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PÄD... Kunst.pdf - Birgit Engel

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Einleitung<br />

Einleitung<br />

6<br />

den SchülerInnen in einen angenehmen Lebensraum<br />

umzugestalten. Sie beschreibt Ausschnitte aus dem<br />

Prozess und dabei ihr Bemühen, die SchülerInnen<br />

an den zu treffenden Entscheidungen zu beteiligen.<br />

Sichtbar werden in ihrem Bericht die Schwierigkeiten<br />

und Hürden in den festgefahrenen Bahnen<br />

der schulischen Institution neue Wege der partizipativen<br />

Gestaltung des schulischen Lernortes zu<br />

beschreiten. Dabei stellt sich die Künstlerin immer<br />

wieder die nicht leicht zu beantwortende Frage:<br />

Wie kann die Teilhabe der SchülerInnen an der<br />

Aneignung und Mitgestaltung ihrer schulischen<br />

Lebenssituation gelingen? Sie berichtet in ihrer<br />

Dokumentation anschaulich über Schwierigkeiten<br />

und Erfolge der praktischen Bewältigung dieses<br />

Problems.<br />

»Bildentwicklung – Jugend im Bild«<br />

Das Projekt der Bildenden Künstlerin Bärbel Kliche<br />

richtete sich an SchülerInnen, die für sich mit der Schule<br />

innerlich schon abgeschlossen und Erfahrungen mit<br />

schwierigen Lebenssituationen hatten und nun im<br />

Rahmen der Werk(statt)schule des BAJ e.V.<br />

Bielefeld die Chance erhielten, in den regulären<br />

Schulalltag, nach einem Jahr, zurückzukehren. Sehr<br />

konkret und sachbezogen, aber zugleich einfühlsam<br />

und sensibel schildert die Künstlerin eine von ihr<br />

gewählte Auswahl von Situationen, in denen sich<br />

Haltung und Motivation der SchülerInnen während<br />

des Projektverlaufs sukzessiv veränderten und<br />

auch, welch offensichtlich wichtige Bedeutung das<br />

<strong>Kunst</strong>projekt für die sich langsam herausbildende<br />

positive Einstellung zur praktisch-künstlerischen<br />

Mitarbeit und in einigen Fällen auch zum Erwerb<br />

eines qualifizierten Bildungsabschlusses auf die<br />

Jugendlichen hatte.<br />

»Klangraum Aula«<br />

Die Bildende Künstlerin und Dipl. Ing. Petra Lorenz<br />

beschäftigte sich mit dem Phänomen von Schule als<br />

Klangraum. SchülerInnen lachen, rufen, kreischen in<br />

unterschiedlichsten Sprachen während der Pausensituation<br />

in der nicht gerade kleinen Schulaula der<br />

Gesamtschule Löhne. Schnell steigt der Lärmpegel<br />

an und wird durch den Widerhall in der Aula<br />

zusätzlich verstärkt. Lärmschutz in der Schule, bei<br />

Spitzenwerten um die 100 dB. Die Künstlerin hatte<br />

diesen Wert für Extremsituationen in der Aula<br />

ermittelt. Trotzdem konnte es nicht darum gehen,<br />

die vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten und die<br />

leibliche und stimmliche Vitalität der SchülerInnen<br />

zu sanktionieren. Petra Lorenz beschreibt in ihrer<br />

Dokumentation, wie sie zusammen mit den<br />

SchülerInnen neue Erfahrungen mit der Klangvielfalt<br />

des schulischen Lernraums macht, wie sie<br />

gemeinsam mit den SchülerInnen die Aula der<br />

Schule als Klangraum erforscht und wie sie die prekäre<br />

akustische und räumliche Situation dazu<br />

nutzt, um den Sinnen, dem Leib, insbesondere dem<br />

Hören einen Erfahrungsraum zu erschließen.<br />

»Spuren« ein interkulturelles KonzeptArt Projekt<br />

Die Bildende Künstlerin Katerina Mourati ist<br />

zusammen mit den SchülerInnen auf Spurensuche<br />

gegangen. Ihre Projektidee bestand darin, die private<br />

und schulische Lebenswelt nicht auszublenden,<br />

sondern zur Grundlage einer künstlerischen schulischen<br />

Installation zu machen. Dabei geht es um die<br />

großen Themen: Alltagsleben in der Schule,<br />

Freundschaft, andere Kulturen und die Liebe. Auch<br />

hier wird ein institutionell geprägter funktionaler<br />

Jahrgangsflur umgestaltet, diesmal mit dem<br />

Wagnis, ihn durch authentische Ausdrucksspuren<br />

der SchülerInnen, die ihn täglich benutzen, nicht nur<br />

zu einem wirtlicheren Lebensraum, sondern zu<br />

einem kommunikativen künstlerischen Medium<br />

umzugestalten. Die Künstlerin beschreibt eindrucksvoll<br />

Ausschnitte aus diesem Prozess, aber auch die<br />

Irritationen, die durch das erlaubte Hinterlassen von<br />

Spuren, wie das Bemalen und Beschreiben von<br />

Wänden und Bänken bei den schulischen Akteuren<br />

ausgelöst wurden. >Ist das <strong>Kunst</strong>?< ist eine zentrale<br />

Frage, die sich dabei den von den sichtbaren<br />

Veränderungen betroffenen schulischen Akteuren<br />

nach dem »verborgenen Sinn« dieser Aktivitäten<br />

stellt und dabei auch die Selbstverständlichkeit der<br />

gewohnten Ordnung relativiert. Gegen die mühsam<br />

durchzusetzenden schulischen Regeln verstoßen,<br />

darf man das im Rahmen der Freiheit der <strong>Kunst</strong>?<br />

»Perspektivwechsel I Vom Augen-Schein zum<br />

Körper-Sein«<br />

Für die Schauspielerin, Regisseurin und Theaterpädagogin<br />

Christine Ruis standen wiederum andere<br />

Ideen im Zentrum ihres Projektes. An der Bertolt-<br />

Brecht- Gesamtschule Löhne bildete sie interessierte<br />

SchülerInnen zu Stelzenläufern aus, die in ergebnisoffenen<br />

Performances in die Pausensituationen der<br />

Schule intervenierten. Bei dieser Arbeit entstanden<br />

elementare Fragen nach der Bedeutung von<br />

Vertrauen, Balance, Offenheit und Risikobereitschaft<br />

auch über das Theaterprojekt hinaus für das eigene<br />

Leben. Wie können wir miteinander und von einander<br />

lernen? Performance und Schauspiel zeigen sich<br />

dabei »als wirkliche Lebensprozesse«, denn es gibt<br />

kein »als ob«. Christine Ruis berichtet in ihrer<br />

Dokumentation über die konkrete Arbeit mit den<br />

Jugendlichen und auch über die organisatorischen<br />

Schwierigkeiten, ein solches Projekt an einer Schule<br />

durchzuführen, in der der Schulalltag allen<br />

Beteiligten kaum Zeit und Raum für Außergewöhnliches<br />

lässt.<br />

»Die Buchstabenkünstler« – abstrakte Sprache<br />

lebendig machen«<br />

Bei diesem Projekt, basierend auf der Geschichte<br />

»Der Buchstabenfresser« von Paul Maar, handelt es<br />

sich um ein Projekt zur Sprachförderung für<br />

Schülerinnen der zweiten Jahrgangsstufe. Das<br />

Gewohnte umkehren, einen Rahmen bieten, Neues<br />

ausprobieren, Defizite ausgleichen, auf diesem Weg<br />

eröffnete Christine Ruis allen Kindern eine Chance<br />

zur aktiven Beteiligung.<br />

Dieses Projekt ist ein gutes Beispiel für eine gelungene<br />

Kooperation zwischen Schule und Künstlerin.<br />

Während des Projektverlaufs wurde vieles anders<br />

gemacht, die gewohnte schulische Ordnung, wie der<br />

45 Minuten Takt, sowie andere schulische Routinen<br />

gemeinsam mit den LehrerInnen aufgehoben. Die<br />

Dokumentation gibt zum einen konkrete<br />

Anregungen, wie künstlerische Projekte an Schulen<br />

erfolgreich umgesetzt werden können, zum andern<br />

werden die sich bietenden Chancen und<br />

Möglichkeiten deutlich und damit der Gewinn für<br />

alle Beteiligten.<br />

»Nicht vor allem durch die Künste, aber niemals<br />

ohne sie können wir die Gattungsarbeit leisten,<br />

künftige Lebensformen zu finden, zumal es an entscheidenden<br />

Punkten um Überlebenssicherung<br />

geht, die von den Folgen einer einseitig rationalistischen<br />

Aufklärung bedroht erscheint.«<br />

R. zur Lippe: Die utopische <strong>Kunst</strong> des Ortes, in: Sinnenbewusstsein, Reinbeck<br />

b. Hamburg 1987<br />

Was passiert, wenn Künstlerinnen an die Schule<br />

kommen?<br />

Im allgemeinen Bewusstsein des Mangels am<br />

Bildungserfolg deutscher Schulen hat auch ästhetische<br />

Bildung zurzeit Konjunktur. Im Rahmen des<br />

Ausbaus der Ganztagsschule und im Blick auf die<br />

Defizite im Bereich kultureller und interkultureller<br />

Bildung wetteifern die Bundesländer um effektive<br />

Kooperationsmodelle mit KünstlerInnen. KünstlerInnen<br />

sollen nun in die Schulen hineintragen, was<br />

die Bildungspolitik in den vergangenen Jahren vernachlässigt<br />

hat 2 . In der Pressemitteilung der kulturpolitischen<br />

Gesellschaft heißt es: »Die Möglichkeiten<br />

kreativer Gestaltung, die ästhetische Erziehung vermitteln<br />

kann und die unmittelbar Auswirkungen<br />

haben auf Lernfähigkeit und Persönlichkeitsentwicklung,<br />

sind aus der bildungspolitischen<br />

Wahrnehmung verschwunden ... Diese Tendenz<br />

muss gestoppt werden. Vielmehr müssen Angebote<br />

aus den <strong>Kunst</strong>gattungen ... gerade im Interesse der<br />

Kinder und Jugendlichen nichtdeutscher Herkunft in<br />

Schule wie in Freizeit ausgebaut werden.« 3<br />

Zurzeit werden von Schulen und KünstlerInnen erste<br />

Erfahrungen und Wissen in diesem sich weiter ausbauenden<br />

Kooperationszusammenhang gesammelt.<br />

Dabei haben die Schulen noch keine feste<br />

Struktur, noch keine Ordnung, in die die<br />

Künstlerinnen sich mit ihren Projekten einfach nur<br />

einzuordnen bräuchten. Meist muss für die Projekte<br />

der Rahmen noch völlig neu abgesteckt werden. So<br />

wichtig es einerseits erscheint, dass sich in den schulischen<br />

Ordnungen ein institutionalisierter Raum für<br />

diese außerschulischen Kooperationspartner bildet,<br />

so bedenkenswert erscheint uns zugleich die Gefahr<br />

einer Vereinnahmung und Neutralisierung des<br />

Potenzials der Differenz, das KünstlerInnen durch<br />

ihre Mitarbeit in der schulischen Institution erzeugen.<br />

KünstlerInnen sind keine LehrerInnen. ...<br />

Die KünstlerIn hat den Kindern und Jugendlichen<br />

gegenüber eine andere, neue Position. Sie tritt<br />

ihnen nicht als LehrerIn im Sinne einer »Vertreterin<br />

der Institution Schule« gegenüber. Das heißt, das<br />

pädagogisch-künstlerische Verhältnis und die<br />

künstlerisch-praktischen Vermittlungswege müssen<br />

erst noch gemeinsam mit den Kindern und<br />

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