Inhalt Einführung Pädagogische <strong>Kunst</strong> – oder die <strong>Kunst</strong>, nicht pädagogisch zu handeln? 4 <strong>Birgit</strong> <strong>Engel</strong>, Constance Schröter Projektdokumentationen Klangraum Aula 10 Petra Lorenz Impressum: Hrsg: Dr. <strong>Birgit</strong> <strong>Engel</strong> Constance Schröter Eine Kooperation von: frauenkunstforum-owl e.V. Postfach 101167 33511 Bielefeld www.fkf-owl.de und Bertolt-Brecht-Gesamtschule der Stadt Löhne Zur Schule 4 32564 Löhne und Fakultät für Erziehungswissenschaft Bereich: Migrationspädagogik und Kulturarbeit der Universität Bielefeld Die Buchstabenkünstler 16 Christine Ruis Unwirtlichkeit oder Zugehörigkeit 24 Andrea Künkele »Spuren« ein interkulturelles KonzeptArt Projekt 32 Katerina Mourati Bildentwicklung – Jugend im Bild 40 Bärbel Kliche Perspektivwechsel II – Vom Augen-Schein zum Körper-Sein 48 Christine Ruis Biografien 56 Layout/ Gestaltung: Christel Heermann Fotos: Dr. <strong>Birgit</strong> <strong>Engel</strong>, Bärbel Kliche, Andrea Künkele, Petra Lorenz Katerina Mourati, Christine Ruis Gefördert vom: MINISTERPRÄSIDENTEN DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
Einleitung »Die Zeit des Menschen ist nichts, solange man sie nicht erzählt. Wenn wir sie nicht mit »lebendigen Metaphern« durchdringen und in die Erzählung unseres eigenen Lebens verwandeln, dann erstarrt sie zur physikalisch leeren Zeit – ein Exzess sinnloser Dauer« Ricoeur, Paul: Die lebendige Metapher, München 1986 Einleitung Dr. <strong>Birgit</strong> <strong>Engel</strong> Konzeption »Ästhetische Bildung« Pädagogische <strong>Kunst</strong> – oder die <strong>Kunst</strong>, nicht-pädagogisch zu handeln? Die hier vorliegende Veröffentlichung ist aus einem Gedankenaustausch über pädagogisch-künstlerische Fragen und Erfahrungen entstanden, die wir als eine Arbeitsgruppe des frauenkunstforum-owl e.V. unter der Bezeichnung »Paed<strong>Kunst</strong>« seit mehreren Jahren praktizieren. Die Gruppe »Paed<strong>Kunst</strong>« besteht aus Künstlerinnen, die alle regelmäßig mit Kindern und Jugendlichen in Schulen in der Region Ostwestfalen-Lippe zusammenarbeiten und in unterschiedlichen künstlerischen Sparten spezialisiert sind. Die Grundidee der Zusammenarbeit entstand bereits Anfang 2003, also schon einige Zeit, bevor die bildungspolitischen Initiativen im Bundesland NRW begannen, KünstlerInnen als KooperationspartnerInnen von Schulen anzuwerben und pädagogisch weiterzuqualifizieren. Constance Schröter wissenschaftliche Assistenz 4 Ein wesentlicher Ausgangspunkt bei der Gründung unserer Gruppe war das gemeinsame Interesse an der pädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Vor dem Hintergrund einer überlasteten Bildungssituation von LehrerInnen und Schüler/ Innen in den Schulen verband uns das Anliegen, sowohl die eigenen künstlerisch-praktischen Kompetenzen, als auch den eigenen künstlerischen Weltzugang in die schulische Pädagogik einzubringen. Unsere Vermutung war, dass wichtige Potenziale und kreativ künstlerische Wahrnehmungs- und Ausdrucksfähigkeiten der Kinder und Jugendlichen durch die Entwicklungsresistenz starrer Unterrichtsformen, die starke Ausrichtung an Konkurrenz und an der Messbarkeit von schulischen Leistungen in der Institution zu kurz kommen. In den von uns konzipierten Projekten suchen wir nach neuen Wegen in der Verknüpfung von <strong>Kunst</strong> und Pädagogik. Dabei sehen wir die <strong>Kunst</strong> als Medium, d.h. als Mittlerin zwischen Lernen und Leben. Die pädagogisch-künstlerischen Projekte sollen sich an Entschleunigung, Bewusstwerdung, Selbststeuerung und Erfahrungsoffenheit, Innovation und Partizipation orientieren. Künstlerischpädagogische Impulse können in der alltäglichen Belastung zwischen LehrerInnen und SchülerInnen Freiräume schaffen, zum Umgang mit dem Fremden ermutigen, neue verborgene Potenziale entdecken helfen, in der gemeinsamen künstlerischen Arbeit an einer Sache soziale und kulturelle Differenzen produktiv werden lassen und das soziale Miteinander fördern. Inzwischen können wir auf eine ganze Reihe von stattgefundenen schulischen Projekten zurückblikken, die im Diskussions- und Reflexionszusammenhang der Gruppe stehen. Der Gedanke, ausgewählte Projekte zu dokumentieren und zu veröffentlichen erschien uns sowohl im Sinne einer Selbstreflexion als auch unter der Perspektive, Ausschnitte unserer Arbeit zur Diskussion zu stellen, interessant. Jede Künstlerin bringt andere Vorstellungen in die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ein, die gegründet sind auf ihrem je persönlichen professionsund spartenspezifischen Zugang zu ihrer eigenen <strong>Kunst</strong> und auf ihren Erfahrungen, die sie bisher in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gesammelt hat. Sie muss diese dann mit den Bedingungen die sie in der Schule antrifft, wie Alter, Gruppengröße, Räumlichkeit, Zeitplanungen, Klima, Voraussetzungen und auch Stimmungen der SchülerInnen, vorhandenem Material, etc in einen kreativ-künstlerischen Zusammenhang bringen. Dabei geht es nicht nur darum, sich auf den institutionellen Rahmen der jeweiligen Schule einzustellen, sondern auch selbst einen Platz in einer Ordnung zu finden, in der ein »anderer Wind weht«, die an anderen Orientierungen ausgerichtet ist, eine eigene Sprache spricht. Die KünstlerIn ist zunächst Fremde, Dritte und möglicherweise auch Störfaktor, Anlass zur Irritation. Der Verlauf und das Gelingen ihres Projektes, hängt entscheidend davon ab, wie es ihr gelingt, sich in diesen fremden Ordnungszusammenhang einzubringen und ob sie eine situativ adäquate künstlerische Antwort auf die jeweils konkrete Situation finden kann. »Dieses Wovon des Getroffenseins verwandelt sich in ein Worauf des Antwortens, indem jemand sich handelnd und redend darauf bezieht, es abwehrt, begrüßt und zur Sprache bringt.« Berhard Waldenfels in: Grundmotive einer Phänomenologie des Fremden, Frankfurt a.M. 2006 Die Frage war für uns nun, wie wir die Besonderheit dieser Situation und den spezifischen Charakter der Projekte dokumentieren könnten. Ein Vorgehen nach vorab festgelegten Evaluationsgesichtspunkten hätte den (Rück-)Blick der KünstlerInnen auf das stattgefundene Projekt in eine vorab festgelegte Richtungen gelenkt, die – möglicherweise – ihrem eigenen konzeptionellen Zugang und den Besonderheiten dessen, was sich in den Projekten ereignete, nicht entsprochen hätte. Wie war es möglich einen anderen Zugang zu finden? Die Diskussion und der Austausch unserer Gedanken im Rahmen unserer Arbeitsgruppe waren immer dann besonders interessant, produktiv und lebendig, wenn die KünstlerInnen von einer bestimmten Begebenheit erzählten, die ihnen in Erinnerung geblieben war. »Schlüsselereignisse ... nötigen uns, dem Satz vom zureichenden Grund, den Satz vom unzureichenden Grund entgegenzusetzen, da ... alle Begründungsversuche auf unüberwindliche Grenzen stoßen.« Berhard Waldenfels in: Grundmotive einer Phänomenologie des Fremden, Frankfurt a.M. 2006 Es erschien uns lohnenswert, Ausschnitte aus diesen Geschichten weiterzuerzählen und öffentlich zu machen. Die Projektdokumentationen sollten sich deshalb an zwei Zielen ausrichten: Einerseits soll den Lesern der äußere Rahmen der Projekte und das Projektkonzept vorgestellt werden, andererseits sollen Schlüsselsituationen beschrieben werden, die wichtig für den Verlauf der gemeinsamen Arbeit mit den SchülerInnen und für die Art der Verständigung und den Umgang mit der Thematik waren. Die Erschließung solcher stattgefundenen Schlüsselsituationen, als »spurenbildendes Bildungsmoment« erforderte von den Künstlerinnen nochmals eine aktive Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Arbeit, diesmal jedoch in einer – nicht unbedingt gewohnten – reflexiven Rückwendung auf das Erlebte. Dies erfordert zunächst ein Innehalten und dann ein Zulassen dessen, was sich als Erinnerung zeigt. Auch wenn es in einem nächsten Schritt zunächst »nur« um eine Beschreibung und noch nicht unbedingt um eine reflexive Durchdringung des Erlebten geht, ist diese Beschreibung doch begleitet von einer Bewusstwerdung darüber, was man getan, gedacht oder erlebt hat und diese Beschäftigung wirft einen neuen Faden, legt eine erste Spur für weitere Ideen und Konzepte. »Um der Welt den Gehalt seiner Gedanken mitzuteilen, muss der Denkende vor allem aufhören zu denken und anfangen, sich des bereits gedachten zu erinnern.« Hannah Arendt: Vita activa Entstanden sind die dem Leser/ der Leserin nun vorliegenden sieben Dokumentationen mit sehr unterschiedlichen Gewichtungen hinsichtlich der Auswahl, Beschreibungsdichte und auch der zugeschriebenen Bedeutungen. Alle Projekte haben das gemeinsame Ziel, insbesondere Kinder mit unterschiedlichen kulturellen und auch belasteten familiären Hintergründen in die Aktivitäten einzubeziehen und in besonderer Weise zu fördern. Die Vorhaben wurden in Teilen durch das fkf-owl aus den Landesmitteln NRW im Rahmen der Frauenkulturförderung finanziell unterstützt. Die Projekte der Künstlerinnen Andrea Künkele, Petra Lorenz, Christine Ruis und Katerina Mourati wurden an der Bertolt-Brecht Gesamtschule in Löhne im Rahmen des – nochmals spezifischen Projektkonzepts >Schule als <strong>Kunst</strong>Ort< durchgeführt 1 . Hierbei ging es um den explizit formulierten Auftrag an die Künstlerinnen, mit ihren Konzepten auf die spezifischen – zwischenmenschlichen, architektonischen, klimatischen, akustischen – ästhetischen – Wirkungen des Lernortes künstlerisch zu antworten. Das Projekt der Künstlerin Bärbel Kliche wurde im Rahmen der Werk(statt)schule (BAJ) in Bielefeld für gesellschaftlich benachteiligte Jugendliche durchgeführt. Ein weiteres Projekt, ein Sprachförderprojekt, der Künstlerin Christine Ruis fand an einer Grundschule in Bad Salzuflen, mit finanzieller Unterstützung des dortigen Rotary-Clubs statt. »Unwirtlichkeit oder Zugehörigkeit« Die Bildende Künstlerin Andrea Künkele beschreibt in ihrer Dokumentation den Beginn eines künstlerischen Schulentwicklungsprojektes, die Umgestaltung eines Schuljahrgangsflures. Sie verfolgte mit diesem Projekt konsequent die Idee, einen unwirtlichen und von Zerstörungsspuren gekennzeichneten Jahrgangsflur einer Gesamtschule gemeinsam mit 5