedlich sein. Daher lassen sich die Untersuchungen an Labortieren<br />

nicht unbedingt auf Heimtiere übertragen. Da das Laufrad fast immer zur Ausstattung<br />

eines Hamsterkäfigs gehört, ist die Frage, welchen Einfluss das Vorhandensein des<br />

Laufrads auf das Verhalten, die Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> das Wohlbefinden des Hamsters hat, für<br />

den <strong>Tierschutz</strong> im Bereich der Heimtierhaltung sehr wichtig. Gerade in Zeiten erhöhter<br />

Anforderungen können negative Einflüsse auf das Tier deutlicher zu Tage treten, als zu<br />

anderen Zeiten. Die Trächtigkeit <strong>und</strong> Laktation bei Säugetieren stellen erhöhte<br />

Anforderungen an die körperliche Verfassung <strong>und</strong> an Verhaltensmuster. Störungen<br />

körperlicher <strong>und</strong> physiologischer Art <strong>und</strong> gestörtes Verhalten haben unmittelbare, leicht


messbare Auswirkungen während der Zeit der Jungenaufzucht (Anzahl <strong>und</strong> Wachstum der<br />

Jungen).<br />

Im nachfolgend beschriebenen Projekt wurde neben ethologischen <strong>und</strong><br />

morphologischen Parametern auch der Fortpflanzungserfolg gemessen (Vonlanthen 2003;<br />

Gebhardt-Henrich et al., 2005a,b). Tiere sind darauf selektiert, sich so zu verhalten, dass<br />

ihre Fitness (= Anzahl fortpflanzungsfähiger Nachkommen im ganzen Leben) maximiert<br />

wird (Grafen, 1991). Je mehr das Tier die Umstände oder das Verhalten als<br />

fitnessvermindernd einstuft, um so mehr wird es darunter leiden (zusammengefasst bei<br />

Dawkins, 1990). In einer Umwelt wie der Heimtierhaltung, die sich gr<strong>und</strong>legend von der<br />

natürlichen Umwelt des Hamsters unterscheidet, kann die wahrgenommene<br />

Fitnessverminderung von der tatsächlichen Fitnessverminderung abweichen (Dawkins,<br />

1990).<br />

Im Versuch wurde untersucht, ob das Vorhandensein eines Laufrads bei<br />

Goldhamstern sich negativ auf das artspezifische Verhalten, den Ges<strong>und</strong>heitszustand <strong>und</strong><br />

den Fortpflanzungserfolg (Anzahl <strong>und</strong> Qualität der Nachkommen) des Tieres auswirkt.<br />

Diese Parameter (Verhalten, Ges<strong>und</strong>heitszustand, Fortpflanzungserfolg) dienten als<br />

Gradmesser für das Wohlbefinden der Hamsterweibchen.<br />

Jeweils zwei Vollgeschwister wurden so in zwei Gruppen eingeteilt, dass von<br />

Vollgeschwistern immer ein Tier in die Behandlungsgruppe (mit funktionstüchtigem, zu<br />

Beginn arretiertem Laufrad, ø = 30 cm, Lauffläche aus 10 cm breiten Lochblech) <strong>und</strong> das<br />

andere in die Kontrollgruppe (mit identisch aussehender, stets arretierter Attrappe) kam.<br />

Nach einer Eingewöhnungsphase (22 Tage) wurde das Verhalten der Tiere während der<br />

ersten 3 St<strong>und</strong>en der Dunkelperiode (Hauptaktivitätszeit) auf Video aufgenommen.<br />

Danach wurden die 10 funktionstüchtigen Laufräder freigeschaltet <strong>und</strong> die Anzahl<br />

Umdrehungen wurde elektronisch erfasst. Im Alter von 90 Tagen wurden die Goldhamster<br />

erneut gefilmt. Danach wurden die Weibchen wiederholt mit Männchen verpaart, zogen<br />

ihre Jungen während 28 Tage auf, bis sie nach mind. 3 „erfolgreich scheinenden“<br />

Paarungen nicht mehr aufnahmen. Die Anzahl <strong>und</strong> das Wachstum der Jungen wurde am<br />

10., 15., 20., 25. <strong>und</strong> 28. Tag nach der Geburt gemessen. Das Gewicht der Weibchen<br />

wurde bei der Paarung <strong>und</strong> danach alle 5 Tage ermittelt. Die Weibchen wurden bis zu<br />

ihrem natürlichen Tod gehalten, wenn sie nicht wegen schwerwiegender<br />

Ges<strong>und</strong>heitsprobleme euthanasiert werden mussten.<br />

Sechs fünfminütige Videosequenzen, die gleichmässig über die 3-stündige<br />

Aufnahme verteilt waren, wurden mit Observer Version 3.0 (Noldus) ausgewertet.<br />

Goldhamsterweibchen mit Laufrad hatten grössere Würfe (repeated measures: F 1,17<br />

= 4.27, P = 0.05), aber der Lebensfortpflanzungserfolg unterschied sich nicht. Alle<br />

Weibchen mit einem funktionellen Laufrad nutzten es, wenn auch in unterschiedlichem<br />

Ausmass. Während der Trächtigkeit <strong>und</strong> der Jungenaufzucht wurde das Laufen im Laufrad<br />

stark reduziert (Abb. 2).<br />

90-tägige Goldhamsterweibchen mit funktionierenden Laufrädern zeigten signifikant<br />

weniger Gitternagen als ihre Schwestern mit nicht-funktionierenden Laufrädern (Dauer in<br />

s/30 min ± Standardfehler, nicht-funktionierend: 283.9 ± 284.9, funktionierend: 57.2 ±<br />

122.2, P < 0.05). Die kürzere Dauer ergab sich, weil die Hamster seltener am Gitter nagten<br />

(funktionierend: 1.8, nicht-funktionierend: 8.8, F 1,18 = 7.0, P = 0.016) <strong>und</strong> nicht wegen<br />

kürzerem Gitternagen (funktionierend: 8.89 s, nicht-funktionierend: 7.9 s, F 1,18 = 0.12, NS).<br />

Die Ereignisse vom Gitternagen dauerten signifikant länger als das Benagen von Ästen<br />

oder anderen Objekten (Durchschnittslänge Gitternagen: 8.24 s, anderes Nagen: 0.43 s,<br />

F 1,38 = 18.55, P < 0.0001). Diese Ergebnisse wurden bei Goldhamstermännchen wiederholt<br />

(20 von 40 Hamstern mit einem nicht-funktionierenden Laufrad zeigten Gitternagen, aber<br />

nur 2 von 40 Hamstern mit einem funktionierenden Laufrad).


Abb. 2. Anzahl Umdrehungen pro 24 h von 10 Goldhamsterweibchen (Durchschnitt). 0 des<br />

Fortpflanzungszyklus markiert die Verpaarung, am Tag 16 kamen die Jungen zur Welt.<br />

Weibchen mit funktionierenden Laufrädern verwendeten keine Energie für das<br />

Laufradlaufen, die dann bei der Aufzucht der Jungen oder ihrer Erhaltung (Körpermasse,<br />

Langlebigkeit, Daten nicht gezeigt) gefehlt hätten. Im Gegenteil, wie Fritzsche (1987)<br />

zeigte, verringerten die Weibchen das Laufen im Rad während der Trächtigkeit <strong>und</strong> hörten<br />

während der frühen Laktation ganz damit auf. Das könnte bedeuten, dass das<br />

Laufradlaufen das natürliche Lokomotionsverhalten widerspiegelt <strong>und</strong> nicht nur ein<br />

Artefakt der unnatürlichen Haltung darstellt (Sherwin, 1998a). In der Natur verlassen<br />

Hamsterweibchen ihre Baue während der frühen Laktation wahrscheinlich nicht<br />

(Lochbrunner, 1956). Die grösseren Würfe bei Hamsterweibchen mit Laufrad könnten auf<br />

eine bessere physische Kondition dieser Tiere hindeuten. Goldhamstermännchen mit<br />

Laufrädern hatten grössere Hoden als solche ohne Laufräder. Auch das wurde mit einer<br />

besseren Kondition der Tiere erklärt (Gattermann et al., 2004). Die Verringerung der<br />

Häufigkeit von Gitternagen bei Anwesenheit eines funktionierenden Laufrads bedeutet<br />

einen positiven Effekt des Laufrads auf das Wohlbefinden bei Goldhamstern.<br />

4. Art des Unterschlupfs<br />

Den meisten Goldhamstern steht statt genügend tiefer Einstreu, in die sie ihre Gänge<br />

graben können, ein nicht unterteilter Unterschlupf zur Verfügung. Dieser Unterschlupf wird<br />

von den Hamstern zum Schlafen, Futter„hamstern“, Urinieren <strong>und</strong> zum Kotabsatz<br />

verwendet. In der Natur kann ein Hamsterbau mehrere Kammern umfassen, die mit<br />

Gängen verb<strong>und</strong>en sind. Ein Blindgang wird zur Urinabgabe benützt, wobei Kot im<br />

gesamten Bausystem gef<strong>und</strong>en wird. Es gibt keine geschlechtsspezifischen Unterschiede<br />

in der Bauart, aber Weibchen mit Jungen haben die verzweigtesten Systeme (Gattermann<br />

et al., 2001). Ein (künstlicher) Unterschlupf ist eine wichtige Ressource für Hamster ohne<br />

tiefe Einstreu. Ohne Unterschlupf <strong>und</strong> Nestmaterial können Goldhamster sehr aggressiv<br />

sein, diese Aggressionen nehmen ab, sobald ein Unterschlupf zur Verfügung gestellt wird<br />

(Lochbrunner, 1956; McClure and Thomson, 1992). Ein dunkler Unterschlupf verringerte<br />

das Auftreten von Stereotypien bei Gerbils (Wiedenmayer, 1997a; Wiedenmayer, 1997b;<br />

Waiblinger, 2002; Waiblinger and König, 2004). Der Schweizer <strong>Tierschutz</strong> STS empfiehlt<br />

einen Unterschlupf für Goldhamster, spezifiziert aber nicht, wie dieser aussehen soll<br />

(Lerch-Leemann and Griffin, 1997). Uns ist keine Studie über die Grösse <strong>und</strong> Struktur von<br />

Unterschlüpfen <strong>und</strong> deren Gebrauch von Goldhamstern bekannt. Daher untersuchten wir<br />

das Verhalten von weiblichen Goldhamstern mit drei verschiedenartigen Unterschlüpfen.<br />

Besonders interessierte uns bei unterteilten Unterschlüpfen, ob die Tiere den Urin <strong>und</strong>


Futter <strong>und</strong> ihre Schlafposition voneinander trennten (Gerber et al., 2007, 2009; Gerber<br />

2008).<br />

Eine Gruppe von 10 Hamsterweibchen bekam einen kleinen Unterschlupf (K: 20 x<br />

14 x 14 cm), eine Gruppe einen grossen (G1: 20 x 28 x 14 cm) <strong>und</strong> die dritte Gruppe<br />

bekam einen grossen unterteilten Unterschlupf (G2: 20 x 28 x 14 cm). Alle Boxen wurden<br />

wöchentlich während der Schlafzeit der Hamster untersucht. Zuerst wurde der<br />

Unterschlupf angehoben, um die Schlafposition des Hamsters zu notieren. Danach wurde<br />

die ganze Boxe nach Urin, Kot <strong>und</strong> Futter abgesucht. Danach wurde die Einstreu unter<br />

dem Unterschlupf <strong>und</strong> wo Urin zu finden war, ersetzt. Die Datenaufnahme dauerte 5<br />

Wochen, für die Schlafposition wurde der häufigste Schlafplatz genommen.<br />

Alle Hamster wurden während der Datenaufnahme im Unterschlupf angetroffen.<br />

Urin wurde auch häufig im Unterschlupf angetroffen. Allerdings hatten signifikant mehr<br />

Hamster in der K-Gruppe ihren Urin mehrheitlich ausserhalb des Unterschlupfs (6 in K, 4<br />

in G1, 0 in G2, χ 2 2 = 8.4, P: 0.01). Wenn man die Tunnellängen in der 10 cm tiefen<br />

Einstreu vergleicht, haben Hamster in der G2 Gruppe signifikant weniger Tunnel gegraben<br />

als Hamster der G1 Gruppe (χ 2 1 = 4.8, P = 0.03). Diese Studie zeigt, dass Hamster den<br />

Unterschlupf zum Urinieren, als Futterdepot <strong>und</strong> immer zum Schlafen benützen. Urin <strong>und</strong><br />

Futter/Schlafposition wurde selbst in unterteilten Unterschlüpfen nicht getrennt. Es ist<br />

möglich, dass das Aufwachsen in kleinen Unterschlüpfen etwas damit zu tun hat. Hamster<br />

der G2 Gruppe haben weniger Tunnel gegraben. Das zeigt, dass grosse, unterteilte<br />

Unterschlüpfe als eine Substitution für tiefe Einstreu angesehen werden können.<br />

5. Stress durch Fressfeind <strong>und</strong> Handling (nicht publiziert)<br />

Stress ist ein entscheidener Faktor, der das Wohlbefinden beeinträchtigen kann. Die<br />

Präsenz eines natürlichen Fressfeinds ist einer der stärksten Stressfaktoren (Blanchard et<br />

al., 1989). Hamster könnten auch Menschen oder in der Heimtierhaltung kleine Haustiere<br />

wie Katzen <strong>und</strong> H<strong>und</strong>e als potentielle Fressfeinde ansehen. Daher verglichen wir die<br />

Stresssymptome hervorgerufen durch einen Fressfeind (aus praktischen Gründen wurden<br />

Frettchen gewählt) mit den Stresssymptomen durch Handling. Als Beurteilung der<br />

Stresssymptome wurden das Verhalten <strong>und</strong> die Körpertemperatur (emotional fever)<br />

(Cabanac, 1999) genommen. Da Bewegung Stress reduzieren kann (Moraska and<br />

Fleshner, 2001; Adlard and Cotman, 2004) untersuchten wir, ob Hamster in Boxen mit<br />

einem funktionierenden Laufrad weniger Stresssymptome zeigten als Hamster ohne<br />

funktionierenden Laufrad. Zwanzig männliche Goldhamster wurden im Versuch mit dem<br />

Frettchen untersucht, zwanzig im Versuch mit Handling. Die Hälfte der Tiere hatte ein<br />

funktionierendes Laufrad, die anderen hatten ein nicht-funktionierendes Laufrad. Jedes<br />

Tier war bei der Stresseinwirkung seine eigene Kontrolle, d.h. die eine Hälfte der Tiere war<br />

erst in einer Kontrollsituation, dann drei Wochen später in der Behandlungsgruppe. Die<br />

andere Hälfte war erst in der Behandlungsgruppe <strong>und</strong> drei Wochen danach in der<br />

Kontrollgruppe. In Versuch 1 mit dem Frettchen wurde der Hamster gegen Ende der<br />

Schlafzeit geweckt, die Körpertemperatur wurde telemetrisch ermittelt <strong>und</strong> dann wurde er<br />

10 Minuten in unmittelbarer Nähe eines Frettchens platziert (Behandlung) oder es<br />

geschah nichts (Kontrolle). Nach den 10 Minuten wurden bei den Kontroll- <strong>und</strong> den<br />

Behandlungstieren wiederum die Körpertemperatur gemessen <strong>und</strong> es wurden im<br />

Anschluss 6-stündige Videoaufnahmen von den Tieren in ihren Käfigen gemacht <strong>und</strong> mit<br />

dem Observerprogramm von Noldus ausgewertet. In Versuch 2 wurde mit anderen<br />

Hamstern der Stressfaktor Frettchen mit 10-minütigem Handling ersetzt. Diese Hamster<br />

waren vorher noch nie mit der Hand berührt worden. Der Anstieg der Körpertemperatur<br />

der Hamster nach Exposition zum Frettchen betrug ca. 2.5º C (Abb. 3).<br />

Der grosse Temperaturanstieg in der Gruppe, die bei einem Frettchen waren, ist ein<br />

Anzeichen für grossen Stress (P


Anstieg der Laufradumdrehungen<br />

Erhöhung der Körpertemperatur (°C)<br />

Unterschied im Temperaturanstieg bei gestreichelten Tieren (P=0.001, F 1,38 =13.57, n=20)<br />

deutet auf eine Stresssituation hin. Parallel zur Erhöhung der Körpertemperatur erhöhte<br />

sich die Anzahl Laufradumdrehungen bei Hamstern, die einem Fressfeind ausgesetzt<br />

waren (P


Abb. 5. Hamster, deren Körpertemperatur bei der Exposition zum Fressfeind stark anstieg, liefen<br />

auch mehr im Laufrad.<br />

Zusammenfassung<br />

Das Wohlbefinden von Tieren lässt sich nicht direkt messen. Gemessen werden können<br />

nur die physiologischen <strong>und</strong> ethologischen Folgen der Empfindungen, nicht die<br />

Empfindungen selber (Sambraus, 1997). In unseren Arbeiten dienten hauptsächlich das<br />

Auftreten bzw. Fehlen von Stereotypien <strong>und</strong> der Anstieg der Körpertemperatur zur<br />

Beurteilung von Wohlbefinden. Deutlich war, dass verhältnismässig moderate Änderungen<br />

der Haltungsbedingungen einen grossen Effekt hatten. Bei einer Mindesteinstreutiefe von<br />

40 cm verringerten sich Stereotypien deutlich, bei 80 cm wurden sie gar nicht beobachtet.<br />

Dabei ist man noch weit von einer semi-natürlichen Haltung von Goldhamstern, z.B. in<br />

Gewächshäusern, entfernt, die auch in Mitteleuropa praktikabel wäre, aber unüblich ist.<br />

Neben dem Verringern der Stereotypien änderten sich mit den verschiedenen<br />

Haltungsbedingungen andere (Verhaltens)Parameter bei den Hamstern, wie auch Reebs<br />

& Maillet (2003) zeigten. Der Goldhamster wird als die „Drosophila der Chronobiologen“<br />

bezeichnet, da er einen so stabilen circadianen Rhythmus hat. Dieser Rhythmus wurde<br />

aber durch die Einstreutiefe verändert. Es könnte sein, dass der circadiane Rhythmus des<br />

Goldhamsters, wie ihn die Chronobiologen untersuchen, ein Artefakt der unnatürlichen<br />

Haltungsbedingungen ist. Felduntersuchungen an wildlebenden Goldhamstern zeigten<br />

jedenfalls, dass nicht alle Goldhamster nachaktiv sind (Gattermann et al., 2008). Wenn<br />

Goldhamster als Labortiere genutzt werden, ergibt sich das Problem der Validität der<br />

Versuche mit falsch gehaltenen <strong>und</strong> daher verhaltensgestörten Versuchstieren (z.B.<br />

Würbel, 2001). Heimtiere werden von ihren Besitzern oft als Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong><br />

Familienmitglieder bezeichnet. Auch in diesem Kontext haben Goldhamster, die wegen<br />

unzureichenden Haltungsbedingungen verhaltensgestört sind <strong>und</strong> leiden, keinen Platz.<br />

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