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PÄD... Kunst.pdf - Birgit Engel

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Einleitung<br />

»Die Zeit des Menschen ist nichts, solange man sie nicht erzählt. Wenn<br />

wir sie nicht mit »lebendigen Metaphern« durchdringen und in die<br />

Erzählung unseres eigenen Lebens verwandeln, dann erstarrt sie zur<br />

physikalisch leeren Zeit – ein Exzess sinnloser Dauer«<br />

Ricoeur, Paul: Die lebendige Metapher, München 1986<br />

Einleitung<br />

Dr. <strong>Birgit</strong> <strong>Engel</strong><br />

Konzeption<br />

»Ästhetische Bildung«<br />

Pädagogische <strong>Kunst</strong> –<br />

oder die <strong>Kunst</strong>, nicht-pädagogisch<br />

zu handeln?<br />

Die hier vorliegende Veröffentlichung<br />

ist aus einem Gedankenaustausch<br />

über pädagogisch-künstlerische Fragen<br />

und Erfahrungen entstanden, die wir<br />

als eine Arbeitsgruppe des frauenkunstforum-owl<br />

e.V. unter der Bezeichnung<br />

»Paed<strong>Kunst</strong>« seit mehreren Jahren praktizieren. Die<br />

Gruppe »Paed<strong>Kunst</strong>« besteht aus Künstlerinnen, die<br />

alle regelmäßig mit Kindern und Jugendlichen in<br />

Schulen in der Region Ostwestfalen-Lippe zusammenarbeiten<br />

und in unterschiedlichen künstlerischen<br />

Sparten spezialisiert sind. Die Grundidee der<br />

Zusammenarbeit entstand bereits Anfang 2003,<br />

also schon einige Zeit, bevor die bildungspolitischen<br />

Initiativen im Bundesland NRW begannen,<br />

KünstlerInnen als KooperationspartnerInnen von<br />

Schulen anzuwerben und pädagogisch weiterzuqualifizieren.<br />

Constance Schröter<br />

wissenschaftliche<br />

Assistenz<br />

4<br />

Ein wesentlicher Ausgangspunkt bei der Gründung<br />

unserer Gruppe war das gemeinsame Interesse an<br />

der pädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.<br />

Vor dem Hintergrund einer überlasteten<br />

Bildungssituation von LehrerInnen und Schüler/<br />

Innen in den Schulen verband uns das Anliegen,<br />

sowohl die eigenen künstlerisch-praktischen<br />

Kompetenzen, als auch den eigenen künstlerischen<br />

Weltzugang in die schulische Pädagogik einzubringen.<br />

Unsere Vermutung war, dass wichtige<br />

Potenziale und kreativ künstlerische Wahrnehmungs-<br />

und Ausdrucksfähigkeiten der Kinder und<br />

Jugendlichen durch die Entwicklungsresistenz starrer<br />

Unterrichtsformen, die starke Ausrichtung an<br />

Konkurrenz und an der Messbarkeit von schulischen<br />

Leistungen in der Institution zu kurz kommen.<br />

In den von uns konzipierten Projekten suchen wir<br />

nach neuen Wegen in der Verknüpfung von <strong>Kunst</strong><br />

und Pädagogik. Dabei sehen wir die <strong>Kunst</strong> als<br />

Medium, d.h. als Mittlerin zwischen Lernen und<br />

Leben. Die pädagogisch-künstlerischen Projekte<br />

sollen sich an Entschleunigung, Bewusstwerdung,<br />

Selbststeuerung und Erfahrungsoffenheit, Innovation<br />

und Partizipation orientieren. Künstlerischpädagogische<br />

Impulse können in der alltäglichen<br />

Belastung zwischen LehrerInnen und SchülerInnen<br />

Freiräume schaffen, zum Umgang mit dem<br />

Fremden ermutigen, neue verborgene Potenziale<br />

entdecken helfen, in der gemeinsamen künstlerischen<br />

Arbeit an einer Sache soziale und kulturelle<br />

Differenzen produktiv werden lassen und das soziale<br />

Miteinander fördern.<br />

Inzwischen können wir auf eine ganze Reihe von<br />

stattgefundenen schulischen Projekten zurückblikken,<br />

die im Diskussions- und Reflexionszusammenhang<br />

der Gruppe stehen. Der Gedanke, ausgewählte<br />

Projekte zu dokumentieren und zu veröffentlichen<br />

erschien uns sowohl im Sinne einer Selbstreflexion als<br />

auch unter der Perspektive, Ausschnitte unserer<br />

Arbeit zur Diskussion zu stellen, interessant.<br />

Jede Künstlerin bringt andere Vorstellungen in die<br />

Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ein, die gegründet<br />

sind auf ihrem je persönlichen professionsund<br />

spartenspezifischen Zugang zu ihrer eigenen<br />

<strong>Kunst</strong> und auf ihren Erfahrungen, die sie bisher in<br />

der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gesammelt<br />

hat. Sie muss diese dann mit den Bedingungen<br />

die sie in der Schule antrifft, wie Alter, Gruppengröße,<br />

Räumlichkeit, Zeitplanungen, Klima, Voraussetzungen<br />

und auch Stimmungen der SchülerInnen,<br />

vorhandenem Material, etc in einen kreativ-künstlerischen<br />

Zusammenhang bringen. Dabei geht es<br />

nicht nur darum, sich auf den institutionellen<br />

Rahmen der jeweiligen Schule einzustellen, sondern<br />

auch selbst einen Platz in einer Ordnung zu finden,<br />

in der ein »anderer Wind weht«, die an anderen<br />

Orientierungen ausgerichtet ist, eine eigene Sprache<br />

spricht. Die KünstlerIn ist zunächst Fremde, Dritte<br />

und möglicherweise auch Störfaktor, Anlass zur<br />

Irritation. Der Verlauf und das Gelingen ihres<br />

Projektes, hängt entscheidend davon ab, wie es ihr<br />

gelingt, sich in diesen fremden Ordnungszusammenhang<br />

einzubringen und ob sie eine situativ<br />

adäquate künstlerische Antwort auf die jeweils<br />

konkrete Situation finden kann.<br />

»Dieses Wovon des Getroffenseins verwandelt sich<br />

in ein Worauf des Antwortens, indem jemand sich<br />

handelnd und redend darauf bezieht, es abwehrt,<br />

begrüßt und zur Sprache bringt.«<br />

Berhard Waldenfels in: Grundmotive einer Phänomenologie des Fremden,<br />

Frankfurt a.M. 2006<br />

Die Frage war für uns nun, wie wir die Besonderheit<br />

dieser Situation und den spezifischen Charakter der<br />

Projekte dokumentieren könnten. Ein Vorgehen<br />

nach vorab festgelegten Evaluationsgesichtspunkten<br />

hätte den (Rück-)Blick der KünstlerInnen<br />

auf das stattgefundene Projekt in eine vorab festgelegte<br />

Richtungen gelenkt, die – möglicherweise –<br />

ihrem eigenen konzeptionellen Zugang und den<br />

Besonderheiten dessen, was sich in den Projekten<br />

ereignete, nicht entsprochen hätte. Wie war es möglich<br />

einen anderen Zugang zu finden? Die Diskussion<br />

und der Austausch unserer Gedanken im Rahmen<br />

unserer Arbeitsgruppe waren immer dann besonders<br />

interessant, produktiv und lebendig, wenn die<br />

KünstlerInnen von einer bestimmten Begebenheit<br />

erzählten, die ihnen in Erinnerung geblieben war.<br />

»Schlüsselereignisse ... nötigen uns, dem Satz vom<br />

zureichenden Grund, den Satz vom unzureichenden<br />

Grund entgegenzusetzen, da ... alle Begründungsversuche<br />

auf unüberwindliche Grenzen stoßen.«<br />

Berhard Waldenfels in: Grundmotive einer Phänomenologie des Fremden,<br />

Frankfurt a.M. 2006<br />

Es erschien uns lohnenswert, Ausschnitte aus diesen<br />

Geschichten weiterzuerzählen und öffentlich zu<br />

machen. Die Projektdokumentationen sollten sich<br />

deshalb an zwei Zielen ausrichten: Einerseits soll den<br />

Lesern der äußere Rahmen der Projekte und das<br />

Projektkonzept vorgestellt werden, andererseits sollen<br />

Schlüsselsituationen beschrieben werden, die<br />

wichtig für den Verlauf der gemeinsamen Arbeit<br />

mit den SchülerInnen und für die Art der<br />

Verständigung und den Umgang mit der Thematik<br />

waren.<br />

Die Erschließung solcher stattgefundenen Schlüsselsituationen,<br />

als »spurenbildendes Bildungsmoment«<br />

erforderte von den Künstlerinnen nochmals eine<br />

aktive Auseinandersetzung mit ihrer eigenen<br />

Arbeit, diesmal jedoch in einer – nicht unbedingt<br />

gewohnten – reflexiven Rückwendung auf das<br />

Erlebte. Dies erfordert zunächst ein Innehalten und<br />

dann ein Zulassen dessen, was sich als Erinnerung<br />

zeigt. Auch wenn es in einem nächsten Schritt<br />

zunächst »nur« um eine Beschreibung und noch<br />

nicht unbedingt um eine reflexive Durchdringung<br />

des Erlebten geht, ist diese Beschreibung doch<br />

begleitet von einer Bewusstwerdung darüber, was<br />

man getan, gedacht oder erlebt hat und diese<br />

Beschäftigung wirft einen neuen Faden, legt eine<br />

erste Spur für weitere Ideen und Konzepte.<br />

»Um der Welt den Gehalt seiner Gedanken mitzuteilen,<br />

muss der Denkende vor allem aufhören zu<br />

denken und anfangen, sich des bereits gedachten<br />

zu erinnern.«<br />

Hannah Arendt: Vita activa<br />

Entstanden sind die dem Leser/ der Leserin nun vorliegenden<br />

sieben Dokumentationen mit sehr unterschiedlichen<br />

Gewichtungen hinsichtlich der Auswahl,<br />

Beschreibungsdichte und auch der zugeschriebenen<br />

Bedeutungen. Alle Projekte haben das gemeinsame<br />

Ziel, insbesondere Kinder mit unterschiedlichen<br />

kulturellen und auch belasteten familiären Hintergründen<br />

in die Aktivitäten einzubeziehen und in<br />

besonderer Weise zu fördern. Die Vorhaben wurden<br />

in Teilen durch das fkf-owl aus den Landesmitteln<br />

NRW im Rahmen der Frauenkulturförderung<br />

finanziell unterstützt.<br />

Die Projekte der Künstlerinnen Andrea Künkele,<br />

Petra Lorenz, Christine Ruis und Katerina Mourati<br />

wurden an der Bertolt-Brecht Gesamtschule in<br />

Löhne im Rahmen des – nochmals spezifischen<br />

Projektkonzepts >Schule als <strong>Kunst</strong>Ort< durchgeführt<br />

1 . Hierbei ging es um den explizit formulierten<br />

Auftrag an die Künstlerinnen, mit ihren Konzepten<br />

auf die spezifischen – zwischenmenschlichen, architektonischen,<br />

klimatischen, akustischen – ästhetischen –<br />

Wirkungen des Lernortes künstlerisch zu antworten.<br />

Das Projekt der Künstlerin Bärbel Kliche wurde im<br />

Rahmen der Werk(statt)schule (BAJ) in Bielefeld für<br />

gesellschaftlich benachteiligte Jugendliche durchgeführt.<br />

Ein weiteres Projekt, ein Sprachförderprojekt,<br />

der Künstlerin Christine Ruis fand an einer<br />

Grundschule in Bad Salzuflen, mit finanzieller<br />

Unterstützung des dortigen Rotary-Clubs statt.<br />

»Unwirtlichkeit oder Zugehörigkeit«<br />

Die Bildende Künstlerin Andrea Künkele beschreibt<br />

in ihrer Dokumentation den Beginn eines künstlerischen<br />

Schulentwicklungsprojektes, die Umgestaltung<br />

eines Schuljahrgangsflures. Sie verfolgte mit diesem<br />

Projekt konsequent die Idee, einen unwirtlichen<br />

und von Zerstörungsspuren gekennzeichneten<br />

Jahrgangsflur einer Gesamtschule gemeinsam mit<br />

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