PÃD... Kunst.pdf - Birgit Engel
PÃD... Kunst.pdf - Birgit Engel
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»Bildentwicklung – Jugend im Bild«<br />
»Bildentwicklung – Jugend im Bild«<br />
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nur einen Stift in die Hand nehme und ein Bild<br />
male; ich erst recht nicht.« Auf ihre Einwände reagierte<br />
ich beruhigend und mit viel Verständnis. Ich<br />
vermittelte ihnen, dass das <strong>Kunst</strong>projekt mit diesen<br />
Voreinstellungen der beste Einstieg ist, um <strong>Kunst</strong><br />
und Kreativität neu zu entdecken. Da die Bilder<br />
nicht benotet wurden und der Umgang auch in der<br />
Gruppe wertfrei sein sollte, konnten sie sich schnell<br />
auf das Angebot im Malatelier einlassen.<br />
Selbst- und Arbeitskonzept – Eigenes erhält<br />
einen Raum<br />
Meine Reaktion auf ihre negativen Erfahrungen<br />
ermöglichte meinen jungen Teilnehmern in der<br />
Regel sehr bald, sich auf die Situation einzulassen<br />
und die vorhandenen einsatzbereiten Materialien<br />
auszuprobieren. Anfangs testeten sie selbstverständlich<br />
aus, wie weit sie bei mir mit ihrer<br />
Bildgestaltung gehen konnten.<br />
es dann gemeinsam zum Trocknen an den dafür<br />
vorgesehenen Platz legen könnten. Es wurde sehr<br />
deutlich, dass die Teilnehmer meine Toleranz oder<br />
Hemmschwelle überprüften. Sie rechneten nicht<br />
damit, dass ich ihre anfängliche Arbeitshaltung und<br />
die Bilder ohne jeden inhaltlichen Kommentar<br />
akzeptierte.<br />
Ein junger Mann teilte mir bereits während der<br />
Vorstellung des Malprojektes mit, dass er sich nicht<br />
beteiligen würde. In der dritten Woche hatte er<br />
bereits Buntstifte in der Hand. Er malte mit sichtli-<br />
Materialien aus. So gelang es ihm, seinen ganz persönlichen<br />
authentischen Zugang zur <strong>Kunst</strong> zu finden.<br />
Am Anfang malte er ein Haus und Wolken.<br />
Am Ende hatte er soviel Vertrauen, dass er im<br />
Gespräch und in seinen Bildern Einblicke in seine<br />
Lebenssituation, seine Wünsche und Träume gestattete.<br />
Zum Abschluss des Projekts gestaltete er mit<br />
anderen Teilnehmerinnen ein gemeinschaftliches<br />
Bild zu den Projektthemen.<br />
In ihren ersten Arbeiten präsentierten sie z. B. die<br />
Flaggen ihrer Heimatländer. Sie spritzten Farbe auf<br />
das Papier. Einige gestalteten Bilder von ihrem<br />
favorisierten Fußballverein und ihrem bevorzugten<br />
Gangstaraper.<br />
von ihnen wieder auf dem Maltisch zurückgestellt.<br />
Die Selbstverständlichkeit, mit der die Situation<br />
gemeinsam bewältigt wurde, half meinen TeilnehmerInnen<br />
dabei, sich sicherer zu fühlen. Das<br />
führte dazu, dass die Behälter immer seltener auf<br />
dem Boden landeten.<br />
Bildthematik und Veränderung der<br />
Arbeitshaltung<br />
Nach einem kurzen Zeitraum malten sie sehr spezielle<br />
und eigene Bildthemen. Auf einem Bild war<br />
eine Kirche mit angrenzendem Friedhof und<br />
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Ein Teilnehmer malte als erstes ein Bild, auf dem<br />
eine sexuelle Szene dargestellt war. Als er fertig war,<br />
rief er mich. Er wollte, dass ich mir sein Bild<br />
anschaue. Während ich das Bild betrachtete, verfolgte<br />
er gespannt meine Reaktion. Anschließend<br />
fragte ich ihn, ob das Bild für ihn fertig wäre, da wir<br />
cher Freude ein Haus und Wolken. Ich spürte, dass<br />
es sinnvoll war, ihn nicht auf sein Bild anzusprechen,<br />
sondern ihn einfach in Ruhe zu lassen.<br />
Am Schluss sammelte ich sein Bild »kommentarlos«<br />
ein, um ihn nicht mit »bewertenden« Äußerungen<br />
in seiner sich entwickelnden Kreativität zu blockieren.<br />
Sein erstes Werk war ein Haus und Wolken, mit<br />
Buntstiften gemalt. Dieses Motiv hat er dann in den<br />
jeweiligen Projektzeiten mit Hingabe erweitert. Das<br />
nächste Bild bestand aus einem Haus, einer freundlich<br />
lächelnden Sonne am oberen Bildrand und<br />
einem Baum. Er vermittelte mir allerdings immer<br />
noch das Gefühl, dass ich ihn in dieser Phase noch<br />
nicht ansprechen sollte. Er suchte dann nach einem<br />
kurzem Zeitraum von sich aus das Gespräch. Nach<br />
den Projektstunden verließ er meistens gemeinsam<br />
mit mir das Malatelier.<br />
Seine Bilder entwickelt er mit viel Freude weiter. Im<br />
Weiteren fügte er auf seinen Bildern Blumen, Beete,<br />
Bäume, Wege und Straßen hinzu. Mittlerweile nutzte<br />
er unterschiedliche Formate und wählte andere<br />
Situationen gemeinsam bewältigen<br />
TeilnehmerInnen, die sehr unruhig (hyperaktiv)<br />
waren, fielen u. a. die Farbbehälter in der ersten<br />
Zeit häufig auf den Boden. Ganz selbstverständlich<br />
und ohne bewertenden Kommentar unterstützte<br />
ich sie dabei, die Farbe vom Fußboden zu beseitigen.<br />
Die neu gefüllten Farbbehälter wurden dann<br />
Bäumen dargestellt. An einem Baum hing ein junges<br />
Mädchen. Der Bildinhalt war allerdings nur<br />
erkennbar, wenn man das Bild sehr genau betrachtete.<br />
Die Bilder waren sorgfältig und künstlerisch bis<br />
ins kleinste Detail gestaltet. Im anschließenden<br />
Gespräch stellte sich heraus, dass sich die junge Frau<br />
sehr häufig mit dem Thema Verlustangst und Tod<br />
beschäftigte. In ihren Bildern konnten innere<br />
Konflikte thematisiert werden, die sonst nicht zur<br />
Sprache kamen.