PÃD... Kunst.pdf - Birgit Engel
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Einleitung<br />
Einleitung<br />
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den SchülerInnen in einen angenehmen Lebensraum<br />
umzugestalten. Sie beschreibt Ausschnitte aus dem<br />
Prozess und dabei ihr Bemühen, die SchülerInnen<br />
an den zu treffenden Entscheidungen zu beteiligen.<br />
Sichtbar werden in ihrem Bericht die Schwierigkeiten<br />
und Hürden in den festgefahrenen Bahnen<br />
der schulischen Institution neue Wege der partizipativen<br />
Gestaltung des schulischen Lernortes zu<br />
beschreiten. Dabei stellt sich die Künstlerin immer<br />
wieder die nicht leicht zu beantwortende Frage:<br />
Wie kann die Teilhabe der SchülerInnen an der<br />
Aneignung und Mitgestaltung ihrer schulischen<br />
Lebenssituation gelingen? Sie berichtet in ihrer<br />
Dokumentation anschaulich über Schwierigkeiten<br />
und Erfolge der praktischen Bewältigung dieses<br />
Problems.<br />
»Bildentwicklung – Jugend im Bild«<br />
Das Projekt der Bildenden Künstlerin Bärbel Kliche<br />
richtete sich an SchülerInnen, die für sich mit der Schule<br />
innerlich schon abgeschlossen und Erfahrungen mit<br />
schwierigen Lebenssituationen hatten und nun im<br />
Rahmen der Werk(statt)schule des BAJ e.V.<br />
Bielefeld die Chance erhielten, in den regulären<br />
Schulalltag, nach einem Jahr, zurückzukehren. Sehr<br />
konkret und sachbezogen, aber zugleich einfühlsam<br />
und sensibel schildert die Künstlerin eine von ihr<br />
gewählte Auswahl von Situationen, in denen sich<br />
Haltung und Motivation der SchülerInnen während<br />
des Projektverlaufs sukzessiv veränderten und<br />
auch, welch offensichtlich wichtige Bedeutung das<br />
<strong>Kunst</strong>projekt für die sich langsam herausbildende<br />
positive Einstellung zur praktisch-künstlerischen<br />
Mitarbeit und in einigen Fällen auch zum Erwerb<br />
eines qualifizierten Bildungsabschlusses auf die<br />
Jugendlichen hatte.<br />
»Klangraum Aula«<br />
Die Bildende Künstlerin und Dipl. Ing. Petra Lorenz<br />
beschäftigte sich mit dem Phänomen von Schule als<br />
Klangraum. SchülerInnen lachen, rufen, kreischen in<br />
unterschiedlichsten Sprachen während der Pausensituation<br />
in der nicht gerade kleinen Schulaula der<br />
Gesamtschule Löhne. Schnell steigt der Lärmpegel<br />
an und wird durch den Widerhall in der Aula<br />
zusätzlich verstärkt. Lärmschutz in der Schule, bei<br />
Spitzenwerten um die 100 dB. Die Künstlerin hatte<br />
diesen Wert für Extremsituationen in der Aula<br />
ermittelt. Trotzdem konnte es nicht darum gehen,<br />
die vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten und die<br />
leibliche und stimmliche Vitalität der SchülerInnen<br />
zu sanktionieren. Petra Lorenz beschreibt in ihrer<br />
Dokumentation, wie sie zusammen mit den<br />
SchülerInnen neue Erfahrungen mit der Klangvielfalt<br />
des schulischen Lernraums macht, wie sie<br />
gemeinsam mit den SchülerInnen die Aula der<br />
Schule als Klangraum erforscht und wie sie die prekäre<br />
akustische und räumliche Situation dazu<br />
nutzt, um den Sinnen, dem Leib, insbesondere dem<br />
Hören einen Erfahrungsraum zu erschließen.<br />
»Spuren« ein interkulturelles KonzeptArt Projekt<br />
Die Bildende Künstlerin Katerina Mourati ist<br />
zusammen mit den SchülerInnen auf Spurensuche<br />
gegangen. Ihre Projektidee bestand darin, die private<br />
und schulische Lebenswelt nicht auszublenden,<br />
sondern zur Grundlage einer künstlerischen schulischen<br />
Installation zu machen. Dabei geht es um die<br />
großen Themen: Alltagsleben in der Schule,<br />
Freundschaft, andere Kulturen und die Liebe. Auch<br />
hier wird ein institutionell geprägter funktionaler<br />
Jahrgangsflur umgestaltet, diesmal mit dem<br />
Wagnis, ihn durch authentische Ausdrucksspuren<br />
der SchülerInnen, die ihn täglich benutzen, nicht nur<br />
zu einem wirtlicheren Lebensraum, sondern zu<br />
einem kommunikativen künstlerischen Medium<br />
umzugestalten. Die Künstlerin beschreibt eindrucksvoll<br />
Ausschnitte aus diesem Prozess, aber auch die<br />
Irritationen, die durch das erlaubte Hinterlassen von<br />
Spuren, wie das Bemalen und Beschreiben von<br />
Wänden und Bänken bei den schulischen Akteuren<br />
ausgelöst wurden. >Ist das <strong>Kunst</strong>?< ist eine zentrale<br />
Frage, die sich dabei den von den sichtbaren<br />
Veränderungen betroffenen schulischen Akteuren<br />
nach dem »verborgenen Sinn« dieser Aktivitäten<br />
stellt und dabei auch die Selbstverständlichkeit der<br />
gewohnten Ordnung relativiert. Gegen die mühsam<br />
durchzusetzenden schulischen Regeln verstoßen,<br />
darf man das im Rahmen der Freiheit der <strong>Kunst</strong>?<br />
»Perspektivwechsel I Vom Augen-Schein zum<br />
Körper-Sein«<br />
Für die Schauspielerin, Regisseurin und Theaterpädagogin<br />
Christine Ruis standen wiederum andere<br />
Ideen im Zentrum ihres Projektes. An der Bertolt-<br />
Brecht- Gesamtschule Löhne bildete sie interessierte<br />
SchülerInnen zu Stelzenläufern aus, die in ergebnisoffenen<br />
Performances in die Pausensituationen der<br />
Schule intervenierten. Bei dieser Arbeit entstanden<br />
elementare Fragen nach der Bedeutung von<br />
Vertrauen, Balance, Offenheit und Risikobereitschaft<br />
auch über das Theaterprojekt hinaus für das eigene<br />
Leben. Wie können wir miteinander und von einander<br />
lernen? Performance und Schauspiel zeigen sich<br />
dabei »als wirkliche Lebensprozesse«, denn es gibt<br />
kein »als ob«. Christine Ruis berichtet in ihrer<br />
Dokumentation über die konkrete Arbeit mit den<br />
Jugendlichen und auch über die organisatorischen<br />
Schwierigkeiten, ein solches Projekt an einer Schule<br />
durchzuführen, in der der Schulalltag allen<br />
Beteiligten kaum Zeit und Raum für Außergewöhnliches<br />
lässt.<br />
»Die Buchstabenkünstler« – abstrakte Sprache<br />
lebendig machen«<br />
Bei diesem Projekt, basierend auf der Geschichte<br />
»Der Buchstabenfresser« von Paul Maar, handelt es<br />
sich um ein Projekt zur Sprachförderung für<br />
Schülerinnen der zweiten Jahrgangsstufe. Das<br />
Gewohnte umkehren, einen Rahmen bieten, Neues<br />
ausprobieren, Defizite ausgleichen, auf diesem Weg<br />
eröffnete Christine Ruis allen Kindern eine Chance<br />
zur aktiven Beteiligung.<br />
Dieses Projekt ist ein gutes Beispiel für eine gelungene<br />
Kooperation zwischen Schule und Künstlerin.<br />
Während des Projektverlaufs wurde vieles anders<br />
gemacht, die gewohnte schulische Ordnung, wie der<br />
45 Minuten Takt, sowie andere schulische Routinen<br />
gemeinsam mit den LehrerInnen aufgehoben. Die<br />
Dokumentation gibt zum einen konkrete<br />
Anregungen, wie künstlerische Projekte an Schulen<br />
erfolgreich umgesetzt werden können, zum andern<br />
werden die sich bietenden Chancen und<br />
Möglichkeiten deutlich und damit der Gewinn für<br />
alle Beteiligten.<br />
»Nicht vor allem durch die Künste, aber niemals<br />
ohne sie können wir die Gattungsarbeit leisten,<br />
künftige Lebensformen zu finden, zumal es an entscheidenden<br />
Punkten um Überlebenssicherung<br />
geht, die von den Folgen einer einseitig rationalistischen<br />
Aufklärung bedroht erscheint.«<br />
R. zur Lippe: Die utopische <strong>Kunst</strong> des Ortes, in: Sinnenbewusstsein, Reinbeck<br />
b. Hamburg 1987<br />
Was passiert, wenn Künstlerinnen an die Schule<br />
kommen?<br />
Im allgemeinen Bewusstsein des Mangels am<br />
Bildungserfolg deutscher Schulen hat auch ästhetische<br />
Bildung zurzeit Konjunktur. Im Rahmen des<br />
Ausbaus der Ganztagsschule und im Blick auf die<br />
Defizite im Bereich kultureller und interkultureller<br />
Bildung wetteifern die Bundesländer um effektive<br />
Kooperationsmodelle mit KünstlerInnen. KünstlerInnen<br />
sollen nun in die Schulen hineintragen, was<br />
die Bildungspolitik in den vergangenen Jahren vernachlässigt<br />
hat 2 . In der Pressemitteilung der kulturpolitischen<br />
Gesellschaft heißt es: »Die Möglichkeiten<br />
kreativer Gestaltung, die ästhetische Erziehung vermitteln<br />
kann und die unmittelbar Auswirkungen<br />
haben auf Lernfähigkeit und Persönlichkeitsentwicklung,<br />
sind aus der bildungspolitischen<br />
Wahrnehmung verschwunden ... Diese Tendenz<br />
muss gestoppt werden. Vielmehr müssen Angebote<br />
aus den <strong>Kunst</strong>gattungen ... gerade im Interesse der<br />
Kinder und Jugendlichen nichtdeutscher Herkunft in<br />
Schule wie in Freizeit ausgebaut werden.« 3<br />
Zurzeit werden von Schulen und KünstlerInnen erste<br />
Erfahrungen und Wissen in diesem sich weiter ausbauenden<br />
Kooperationszusammenhang gesammelt.<br />
Dabei haben die Schulen noch keine feste<br />
Struktur, noch keine Ordnung, in die die<br />
Künstlerinnen sich mit ihren Projekten einfach nur<br />
einzuordnen bräuchten. Meist muss für die Projekte<br />
der Rahmen noch völlig neu abgesteckt werden. So<br />
wichtig es einerseits erscheint, dass sich in den schulischen<br />
Ordnungen ein institutionalisierter Raum für<br />
diese außerschulischen Kooperationspartner bildet,<br />
so bedenkenswert erscheint uns zugleich die Gefahr<br />
einer Vereinnahmung und Neutralisierung des<br />
Potenzials der Differenz, das KünstlerInnen durch<br />
ihre Mitarbeit in der schulischen Institution erzeugen.<br />
KünstlerInnen sind keine LehrerInnen. ...<br />
Die KünstlerIn hat den Kindern und Jugendlichen<br />
gegenüber eine andere, neue Position. Sie tritt<br />
ihnen nicht als LehrerIn im Sinne einer »Vertreterin<br />
der Institution Schule« gegenüber. Das heißt, das<br />
pädagogisch-künstlerische Verhältnis und die<br />
künstlerisch-praktischen Vermittlungswege müssen<br />
erst noch gemeinsam mit den Kindern und<br />
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