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PÄD... Kunst.pdf - Birgit Engel

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Unwirtlichkeit oder Zugehörigkeit<br />

Unwirtlichkeit oder Zugehörigkeit<br />

Schüler/innen partizipieren an der Umgestaltung eines Jahrgangsflures (2005)<br />

Ausgeführt an der Bertold-Brecht-Gesamtschule, Löhne<br />

Projektleitung<br />

Andrea Künkele<br />

Bildende Künstlerin<br />

24<br />

Ein Flur – Nicht nur ein<br />

Durchgangsbereich<br />

In einer Ausschreibung des frauenkunstforums-owl<br />

e.V. wurden Künstlerinnen<br />

gesucht, die sich im Rahmen des<br />

Projektkonzepts >Schule als <strong>Kunst</strong>Ort<<br />

mit einem künstlerischen Konzept<br />

bewerben, das sich auf den konkreten<br />

Lernort Schule an der Bertolt-Brecht-<br />

Gesamtschule der Stadt Löhne bezog. Ich reichte<br />

kein fertiges Konzept ein, sondern die Idee, gemeinsam<br />

mit den Beteiligten an einer räumlichen<br />

Umgestaltung eines Gebäudeteils zu arbeiten.<br />

Durch einen vorherigen Besuch der Schule machte<br />

ich mich mit den Räumlichkeiten vertraut und entschied<br />

mich für den Flurbereich in einem Trakt der<br />

Schule, in dem damals die Schüler/innen von 5<br />

Klassen des 8. Jahrgangs untergebracht waren. Hier<br />

nahm ich einen konkreten Problembereich innerhalb<br />

der Schule wahr, einen Ort, der tagtäglich<br />

durchquert wird, der lang und ungemütlich ist. Der<br />

Flur liegt im Altbauteil der Schule, einem Plattenbau<br />

aus den 60er Jahren. Er ist 25 m lang, 3,20 m<br />

breit, 3,15 m hoch und erinnerte mit über seinen<br />

9.000 gelblichen Fliesen und 152 quadratischen<br />

beigefarbenen Schließfächern an die Kälte eines<br />

Schlachthauses. Als ich diesen Raum das erste Mal in<br />

einer Mittagspause durchquerte, fielen mir die<br />

Unwirtlichkeit seiner Atmosphäre und das aggressive<br />

lautstarke Verhalten der Schüler/innen ins Auge.<br />

Türen, Schließfächer und Decken waren sogar teilweise<br />

zerstört.<br />

Ich nahm mir vor, gemeinsam mit den Schüler/innen<br />

des damals 8. Jahrgangs an einer Umgestaltung zu<br />

arbeiten, d.h. zunächst Ideen zu sammeln und zu<br />

entwickeln, wie wir diesen Flur gemeinsam verändern<br />

könnten. Der Flur ist ein Ort, der nicht mit dem<br />

Begriff »meine Klasse« »beschlagnahmt“ werden<br />

kann, sondern ein Übergangsraum von der Klasse in<br />

die weitere Schulöffentlichkeit, hier zunächst in<br />

einen gemeinschaftlichen Bereich des 8. Jahrgangs.<br />

Es schien mir für die Lernsituation der Schüler/innen<br />

nicht egal zu sein, was vor ihrer Klassenzimmertür<br />

liegt und sich dort ereignet. Der Flur ist auch ein Ort,<br />

den sie nutzen und an dem sie Zeit verbringen. Ich<br />

hatte die Vision, dass solch ein Flur mehr sein kann,<br />

als ein funktionaler Durchgangsbereich, dass man<br />

ihn so umgestalten müsste, dass sich die Schüler/<br />

innen in ihm wohl fühlen und sich möglicherweise<br />

sogar mit ihm identifizieren können. Bei der gemeinsamen<br />

Entwicklung einer neuen Gestaltungsidee<br />

sollte es aber nicht nur um eine »optische Verschönerung«<br />

gehen, sondern um ein neues und<br />

anderes Nutzungskonzept, in dem die Bedürfnisse<br />

der Schüler/innen aufgegriffen werden.<br />

Einstieg in die Planungsphase – Überzeugungsarbeit<br />

Um die Projektidee den Schüler/innen nahe zu bringen,<br />

war es erst notwendig, den organisatorischen<br />

Teil mit den Lehren/innen abzuklären. Wann und in<br />

welchem Rahmen kann ich in die Klassen gehen?<br />

Wann gibt der Schulalltag die Möglichkeit, mit den<br />

Schüler/innen über das Projekt zu reden, ihnen<br />

meine Idee mitzuteilen und sie nach ihren eigenen<br />

Interessen zu befragen? So kam es von meiner Seite<br />

zu mehreren Unterrichtsbesuchen. Ich begab mich<br />

in die einzelnen Klassen und stellte ihnen das<br />

Konzept vor. Es war anfangs gar nicht so einfach, in<br />

der »instrumentellen« Wirklichkeit der Schule etwas<br />

Neues, Lebendiges zu schaffen. Es geht von einer<br />

Stunde zur nächsten. Lehrerwechsel, Raumwechsel,<br />

Schüler/innengruppenwechsel, meist schon nach 45<br />

Minuten, acht Stunden lang stillsitzen und aufmerksam<br />

sein müssen. Nicht alle gehen gern in die Schule,<br />

teils, weil sie Schwierigkeiten mit dem Lernen<br />

haben, teils, weil sie das Gefühl haben nicht akzeptiert<br />

zu werden. Einigen fehlen die Erfolgserlebnisse. 1<br />

Obwohl die Schüler/innen und die Lehrer/innen<br />

durchaus Interesse an meinen Ideen zeigten, merkte<br />

man doch, dass manche sich etwas Neues nicht so<br />

einfach vorstellen konnten. Die Schüler/innen waren<br />

anfänglich voller Zweifel, ob ich es mit dieser Idee<br />

ernst meinen könnte. Es kam ihnen unglaubwürdig<br />

vor, dass sie nach ihren Interessen und Meinungen<br />

befragt wurden. Sie konnten sich zunächst gar nicht<br />

vorstellen, dass es möglich sein sollte und dass sich<br />

jemand dafür interessierte, ihre Lernumgebung zu<br />

verändern. Auch die Lehrer/innen waren zunächst<br />

sehr skeptisch: »Das wird nicht lange in Ordnung<br />

bleiben.« oder »Die machen doch alles kaputt, was<br />

außerhalb ihrer Klassenzimmer ist.« waren Aussagen,<br />

die ich in der ein oder anderen Form damals<br />

häufiger hörte.<br />

Erste Projektphase, Planung – Platz für Neues<br />

schaffen<br />

Als erstes stand die Planung im Vordergrund, da ja<br />

fünf Klassen mit entscheiden sollten und es für mich<br />

wichtig war, dass sie sich ernst genommen fühlten.<br />

Um den Flur besser vor Augen zu haben, sahen wir<br />

ihn uns bewusst an. Ich ließ die Schüler/innen den<br />

Flur vermessen und eine herausfordernde Aufgabe<br />

war es dabei, die Fliesen zu zählen. Die teilweise<br />

kaputten Schließfächer waren nicht gerade aufbauend<br />

und es gab Kleiderhaken, die meistens leer<br />

blieben. Mehr und mehr Kinder entdeckten dabei<br />

den Reiz der Idee, den Flur zu verändern, dass die<br />

Dinge nicht selbstverständlich sein mussten, wie sie<br />

waren und dass auf manches verzichtet werden<br />

konnte, um Platz für Neues zu schaffen. Die<br />

Schüler/innen zeichneten die ersten Entwürfe und<br />

brachten Ideen ein, die teilweise durchaus originell<br />

waren. Schwarzlicht, »alles in Schwarz«, Skaterbahn,<br />

Teppichboden und Kuschelecken >sie würden<br />

dafür auch die Schuhe ausziehenkleinen<br />

Verschönerungsaktivitäten< nichts Wesentliches zu<br />

bewirken war. Es gab Zeiten, in denen ich grundsätzlich<br />

daran zweifelte, ob solch ein unwirtlicher<br />

Raum unter den finanziellen Voraussetzungen<br />

überhaupt zu verändern wäre, er wirkte so lang<br />

und abstoßend.<br />

Je länger ich mich mit dem Problem beschäftigte,<br />

die Situation und die Aufgabe vor meinen Augen<br />

und in meiner Erinnerung mit mir herumtrug, desto<br />

klarer wurde meine Entscheidung, diesem Flur eine<br />

grundsätzliche neue Gestalt zu geben und nicht nur<br />

eine kostengünstige ästhetische Verschönerung zu<br />

betreiben. Hierzu war allerdings eine Baumaßnahme<br />

erforderlich, für die prinzipiell bislang keine<br />

finanziellen Ressourcen vorhanden waren. Es schien<br />

ziemlich unrealistisch, Energie in eine Idee zu investieren,<br />

die möglicherweise gar nicht realisiert werden<br />

konnte. Dennoch trieb mich etwas voran und<br />

ich ließ mich von den vielfältigen praktischen<br />

Hinderungsgründen nicht abschrecken. Angeregt<br />

von einigen Ideen der Schüler/innen und vor dem<br />

Hintergrund meiner eigenen künstlerischen Gestaltungspraxis,<br />

wuchs meine Idee von einer möglichen<br />

neuen Gestalt dieses Flurs in meiner Vorstellung und<br />

ich begann spontan mit dem Bau eines maßstabgerechten<br />

Modells. Die Schränke mussten beseitigt, die<br />

Kleiderhaken, die doch keiner benutzte, aus Angst,<br />

dass etwas wegkam, konnten abmontiert werden,<br />

die Fliesen mussten überputzt und der Flur gestrichen<br />

werden …<br />

25<br />

An den Wänden sollten Bänke angebracht werden,<br />

die zum Verweilen und zur Kommunikation einladen.<br />

Bänke und Wände sollten mit weichen

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