»Die Buchstabenkünstler« – abstrakte Sprache lebendig machen »Die Buchstabenkünstler« »Die Buchstabenkünstler« – abstrakte Sprache lebendig machen 22 z.B. diese Gesichtsgymnastik und ihr übt zu Hause wie richtige Sprecherinnen und SprecherJetzt stehe ich hier, jetzt kann ich meinen Text, jetzt habe ich einen Hänger und die Chance durch eine schnelle Idee, durch eine neue Wortschöpfung mich nicht zu blamieren, oder mich zu blamieren und deswegen nicht auszurasten, den anderen geht es ähnlich, ich habe keine Zeit auszurasten, das Spiel geht weiter … Jetzt funkt die Regie dazwischen, jetzt bei der Probe darf sie das noch, jetzt bekomme ich noch Zuflüsterhilfe, beim Auftritt wäre mir das peinlich …
Unwirtlichkeit oder Zugehörigkeit Unwirtlichkeit oder Zugehörigkeit Schüler/innen partizipieren an der Umgestaltung eines Jahrgangsflures (2005) Ausgeführt an der Bertold-Brecht-Gesamtschule, Löhne Projektleitung Andrea Künkele Bildende Künstlerin 24 Ein Flur – Nicht nur ein Durchgangsbereich In einer Ausschreibung des frauenkunstforums-owl e.V. wurden Künstlerinnen gesucht, die sich im Rahmen des Projektkonzepts >Schule als <strong>Kunst</strong>Ort< mit einem künstlerischen Konzept bewerben, das sich auf den konkreten Lernort Schule an der Bertolt-Brecht- Gesamtschule der Stadt Löhne bezog. Ich reichte kein fertiges Konzept ein, sondern die Idee, gemeinsam mit den Beteiligten an einer räumlichen Umgestaltung eines Gebäudeteils zu arbeiten. Durch einen vorherigen Besuch der Schule machte ich mich mit den Räumlichkeiten vertraut und entschied mich für den Flurbereich in einem Trakt der Schule, in dem damals die Schüler/innen von 5 Klassen des 8. Jahrgangs untergebracht waren. Hier nahm ich einen konkreten Problembereich innerhalb der Schule wahr, einen Ort, der tagtäglich durchquert wird, der lang und ungemütlich ist. Der Flur liegt im Altbauteil der Schule, einem Plattenbau aus den 60er Jahren. Er ist 25 m lang, 3,20 m breit, 3,15 m hoch und erinnerte mit über seinen 9.000 gelblichen Fliesen und 152 quadratischen beigefarbenen Schließfächern an die Kälte eines Schlachthauses. Als ich diesen Raum das erste Mal in einer Mittagspause durchquerte, fielen mir die Unwirtlichkeit seiner Atmosphäre und das aggressive lautstarke Verhalten der Schüler/innen ins Auge. Türen, Schließfächer und Decken waren sogar teilweise zerstört. Ich nahm mir vor, gemeinsam mit den Schüler/innen des damals 8. Jahrgangs an einer Umgestaltung zu arbeiten, d.h. zunächst Ideen zu sammeln und zu entwickeln, wie wir diesen Flur gemeinsam verändern könnten. Der Flur ist ein Ort, der nicht mit dem Begriff »meine Klasse« »beschlagnahmt“ werden kann, sondern ein Übergangsraum von der Klasse in die weitere Schulöffentlichkeit, hier zunächst in einen gemeinschaftlichen Bereich des 8. Jahrgangs. Es schien mir für die Lernsituation der Schüler/innen nicht egal zu sein, was vor ihrer Klassenzimmertür liegt und sich dort ereignet. Der Flur ist auch ein Ort, den sie nutzen und an dem sie Zeit verbringen. Ich hatte die Vision, dass solch ein Flur mehr sein kann, als ein funktionaler Durchgangsbereich, dass man ihn so umgestalten müsste, dass sich die Schüler/ innen in ihm wohl fühlen und sich möglicherweise sogar mit ihm identifizieren können. Bei der gemeinsamen Entwicklung einer neuen Gestaltungsidee sollte es aber nicht nur um eine »optische Verschönerung« gehen, sondern um ein neues und anderes Nutzungskonzept, in dem die Bedürfnisse der Schüler/innen aufgegriffen werden. Einstieg in die Planungsphase – Überzeugungsarbeit Um die Projektidee den Schüler/innen nahe zu bringen, war es erst notwendig, den organisatorischen Teil mit den Lehren/innen abzuklären. Wann und in welchem Rahmen kann ich in die Klassen gehen? Wann gibt der Schulalltag die Möglichkeit, mit den Schüler/innen über das Projekt zu reden, ihnen meine Idee mitzuteilen und sie nach ihren eigenen Interessen zu befragen? So kam es von meiner Seite zu mehreren Unterrichtsbesuchen. Ich begab mich in die einzelnen Klassen und stellte ihnen das Konzept vor. Es war anfangs gar nicht so einfach, in der »instrumentellen« Wirklichkeit der Schule etwas Neues, Lebendiges zu schaffen. Es geht von einer Stunde zur nächsten. Lehrerwechsel, Raumwechsel, Schüler/innengruppenwechsel, meist schon nach 45 Minuten, acht Stunden lang stillsitzen und aufmerksam sein müssen. Nicht alle gehen gern in die Schule, teils, weil sie Schwierigkeiten mit dem Lernen haben, teils, weil sie das Gefühl haben nicht akzeptiert zu werden. Einigen fehlen die Erfolgserlebnisse. 1 Obwohl die Schüler/innen und die Lehrer/innen durchaus Interesse an meinen Ideen zeigten, merkte man doch, dass manche sich etwas Neues nicht so einfach vorstellen konnten. Die Schüler/innen waren anfänglich voller Zweifel, ob ich es mit dieser Idee ernst meinen könnte. Es kam ihnen unglaubwürdig vor, dass sie nach ihren Interessen und Meinungen befragt wurden. Sie konnten sich zunächst gar nicht vorstellen, dass es möglich sein sollte und dass sich jemand dafür interessierte, ihre Lernumgebung zu verändern. Auch die Lehrer/innen waren zunächst sehr skeptisch: »Das wird nicht lange in Ordnung bleiben.« oder »Die machen doch alles kaputt, was außerhalb ihrer Klassenzimmer ist.« waren Aussagen, die ich in der ein oder anderen Form damals häufiger hörte. Erste Projektphase, Planung – Platz für Neues schaffen Als erstes stand die Planung im Vordergrund, da ja fünf Klassen mit entscheiden sollten und es für mich wichtig war, dass sie sich ernst genommen fühlten. Um den Flur besser vor Augen zu haben, sahen wir ihn uns bewusst an. Ich ließ die Schüler/innen den Flur vermessen und eine herausfordernde Aufgabe war es dabei, die Fliesen zu zählen. Die teilweise kaputten Schließfächer waren nicht gerade aufbauend und es gab Kleiderhaken, die meistens leer blieben. Mehr und mehr Kinder entdeckten dabei den Reiz der Idee, den Flur zu verändern, dass die Dinge nicht selbstverständlich sein mussten, wie sie waren und dass auf manches verzichtet werden konnte, um Platz für Neues zu schaffen. Die Schüler/innen zeichneten die ersten Entwürfe und brachten Ideen ein, die teilweise durchaus originell waren. Schwarzlicht, »alles in Schwarz«, Skaterbahn, Teppichboden und Kuschelecken >sie würden dafür auch die Schuhe ausziehenkleinen Verschönerungsaktivitäten< nichts Wesentliches zu bewirken war. Es gab Zeiten, in denen ich grundsätzlich daran zweifelte, ob solch ein unwirtlicher Raum unter den finanziellen Voraussetzungen überhaupt zu verändern wäre, er wirkte so lang und abstoßend. Je länger ich mich mit dem Problem beschäftigte, die Situation und die Aufgabe vor meinen Augen und in meiner Erinnerung mit mir herumtrug, desto klarer wurde meine Entscheidung, diesem Flur eine grundsätzliche neue Gestalt zu geben und nicht nur eine kostengünstige ästhetische Verschönerung zu betreiben. Hierzu war allerdings eine Baumaßnahme erforderlich, für die prinzipiell bislang keine finanziellen Ressourcen vorhanden waren. Es schien ziemlich unrealistisch, Energie in eine Idee zu investieren, die möglicherweise gar nicht realisiert werden konnte. Dennoch trieb mich etwas voran und ich ließ mich von den vielfältigen praktischen Hinderungsgründen nicht abschrecken. Angeregt von einigen Ideen der Schüler/innen und vor dem Hintergrund meiner eigenen künstlerischen Gestaltungspraxis, wuchs meine Idee von einer möglichen neuen Gestalt dieses Flurs in meiner Vorstellung und ich begann spontan mit dem Bau eines maßstabgerechten Modells. Die Schränke mussten beseitigt, die Kleiderhaken, die doch keiner benutzte, aus Angst, dass etwas wegkam, konnten abmontiert werden, die Fliesen mussten überputzt und der Flur gestrichen werden … 25 An den Wänden sollten Bänke angebracht werden, die zum Verweilen und zur Kommunikation einladen. Bänke und Wände sollten mit weichen