PÃD... Kunst.pdf - Birgit Engel
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Pädagogische <strong>Kunst</strong> –<br />
oder die <strong>Kunst</strong>,<br />
nicht pädagogisch zu handeln?<br />
Autoren<br />
<strong>Birgit</strong> <strong>Engel</strong> (Hrsg.)<br />
Constance Schröter (Hrsg.)<br />
Bärbel Kliche<br />
Andrea Künkele<br />
Petra Lorenz<br />
Katerina Mourati<br />
Christine Ruis
Inhalt<br />
Einführung<br />
Pädagogische <strong>Kunst</strong> – oder die <strong>Kunst</strong>, nicht pädagogisch zu handeln? 4<br />
<strong>Birgit</strong> <strong>Engel</strong>, Constance Schröter<br />
Projektdokumentationen<br />
Klangraum Aula 10<br />
Petra Lorenz<br />
Impressum:<br />
Hrsg:<br />
Dr. <strong>Birgit</strong> <strong>Engel</strong><br />
Constance Schröter<br />
Eine Kooperation von:<br />
frauenkunstforum-owl e.V.<br />
Postfach 101167<br />
33511 Bielefeld<br />
www.fkf-owl.de<br />
und<br />
Bertolt-Brecht-Gesamtschule<br />
der Stadt Löhne<br />
Zur Schule 4<br />
32564 Löhne<br />
und<br />
Fakultät für Erziehungswissenschaft<br />
Bereich: Migrationspädagogik und Kulturarbeit<br />
der Universität Bielefeld<br />
Die Buchstabenkünstler 16<br />
Christine Ruis<br />
Unwirtlichkeit oder Zugehörigkeit 24<br />
Andrea Künkele<br />
»Spuren« ein interkulturelles KonzeptArt Projekt 32<br />
Katerina Mourati<br />
Bildentwicklung – Jugend im Bild 40<br />
Bärbel Kliche<br />
Perspektivwechsel II – Vom Augen-Schein zum Körper-Sein 48<br />
Christine Ruis<br />
Biografien 56<br />
Layout/ Gestaltung:<br />
Christel Heermann<br />
Fotos:<br />
Dr. <strong>Birgit</strong> <strong>Engel</strong>, Bärbel Kliche,<br />
Andrea Künkele, Petra Lorenz<br />
Katerina Mourati, Christine Ruis<br />
Gefördert vom:<br />
MINISTERPRÄSIDENTEN<br />
DES LANDES<br />
NORDRHEIN-WESTFALEN
Einleitung<br />
»Die Zeit des Menschen ist nichts, solange man sie nicht erzählt. Wenn<br />
wir sie nicht mit »lebendigen Metaphern« durchdringen und in die<br />
Erzählung unseres eigenen Lebens verwandeln, dann erstarrt sie zur<br />
physikalisch leeren Zeit – ein Exzess sinnloser Dauer«<br />
Ricoeur, Paul: Die lebendige Metapher, München 1986<br />
Einleitung<br />
Dr. <strong>Birgit</strong> <strong>Engel</strong><br />
Konzeption<br />
»Ästhetische Bildung«<br />
Pädagogische <strong>Kunst</strong> –<br />
oder die <strong>Kunst</strong>, nicht-pädagogisch<br />
zu handeln?<br />
Die hier vorliegende Veröffentlichung<br />
ist aus einem Gedankenaustausch<br />
über pädagogisch-künstlerische Fragen<br />
und Erfahrungen entstanden, die wir<br />
als eine Arbeitsgruppe des frauenkunstforum-owl<br />
e.V. unter der Bezeichnung<br />
»Paed<strong>Kunst</strong>« seit mehreren Jahren praktizieren. Die<br />
Gruppe »Paed<strong>Kunst</strong>« besteht aus Künstlerinnen, die<br />
alle regelmäßig mit Kindern und Jugendlichen in<br />
Schulen in der Region Ostwestfalen-Lippe zusammenarbeiten<br />
und in unterschiedlichen künstlerischen<br />
Sparten spezialisiert sind. Die Grundidee der<br />
Zusammenarbeit entstand bereits Anfang 2003,<br />
also schon einige Zeit, bevor die bildungspolitischen<br />
Initiativen im Bundesland NRW begannen,<br />
KünstlerInnen als KooperationspartnerInnen von<br />
Schulen anzuwerben und pädagogisch weiterzuqualifizieren.<br />
Constance Schröter<br />
wissenschaftliche<br />
Assistenz<br />
4<br />
Ein wesentlicher Ausgangspunkt bei der Gründung<br />
unserer Gruppe war das gemeinsame Interesse an<br />
der pädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.<br />
Vor dem Hintergrund einer überlasteten<br />
Bildungssituation von LehrerInnen und Schüler/<br />
Innen in den Schulen verband uns das Anliegen,<br />
sowohl die eigenen künstlerisch-praktischen<br />
Kompetenzen, als auch den eigenen künstlerischen<br />
Weltzugang in die schulische Pädagogik einzubringen.<br />
Unsere Vermutung war, dass wichtige<br />
Potenziale und kreativ künstlerische Wahrnehmungs-<br />
und Ausdrucksfähigkeiten der Kinder und<br />
Jugendlichen durch die Entwicklungsresistenz starrer<br />
Unterrichtsformen, die starke Ausrichtung an<br />
Konkurrenz und an der Messbarkeit von schulischen<br />
Leistungen in der Institution zu kurz kommen.<br />
In den von uns konzipierten Projekten suchen wir<br />
nach neuen Wegen in der Verknüpfung von <strong>Kunst</strong><br />
und Pädagogik. Dabei sehen wir die <strong>Kunst</strong> als<br />
Medium, d.h. als Mittlerin zwischen Lernen und<br />
Leben. Die pädagogisch-künstlerischen Projekte<br />
sollen sich an Entschleunigung, Bewusstwerdung,<br />
Selbststeuerung und Erfahrungsoffenheit, Innovation<br />
und Partizipation orientieren. Künstlerischpädagogische<br />
Impulse können in der alltäglichen<br />
Belastung zwischen LehrerInnen und SchülerInnen<br />
Freiräume schaffen, zum Umgang mit dem<br />
Fremden ermutigen, neue verborgene Potenziale<br />
entdecken helfen, in der gemeinsamen künstlerischen<br />
Arbeit an einer Sache soziale und kulturelle<br />
Differenzen produktiv werden lassen und das soziale<br />
Miteinander fördern.<br />
Inzwischen können wir auf eine ganze Reihe von<br />
stattgefundenen schulischen Projekten zurückblikken,<br />
die im Diskussions- und Reflexionszusammenhang<br />
der Gruppe stehen. Der Gedanke, ausgewählte<br />
Projekte zu dokumentieren und zu veröffentlichen<br />
erschien uns sowohl im Sinne einer Selbstreflexion als<br />
auch unter der Perspektive, Ausschnitte unserer<br />
Arbeit zur Diskussion zu stellen, interessant.<br />
Jede Künstlerin bringt andere Vorstellungen in die<br />
Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ein, die gegründet<br />
sind auf ihrem je persönlichen professionsund<br />
spartenspezifischen Zugang zu ihrer eigenen<br />
<strong>Kunst</strong> und auf ihren Erfahrungen, die sie bisher in<br />
der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gesammelt<br />
hat. Sie muss diese dann mit den Bedingungen<br />
die sie in der Schule antrifft, wie Alter, Gruppengröße,<br />
Räumlichkeit, Zeitplanungen, Klima, Voraussetzungen<br />
und auch Stimmungen der SchülerInnen,<br />
vorhandenem Material, etc in einen kreativ-künstlerischen<br />
Zusammenhang bringen. Dabei geht es<br />
nicht nur darum, sich auf den institutionellen<br />
Rahmen der jeweiligen Schule einzustellen, sondern<br />
auch selbst einen Platz in einer Ordnung zu finden,<br />
in der ein »anderer Wind weht«, die an anderen<br />
Orientierungen ausgerichtet ist, eine eigene Sprache<br />
spricht. Die KünstlerIn ist zunächst Fremde, Dritte<br />
und möglicherweise auch Störfaktor, Anlass zur<br />
Irritation. Der Verlauf und das Gelingen ihres<br />
Projektes, hängt entscheidend davon ab, wie es ihr<br />
gelingt, sich in diesen fremden Ordnungszusammenhang<br />
einzubringen und ob sie eine situativ<br />
adäquate künstlerische Antwort auf die jeweils<br />
konkrete Situation finden kann.<br />
»Dieses Wovon des Getroffenseins verwandelt sich<br />
in ein Worauf des Antwortens, indem jemand sich<br />
handelnd und redend darauf bezieht, es abwehrt,<br />
begrüßt und zur Sprache bringt.«<br />
Berhard Waldenfels in: Grundmotive einer Phänomenologie des Fremden,<br />
Frankfurt a.M. 2006<br />
Die Frage war für uns nun, wie wir die Besonderheit<br />
dieser Situation und den spezifischen Charakter der<br />
Projekte dokumentieren könnten. Ein Vorgehen<br />
nach vorab festgelegten Evaluationsgesichtspunkten<br />
hätte den (Rück-)Blick der KünstlerInnen<br />
auf das stattgefundene Projekt in eine vorab festgelegte<br />
Richtungen gelenkt, die – möglicherweise –<br />
ihrem eigenen konzeptionellen Zugang und den<br />
Besonderheiten dessen, was sich in den Projekten<br />
ereignete, nicht entsprochen hätte. Wie war es möglich<br />
einen anderen Zugang zu finden? Die Diskussion<br />
und der Austausch unserer Gedanken im Rahmen<br />
unserer Arbeitsgruppe waren immer dann besonders<br />
interessant, produktiv und lebendig, wenn die<br />
KünstlerInnen von einer bestimmten Begebenheit<br />
erzählten, die ihnen in Erinnerung geblieben war.<br />
»Schlüsselereignisse ... nötigen uns, dem Satz vom<br />
zureichenden Grund, den Satz vom unzureichenden<br />
Grund entgegenzusetzen, da ... alle Begründungsversuche<br />
auf unüberwindliche Grenzen stoßen.«<br />
Berhard Waldenfels in: Grundmotive einer Phänomenologie des Fremden,<br />
Frankfurt a.M. 2006<br />
Es erschien uns lohnenswert, Ausschnitte aus diesen<br />
Geschichten weiterzuerzählen und öffentlich zu<br />
machen. Die Projektdokumentationen sollten sich<br />
deshalb an zwei Zielen ausrichten: Einerseits soll den<br />
Lesern der äußere Rahmen der Projekte und das<br />
Projektkonzept vorgestellt werden, andererseits sollen<br />
Schlüsselsituationen beschrieben werden, die<br />
wichtig für den Verlauf der gemeinsamen Arbeit<br />
mit den SchülerInnen und für die Art der<br />
Verständigung und den Umgang mit der Thematik<br />
waren.<br />
Die Erschließung solcher stattgefundenen Schlüsselsituationen,<br />
als »spurenbildendes Bildungsmoment«<br />
erforderte von den Künstlerinnen nochmals eine<br />
aktive Auseinandersetzung mit ihrer eigenen<br />
Arbeit, diesmal jedoch in einer – nicht unbedingt<br />
gewohnten – reflexiven Rückwendung auf das<br />
Erlebte. Dies erfordert zunächst ein Innehalten und<br />
dann ein Zulassen dessen, was sich als Erinnerung<br />
zeigt. Auch wenn es in einem nächsten Schritt<br />
zunächst »nur« um eine Beschreibung und noch<br />
nicht unbedingt um eine reflexive Durchdringung<br />
des Erlebten geht, ist diese Beschreibung doch<br />
begleitet von einer Bewusstwerdung darüber, was<br />
man getan, gedacht oder erlebt hat und diese<br />
Beschäftigung wirft einen neuen Faden, legt eine<br />
erste Spur für weitere Ideen und Konzepte.<br />
»Um der Welt den Gehalt seiner Gedanken mitzuteilen,<br />
muss der Denkende vor allem aufhören zu<br />
denken und anfangen, sich des bereits gedachten<br />
zu erinnern.«<br />
Hannah Arendt: Vita activa<br />
Entstanden sind die dem Leser/ der Leserin nun vorliegenden<br />
sieben Dokumentationen mit sehr unterschiedlichen<br />
Gewichtungen hinsichtlich der Auswahl,<br />
Beschreibungsdichte und auch der zugeschriebenen<br />
Bedeutungen. Alle Projekte haben das gemeinsame<br />
Ziel, insbesondere Kinder mit unterschiedlichen<br />
kulturellen und auch belasteten familiären Hintergründen<br />
in die Aktivitäten einzubeziehen und in<br />
besonderer Weise zu fördern. Die Vorhaben wurden<br />
in Teilen durch das fkf-owl aus den Landesmitteln<br />
NRW im Rahmen der Frauenkulturförderung<br />
finanziell unterstützt.<br />
Die Projekte der Künstlerinnen Andrea Künkele,<br />
Petra Lorenz, Christine Ruis und Katerina Mourati<br />
wurden an der Bertolt-Brecht Gesamtschule in<br />
Löhne im Rahmen des – nochmals spezifischen<br />
Projektkonzepts >Schule als <strong>Kunst</strong>Ort< durchgeführt<br />
1 . Hierbei ging es um den explizit formulierten<br />
Auftrag an die Künstlerinnen, mit ihren Konzepten<br />
auf die spezifischen – zwischenmenschlichen, architektonischen,<br />
klimatischen, akustischen – ästhetischen –<br />
Wirkungen des Lernortes künstlerisch zu antworten.<br />
Das Projekt der Künstlerin Bärbel Kliche wurde im<br />
Rahmen der Werk(statt)schule (BAJ) in Bielefeld für<br />
gesellschaftlich benachteiligte Jugendliche durchgeführt.<br />
Ein weiteres Projekt, ein Sprachförderprojekt,<br />
der Künstlerin Christine Ruis fand an einer<br />
Grundschule in Bad Salzuflen, mit finanzieller<br />
Unterstützung des dortigen Rotary-Clubs statt.<br />
»Unwirtlichkeit oder Zugehörigkeit«<br />
Die Bildende Künstlerin Andrea Künkele beschreibt<br />
in ihrer Dokumentation den Beginn eines künstlerischen<br />
Schulentwicklungsprojektes, die Umgestaltung<br />
eines Schuljahrgangsflures. Sie verfolgte mit diesem<br />
Projekt konsequent die Idee, einen unwirtlichen<br />
und von Zerstörungsspuren gekennzeichneten<br />
Jahrgangsflur einer Gesamtschule gemeinsam mit<br />
5
Einleitung<br />
Einleitung<br />
6<br />
den SchülerInnen in einen angenehmen Lebensraum<br />
umzugestalten. Sie beschreibt Ausschnitte aus dem<br />
Prozess und dabei ihr Bemühen, die SchülerInnen<br />
an den zu treffenden Entscheidungen zu beteiligen.<br />
Sichtbar werden in ihrem Bericht die Schwierigkeiten<br />
und Hürden in den festgefahrenen Bahnen<br />
der schulischen Institution neue Wege der partizipativen<br />
Gestaltung des schulischen Lernortes zu<br />
beschreiten. Dabei stellt sich die Künstlerin immer<br />
wieder die nicht leicht zu beantwortende Frage:<br />
Wie kann die Teilhabe der SchülerInnen an der<br />
Aneignung und Mitgestaltung ihrer schulischen<br />
Lebenssituation gelingen? Sie berichtet in ihrer<br />
Dokumentation anschaulich über Schwierigkeiten<br />
und Erfolge der praktischen Bewältigung dieses<br />
Problems.<br />
»Bildentwicklung – Jugend im Bild«<br />
Das Projekt der Bildenden Künstlerin Bärbel Kliche<br />
richtete sich an SchülerInnen, die für sich mit der Schule<br />
innerlich schon abgeschlossen und Erfahrungen mit<br />
schwierigen Lebenssituationen hatten und nun im<br />
Rahmen der Werk(statt)schule des BAJ e.V.<br />
Bielefeld die Chance erhielten, in den regulären<br />
Schulalltag, nach einem Jahr, zurückzukehren. Sehr<br />
konkret und sachbezogen, aber zugleich einfühlsam<br />
und sensibel schildert die Künstlerin eine von ihr<br />
gewählte Auswahl von Situationen, in denen sich<br />
Haltung und Motivation der SchülerInnen während<br />
des Projektverlaufs sukzessiv veränderten und<br />
auch, welch offensichtlich wichtige Bedeutung das<br />
<strong>Kunst</strong>projekt für die sich langsam herausbildende<br />
positive Einstellung zur praktisch-künstlerischen<br />
Mitarbeit und in einigen Fällen auch zum Erwerb<br />
eines qualifizierten Bildungsabschlusses auf die<br />
Jugendlichen hatte.<br />
»Klangraum Aula«<br />
Die Bildende Künstlerin und Dipl. Ing. Petra Lorenz<br />
beschäftigte sich mit dem Phänomen von Schule als<br />
Klangraum. SchülerInnen lachen, rufen, kreischen in<br />
unterschiedlichsten Sprachen während der Pausensituation<br />
in der nicht gerade kleinen Schulaula der<br />
Gesamtschule Löhne. Schnell steigt der Lärmpegel<br />
an und wird durch den Widerhall in der Aula<br />
zusätzlich verstärkt. Lärmschutz in der Schule, bei<br />
Spitzenwerten um die 100 dB. Die Künstlerin hatte<br />
diesen Wert für Extremsituationen in der Aula<br />
ermittelt. Trotzdem konnte es nicht darum gehen,<br />
die vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten und die<br />
leibliche und stimmliche Vitalität der SchülerInnen<br />
zu sanktionieren. Petra Lorenz beschreibt in ihrer<br />
Dokumentation, wie sie zusammen mit den<br />
SchülerInnen neue Erfahrungen mit der Klangvielfalt<br />
des schulischen Lernraums macht, wie sie<br />
gemeinsam mit den SchülerInnen die Aula der<br />
Schule als Klangraum erforscht und wie sie die prekäre<br />
akustische und räumliche Situation dazu<br />
nutzt, um den Sinnen, dem Leib, insbesondere dem<br />
Hören einen Erfahrungsraum zu erschließen.<br />
»Spuren« ein interkulturelles KonzeptArt Projekt<br />
Die Bildende Künstlerin Katerina Mourati ist<br />
zusammen mit den SchülerInnen auf Spurensuche<br />
gegangen. Ihre Projektidee bestand darin, die private<br />
und schulische Lebenswelt nicht auszublenden,<br />
sondern zur Grundlage einer künstlerischen schulischen<br />
Installation zu machen. Dabei geht es um die<br />
großen Themen: Alltagsleben in der Schule,<br />
Freundschaft, andere Kulturen und die Liebe. Auch<br />
hier wird ein institutionell geprägter funktionaler<br />
Jahrgangsflur umgestaltet, diesmal mit dem<br />
Wagnis, ihn durch authentische Ausdrucksspuren<br />
der SchülerInnen, die ihn täglich benutzen, nicht nur<br />
zu einem wirtlicheren Lebensraum, sondern zu<br />
einem kommunikativen künstlerischen Medium<br />
umzugestalten. Die Künstlerin beschreibt eindrucksvoll<br />
Ausschnitte aus diesem Prozess, aber auch die<br />
Irritationen, die durch das erlaubte Hinterlassen von<br />
Spuren, wie das Bemalen und Beschreiben von<br />
Wänden und Bänken bei den schulischen Akteuren<br />
ausgelöst wurden. >Ist das <strong>Kunst</strong>?< ist eine zentrale<br />
Frage, die sich dabei den von den sichtbaren<br />
Veränderungen betroffenen schulischen Akteuren<br />
nach dem »verborgenen Sinn« dieser Aktivitäten<br />
stellt und dabei auch die Selbstverständlichkeit der<br />
gewohnten Ordnung relativiert. Gegen die mühsam<br />
durchzusetzenden schulischen Regeln verstoßen,<br />
darf man das im Rahmen der Freiheit der <strong>Kunst</strong>?<br />
»Perspektivwechsel I Vom Augen-Schein zum<br />
Körper-Sein«<br />
Für die Schauspielerin, Regisseurin und Theaterpädagogin<br />
Christine Ruis standen wiederum andere<br />
Ideen im Zentrum ihres Projektes. An der Bertolt-<br />
Brecht- Gesamtschule Löhne bildete sie interessierte<br />
SchülerInnen zu Stelzenläufern aus, die in ergebnisoffenen<br />
Performances in die Pausensituationen der<br />
Schule intervenierten. Bei dieser Arbeit entstanden<br />
elementare Fragen nach der Bedeutung von<br />
Vertrauen, Balance, Offenheit und Risikobereitschaft<br />
auch über das Theaterprojekt hinaus für das eigene<br />
Leben. Wie können wir miteinander und von einander<br />
lernen? Performance und Schauspiel zeigen sich<br />
dabei »als wirkliche Lebensprozesse«, denn es gibt<br />
kein »als ob«. Christine Ruis berichtet in ihrer<br />
Dokumentation über die konkrete Arbeit mit den<br />
Jugendlichen und auch über die organisatorischen<br />
Schwierigkeiten, ein solches Projekt an einer Schule<br />
durchzuführen, in der der Schulalltag allen<br />
Beteiligten kaum Zeit und Raum für Außergewöhnliches<br />
lässt.<br />
»Die Buchstabenkünstler« – abstrakte Sprache<br />
lebendig machen«<br />
Bei diesem Projekt, basierend auf der Geschichte<br />
»Der Buchstabenfresser« von Paul Maar, handelt es<br />
sich um ein Projekt zur Sprachförderung für<br />
Schülerinnen der zweiten Jahrgangsstufe. Das<br />
Gewohnte umkehren, einen Rahmen bieten, Neues<br />
ausprobieren, Defizite ausgleichen, auf diesem Weg<br />
eröffnete Christine Ruis allen Kindern eine Chance<br />
zur aktiven Beteiligung.<br />
Dieses Projekt ist ein gutes Beispiel für eine gelungene<br />
Kooperation zwischen Schule und Künstlerin.<br />
Während des Projektverlaufs wurde vieles anders<br />
gemacht, die gewohnte schulische Ordnung, wie der<br />
45 Minuten Takt, sowie andere schulische Routinen<br />
gemeinsam mit den LehrerInnen aufgehoben. Die<br />
Dokumentation gibt zum einen konkrete<br />
Anregungen, wie künstlerische Projekte an Schulen<br />
erfolgreich umgesetzt werden können, zum andern<br />
werden die sich bietenden Chancen und<br />
Möglichkeiten deutlich und damit der Gewinn für<br />
alle Beteiligten.<br />
»Nicht vor allem durch die Künste, aber niemals<br />
ohne sie können wir die Gattungsarbeit leisten,<br />
künftige Lebensformen zu finden, zumal es an entscheidenden<br />
Punkten um Überlebenssicherung<br />
geht, die von den Folgen einer einseitig rationalistischen<br />
Aufklärung bedroht erscheint.«<br />
R. zur Lippe: Die utopische <strong>Kunst</strong> des Ortes, in: Sinnenbewusstsein, Reinbeck<br />
b. Hamburg 1987<br />
Was passiert, wenn Künstlerinnen an die Schule<br />
kommen?<br />
Im allgemeinen Bewusstsein des Mangels am<br />
Bildungserfolg deutscher Schulen hat auch ästhetische<br />
Bildung zurzeit Konjunktur. Im Rahmen des<br />
Ausbaus der Ganztagsschule und im Blick auf die<br />
Defizite im Bereich kultureller und interkultureller<br />
Bildung wetteifern die Bundesländer um effektive<br />
Kooperationsmodelle mit KünstlerInnen. KünstlerInnen<br />
sollen nun in die Schulen hineintragen, was<br />
die Bildungspolitik in den vergangenen Jahren vernachlässigt<br />
hat 2 . In der Pressemitteilung der kulturpolitischen<br />
Gesellschaft heißt es: »Die Möglichkeiten<br />
kreativer Gestaltung, die ästhetische Erziehung vermitteln<br />
kann und die unmittelbar Auswirkungen<br />
haben auf Lernfähigkeit und Persönlichkeitsentwicklung,<br />
sind aus der bildungspolitischen<br />
Wahrnehmung verschwunden ... Diese Tendenz<br />
muss gestoppt werden. Vielmehr müssen Angebote<br />
aus den <strong>Kunst</strong>gattungen ... gerade im Interesse der<br />
Kinder und Jugendlichen nichtdeutscher Herkunft in<br />
Schule wie in Freizeit ausgebaut werden.« 3<br />
Zurzeit werden von Schulen und KünstlerInnen erste<br />
Erfahrungen und Wissen in diesem sich weiter ausbauenden<br />
Kooperationszusammenhang gesammelt.<br />
Dabei haben die Schulen noch keine feste<br />
Struktur, noch keine Ordnung, in die die<br />
Künstlerinnen sich mit ihren Projekten einfach nur<br />
einzuordnen bräuchten. Meist muss für die Projekte<br />
der Rahmen noch völlig neu abgesteckt werden. So<br />
wichtig es einerseits erscheint, dass sich in den schulischen<br />
Ordnungen ein institutionalisierter Raum für<br />
diese außerschulischen Kooperationspartner bildet,<br />
so bedenkenswert erscheint uns zugleich die Gefahr<br />
einer Vereinnahmung und Neutralisierung des<br />
Potenzials der Differenz, das KünstlerInnen durch<br />
ihre Mitarbeit in der schulischen Institution erzeugen.<br />
KünstlerInnen sind keine LehrerInnen. ...<br />
Die KünstlerIn hat den Kindern und Jugendlichen<br />
gegenüber eine andere, neue Position. Sie tritt<br />
ihnen nicht als LehrerIn im Sinne einer »Vertreterin<br />
der Institution Schule« gegenüber. Das heißt, das<br />
pädagogisch-künstlerische Verhältnis und die<br />
künstlerisch-praktischen Vermittlungswege müssen<br />
erst noch gemeinsam mit den Kindern und<br />
7
Einleitung<br />
Einleitung<br />
8<br />
Jugendlichen neu herausgefunden werden. Das ist,<br />
im Vergleich mit der Arbeit von Lehrerinnen und<br />
Lehrern, die ihre Arbeit in einem vorgegebenen<br />
curricularen und oft auch methodisch-didaktischen<br />
Rahmen bewältigen, in dem die Spielregeln für die<br />
Beteiligten (Leitungsorientierung, Klassen- und<br />
Vergleichsarbeiten, etc.) weitgehend abgeklärt sind,<br />
eine nicht ganz einfache Herausforderung, aber<br />
auch eine besondere Chance. Sie erhalten von den<br />
SchülerInnen meist zunächst einen gewissen Bonus,<br />
weil sie nicht zum alltäglichen Repertoire der Schule<br />
gehören. Die Kinder und Jugendlichen haben das<br />
Interesse und die natürliche Neugier, diese anderen<br />
Personen kennen zu lernen, mehr über ihren Beruf,<br />
ihr Können, ihre Arbeitsweise zu erfahren. Dabei<br />
geht es immer auch um die Frage, ob und worin sich<br />
die neue Person als Spezialistin zeigt, was man<br />
möglicherweise von ihr lernen kann und ob man sie<br />
ernstnehmen sollte. Auch die künstlerischen Medien<br />
wirken dabei inspirierend, der Einsatz der Sinne, die<br />
Praxis, die Möglichkeit den eigenen Körper aktiv ins<br />
Spiel zu bringen wecken Lebendigkeit und<br />
Engagement.<br />
Dennoch legen die SchülerInnen ihre erworbenen<br />
Einstellungen zum Lernort Schule nicht automatisch<br />
ab. Sie testen aus, wollen die Grenzen und Spielräume<br />
kennen lernen, die ihnen die KünstlerInnen<br />
setzen und die bei dieser Grenzziehung nicht auf das<br />
»bewährte Disziplinierungsrepertoire« der schulischen<br />
Akteure zurückgreifen können. Dem möglichen<br />
»Druck der Leistungsorientierung durch<br />
Notengebung« müssen, können und wollen sie –<br />
meist – ein anderes »Leistungsprinzip« entgegensetzen.<br />
Das Gelingen der gemeinsamen Arbeit erweist<br />
sich nicht nur in einer guten, fairen und offenen<br />
Kommunikation, sondern meist auch in einem für<br />
Andere sichtbaren Produkt. Dies weckt eine andere<br />
Ebene der Anstrengung.<br />
Ob sich etwas als tauglich erweist,<br />
wird nicht an der Abwesenheit von Fehlern gemessen,<br />
sondern eher an der Lebendigkeit, an der<br />
Präsenz, der Überzeugungskraft, mit der es gelingt,<br />
den Anderen etwas Eigenes mitzuteilen. Die<br />
Wirkung, die das eigene oder auch gemeinsame<br />
Produkt auf die Anderen, die LehrerInnen, die<br />
Eltern und möglicherweise eine weitere Öffentlichkeit<br />
ausübt, vermittelt die Erfahrung an einem<br />
öffentlichen Raum zu partizipieren, in ihm das Wort<br />
zu ergreifen und damit zur Gestaltung eines<br />
gemeinsamen Lebensraums beizutragen.<br />
Indem KünstlerInnen als nicht-schulische Akteure in<br />
der schulischen Ordnung künstlerisch-pädagogisch<br />
handeln, entsteht auf der Ebene der Leistungsorientierung<br />
und der Lernorganisation möglicherweise<br />
der Impuls, auch die schulischen Alltagsroutinen<br />
anders, neu zu denken.<br />
Künstlerisches Handeln in pädagogischen<br />
Situationen heißt,<br />
sich der jeweiligen schulischen Situation zu stellen,<br />
sich in ihr bewusst, aber erfahrungsoffen zu positionieren<br />
und beinhaltet die Herausforderung, immer<br />
wieder neue und andere Antworten auf eine<br />
bestimmte Lage, die Voraussetzungen und die<br />
Interessen der Kinder und Jugendlichen, die je spezifische<br />
Situation einer Schule zu finden. Die<br />
SchülerInnen ihrerseits reagieren und antworten auf<br />
das, was die KünstlerInnen mitbringen, ebenso wie<br />
diese auf das antworten, was von den Kindern und<br />
Jugendlichen kommt. KünsterInnen und Schüler-<br />
Innen handeln, antworten und gestalten gemeinsam<br />
und kreieren dabei eine sich herausbildende<br />
singuläre pädagogisch-künstlerische Situation. Eine<br />
so verstandene kulturpädagogische Ausrichtung<br />
erschöpft ihre Sinnhaftigkeit nicht in einer preisgünstigen<br />
kreativen Erweiterung des schulischen<br />
Angebots zur Ganztagsbetreuung und auch nicht<br />
darin, den öffentlichen Kultureinrichtungen mehr<br />
Publikum zuzuspielen. So verstandenes künstlerisches<br />
Handeln verweigert die Instrumentalisierung<br />
sowohl der eigenen Person als auch der Anderen<br />
und muss dabei doch – pädagogisch verantwortlich –<br />
die beteiligten Kinder und Jugendlichen in eine sich<br />
herstellende gemeinsame Ordnung führen. Diese<br />
lebendige Ordnung kann im besten Fall neue<br />
Ausdrucksspielräume ermöglichen, scheinbar Selbstverständliches<br />
in einem anderen Licht zeigen, den<br />
alten Sinn verweigern und zu neuen Sinnentdeckungen<br />
einladen. Differenzen, seien sie kultureller,<br />
geschlechts- oder auch generationenspezifischer Art<br />
erweisen sich im Rahmen der gemeinsamen<br />
Orientierung an einem künstlerischen Produkt nicht<br />
als Störung, sondern als Bereicherung.<br />
Schule und LehrerInnen könnten grundsätzlich<br />
von dem künstlerischen Potenzial lernen,<br />
eine solche prinzipielle Offenheit als besondere Art<br />
der Wahrnehmung in den Umgang mit pädagogischen<br />
Situationen einzubringen und dabei dem<br />
Ungeplanten, Anderen und Fremden zu begegnen.<br />
Dieses Gespür für Materialien, Orte und Menschen<br />
benötigt man prinzipiell in jeder gewöhnlichen Unterrichtsstunde,<br />
auch wenn dies von den Handlungsmustern<br />
der täglichen Routine oft überdeckt wird.<br />
Die schulische Ordnung, der Habitus und das<br />
Bewusstsein der schulischen Akteure aber stehen<br />
solchen künstlerischen Bildungsbemühungen häufig<br />
grundsätzlich noch skeptisch gegenüber oder sie<br />
relativieren die Relevanz der in solchen Arrangements<br />
möglichen Lernerfahrungen und Bildungsereignisse<br />
gegenüber der Ernsthaftigkeit der ihnen vertrauten<br />
formalisierten und curricular vorbestimmten<br />
Arbeitsweisen und Vermittlungsstrukturen.<br />
Aus dieser Tatsache ergibt sich eine besondere<br />
Vermittlungsaufgabe im Rahmen der gegenwärtigen<br />
künstlerisch-kulturellen Bildungsbemühungen.<br />
Vermittelt werden muss hier nicht nur auf einer<br />
organisatorisch-pragmatischen und strukturellen<br />
Ebene, sondern zwischen zwei grundsätzlich differenten<br />
kulturellen Praxen und Erfahrungsmustern.<br />
Wenn Künstlerinnen eine pädagogische Erfahrung<br />
in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen<br />
machen, dann reiht sie sich ein in die Kontinuität<br />
ihrer Geschichten und Erfahrungen als Ganzes. Die<br />
hier vorliegenden Erfahrungsberichte der Künstlerinnen<br />
aus ihrer pädagogischen Begegnung mit<br />
Kindern und Jugendlichen – insbesondere auch aus<br />
bildungsfernen Milieus – könnten einen kleinen<br />
Beitrag zu einer solchen Vermittlung leisten.<br />
1 <strong>Engel</strong>, <strong>Birgit</strong> (Hg.), 2005 Schule als <strong>Kunst</strong>Ort. Über<br />
den Beginn eines künstlerischen Schulentwicklungsprojekts<br />
an der Bertolt-Brecht-Gesamtschule,<br />
Löhne, Bielefeld<br />
2 Vgl.: <strong>Engel</strong>, <strong>Birgit</strong> (2005): Schule als <strong>Kunst</strong>Ort –<br />
Künstler antworten auf die ästhetische Bildungskrise<br />
in: AHAes: Die pädagogische Zeitschrift für die<br />
Allgemeinbildenden Höheren Schulen, Linz – Österreich<br />
– Nummer 15 2007<br />
3 Pressemitteilung der Kulturpolitischen Gesellschaft<br />
e.V. 2005; siehe: www.kupoge.de<br />
9
Die Aula als Klangraum<br />
Die Aula als Klangraum<br />
Kinder als Forscher, Produzenten, Musiker und Sprecher nähern sich dem Klangraum<br />
der Aula<br />
Projektleitung Ein Projekt an der Bertolt-Brecht<br />
Gesamtschule in Löhne mit Kindern<br />
Petra Lorenz des 5. und 6. Jahrgangs im Jahr 2007<br />
Dipl. Ing.<br />
im Rahmen des Projektkonzepts<br />
Bildende Künstlerin Schule als <strong>Kunst</strong>Ort<br />
Eine Kooperation von Bertolt-Brecht-<br />
Gesamtschule, Löhne, frauenkunstforum-owl<br />
e.V., Bielefeld und der pädagogischen<br />
Fakultät der Uni Bielefeld,<br />
gefördert aus Mitteln der Aktion<br />
Mensch/ 5000xzukunft und dem MSWKS NRW<br />
10<br />
Der Rahmen des Projektes<br />
Die Bertolt-Brecht-Gesamtschule ist eine 5 zügige<br />
Schule mit ganztägigen Angeboten und einer großen<br />
Anzahl von Kindern mit Migrationshintergrund.<br />
Da die Schüler hier einen großen Zeitabschnitt der<br />
Woche verbringen, ist dies auch ein zentraler<br />
Lebensraum. Während dieser Zeit kommt dem<br />
ästhetischen Bereich des Hörens und Sprechens<br />
besondere Bedeutung zu.<br />
Architektur als akustischer Handlungsraum<br />
im Schulleben wird durch<br />
Menschen bestimmt, die ihn beleben.<br />
Der Projektbericht umfasst<br />
einen Zeitraum von ca. 10 Wochen<br />
von Nov. 2005 bis Febr. 2006 an<br />
dem mit kleinen Schülergruppen<br />
jeder betroffenen Klasse in dem<br />
Raum der akustische und ästhetische<br />
Klang-Wert des Raumes erlebt<br />
und verändert werden sollte.<br />
Dabei sollten die Kinder selber<br />
Forscher, Produzenten, Musiker<br />
und Akteure sein.<br />
Die Zielgruppe: Die Nutzer der Aula<br />
Bei mehr als 100 Nutzern der Aula wirken die Stimmen<br />
wie ein Dröhnen, das durch Laute in hohen<br />
Tonlagen, wie Schreie, Kreischen, Pfiffe überlagert<br />
wird. Durch die hohen Lagen ist eine ästhetische<br />
Differenzierung von Sprechen und Hören gar nicht<br />
mehr möglich. Dies fordert lautes Stimmverhalten<br />
in der Aula noch heraus. Für normale Verständigungen<br />
müssen auch nebeneinander stehende<br />
Personen ihre Stimme so anstrengen, dass eine<br />
ästhetische Modulation kaum noch möglich ist. Da<br />
die Schüler auch die gesamte Distanz des Raumes<br />
für Rufe und Sprechen überbrücken, liegt der durchschnittliche<br />
Dezibelwert bei 85 bis 95 DZ/A, in<br />
Spitzenwerten bis 110 DZ/A. In einer Minute geschehen<br />
mitunter teilweise gleichzeitig bis zu 20<br />
Kontaktaufnahmen, also 40 Stimmäußerungen<br />
über größere Distanz als 4m. Die 10 Klassen der<br />
fünften und sechsten Jahrgangsstufe nutzen die<br />
Aula. Mit dieser Gruppe sollten prozeßhaft neue<br />
Erfahrungen im Bereich der Akustik, des Hörens<br />
und der Rhythmik<br />
mit ihrer eigenen<br />
Stimme geschaffen<br />
werden. Dabei<br />
sollte der Raum<br />
und seine besondere<br />
Art der Akustik<br />
mit in die Erfahrung<br />
der eigenen<br />
Stimmen einfließen.<br />
In allen 10<br />
Klassen sind mehr<br />
als 10 Nationalitäten<br />
vertreten.<br />
Klangpotential kennenlernen und erweitert erfahren.<br />
In kleinen Teams von 7 bis 12 Kindern besteht<br />
zeitlich die Möglichkeit einen akustischen Dialog mit<br />
der Stimme oder auch mit Tönen zu erzeugen und<br />
auch wahrzunehmen.<br />
Vielfalt und Ideen in der Gemeinschaft<br />
Ideen der Schüler und Spontaneität beim Improvisieren<br />
sollten die Themen bestimmen. Die Kleingruppen<br />
mit 7 bis 12 Schülern waren groß genug für<br />
persönliche Vielfalt und Ideen und begrenzt genug<br />
um Hören und Lauschen im leisen Bereich zu<br />
ermöglichen. Die gegenseitige Wahrnehmung sollte<br />
durch diese Schüleranzahl verbessert werden.<br />
Der Raum als Mitarbeiter<br />
Die neuen Akteure einer Klangproduktion hatten<br />
einen festen Bestandteil in der Planung des<br />
Projektes: der Raum sollte akustischer Gehilfe der<br />
Produktion sein. Er lieferte spezifischen Hall, Verstärkung<br />
und durch die vielen möglichen Standpunkte<br />
nicht nur die Möglichkeit einer Quadrophonie<br />
sondern einer Polyphonie. Die Architektur<br />
als Lebensraum der Schüler sollte in der Art einer<br />
künstlerischen Qualität erfahrbar werden<br />
Organisation des Projektes<br />
Für die Planung des Projektes musste innerhalb der<br />
Schulzeiten eine Möglichkeit gefunden werden, die<br />
Schüler für das Projekt aus dem normalen Schulbetrieb<br />
herauszunehmen. In einer Lehrerkonferenz<br />
wurde deshalb nach Möglichkeiten dafür gesucht.<br />
Dazu boten sich Arbeitsgemeinschaftsstunden an, in<br />
denen jeder Klassenlehrer/jede Klassenlehrerin den<br />
Inhalt flexibler bestimmen kann. Diese Zeiten lagen<br />
vorwiegend am Nachmittag direkt hinter der<br />
Mittagspause.<br />
Die Künstlerin meldete sich vorher bei den zu besuchenden<br />
Klassenleitungen an. Bei wöchentlichen<br />
Besuchen in den Klassen konnte das Thema von<br />
verschiedenen Seiten aufgenommen werden und<br />
dies sollte auch eine Kontinuität schaffen.<br />
Die Teilnahme der Schüler sollte auf jeden Fall freiwillig<br />
sein.<br />
Die Übungen<br />
Die Klassenstimmen:<br />
die eigene Stimme hören – das bin ich<br />
11<br />
Das Projekt wurde begleitet von Frau Dr. <strong>Birgit</strong><br />
<strong>Engel</strong> im Rahmen des Projektkonzeptes Schule als<br />
<strong>Kunst</strong>Ort. Die technische Unterstützung leistete bei<br />
den Klangaufnahmen Dipl. Päd. Volker Beckmann.<br />
Die Projektleitung hatte ich, Dipl. Ing. Petra Lorenz<br />
Bildende Künstlerin aus Bielefeld. Ich kam als<br />
»Gast« innerhalb des Projektzeitraumes regelmäßig<br />
in Absprache mit den Lehrern/innen in die Schule.<br />
Die Anzahl der Akteure lag pro Nachmittag bei 7<br />
bis 10 Schülern, die per Losverfahren als Freiwillige<br />
teilnahmen.<br />
Ziele des Projektes<br />
Neue Klangqualität<br />
Ziel des Projektes war, mit den Schülern die akustische<br />
Klangqualität des Raumes zu verändern. Dazu<br />
sollten die eigenen Stimmen und auch Klangkörper<br />
eingesetzt werden.<br />
Interaktion auf akustischem Weg<br />
In der Rhythmik und der unterschiedlichen Qualität<br />
von Tönen, Klängen, Geräuschen in dem Begegnungsraum<br />
Aula sollten dann die Schüler ihr eigenes<br />
Die Produktion als Hörspiegel der Schulvielfalt<br />
Die Möglichkeit, die erzeugten neuen Klänge aufzuzeichnen<br />
und als künstlerisches Erzeugnis im Raum<br />
über Lautsprecherboxen wiederholbar zu machen,<br />
sollte den Schülern ihre eigene Vielfalt bewußt<br />
machen. Die Hörmöglichkeiten sollten sich dabei<br />
mit den Ideen der Schüler vervielfältigen.<br />
Die Schüler wurden abwechseln zu Flüsterern und<br />
andere zu Horchern. Die Horcher sollten durch<br />
Lauschen versuchen herauszufinden, welche<br />
Klassenkameraden an den Stimmen noch erkennbar<br />
waren, wenn sie flüsterten. Dies stellte sich als<br />
gar nicht so leicht heraus, weil Flüstern ein Rauschen<br />
verursacht, wenn wie in der Übung 4 bis zu sechs<br />
Stimmen leise sprechen. Da Ästhetik und Wahrnehmung<br />
von der Erfahrung der Polarität lebt,<br />
schloss sich eine Übung mit normaler Lautstärke an,
Die Aula als Klangraum<br />
Die Aula als Klangraum<br />
12<br />
bei der erst zwei, dann vier, dann acht, dann 16<br />
Schüler gleichzeitig sprachen, hier gingen die<br />
Botschaften ab vier Personen im Stimmenmeer<br />
unter.<br />
Dazu ein Beispiel über die Situation:<br />
Als der Sprechkanon angeboten wurde, hatten sich<br />
die Kleingruppen schon 2-3 mal getroffen. Vorher<br />
hatten sich die Schüler mit dem Resonanzbereich<br />
des Kehlkopfes vertraut gemacht. Ebenso probierten<br />
sie die eigene Stimme verfremdet aus, indem sie<br />
Ohren mit den Fingern schlossen, und die eigene<br />
Stimme so viel deutlicher nur über die Gehörknochen<br />
wahrnehmen konnten. Es waren teilweise<br />
aber auch Kinder zum ersten Mal dabei. In der Aula<br />
war der Recorder schon angeschlossen und im roten<br />
Koffer befanden sich dieses Mal unter anderem<br />
Texte. Das Protokoll zeigt einen Ausschnitt des<br />
Treffens. Zunächst wurde der Text gelesen und dann<br />
die Übung erklärt. Wie in einigen anderen Übungen<br />
auch, drängten die Kinder Aufnahmen zu machen,<br />
weil sie sich selber hören wollten. Die Gruppe teilte<br />
sich selbst in Mädchen und Jungen. Ich kam auf die<br />
Idee wegen der Unterschiedlichkeit der Stimmen<br />
zunächst die Mädchen, dann die Jungen den Text<br />
sprechen zu lassen.<br />
Das Protokoll zeigt einen Ausschnitt des Treffens.<br />
Die eigene Stimme hören – das bin ich?<br />
Der Rhythmus war klar, der Text sehr gut verständlich.<br />
Sie machten einen gelösten und starken<br />
Eindruck. Bei allen waren beide Beine im<br />
Gleichgewicht. Sie haben deutlich und offen die<br />
Lippen bewegt. Als die Mädchen mit dem Vortrag<br />
fertig waren, griff blitzschnell einer der Jungen zwei<br />
andere Jungen und zog sie zu Boden bis sie lachend<br />
übereinander lagen. Sie standen von selbst wieder<br />
auf. Als sie sich in Position stellten, begannen sie sich<br />
als Vierergruppe die Arme über die Schultern zu<br />
legen und mit den freien Händen die Texte zu halten.<br />
Dabei schauten zwei in ein Blatt. Sie begannen<br />
in einer normalen Betonung, aber ab der zweiten<br />
Zeile begannen sie den Text zu leiern. Dabei schafften<br />
sie es aber völlig synchron und in der Qualität<br />
gleichwertig theatralisch den Rhythmus zu halten.<br />
Sie wirkten dabei sehr fröhlich. In der Gruppe selbst<br />
entstand durch den nahen Kontakt eine Bewegung,<br />
die das leiernde Sprechen unterstützte. Dabei<br />
war nicht erkennbar, ob einer die Gruppe in der<br />
Bewegung führte. Nach dem sie geendet hatten,<br />
haben sie geschwiegen und erwartungsvoll<br />
geguckt. Ich machte den Vorschlag das Ganze<br />
anzuhören. Sofort war der Recorder umlagert. Sie<br />
zeigten ein Verhalten, das oft beim Abhören zu<br />
beobachten war. Die ganze Gruppe umlagerte den<br />
Recorder sehr nah. Dabei schauten sie sich wieder<br />
an oder rangelten um einen Platz. Sie legten sich<br />
neben den Recorder, oder legten die Arme darauf.<br />
Sie schauten sich gegenseitig an. Die Aufzeichnung<br />
der Mädchen erzeugte in den Akteurinnen aufmerksame<br />
Gesichter. Sie schienen den Text noch einmal<br />
durchzugehen. Unmittelbar danach wurde die<br />
Aufnahme der Jungen hörbar, die mit einem »das<br />
sind wir« kommentiert wurde. Die Jungen begannen<br />
zu albern als der Text in die leiernde Qualität<br />
überging. Sie wollten näher zuhören und reckten<br />
die Köpfe noch näher zum Recorder. Zwei Jungen<br />
verzogen den Mund.<br />
Beim Sprechchor einigten sich vier Jungen rhythmisch<br />
völlig kongruent auf ein »Leiern« des Textes<br />
und beweisen somit eine Sensibilität für gemeinschaftliche<br />
akustische Abstimmung. Durch die<br />
Aufzeichnungen geriet noch etwas anderes in das<br />
Interesse: die eigene Stimme. Über dreiviertel der<br />
Kinder war die eigene Stimme vom Band etwas<br />
völlig Neues und auch etwas Fremdes. Die Gesetzmäßigkeiten<br />
mit denen sich die Gruppen im Alltag<br />
in der Aula in der Lautstärke nach oben entwickel<br />
wirkten auch in den Übungen. Die Gruppen waren<br />
untereinander immer in der Lage sich ohne<br />
Absprachen intuitiv auf einen Rhythmus oder eine<br />
Klangbesonderheit zu einigen. Diese kollektive<br />
Fähigkeit zur Hör- Abstimmung war in ganz unterschiedlichen<br />
Situationen zu beobachten.<br />
Übung: Sprachrauschen<br />
Die Kinder wollten Aufzeichnungen in ihrer Muttersprache<br />
machen. Da über 10 Sprachen mit Muttersprachlern<br />
vertreten waren, verstanden sich die<br />
Kinder untereinander nicht, solange sie einen<br />
Beitrag in ihrer Sprache erstellten. Sie legten sich<br />
schnell auf bekannte Rituale fest. Der Vorschlag in<br />
der Muttersprache zu zählen, wurde von allen<br />
gerne aufgenommen und umgesetzt. Ebenso wurde<br />
eine Begrüßung in der jeweiligen Landessprache<br />
gewählt.<br />
Es gab eine besondere Situation, die auch auf den<br />
später erstellten CDs markant ist. Die Kinder bereiteten<br />
eine Übersetzung vor- eine Begrüßung – und<br />
sprachen übend nahe zu alle zusammen gleichzeitig<br />
in ihrer jeweiligen Sprache. Da sie alle konzentriert<br />
waren, sprechen sie nur halblaut.<br />
Dies spiegelt eine Erfahrung des ganzen Projektes:<br />
in Momenten, in denen Konzentration beobachtet<br />
wird, herrscht ein normales Sprachverhalten.<br />
Übung : Bespielung der Aula mit Klangkörper<br />
Für die Projektdurchführung >Klänge außerhalb<br />
des eigenen Körpers
Die Aula als Klangraum<br />
Die Aula als Klangraum<br />
14<br />
te ein Horchspaziergang unternommen werden. Ein<br />
Horcher musste sich dabei blind auf akustische<br />
Signale verlassen. Die Augen waren verbunden. Die<br />
anderen Kinder suchten sich eine Stelle in der Aula<br />
aus, wo sie einen festen Standort einnahmen.<br />
Vorher hatten sie sich eines der Klanginstrumente<br />
ausgesucht. Nun suchte sich der Horcher einen<br />
Klang aus, auf den er zugehen sollte, flankiert von<br />
den anderen Klängen. Etwa ein Drittel der Schüler<br />
hatte wegen Ausblendung des Sehsinns und der<br />
Bodenorientierung den Gleichgewichtssinn enorm<br />
zu aktivieren und wackelte bei jedem Schritt in der<br />
Körperachse dementsprechend. Die zweite Gruppe<br />
trat relativ sicher mit beiden Füßen auf und bewegte<br />
sich fast in normalem Gehtempo. Der Kopf war<br />
immer aufgerichtet. Die Schüler setzten zum Teil die<br />
Arme ein, aber nicht zur Sicherung der Stabilität<br />
sondern eher spielerisch. Dabei fotografierten sich<br />
die Akteure selber und schufen so eine eigene<br />
Dokumentation.<br />
Kinder mit 15 cm langen Stimmgabeln Schwingungserfahrungen<br />
an der Haut machen.<br />
Voraussetzungen für Erfahrungen in den<br />
Übungen<br />
Die Schüler brauchen gerade im Bereich Hören<br />
eine überschaubare Gruppengröße.<br />
Ein offener Verhaltenspielraum in Übungen regt<br />
eigene Impulse an.<br />
In geschützter räumlicher Atmosphäre vertieft<br />
sich die Achtsamkeit und gegenseitige Wahrnehmung.<br />
Der kulturelle Bildungs-Prozess ist an ein Subjekt,<br />
den Künstler/in, gebunden, der einen Raum zur<br />
eignen Aktion schafft.<br />
Der Hörsinn und die Fähigkeiten zu lauschen ist für<br />
die ästhetische Entwicklung wichtig. Er reguliert<br />
und steuert auch das kulturelle Verhalten im<br />
Bereich Sprechen und Hören. Wie der Verlauf der<br />
Übungen zeigt, verlangen die Kinder nach Möglichkeiten,<br />
in diesem Bereich Erfahrungen zu sammeln<br />
und auszuprobieren. Sie benötigen geschützte und<br />
überschaubare Räume zur Erprobung ihrer<br />
Selbstwahrnehmung.<br />
Das Lärmproblem der Aula erweist sich als eine<br />
systemische Größe, die nicht nur durch die<br />
Architektur oder Baumaterialen entsteht. Gewohnheiten,<br />
der bewusste Umgang mit der eigenen<br />
Stimme, kollektive Lautstärkenanpassung an das<br />
Umfeld bedingen einander. Die Ausbildung einer<br />
Hörkultur und die Entwicklung Ton, Klang, Schall<br />
ästhetisch beurteilen zu können, formen das akustische<br />
Alltagsbild. Durch das Projekt wurde gezeigt,<br />
dass es möglich ist, den Bereich der ästhetischen<br />
Erfahrungen zu erproben.<br />
CD-Aufnahmen<br />
Während des Projektes wurden 8 Cassetten mit<br />
Klangmaterial zu den unterschiedlichen Themen<br />
aufgenommen. Die aufwendigste Arbeit lag in der<br />
Zusammenstellung der CD Stimmen der Schule. Die<br />
Individualität der Stimmen zu erhalten und gleichzeitg<br />
die gemeinschafltiche Qualität im sprachlichen<br />
darzustellen, verlangete eine gute Überlagerung<br />
der Sequenzen. Wichtiger Aspekt war hier, nicht nur<br />
die Inhalte, sondern auch die musikalischen Züge<br />
und klanglichen und rhythmischen Anteile der<br />
Sprache zu unterstreichen.<br />
Die CD dokumentiert auch den Bereich Schule in<br />
seiner klanglichen Vielfalt. Sie zeigt die Vielfalt an<br />
Ideen, mit der Stimme umzugehen. Sie zeigt die<br />
rhyhtmische und phonetische Viefalt, die durch<br />
andere Sprachen lebt. In einer Sequenz wurde diese<br />
Vielfalt gemischt. Die Stellen, in denen die Kinder in<br />
ihren Muttersprachen zählen, wurden übereinandergelegt<br />
und zeigen so in einem sprachlichen<br />
Rauschen die gleichzeitige Anwesenheit der sprachlichen<br />
Einzelbeiträge.<br />
Durch die Mitarbeit des Diplom Theaterpädagogen<br />
der Schule, der über ein eigenes Tonstudio verfügte,<br />
wurden dann alle Aufnahmen digitalisiert. In den<br />
Übungen wurde das enorme Potenzial der Schüler<br />
im Bereich der Gestaltung deutlich. Sprechen und<br />
Hören im Vergleich.<br />
Die Kinder verfügten über deutlich mehr Möglichkeiten<br />
mit der eigenen Stimme umzugehen, als<br />
über Möglichkeiten zu lauschen oder zu hören. Das<br />
Interesse am Hören wurde durch die beschriebenen<br />
Hörangebote so geweckt, dass die Kinder nach zwei<br />
Projektstunden selbst dazu aufforderten. Bereits bei<br />
den zweiten und dritten Besuchen äußerten die<br />
Kinder den Wunsch, mehr Zeit zu haben, die<br />
Aufzeichnungen anzuhören, oder der Klasse vorzuspielen.<br />
Immer herrschten bei dem Zuhören der<br />
eigenen Produktion Konzentration und Stille.<br />
15<br />
Übungen Schall und Tastsinn<br />
Töne und Klänge haben noch<br />
andere Wahrnehmungsbereiche<br />
als über das Ohr. Sie sind über den<br />
Tastsinn zu erfahren oder über den<br />
Sehsinn. Synästhetische Erfahrungen<br />
transparent zu machen schaffte<br />
neue Möglichkeiten, mehr über<br />
die Wirkungsqualität von Klang<br />
oder Geräusch zu erfahren.<br />
Um die Töne über die Haut erlebbar<br />
zu machen, konnten die
»Die Buchstabenkünstler« – abstrakte Sprache lebendig machen<br />
»Die Buchstabenkünstler«<br />
»Die Buchstabenkünstler« – abstrakte Sprache lebendig machen<br />
Grundschulkinder entdecken im Theaterspiel den Reiz und die Möglichkeiten des<br />
sprachlichen Ausdrucks<br />
Projektleitung Ein Projekt der Sprachförderung konzipiert<br />
für die erste und zweite Jahrgangsstufe,<br />
basierend auf der<br />
Christine Ruis<br />
Theaterpädagogin Geschichte »Der Buchstabenfresser«<br />
Schauspielerin von Paul Maar. Das Projekt wurde<br />
bisher in zwei Variationen für die<br />
zweite Jahrgangsstufe durchgeführt:<br />
Schuljahr 2006/2007 in der Grundschule<br />
am Wellbach in Bielefeld-<br />
Baumheide im Rahmen des NRW-<br />
Landesprogramms Kultur und Schule. 2. Schulhalbjahr<br />
2007 in der Grundschule Elkenbrederweg in Bad<br />
16<br />
Salzuflen. Eine Kooperation von Christine Ruis<br />
(Schauspielerin, Theaterpädagogin) mit der Schulleitung<br />
(Frau Seidel) und den LehrerInnen der 2.<br />
Jahrgangsstufe. Gefördert wurde das Projekt vom<br />
Rotary-Club Bad Salzuflen und vom Förderverein<br />
der Schule. Gegenstand der Dokumentation ist das<br />
Projekt an der Grundschule Elkenbrederweg. Es<br />
wird auch im 2. Schulhalbjahr 2008 in der beschriebenen<br />
Form wieder durchgeführt werden, dieses<br />
Mal in der ersten Jahrgangstufe.<br />
Vorbereitung/Projektplanung<br />
In gemeinsamer Absprache mit der Schulleitung<br />
wird vereinbart, dass der gesamte 2. Jahrgang, d.h.<br />
3 Klassen, am Projekt »Die Buchstabenkünstler«<br />
teilnehmen wird. Die jeweiligen Klassenlehrer wählen<br />
ganz gezielt die Kinder aus, die sprachlich und<br />
darstellerisch Defizite aufweisen. Die anderen<br />
Kinder aus den jeweiligen Klassen beschäftigen sich<br />
ebenfalls mit der Geschichte »Der Buchstabenfresser«.<br />
Es wird Projekttage geben, die ganz unter<br />
dem Zeichen des Buchstabenfressers stehen.<br />
Es geht los mit der Veranstaltung/Aufführung »Der<br />
Buchstabenfresser – eine buchstabenvolle Märchenlesung<br />
mit witzigen Klangeinlagen« vorgetragen<br />
von Ch. Ruis (Text) und E. Lütkebohle (Klänge)<br />
Eine Veranstaltung für ca. 80 – 100 Kinder.<br />
Dauer der klangvollen Lesung ca. 45 Min. danach<br />
noch Gespräche und Interaktionen mit den Kindern.<br />
Projektunterricht<br />
basiert auf der Geschichte »Der Buchstabenfresser«<br />
Dauer 6 Tage, verteilt auf 4 Wochen, jeweils von<br />
8.00 – 12.00 Uhr<br />
im musikalischen Bereich (Lehrer/in)<br />
mit den Kindern an den musikalischen Themen<br />
aus der Lesung entlang arbeiten unter Verwendung<br />
von leeren Marmeladengläsern, Sandpapier,<br />
Büchern; »richtige« Instrumente können<br />
auch zum Einsatz kommen …<br />
im gestalterischen Bereich (Lehrer/in)<br />
Bilder vom Buchstabenfresser herstellen >wie<br />
könnte der aussehen
»Die Buchstabenkünstler« – abstrakte Sprache lebendig machen<br />
»Die Buchstabenkünstler«<br />
»Die Buchstabenkünstler« – abstrakte Sprache lebendig machen<br />
18<br />
gebracht und der Teil der Geschichte, für den die<br />
Kinder zuständig sind, wird zum ersten Mal abgelesen.<br />
(Die Geschichte wurde in der gekürzten<br />
Fassung in 3 Teile aufgeteilt, so dass die ausgewählten<br />
Schüler/innen jeder Klasse einen ungefähr<br />
gleichlangen Teil vortragen werden). Es ist gut zu<br />
beobachten, wer in welchem Ausmaß Leseschwierigkeiten<br />
hat (Langsamkeit beim Buchstabieren,<br />
Schwierigkeiten, die Sinnzusammenhänge zu verstehen,<br />
Unkonzentriertheit, Schwierigkeiten bei der<br />
Artikulation, etc.).<br />
Im großen Plenum wird die Gesichtsgymnastik vorgeführt.<br />
Die anderen Gruppen zeigen die ersten<br />
Ergebnisse für Plakate und führen die ersten rhythmischen<br />
Lernschritte für den Buchstabenfresser-Rap<br />
vor.<br />
3. Treffen: 10. Mai 2007<br />
Die Gruppen machen ähnliche Übungen/Spiele wie<br />
unter 3. Mai, Spiegelübung kommt noch dazu; die<br />
Kinder teilen sich danach auf, wer welche Passage<br />
liest, welche Rolle übernimmt – es gibt 4 Figuren,<br />
die aufgeteilt werden; pro Gruppe gibt es z.B. mehrere<br />
Erzählertexte, die aufteilt werden. Im Plenum<br />
verläuft es ähnlich wie unter 3. Mai beschrieben.<br />
4. Treffen: 24. Mai 2007<br />
Vom Verlauf ähnlich wie 10. Mai – die Kinder nehmen<br />
das ganze Projekt sehr ernst und haben gleichzeitig<br />
viel Spaß (ich auch!). Unser neuer Arbeitsraum<br />
ist die Turnhalle, die ersten Bühnenbilder stehen.<br />
Die Gruppen wechseln sich in ihrer Reihenfolge,<br />
zu welcher Uhrzeit sie zu mir kommen, pro Termin<br />
ab – die letzte Gruppe ist immer am schwierigsten,<br />
da sie erst gegen 10.50 Uhr kommen und die Kinder<br />
schon Einiges erlebt und erledigt haben. Über<br />
Pfingsten bekommen alle Kinder die gekürzte<br />
kopierte Gesamtfassung mit nach Hause mit der<br />
Aufgabe alles zu lesen und ihre Textstellen in der<br />
Farbe ihrer Lesekarten zu unterstreichen (sie<br />
machen diese Hausaufgabe wirklich ohne Murren!)<br />
5. Treffen: 31. Mai 2007<br />
Um die Konzentration und das Gruppengefühl der<br />
Kinder zu fördern, wird zunächst gespielt – Namen/<br />
Silben rhythmisieren; danach mit Stöcken und<br />
Worten Rhythmus gemacht … spezielle Übetechnik<br />
… Die Kulissen sind fertig, die Technik steht und<br />
kann ausprobiert werden, die Kinder sprechen mit<br />
Mikrophon, sie probieren aus, wie sie die Textblätter<br />
halten müssen, wie sie ihre Stimmen verstärkt erleben<br />
– die meisten sind aufgeregt – eine schöne<br />
Stimmung: ernsthaft, aufgeregt und sehr ehrgeizig.<br />
Die Auftrittsorte werden festgelegt: wer steht am<br />
Beginn hinter welcher Kulisse – wer muss wem welches<br />
Requisit reichen – wer soll beim Applaus wo<br />
stehen – wie verbeugen sie sich – etc ...<br />
6. Treffen: 1. Juni 2007 Freitag<br />
Die Kinder kommen aus allen drei Gruppen zusammen<br />
und sprechen den Text chronologisch und<br />
sehen/hören sich dabei zu – es ist Generalprobe. Mit<br />
allen Kindern wird noch einmal die Applausordnung<br />
bei der Einzelgruppendarstellung besprochen<br />
und die kniffelige Situation der Ab- und Aufgänge,<br />
wenn eine Gruppe zu Ende ist und die nächste<br />
kommt – große Aufregung ist zu spüren, große<br />
Ernsthaftigkeit; die Kinder haben sich in ihrer Leseund<br />
Sprechleistung sehr gesteigert (d.h. sie hatten<br />
genug Motivation zu hause zu üben).<br />
Aufführung: 2. Juni 2007<br />
Die Kinder treten auf und sind trotz Aufregung sehr<br />
konzentriert und souverän. Die Kinder können entspannt<br />
zum Verlauf des weiteren Festes übergehen –<br />
ich finde solch einen Anlass sehr günstig für einen<br />
Auftritt.<br />
Reflexionsspots auf das Gesamtprojekt und auf<br />
einige besondere Einzelsituationen aus Sicht der<br />
Durchführenden.<br />
Für mich war dieses Projekt ein ganz außerordentliches<br />
Projekt. Bis jetzt hatte ich es noch nie erlebt,<br />
dass eine Schule den Impuls von außen, d.h. in diesem<br />
Fall, die Anwesenheit von mir als Gast so<br />
100%ig nutzte, um aus der gewohnten Ordnung<br />
auszusteigen. An den 6 Projekttagen, verteilt über<br />
4 Wochen, galt jeweils ein anderer Stundentakt<br />
wenn ich kam; die Pausen wurden anders genutzt,<br />
es war eben »Der Buchstabenkünstler-Tag«. Man<br />
könnte auch sagen, es war der »Frau Ruis-Tag«<br />
oder der Theatertag. Weil ich als Schauspielerin und<br />
Theaterpädagogin aus Bielefeld angereist kam,<br />
wurde an 6 Schulvormittagen im Jahrgang 2 alles<br />
anders gemacht als sonst; das galt für die<br />
Schülerinnen/Schüler und die Lehrerinnen/Lehrer!<br />
Der normale Unterricht wurde ausgesetzt, die Lerngruppen<br />
waren kleiner, es gab für alle kreative<br />
Angebote, den ganzen Vormittag lang – Singen,<br />
Malen, Basteln, Darstellen. So ein Umgang hebt den<br />
Wert des Gastes/der Künstlerin enorm! Ich war nicht<br />
von der Schulleitung »für ein Produkt eingekauft«<br />
worden und von den beteiligten Lehrerinnen/<br />
Lehrern geduldet oder akzeptiert, sondern es ging<br />
bei der Vorbereitung des Projektes bereits los, dass<br />
mir als Gast ein Terminvorschlag von ca. 2 Stunden<br />
gemacht wurde, an dem alle beteiligten Lehrer<br />
anwesend waren. Dem Projekt wurde von Anfang<br />
an große Wertschätzung entgegengebracht. Ich<br />
hatte Gelegenheit, alle beteiligten Lehrerinnen und<br />
Lehrer kennen zu lernen, das Projekt nochmals mit<br />
meinen Worten vorzustellen, meine Begeisterung<br />
für die Paul Maar Geschichte funken und überspringen<br />
zu lassen. Wir inspirierten uns beim ersten<br />
Planungstermin gegenseitig, machten uns auf mögliche<br />
zeitliche/organisatorische Engpässe aufmerksam<br />
und konnten uns durch die gemeinsame<br />
Planung von Anfang an als Team verstehen. Ich war<br />
als Impulsgeberin wertgeschätzt und als Theaterfachfrau<br />
für Sprech- und Darstellungsaufgaben<br />
integriert in das System Schule ohne von diesem<br />
System vereinnahmt zu werden. Die Lehrerinnen/-<br />
Lehrer übernahmen jeweils eigene Aufgaben in<br />
gegenseitiger Absprache je nach ihren Vorstellungen/Wünschen,<br />
Fähig- und Fertigkeiten. Das<br />
gesamte Projekt, alle 6 Schulvormittage, wurden<br />
an diesem Termin durchstrukturiert und jede/jeder<br />
19
»Die Buchstabenkünstler« – abstrakte Sprache lebendig machen<br />
»Die Buchstabenkünstler«.<br />
»Die Buchstabenkünstler« – abstrakte Sprache lebendig machen<br />
20<br />
wusste für seinen Aufgabenbereich, was zu besorgen,<br />
zu organisieren war. Eine tolle Teamarbeit! Die<br />
herausragende Idee, die im gemeinsamen Gespräch<br />
entstanden war: Die Kinder mit Sprachdefiziten<br />
werden darstellerisch in den Focus/Spot gestellt und<br />
die Kinder, die sonst im Schulalltag sprachlich im<br />
Focus des Beifalls stehen werden Zuarbeiterinnen<br />
und Zuarbeiter für ihre Mitschülerinnen und<br />
Mitschüler, sie kümmern sich um Bühnenbild,<br />
Requisiten, etc. Diese Entscheidung stellte sich als<br />
tolles Sprungbrett für alle Beteiligten heraus. Durch<br />
die Umkehrung der gewohnten Verhältnisse hatte<br />
quasi jedes Kind die Chance, etwas Neues auszuprobieren.<br />
Für mich war es eine sehr große Freude<br />
am Tag der Aufführung durch ein kleines Malheur<br />
nochmals ungewollt eine Bestätigung meiner Arbeit<br />
zu bekommen. Ein Kind aus der Gruppe 2c war<br />
ausgefallen und in aller Eile wurde von der zuständigen<br />
Lehrerin ein Ersatzkind aus dieser Klasse<br />
gefunden, ein sog. gutes Sprech- und Vorlesekind,<br />
das während des Projektes nicht bei den Sprachförderkindern<br />
war. Dieses Kind machte seine Sache<br />
sehr gut, war aber keineswegs besser als die<br />
Sprachförderkinder, d.h. die sog. Förderkinder hatten<br />
in der kurzen Zeit des Projektes enorm in ihrem<br />
Können zugelegt.<br />
Herausragende Situationen<br />
Das gesamte Projekt war ein einziges großes Lehrund<br />
Lernfeld, ständig gab es Überraschungen für<br />
mich, weil die Kinder sehr aufmerksam waren, sehr<br />
bereit mitzumachen, sich einzulassen, neue Ideen<br />
beizusteuern. Für die Kinder war von Anfang an<br />
klar, dass wir auf eine Aufführung hinarbeiten. Auf<br />
eine »Vorlesung«, ähnlich der Lesung, die sie als<br />
Einstieg im April 2007 erlebt hatten und die ihnen<br />
gefallen hatte. Das Wort Aufführung war also von<br />
Anfang an nichts Abstraktes oder Nebulöses, sondern<br />
gefüllt mit Vorstellung >aha, wir machen so<br />
etwas Ähnliches wie Frau Ruis für uns gemacht hatMeine Aufgaben sind: den Text auszuwählen,<br />
diesen zwischen ihnen aufzuteilen, mit<br />
ihnen Sprechen zu trainieren und die Aufführung zu<br />
proben. Ich kann das, deswegen haben mich ihre<br />
Lehrerinnen und Lehrer extra eingeladen. Ihre<br />
Aufgabe ist es, ihr Bestmöglichstes bei jeder Probe<br />
zu geben, damit sie alle zusammen die Geschichte<br />
beim Schulfest präsentieren können, mit Bühnenbild<br />
usw. Die Ernsthaftigkeit, mit der alle Kinder von<br />
Anfang an dabei waren, war einfach toll! Am 3. Mai<br />
brachte ich die farbig gestaltete Textfassung der<br />
gekürzten Geschichte mit. Ich hatte die Geschichte<br />
in drei gleich grosse Teile aufgeteilt (für jede Klasse<br />
ein großer zusammenhängender Teil der Geschichte),<br />
die einzelnen Figuren der Geschichte inklusive<br />
Erzählstimme farbig gestaltet und auseinandergeschnippelt.<br />
Jede Gruppe bekam ihre Geschichte<br />
durchgemischt und musste sie gemeinsam sortieren<br />
um sie vorlesen zu können. Die einzelnen Schnipsel<br />
waren mit Zahlen versehen um sie leichter sortieren<br />
zu können, das habe ich den Kindern aber nicht<br />
explizit gesagt. Es war für mich ein Erlebnis zu<br />
sehen, wie unterschiedlich jede Gruppe funktionierte,<br />
wie viele unterschiedliche Möglichkeiten des<br />
Sortierens und Strukturierens es zu entdecken gab.<br />
Jede Gruppe hat es anders gemacht und ihr eigenes<br />
System kreiert. Genauso interessant war das gegenseitige<br />
Vorlesen. Auch hier habe ich keine Vorgabe<br />
gegeben wie die Kinder das machen sollen/müssen.<br />
Es gab Kinder die konnten den Text aus einem<br />
1<br />
⁄2 Meter Entfernung lesen, die wollten sich nicht<br />
bücken oder setzen und lasen im Stehen die auf<br />
dem Boden liegenden Zettel; andere haben die<br />
Zettel aus der gelegten Reihe genommen und ihn<br />
direkt vor’s Gesicht genommen und Wort für Wort<br />
gelesen, andere haben den Zeigefinger zu Hilfe<br />
genommen, andere haben die Worte von der Seite<br />
liegend auf dem Bauch gelesen, wieder andere störte<br />
es nicht, die Buchstaben quasi auf dem Kopf stehend<br />
zu buchstabieren, sie konnten den Text flüssig<br />
lesen. Es gab die unterschiedlichsten Varianten von<br />
Körperhaltungen zu beobachten, aber allen Kindern<br />
gemeinsam war große Aufmerksamkeit und die<br />
Bereitschaft zu helfen oder sich helfen zu lassen. Was<br />
meine Aufgabe als Anleiterin sehr erleichtert hat,<br />
war die große Begeisterungsfähigkeit der Kinder<br />
und die Ernsthaftigkeit, mit der sie das große Ziel<br />
der Aufführung verfolgten. So konnte ich ohne weiteres<br />
dem einen oder anderen Kind sagen >haste ja<br />
gemerkt, du musst noch etwas zu Hause üben,<br />
damit du die »Claudia« / »Mamma« etc. gut vorlesen<br />
kannst. Am besten, du liest jeden Tag<br />
5 Zeilen laut aus der Tageszeitung oder der Fernsehzeitung<br />
für deine Eltern und/oder Geschwister<br />
vor. Von meiner Seite aus gab es von Anfang an die<br />
Ansprache für die Kinder. >ihr habt noch so und so<br />
viel Zeit gute Sprecherinnen und Sprecher zu werden;<br />
ich traue euch das zu und ich habe Erfahrung;<br />
dafür machen wir ein Sprechtraining wie die Profis,<br />
21
»Die Buchstabenkünstler« – abstrakte Sprache lebendig machen<br />
»Die Buchstabenkünstler«<br />
»Die Buchstabenkünstler« – abstrakte Sprache lebendig machen<br />
22<br />
z.B. diese Gesichtsgymnastik und ihr übt zu Hause<br />
wie richtige Sprecherinnen und SprecherJetzt stehe ich hier, jetzt kann ich meinen<br />
Text, jetzt habe ich einen Hänger und die<br />
Chance durch eine schnelle Idee, durch eine neue<br />
Wortschöpfung mich nicht zu blamieren, oder mich<br />
zu blamieren und deswegen nicht auszurasten, den<br />
anderen geht es ähnlich, ich habe keine Zeit auszurasten,<br />
das Spiel geht weiter … Jetzt funkt die Regie<br />
dazwischen, jetzt bei der Probe darf sie das noch,<br />
jetzt bekomme ich noch Zuflüsterhilfe, beim Auftritt<br />
wäre mir das peinlich …
Unwirtlichkeit oder Zugehörigkeit<br />
Unwirtlichkeit oder Zugehörigkeit<br />
Schüler/innen partizipieren an der Umgestaltung eines Jahrgangsflures (2005)<br />
Ausgeführt an der Bertold-Brecht-Gesamtschule, Löhne<br />
Projektleitung<br />
Andrea Künkele<br />
Bildende Künstlerin<br />
24<br />
Ein Flur – Nicht nur ein<br />
Durchgangsbereich<br />
In einer Ausschreibung des frauenkunstforums-owl<br />
e.V. wurden Künstlerinnen<br />
gesucht, die sich im Rahmen des<br />
Projektkonzepts >Schule als <strong>Kunst</strong>Ort<<br />
mit einem künstlerischen Konzept<br />
bewerben, das sich auf den konkreten<br />
Lernort Schule an der Bertolt-Brecht-<br />
Gesamtschule der Stadt Löhne bezog. Ich reichte<br />
kein fertiges Konzept ein, sondern die Idee, gemeinsam<br />
mit den Beteiligten an einer räumlichen<br />
Umgestaltung eines Gebäudeteils zu arbeiten.<br />
Durch einen vorherigen Besuch der Schule machte<br />
ich mich mit den Räumlichkeiten vertraut und entschied<br />
mich für den Flurbereich in einem Trakt der<br />
Schule, in dem damals die Schüler/innen von 5<br />
Klassen des 8. Jahrgangs untergebracht waren. Hier<br />
nahm ich einen konkreten Problembereich innerhalb<br />
der Schule wahr, einen Ort, der tagtäglich<br />
durchquert wird, der lang und ungemütlich ist. Der<br />
Flur liegt im Altbauteil der Schule, einem Plattenbau<br />
aus den 60er Jahren. Er ist 25 m lang, 3,20 m<br />
breit, 3,15 m hoch und erinnerte mit über seinen<br />
9.000 gelblichen Fliesen und 152 quadratischen<br />
beigefarbenen Schließfächern an die Kälte eines<br />
Schlachthauses. Als ich diesen Raum das erste Mal in<br />
einer Mittagspause durchquerte, fielen mir die<br />
Unwirtlichkeit seiner Atmosphäre und das aggressive<br />
lautstarke Verhalten der Schüler/innen ins Auge.<br />
Türen, Schließfächer und Decken waren sogar teilweise<br />
zerstört.<br />
Ich nahm mir vor, gemeinsam mit den Schüler/innen<br />
des damals 8. Jahrgangs an einer Umgestaltung zu<br />
arbeiten, d.h. zunächst Ideen zu sammeln und zu<br />
entwickeln, wie wir diesen Flur gemeinsam verändern<br />
könnten. Der Flur ist ein Ort, der nicht mit dem<br />
Begriff »meine Klasse« »beschlagnahmt“ werden<br />
kann, sondern ein Übergangsraum von der Klasse in<br />
die weitere Schulöffentlichkeit, hier zunächst in<br />
einen gemeinschaftlichen Bereich des 8. Jahrgangs.<br />
Es schien mir für die Lernsituation der Schüler/innen<br />
nicht egal zu sein, was vor ihrer Klassenzimmertür<br />
liegt und sich dort ereignet. Der Flur ist auch ein Ort,<br />
den sie nutzen und an dem sie Zeit verbringen. Ich<br />
hatte die Vision, dass solch ein Flur mehr sein kann,<br />
als ein funktionaler Durchgangsbereich, dass man<br />
ihn so umgestalten müsste, dass sich die Schüler/<br />
innen in ihm wohl fühlen und sich möglicherweise<br />
sogar mit ihm identifizieren können. Bei der gemeinsamen<br />
Entwicklung einer neuen Gestaltungsidee<br />
sollte es aber nicht nur um eine »optische Verschönerung«<br />
gehen, sondern um ein neues und<br />
anderes Nutzungskonzept, in dem die Bedürfnisse<br />
der Schüler/innen aufgegriffen werden.<br />
Einstieg in die Planungsphase – Überzeugungsarbeit<br />
Um die Projektidee den Schüler/innen nahe zu bringen,<br />
war es erst notwendig, den organisatorischen<br />
Teil mit den Lehren/innen abzuklären. Wann und in<br />
welchem Rahmen kann ich in die Klassen gehen?<br />
Wann gibt der Schulalltag die Möglichkeit, mit den<br />
Schüler/innen über das Projekt zu reden, ihnen<br />
meine Idee mitzuteilen und sie nach ihren eigenen<br />
Interessen zu befragen? So kam es von meiner Seite<br />
zu mehreren Unterrichtsbesuchen. Ich begab mich<br />
in die einzelnen Klassen und stellte ihnen das<br />
Konzept vor. Es war anfangs gar nicht so einfach, in<br />
der »instrumentellen« Wirklichkeit der Schule etwas<br />
Neues, Lebendiges zu schaffen. Es geht von einer<br />
Stunde zur nächsten. Lehrerwechsel, Raumwechsel,<br />
Schüler/innengruppenwechsel, meist schon nach 45<br />
Minuten, acht Stunden lang stillsitzen und aufmerksam<br />
sein müssen. Nicht alle gehen gern in die Schule,<br />
teils, weil sie Schwierigkeiten mit dem Lernen<br />
haben, teils, weil sie das Gefühl haben nicht akzeptiert<br />
zu werden. Einigen fehlen die Erfolgserlebnisse. 1<br />
Obwohl die Schüler/innen und die Lehrer/innen<br />
durchaus Interesse an meinen Ideen zeigten, merkte<br />
man doch, dass manche sich etwas Neues nicht so<br />
einfach vorstellen konnten. Die Schüler/innen waren<br />
anfänglich voller Zweifel, ob ich es mit dieser Idee<br />
ernst meinen könnte. Es kam ihnen unglaubwürdig<br />
vor, dass sie nach ihren Interessen und Meinungen<br />
befragt wurden. Sie konnten sich zunächst gar nicht<br />
vorstellen, dass es möglich sein sollte und dass sich<br />
jemand dafür interessierte, ihre Lernumgebung zu<br />
verändern. Auch die Lehrer/innen waren zunächst<br />
sehr skeptisch: »Das wird nicht lange in Ordnung<br />
bleiben.« oder »Die machen doch alles kaputt, was<br />
außerhalb ihrer Klassenzimmer ist.« waren Aussagen,<br />
die ich in der ein oder anderen Form damals<br />
häufiger hörte.<br />
Erste Projektphase, Planung – Platz für Neues<br />
schaffen<br />
Als erstes stand die Planung im Vordergrund, da ja<br />
fünf Klassen mit entscheiden sollten und es für mich<br />
wichtig war, dass sie sich ernst genommen fühlten.<br />
Um den Flur besser vor Augen zu haben, sahen wir<br />
ihn uns bewusst an. Ich ließ die Schüler/innen den<br />
Flur vermessen und eine herausfordernde Aufgabe<br />
war es dabei, die Fliesen zu zählen. Die teilweise<br />
kaputten Schließfächer waren nicht gerade aufbauend<br />
und es gab Kleiderhaken, die meistens leer<br />
blieben. Mehr und mehr Kinder entdeckten dabei<br />
den Reiz der Idee, den Flur zu verändern, dass die<br />
Dinge nicht selbstverständlich sein mussten, wie sie<br />
waren und dass auf manches verzichtet werden<br />
konnte, um Platz für Neues zu schaffen. Die<br />
Schüler/innen zeichneten die ersten Entwürfe und<br />
brachten Ideen ein, die teilweise durchaus originell<br />
waren. Schwarzlicht, »alles in Schwarz«, Skaterbahn,<br />
Teppichboden und Kuschelecken >sie würden<br />
dafür auch die Schuhe ausziehenkleinen<br />
Verschönerungsaktivitäten< nichts Wesentliches zu<br />
bewirken war. Es gab Zeiten, in denen ich grundsätzlich<br />
daran zweifelte, ob solch ein unwirtlicher<br />
Raum unter den finanziellen Voraussetzungen<br />
überhaupt zu verändern wäre, er wirkte so lang<br />
und abstoßend.<br />
Je länger ich mich mit dem Problem beschäftigte,<br />
die Situation und die Aufgabe vor meinen Augen<br />
und in meiner Erinnerung mit mir herumtrug, desto<br />
klarer wurde meine Entscheidung, diesem Flur eine<br />
grundsätzliche neue Gestalt zu geben und nicht nur<br />
eine kostengünstige ästhetische Verschönerung zu<br />
betreiben. Hierzu war allerdings eine Baumaßnahme<br />
erforderlich, für die prinzipiell bislang keine<br />
finanziellen Ressourcen vorhanden waren. Es schien<br />
ziemlich unrealistisch, Energie in eine Idee zu investieren,<br />
die möglicherweise gar nicht realisiert werden<br />
konnte. Dennoch trieb mich etwas voran und<br />
ich ließ mich von den vielfältigen praktischen<br />
Hinderungsgründen nicht abschrecken. Angeregt<br />
von einigen Ideen der Schüler/innen und vor dem<br />
Hintergrund meiner eigenen künstlerischen Gestaltungspraxis,<br />
wuchs meine Idee von einer möglichen<br />
neuen Gestalt dieses Flurs in meiner Vorstellung und<br />
ich begann spontan mit dem Bau eines maßstabgerechten<br />
Modells. Die Schränke mussten beseitigt, die<br />
Kleiderhaken, die doch keiner benutzte, aus Angst,<br />
dass etwas wegkam, konnten abmontiert werden,<br />
die Fliesen mussten überputzt und der Flur gestrichen<br />
werden …<br />
25<br />
An den Wänden sollten Bänke angebracht werden,<br />
die zum Verweilen und zur Kommunikation einladen.<br />
Bänke und Wände sollten mit weichen
Unwirtlichkeit oder Zugehörigkeit<br />
Unwirtlichkeit oder Zugehörigkeit<br />
26<br />
geschwungenen Formen gestaltet werden, die der<br />
geometrischen Rechtwinkligkeit des Raumes eine<br />
neue Lebendigkeit entgegensetzen würden. Die<br />
Farben sollten kräftig und warm sein. Spiegelmosaike<br />
sollten den pubertierenden Schüler/innen<br />
die Möglichkeit geben, sich selbst zu betrachten,<br />
aber auch Lichtreflektionen im Raum einfangen<br />
und den Raum optisch vergrößern. Die Klassenzimmertüren<br />
sollten von den Schüler/innen mit<br />
selbstentworfenen Zeichen gestalteten die jeweilige<br />
Klassenidentität zum Ausdruck bringen. Eine<br />
Pinnwand sollte als Austauschplattform dienen. Ich<br />
ging mit dem Modell in die Schule und besprach es<br />
zunächst mit der Projektinitiatorin Frau Doktor<br />
<strong>Birgit</strong> <strong>Engel</strong> und der Schulleiterin Frau Braun, die<br />
beide spontane Begeisterung für eine so grundsätzliche<br />
Umgestaltung zeigten, was mich wiederum<br />
dazu motivierte, weitere formale Hürden abzuklären.<br />
Ich lud die städtischen Vertreter der Schulbauaufsicht<br />
und des Brandschutzes ein, um ihnen das<br />
Projekt – an Hand des bestehenden Flurs und meines<br />
Modells – vorzustellen. Es gelang mir, sie zu<br />
überzeugen, dass eine solche bauliche Veränderung<br />
möglich ist und wir konnten klären, welcher Putz<br />
erlaubt ist, wo Bänke aufgestellt werden können<br />
und ob die Materialien nicht zu leicht entflammbar<br />
sind usw.<br />
Als die ersten Hürden genommen waren, ging ich<br />
mit dem fertigen Modell wiederum in jede einzelne<br />
Klasse des 8.Jahrgangs und stellte meinen Entwurf<br />
zur Diskussion vor. Die Schüler/innen zeigten sich an<br />
dem Modell, mit dem sie sich nun bildhaft eine<br />
andere mögliche Gestalt ihres Flures vorstellen<br />
konnten, sehr interessiert und die Projektidee<br />
gewann bei ihnen ein neues Stück Glaubwürdigkeit.<br />
Dennoch gab es nicht nur Zustimmung, das<br />
Grundkonzept kam zwar an, aber die Schüler/<br />
innen äußerten auch Unzufriedenheiten und neue<br />
Wünsche, da ihnen das Modell zu farbig war, ihnen<br />
einiges zu kindlich und zu harmonisch erschien. Ich<br />
griff Vorschläge für die farbliche Veränderung auf.<br />
So beschlossen wir, dass die Türrahmen dunkelblau<br />
werden sollten, die Türen nach außen weiß und die<br />
Motive darauf dunkelblau, die 4 Bänke dunkelrot,<br />
und der Farbton der Wände ein Lachston sein sollte.<br />
Danach kam das »Warten«, ob es gelingen würde,<br />
den finanziellen Rahmen für das Projekt zu klären.<br />
Einige der Schüler/innen zeigten sich inzwischen<br />
aktiv interessiert und gaben ein offizielles<br />
Statement an die Schulleitung weiter: »Wir Schüler<br />
und Schülerinnen des 8. Jahrgangs finden es gut,<br />
dass unser Jahrgangsflur neu gestaltet werden soll.<br />
In dem jetzigen Flur ist es total langweilig und<br />
ungemütlich, so dass wir uns hier nicht gerne aufhalten<br />
und wir uns dort auch nicht wohl fühlen. Wir<br />
wollen, dass Frau Künkeles Ideen in unserem<br />
Jahrgangsflur umgesetzt werden, weil wir denken,<br />
dass eine freundliche Umgebung sehr wichtig ist.<br />
Damit dieses schöne Projekt nicht am Geld scheitert,<br />
erklären wir uns bereit, an der Gestaltung<br />
unseres Flurs mitzuarbeiten. Wir wollen als Schüler/<br />
innen des 8. Jahrgangs unseren Teil dazu beitragen,<br />
dass die Räumlichkeiten des Jahrgangs neu gestaltet<br />
werden. Da es wahrscheinlich trotzdem Geld<br />
kosten wird, bitten wir alle Verantwortlichen, ihren<br />
Teil dazu beizutragen.«<br />
Durch die aktive Mitwirkung von Projektinitiatorin<br />
und Schulleitung, die sich um die Finanzierung aus<br />
unterschiedlichen Quellen bemühten, kam es nach<br />
einigem Warten zur Zusage, so dass wir das Projekt<br />
starten konnten.<br />
Zweite Projektphase – ein Sportfest und andere<br />
Hürden<br />
Um das Projekt umzusetzen, musste nun Zeit und<br />
eine Arbeitsform gefunden werden, die es möglich<br />
machte, dass alle fünf Klassen einbezogen werden<br />
konnten. Die Projektarbeit sollte eine wichtige und<br />
symbolische Aktivität werden, an der der ganze<br />
Jahrgang teilhaben sollte, um allen das Erlebnis zu<br />
vermitteln, was es bedeutet, die Schritte der<br />
Veränderung aktiv zu gestalten und zu begleiten.<br />
Leider war schnell ersichtlich, dass nicht alle<br />
Schüler/innen im Flur mitarbeiten konnten, sondern<br />
aus den einzelnen Klassen sich Gruppen von<br />
8 - 10 Schüler/innen zusammen finden mussten.<br />
Mit der Projektinitiatorin und den Lehrer/innen des<br />
Jahrgangs einigten wir uns auf die Möglichkeit, die<br />
Flurumgestaltung im Rahmen einer geplanten<br />
Projektwoche durchzuführen. Obwohl im Vorfeld<br />
die Arbeitsform gut durchdacht erschien, traten<br />
Widrigkeiten auf, die nicht von den Schüler/innen<br />
kamen, sondern von organisatorischer Seite.<br />
Obwohl mit den Lehrer/innen abgesprochen worden<br />
war, diese Woche, die kurz vor den Sommerferien<br />
lag, frei zu halten, waren um diese Tage<br />
herum eine Vielzahl an weiteren Aktivitäten<br />
geplant, wie Ausflüge, ein Sportfest usw. Es war<br />
schwierig, zu koordinieren, wann welche Klasse an<br />
der Arbeit teilnehmen konnte und wann die Klassen<br />
ganz gezielt für die Woche aufgeteilt werden mussten.<br />
Eine Klasse konnte dann gar nicht mitmachen,<br />
weil die Lehrerin den verabredeten Tag komplett<br />
verplant hatte. Eine andere Klasse sprang zum<br />
Glück ein. So war es für mich als Projektleiterin<br />
manchmal nicht ganz nachvollziehbar, ob die<br />
Lehrer/innen sich im Klaren darüber waren, was<br />
alles in der Woche zu leisten war und dass ich auf<br />
ihre Zusammenarbeit angewiesen war. Anerkennend<br />
kann ich feststellen, dass die beteiligten<br />
Schüler/innen sehr ausdauernd waren, das geplante<br />
Ziel zu erreichen.<br />
Die Projektwoche – Ideen werden Wirklichkeit<br />
Dies war eine Zeit, in der die Schüler/innen direkt<br />
erleben konnten, wie sie mit ihrem Einsatz den<br />
neuen offenen Raum zusammen veränderten. Sie<br />
erlebten, dass die Ideen, die im Modell steckten, und<br />
die wir nun in gemeinsamer Arbeit umsetzen, wirklich<br />
Gestalt annahmen.<br />
Der Flur, der an Weite gewonnen hatte, wurde<br />
durch die Wellenform, die die Wände in ein Oben<br />
und Unten aufteilte, aus der starren Geometrie<br />
gebracht. Der Farbton und die Art des Aufbringens<br />
war für die Schüler/innen eine Herausforderung,<br />
denn ein Lasurauftrag muss zügig durchgeführt<br />
werden, damit der Gesamteindruck nicht durchbrochen<br />
wird. Es ging dann nicht mehr darum wer mit<br />
wem am liebsten zusammen arbeiten möchte, sondern<br />
das gemeinsame Ziel zu erreichen. Jeden<br />
Morgen mussten Arbeiten verteilt werden: Wer<br />
klebt ab, wer lackiert die Türen, wer kann streichen,<br />
wer möchte die Spiegelmosaike freilegen, wer<br />
möchte die Pinnwände bearbeiten. Es gab<br />
Arbeiten, die mit einem schnellen Erfolg belohnt<br />
wurden, andere brauchten Ausdauer, oder waren<br />
wie, Putzen und Aufräumen, eher nervig, aber es<br />
27
Unwirtlichkeit oder Zugehörigkeit<br />
Unwirtlichkeit oder Zugehörigkeit<br />
gab auch Schüler/innen, die auch dies gerne taten.<br />
Die einzelnen Arbeitsschritte mussten innerhalb<br />
eines engen Zeitrahmens fertig werden. Dies war für<br />
manchen im Schulgeschehen ungewohnt, da es ja<br />
über Farbe, Farbauftrag/Lasur geeinigt: Türrahmen<br />
dunkelblau, Türen zum Flur hin weiß und<br />
in den Raum dunkelblau, Türmotive dunkelblau,<br />
Wände im unteren Bereich in einem Lachston<br />
lasiert, der obere Bereich sollte weiß blieben, damit<br />
diese Flächen für die <strong>Kunst</strong>lehrer/innen für Präsentationen<br />
genutzt werden können.<br />
Die Bänke<br />
28<br />
den bekannten Stundentakt gibt und durch das<br />
Klingeln die Arbeit nicht sachorientiert, sondern formal<br />
organisiert ist. Man wandert einfach zum nächsten<br />
Unterrichtsraum weiter. Bei uns wurde gegen<br />
diesen Rhythmus an der Sache weiter gearbeitet,<br />
wobei wir natürlich auch Pausen machten. Jeder<br />
Tag brachte für die tätigen Schüler/innen und jene,<br />
die in den Pausen das Werk betrachteten, Neues<br />
mit sich. Am Anfang war es für sie auch nicht so einfach,<br />
sich das Ganze vorzustellen. Wir hatten uns<br />
Als die Wände soweit fertig waren, konnten die in<br />
Auftrag gegebenen vier weinroten Bänke direkt an<br />
den Wänden befestigt werden. Ihre Form war passend<br />
zum Raumkonzept ebenfalls geschwungen,<br />
um dadurch die geometrisierten rechtwinkligen<br />
Sehgewohnheiten zu durchbrechen. Die Bänke hatten<br />
zuerst keine Stützen, sondern die Rückenlehne<br />
ging bis zum Boden, da die Putzkolonnen darauf<br />
bestanden hatten, dass es für sie arbeitsgerecht bleiben<br />
musste. Es war<br />
gut zu erleben, wie<br />
die Bänke von vielen Schüler/innen positiv aufgenommen<br />
wurden. Durch die Art und Weise, wie sie<br />
entworfen waren, kam es bei einer Bank anfänglich<br />
zu einer leichten Unstabilität in Form eines leichten<br />
Knarrens, da mehr Schüler/innen als gedacht Platz<br />
darauf nahmen. So erhielten alle Bänke noch kleine<br />
Stützen. Hierbei war es spannend zu beobachten,<br />
wie verschieden die Schüler/innen damit<br />
umgingen: Die einen waren besorgt und einige<br />
wollten den Hörtest weiter erproben.<br />
Großaktion Fußleisten – ein Happening<br />
Diese Aktion wurde zu einem wahren Happening,<br />
da hierfür die auf Maß gesägten Leisten – zwischen<br />
250cm - 300cm Länge, mit Acrylmasse bespritzt –<br />
20 Minuten an die Wände gepresst werden mussten.<br />
Wie sollte das gehen? Um das Vorhaben zu realisieren,<br />
kam mir die Idee, dass die Schüler/innen<br />
gemeinsam diese Aufgabe übernehmen sollten.<br />
Jahrgangsübergreifend saßen dann bis zu 20<br />
Schüler/innen – mit sichtbarer Freude – auf dem<br />
Boden, um mit ihren Füßen gegen die Leisten Druck<br />
auszuüben. Glücklicherweise gab es Lehrer/innen,<br />
die mir spontan auch aus den anderen Klassen weitere<br />
Schüler/innen zur Verfügung stellten, denn mit<br />
der kleinen Gruppe wäre dies kaum möglich gewesen.<br />
Hier war auch interessant zu erleben, dass Zeit<br />
etwas sehr Subjektives ist, und wahrzunehmen, wie<br />
viel Ausdauer manchen Schüler/innen abverlangt<br />
wurde, »die Zeit abzusitzen«. Aber alle ließen sich<br />
bereitwillig darauf ein, auch wenn dabei einige<br />
Antipathien überwunden werden mussten, denn<br />
durch meine Organisation saßen ab und an<br />
Schüler/innen, die sich sonst wohl nicht freiwillig in<br />
eine solche Konstellation brachten, nebeneinander.<br />
Aber auch diese Schwierigkeiten ließen sich lösen<br />
und die Schüler/innen hatten Spaß dabei.<br />
Ist Partizipation möglich? –<br />
Die Entscheidungsfindung für die Türmotive<br />
Für die Motivfindung hatte sich aus jeder Klasse<br />
eine Gruppe von 3-4 Schüler/innen gebildet, um<br />
ihre Ideen und Entwürfe später ihren Mitschüler/<br />
innen vorzustellen und mit diesen zu besprechen. Ich<br />
hatte zuvor in jeder Klasse erklärt, dass sie ihr eigenes<br />
Motiv oder Zeichen finden sollten, da dies eine<br />
Möglichkeit zur Identifikation ermöglicht. Gewisse<br />
allgemeinverbindliche Absprachen wurden dabei<br />
im Vorfeld getroffen: keine Zahlen, da die sich ja<br />
jedes Jahr verändern würden, keine Werbezeichen<br />
(Nike, Puma, Fußballinitialien usw.). Zwei Klassen<br />
fanden chinesische Schriftzeichen gut, und bei den<br />
anderen geschah etwas Merkwürdiges, wohl aus<br />
einem Wortmissverständnis heraus. Anstelle von<br />
Zeichen/Motiv oder Symbol verstanden sie<br />
Zeichnung oder Karikatur und nun kam es zu<br />
einem Ringen um das Motiv. Eine Klasse hatte einen<br />
Klodeckel entworfen mit einem Teufelchen, das den<br />
nackten Hintern zeigte, eine andere Klasse einen<br />
Samuraikämpfer mit mehreren Schwertern, weil sie<br />
sich in der Schule so empfinden. Manche Kleingruppe<br />
war ganz pfiffig und bezog die Lehrer/innen<br />
mit ein, diese hatten auch nichts dagegen. Jenen<br />
war aber nicht klar, wie groß das Motiv später sein<br />
würde und dass es auf der Flurseite angebracht<br />
werden sollte. So begann ein erneuter Gang durch<br />
diese Klassen, und ich bemühte mich um eine<br />
Klärung, dass dieses Motiv nicht nur mal soeben da<br />
29
Unwirtlichkeit oder Zugehörigkeit<br />
Unwirtlichkeit oder Zugehörigkeit<br />
30<br />
sein würde, sondern sie die nächsten Jahre begleiten<br />
wird. Darüber hinaus sollte ein Motiv gewählt werden,<br />
mit dem alle einverstanden waren und das<br />
nicht nur eine kleine Gruppe ausgeheckt hatte. Die<br />
Schüler/innen und Lehrer/innen akzeptierten meine<br />
Argumente. Später wurden die einzelnen Motive<br />
über einen Overheadprojektor an die jeweilige Tür<br />
Abschließende Betrachtungen – Es ist möglich!<br />
Insgesamt hat diese Aktion in der Schule ein positives<br />
Zeichen hinterlassen, und etwas, das zu Beginn<br />
als kaum lösbar erschien, wurde möglich. Es wurde<br />
erlebbar, dass in dem gemeinsamen Tun und<br />
Erleben der Ortsveränderung sich die Schüler/innen<br />
ernst genommen fühlten. Mein anfängliches Ziel<br />
jedenfalls, mit den Schüler/innen einen neuen<br />
Lebensraum zu schaffen, hatte sich durch viele<br />
Hindernisse hindurch realisiert. Auch Lehrer/innen,<br />
die Anfangs dem Ganzen etwas skeptisch gegenüber<br />
gestanden hatten, waren angesichts des<br />
Ergebnisses positiv überrascht. Es ist etwas<br />
mit dem neuen Angebot des Flures umgegangen<br />
wird, kann man nicht einfach beantworten, da es<br />
ein Ort ist, an dem täglich ca. 150 Schüler/innen Zeit<br />
verbringen. Ob diese Schüler/innen und nachfolgende<br />
Klassen dieses Angebot längerfristig als Beitrag<br />
wahrnehmen werden, einen anderen Bezug zum<br />
Lernort zu bekommen und zu erleben, wird sich in<br />
der Zukunft erweisen. Unmittelbar wahrnehmbar<br />
schien für mich, dass sich alle Schüler/innen in dem<br />
neu geschaffenen Raum wohler fühlten. Ich kann<br />
nicht erwarten, dass die entstandene Lösung alle<br />
Vorstellungen einbezieht, aber ich denke, dem größeren<br />
Teil der Schüler/innen und Lehrer/innen wird<br />
es gut tun.<br />
31<br />
projiziert, mit Edding nach gezeichnet und mit der<br />
dunkelblauen Lackfarbe ausgemalt. Die Schüler/<br />
innen waren hier besonders stolz auf die fertigen<br />
Werke.<br />
Jedenfalls war die veränderte Wirkung dieses Flurs<br />
der Anlass für ein weiteres Jahrgangsteam von<br />
Schüler/innen und Lehrer/innen, mich und die<br />
Projektinitiatorin Dr. <strong>Birgit</strong> <strong>Engel</strong> darum zu bitten,<br />
die Umgestaltung auch ihres Flures in die Hand zu<br />
nehmen. So wurde inzwischen ein weiterer Flur mit<br />
mir künstlerisch umgestaltet und in der Folge auch<br />
ein dritter Flur von der Künstlerin Katerina Mourati<br />
sowie in Gemeinschaftsarbeit ein Treppenhaus.<br />
1 Vgl. Künkele, Andrea: Unwirtlichkeit oder Zugehörigkeit,<br />
in: <strong>Engel</strong>, B. (Hrsg.) Schule als <strong>Kunst</strong>ort – Über den Beginn eines<br />
künstlerischen Schulentwicklungsprojekts, Bielefeld 2005<br />
(frauenkunstforum-owl e.V.)<br />
Besonderes, wenn nicht nur im eigenen Klassenzimmer<br />
und durch ein paar neue Bilder an den<br />
Wänden Veränderungen stattfinden, sondern im<br />
großen Stil Dinge bewegt werden. Die Frage, wie
»Spuren« Ein interkulturelles KonzeptArt Projekt<br />
»Spuren« Ein interkulturelles Konzept<br />
»Spuren« Ein interkulturelles KonzeptArt Projekt<br />
Schüler/innen eines 7. Jahrgangs an der Bertolt- Brecht- Gesamtschule Löhne<br />
Projektleitung<br />
Katerina Mourati<br />
Bildende Künstlerin<br />
32<br />
Von September 2006 - Januar 2007<br />
arbeitete ich an der Bertolt-Brecht<br />
Gesamtschule Löhne wöchentlich mit<br />
je zwei Gruppen des 7. Jahrgangs an<br />
der künstlerischen Gestaltung eines<br />
Jahrgangsflurs.<br />
Als ich das Projekt »Spuren« angefangen<br />
habe, hatte ich etwas anderes<br />
in meinem Kopf als das, was sich später entwickelt<br />
hat. Am Ende des Projektes habe ich etwas<br />
Wichtiges festgestellt. Wenn man mit Kindern<br />
künstlerisch arbeitet und man möchte den Kindern<br />
alle Freiheiten im Namen der <strong>Kunst</strong> erlauben, dann<br />
sollte man von Anfang an flexible Vorstellungen<br />
haben und auch keine streng festgelegten<br />
Erwartungen. Die Dynamik in einem Schulprojekt<br />
entsteht durch »menschliche Seelen« und man kann<br />
und darf auch nicht über diese »Seelen« hinweg<br />
planen. Man kann nur eine Richtung vorgeben in<br />
einer weichen Art, so dass die Kinder fast gar nicht<br />
merken, dass eine Richtung vorgegeben worden ist.<br />
Zugleich muss man bereit sein, beim Leiten die<br />
Richtung zu spüren, in die einen die Kinder führen.<br />
Es ist ein Austauschprozess, der auf einer Ebene passiert,<br />
die unsichtbar und nur spürbar ist.<br />
Meine Idee im Rahmen der Ausschreibung<br />
»migrARTE« des fkf-owl e.V. >Transnationale<br />
schulische Räume<<br />
Im Rahmen des Projektkonzepts »Schule als<br />
<strong>Kunst</strong>Ort« werden Künstlerinnen damit beauftragt,<br />
eine künstlerische Antwort auf eine bestimmte<br />
Situation oder einen bestimmten Ort in der Schule<br />
zu entwickeln. Meine Idee war die folgende:<br />
Die Persönlichkeit des Menschen ist ein Ergebnis von<br />
»Spuren«. Sein Verhalten ist ein Ergebnis von<br />
Erfahrungen und Umgebungen. In einer jeden<br />
Umgebung gibt es Menschen, Objekte, Dokumente,<br />
die in ganz besonderer Weise Einfluss nehmen, so<br />
dass sie niemals vergessen werden. Sichtbare und<br />
unsichtbare Dinge berühren einen und hinterlassen<br />
ihre Abdrücke, ihre »Spuren«. In dem künstlerischen<br />
Projekt »Spuren« wollte ich gemeinsam mit<br />
Schüler/innen aus dem 7. Jahrgang nach ihren alltäglichen<br />
Spuren suchen und sie dabei unterstützen,<br />
diese in künstlerischer Weise zum Ausdruck zu bringen.<br />
Unser »sichtbares« Material sollten Objekte,<br />
Dokumente, Fotos, Fotokopien und andere<br />
Materialien sein, die dazu geeignet sind, »unsichtbare<br />
Dinge«, wie Gefühle oder Träume symbolisch<br />
bzw. als Ideogramme wahrnehmbar und mitteilbar<br />
zu machen.<br />
Ziel des Projektes war die Motivationsstärkung<br />
sowie die Stärkung des Selbstbewusstseins und der<br />
Selbstsicherheit durch Erweiterung der Ausdruckfähigkeit,<br />
die Verbesserung der nonverbalen<br />
Kommunikationsfähigkeit und als Ergebnis die<br />
künstlerische Gestaltung eines gemeinsamen<br />
Raums, des Jahrgangsflurs. Im Verlauf des Projektes<br />
sollte eine kollektive Installation entstehten, die sich,<br />
wenn möglich, über die Jahre weiterentwickelt und<br />
zugleich vergangene Spuren lebendig erhält.<br />
Entwicklung der Idee<br />
Während der Realisierung des Projektes sind neue<br />
Perspektiven entwickelt worden, die vorher<br />
»unsichtbar« trotz meiner Erfahrung waren. Dank<br />
der Flexibilität der Schüler/innen und unserer<br />
gemeinsamen Improvisierungen können heute alle,<br />
die am Schulleben beteiligt sind, den Schulflur als<br />
Lebensraum genießen und beleben. Die Momente,<br />
die eine wichtige und entscheidende Rolle bei dieser<br />
Entwicklung spielten, erzähle ich im Weiteren aus<br />
meiner Erinnerung.<br />
Mein erstes Erscheinen in den Klassen<br />
Frau Dr. <strong>Engel</strong> wollte mich bei den Schülern/innen<br />
vorstellen und als wir in die Klasse treten, herrscht<br />
eine sehr lebendige Atmosphäre. Der Lehrer hält in<br />
einer seiner Hände eine leere Gummibärchen-Tüte<br />
und sagt: »Und etwas wie das gehört nicht in den<br />
Flur!« Er macht eine Bewegung, um die Tüte in den<br />
Müll zu werfen. »Nein, nein sie gehört in den Flur,<br />
wir werden <strong>Kunst</strong> damit machen!« rufe ich, ohne<br />
mich vorzustellen. Frau Dr. <strong>Engel</strong> und der Lehrer<br />
lachen sympathisch und zwischen den Schülern und<br />
Schülerinnen herrscht weiterhin Unruhe und Lachen<br />
und wahrscheinlich auch der Gedanke «was sagt sie<br />
uns jetzt?«. Ich stellte mich nun vor und begann von<br />
meinen Ideen zu dem Projekt »Spuren« zu erzählen.<br />
Als erstes wollten wir <strong>Kunst</strong>werke aus Müll für den<br />
Flur gestalten. Die Idee entstand aus der geschilderten<br />
Situation, also wegen meiner schnellen Reaktion<br />
und meiner Ansicht, dass Müll sehr gut zum Thema<br />
»Spuren« passt. Die Fragen der Schüler/innen<br />
kamen wie ein Regenguss über mich und als ich<br />
fragte, wer sich anmelden möchte, gab es wesentlich<br />
mehr interessierte Schüler/innen, als wir, Frau<br />
<strong>Engel</strong> und ich, erwartet hatten.<br />
Auf diese Weise, in verschiedenen Variationen, habe<br />
ich das Projekt in den Klassen vorgestellt. Eigentlich<br />
sollten aus jeder Klasse nur vier bis fünf Schüler/<br />
innen teilnehmen, aber ich konnte nicht nein sagen<br />
und habe viel mehr genommen, weil sie so gespannt<br />
auf das Projekt und das Thema »Spuren« waren. So<br />
wurden aus 24 Schüler/innen 34, die ich in zwei<br />
Gruppen einteilte.<br />
Die Partyspuren<br />
Ich erinnere mich an die Tage, an welchen jedes<br />
Stück Müll von uns als ein kleines <strong>Kunst</strong>werk<br />
betrachtet worden ist. Reste von Gummibärchen,<br />
Chips und Schokoladen- Tütchen, alte CDs<br />
Flaschenkorken, Reste von Zigaretten, alles lag auf<br />
unserem Arbeitstisch und die Frage war »Wie arbeite<br />
ich mit Raum und Proportionen auf den großen<br />
Tafeln, 50cm x 200cm, die ich vor mir habe« eigentlich<br />
bekannte Fragen, aber …<br />
33
»Spuren« Ein interkulturelles KonzeptArt Projekt<br />
»Spuren« Ein interkulturelles Konzept<br />
»Spuren« Ein interkulturelles KonzeptArt Projekt<br />
Nach zwei Wochen konnten wir die ersten Bilder<br />
aufhängen. Die Schüler/innen trugen sehr vorsichtig<br />
und mit viel Gefühl die schweren Bilder vom<br />
<strong>Kunst</strong>raum, aus der 2. Etage nach unten in den<br />
Jahrgangsflur, in das Erdgeschoss, Lehrer/innen und<br />
Hausmeister waren beteiligt an diesem Prozess. Die<br />
Schüler/innen führten beim Nageln interessante<br />
Dialoge:<br />
34<br />
35<br />
»Ja, Frau Mourati, wir haben geklebt und<br />
geschnitten und mit Farben gearbeitet aber<br />
etwas stimmt nicht.«<br />
»Ja ich sehe das auch so.«<br />
Auch wenn man gut mit Raum, Proportionen und<br />
Farbe gearbeitet hat, reicht es nicht. In solch einer<br />
Art von Werk gibt es immer eine Lücke. Die Frage<br />
ist: Wie schaffst du es zu einem künstlerischen Ergebnis<br />
zu kommen, welches ist diese letzte Detail,<br />
die letzte Berührung, die ein Objekt zum <strong>Kunst</strong>werk<br />
macht? Wann kannst du endlich sagen, ich bin fertig?<br />
Ich hatte Faden, Aluminium und Baumwolle mitgebracht<br />
und dann fing die kreative Arbeit an.<br />
Nach vielen Gesprächen und visuellen Experimenten<br />
sind Kollagen und Assemblagen geschaffen worden,<br />
sehr attraktive und lebendige, die mit<br />
Aluminium oder Baumwolle am Rand gestaltet<br />
worden sind.<br />
»Man ist fertig, wenn das Bild in die eigenen<br />
internen tiefen visuellen Vorstellungen passt. Das<br />
Bild ist fertig, das Bild passt mir, das Bild war<br />
schön in mir.«<br />
Der Flur<br />
Nachdem die ersten Schritte getan waren, bestand<br />
unser nächster Schritt darin, uns für eine neue Farbe<br />
für den Flur zu entscheiden, bevor die Bilder aufgehängt<br />
würden. Die Meinungen, zur Farbauswahl,<br />
waren sehr vielfältig und sehr verschieden. Aus<br />
praktischen Gründen sollte der Flur nicht zu bunt<br />
gestrichen werden. Nach vielen Gesprächen fassten<br />
wir folgenden Entschluss: Unten dunkelrot, oben<br />
hellgelb und in der Mitte ein weißer, dicker Streifen,<br />
in dem jeder mit schwarzer Farbe seinen Namen<br />
schreiben konnte. So hatte jeder die Möglichkeit mit<br />
seiner Unterschrift eine Spur seiner Anwesenheit in<br />
der Schule hinterlassen. Die Schüler/innen waren<br />
begeistert, im Flur zu arbeiten und wie selbstverständlich<br />
kamen auch Schüler/innen, die nicht an<br />
dem Projekt teilgenommen haben und auch sie<br />
griffen sich einen Pinsel, um ihren Namen zu schreiben.<br />
Alle genossen es, ihren eigenen Namen auf die<br />
Wand oder die Namen ihrer Freunde zu schreiben.<br />
»Was ist denn das?«<br />
»Das ist eine Assemblage.«<br />
»Was ist eine Assemblage? Das ist nur Müll.«<br />
»Komm, du hast keine Ahnung von <strong>Kunst</strong>, das<br />
war Müll, aber jetzt ist es <strong>Kunst</strong>.«<br />
Etwas das wir Wollen<br />
Nach diesem kreativen »Wandschreiben« arbeiteten<br />
wir wieder im <strong>Kunst</strong>raum. Seit langem hatte ich<br />
mit den Schülern/innen über meine Ausgangsidee<br />
gesprochen und über die Materialien, die sie von zu<br />
Hause mitbringen sollten: alte Familienfotos,<br />
Dokumente, alte Fahr- und Flugkarten eben<br />
Erinnerungsobjekte. Daraus sollten sie Assemblagen<br />
schaffen, die mit ihrer Geschichte zu tun hatte und<br />
alles das genau wie die Partyspuren bearbeiten.<br />
Leider hatte kein Schüler und keine Schülerin etwas<br />
mitgebracht und dank des höflichen Angebots<br />
zweier Lehrer/innen, die Fotokopien und das<br />
gefragte Material mitgebracht hatten, hatten wir<br />
jetzt überhaupt Material.<br />
»Frau Mourati, ich möchte nicht mehr so arbeiten.«<br />
»Ja, ich auch, warum sollen wir was über unsere<br />
Geschichte erzählen, das geht niemanden etwas<br />
an.«<br />
»Wir möchten mit den Pinseln auf die Tafeln<br />
malen. Es gibt noch viele leere Wände im Flur.«<br />
» Okay! Pause! Stuhlkreis! Ich höre Vorschläge.«<br />
»Wir möchten mit Pinseln malen.«<br />
»Wir möchten über die Liebe malen.«<br />
»Sie haben uns gesagt, dass wir die alten Bänke,<br />
die im Schuleingang stehen, anmalen sollten.«<br />
»Okay! Die Liebe, die Freundschaft und die<br />
Länder.<br />
Alles zusammen auf die Tafeln, aber alles muss so<br />
geplant und gedacht werden, dass es zu den Partyspuren<br />
genau wie zum Namenschreiben passt. Der<br />
Flur muss ein Ganzes sein, das von den verschiedenen<br />
Bildern bestimmt wird, aber diese Bilder sollen<br />
etwas Gemeinsames haben, aber was könnte das<br />
sein. Mit welchen Materialen ist der Flur zu gestalten?«<br />
»Aluminium! An den Rändern der Tafeln soll wieder<br />
Aluminium kommen!«<br />
»Und was ist mit den Möbeln?«<br />
»Wenn die Wände erstmal voll sind, verspreche<br />
ich euch, dass wir die Möbel bemalen.«
»Spuren« Ein interkulturelles KonzeptArt Projekt<br />
»Spuren« Ein interkulturelles Konzept<br />
»Spuren« Ein interkulturelles KonzeptArt Projekt<br />
36<br />
Die Liebe<br />
Zum Thema Liebe kamen wir so:<br />
Meine Kollegin Andrea Künkele<br />
hatte mit Schülern/innen einen anderen<br />
Flur und ein Treppenhaus gestaltet.<br />
Ich sollte mit den Schülern/innen<br />
meines Projektes auch noch den<br />
Schuleingang gestalten. Unser Ziel<br />
war es, eine Bindung zwischen den<br />
beiden verschiedenen Konzepten,<br />
Andreas und meinem, zu schaffen.<br />
Dies gelang uns durch die Farbauswahl.<br />
Ich hatte zuvor die Schüler/<br />
innen eingeladen und nach ihren<br />
Meinungen und Ideen gefragt.<br />
»Ich würde gerne ein großes Herz<br />
im Schuleingang malen.«<br />
»Und dann das Wort Liebe in allen<br />
Sprachen.«<br />
»Und dann ein verliebtes Paar im<br />
Sonnenuntergang.«<br />
»Und dann wieder an dem Rand<br />
Aluminium.«<br />
37<br />
Die Wände waren bald künstlerisch gestaltet und<br />
außer den neuen Bildern wurden noch runde Tafeln,<br />
die grün gestrichen wurden, um als Informationstafeln<br />
von Lehrern/innen und Schülern/innen genutzt<br />
zu werden, aufgehängt.<br />
Die Möbel<br />
Dann kam die Zeit, in welcher ich mein Versprechen<br />
über die Möbel einlösen musste. Das Versprechen<br />
hatte ich jedoch geäußert, ohne wirklich zu wissen,<br />
was es für mich bedeuten würde. Meine Leidenschaft<br />
für die Kreativität bringt mich manchmal zu<br />
Entscheidungen, die ich mir gründlicher überlegen<br />
sollte. Tatsächlich war es so unglaublich viel Arbeit,<br />
aber gleichzeitig war es auch für alle Beteiligten ein<br />
großer Genuss.<br />
Wir haben alte Tische vom Dachboden getragen,<br />
wir haben sie geschliffen, genau wie zwei Bänke, die<br />
schon im Flur standen, wir haben sie mit Grundierfarbe<br />
gestrichen und dann sollte jede Gruppe von je<br />
vier Schülern/innen ein Konzept für einen der Tische<br />
entwickeln. Auf die Bänke haben die Schüler/innen<br />
mit Filzstiften gezeichnet und dann wurden sie mit<br />
Glanzlack lackiert. Jeder Schüler oder Schülerin, der<br />
oder die während der Pause vorbei kam, hat seinen<br />
Name oder eine Liebesnachricht auf eine der Bänke<br />
geschrieben.<br />
»Frau Mourati, dürfen wir richtig auf die Bänke<br />
schreiben?«<br />
Die Wände waren voll mit Bildern, die Bänke und<br />
die Tische waren da – wir hatten unser Ziel erreicht.<br />
Zwei Monate später haben wir alle diese Ergebnisse<br />
den Schülern/innen, Lehrern/innen und der Presse<br />
gezeigt.
»Spuren« Ein interkulturelles KonzeptArt Projekt<br />
»Spuren« Ein interkulturelles Konzept<br />
»Spuren« Ein interkulturelles KonzeptArt Projekt<br />
38<br />
Über die Kreativität<br />
In dieser Weise könnten wir die ganze Schule künstlerisch<br />
gestalten. Die Inspiration für das nächste<br />
Thema kommt jeweils von der vorherigen Aktion.<br />
Wenn ich ein Schulkunstprojekt leite, werde ich<br />
manchmal gefragt, welches meine Methode ist und<br />
dann antworte ich: »Eigentlich habe ich keine.« An<br />
meinen Projekten interessieren mich die Originalität<br />
und die Authentizität, ich möchte, dass die Fantasie<br />
der Schüler/innen sich öffnet, dass ihr Wille für<br />
Kreativität verstärkt wird und etwas Neues entsteht.<br />
Um diese Fantasie zu öffnen, arbeite ich mit<br />
Schlüsselwörtern und Assoziationen, die den<br />
Schülern/innen helfen, ihre ursprünglichen kreativen<br />
Kräfte zu entfalten und zu entwickeln. Jeder<br />
Schüler/jede Schülerin hat etwas in sich, was ich<br />
spüre und auf »dieses etwas« arbeiten wir zusammen<br />
hin.<br />
Es gab manchmal während des Projektes Momente,<br />
bei denen die Kühnheit der Ideen der Schüler/innen<br />
so stark war, dass ich wie eine Akrobatin funktionieren<br />
musste. Wo setzt die Schule, als Institution mit<br />
ihren Regeln, der Freiheit der künstlerischen<br />
Kreativität Grenzen? Was dürfen die Schüler/innen<br />
ausdrücken und was dürfen sie nicht? Sollen wir das,<br />
was sie ausdrücken »Kinderkunst« nennen oder<br />
geleitete künstlerische Freiheit? Oder: Wie finden<br />
wir einen gemeinsamen Weg, um die Balancen zu<br />
erhalten, dass das Projekt »Schule als <strong>Kunst</strong>Ort«<br />
funktioniert? Mit solchen Fragen und Bemerkungen<br />
bin ich immer zu Frau Dr. <strong>Engel</strong> gegangen, die mit<br />
ihrer wissenschaftlichen Kenntnis über Pädagogik,<br />
aber auch mit ihrer Kenntnis über <strong>Kunst</strong>, für mich<br />
eine besondere Hilfe und Unterstützung war. Ihre<br />
diskrete Begleitung war für mich und die Schüler/<br />
innen sehr wichtig.<br />
Wenn man mich fragt, ob ich dasselbe Projekt mit<br />
neuen Schülern/innen wiederholen könnte, würde<br />
ich »ja« sagen. Die Ergebnisse wären jedoch anders,<br />
weil die neuen Schüler/innen neue Personen wären<br />
und mit ihnen eine neue Dynamik entstehen würde.<br />
Wenn ich ein Schulkunstprojekt anfange, fühle ich<br />
mich wie eine Schwimmerin, die in das tiefe Wasser<br />
eines Ozeans eintaucht und das Einzige was sie<br />
beherrscht sind die Grundbewegungen des<br />
Schwimmens, die Schüler/innen führen mich und<br />
nach einiger Zeit schwimme ich gut in diesem tiefen<br />
Ozean, dann schwimmen wir zusammen. Wir<br />
haben von einander das Schwimmen in Tiefen<br />
gelernt.<br />
39
»Bildentwicklung – Jugend im Bild«<br />
»Bildentwicklung – Jugend im Bild«<br />
Jugendliche, zwischen 15 bis 17 Jahren, gestalten und verarbeiten ihre Lebenssituation in Bildern<br />
Projektleitung<br />
Bärbel Kliche<br />
Bildende Künstlerin<br />
Pädagogin<br />
40<br />
Im August 2006 arbeitete ich mit<br />
Schülerinnen zwischen 15 und 17 Jahren<br />
aus unterschiedlichen Herkunftsländern<br />
zum Thema »Bild-Entwicklung«<br />
in der Werk(statt)schule des Vereins<br />
BAJ, August Bebel Str. 133, 33602<br />
Bielefeld.<br />
Die Werk(statt)schule richtet sich an<br />
schuldistanzierte Schülerinnen im vorletzten<br />
und im letzten Schulbesuchsjahr.<br />
Konzeption<br />
Die Eingangsvoraussetzungen für die Teilnahme an<br />
der Werk(statt)schule sind, dass die SchülerInnen<br />
lange Zeit nicht mehr in der Schule gewesen sind<br />
und ihre Teilnahme freiwillig ist. Sie sollten Interesse<br />
an praktischer Arbeit haben. Die Anmeldung<br />
erfolgt über die Schulsozialarbeiterin oder auch<br />
über den Klassenlehrer. Die Eltern sind informiert<br />
und erklären ihr Einverständnis.<br />
Die Ziele der Werk(statt)schule sind, SchülerInnen<br />
zu motivieren, Lernen wieder als sinnvoll zu erkennen.<br />
Sie sollen eigene Perspektiven für die Zukunft<br />
entwickeln und diese Perspektiven mit dem Team<br />
der Werk(statt)schule planen und nach Ende der<br />
Werkstattschule umsetzen (z.B. den Hauptschulabschluss<br />
in einer Berufsvorbereitenden Maßnahme<br />
nachzuholen). Weitere wichtige Ziele sind die<br />
Persönlichkeitsentwicklung und Stabilisierung,<br />
Heranführen an einen strukturierten Tagesablauf,<br />
das Aufspüren von Interessen und Motivation, die<br />
Vermittlung von Erfolgserlebnissen, Hinarbeiten auf<br />
den Erwerb von Schlüsselqualifikationen, sowie die<br />
Weiterentwicklung der vorhandenen schulischen<br />
Fähigkeiten.<br />
Angebote und Inhalte der Werk(statt)schule sind,<br />
Lernen anhand von Werkstattprojekten aus verschiedenen<br />
Fachbereichen, berufspraktische<br />
Erfahrungen sammeln, Unterstützung bei der<br />
Entwicklung und Verwirklichung eigener Projekte,<br />
Unterstützung bei der Bewältigung persönlicher<br />
Probleme, Herausarbeiten der eigenen Stärken und<br />
Fähigkeiten, praxisbezogene Vermittlung von<br />
Unterrichtsinhalten, mehrere Betriebskurzpraktika,<br />
sowie soziale Lerneinheiten zur Entwicklung von<br />
Kommunikation und Persönlichkeit.<br />
Ein Schulabschluss wird in der Werk(statt)schule<br />
nicht angeboten, da sich dies im ersten Durchlauf<br />
aufgrund der fehlenden fachlichen Voraussetzungen<br />
als unrealistisch erwiesen hat. Nach Abschluss<br />
der Maßnahme erhalten die Jugendlichen ein BAJ-<br />
Zertifikat über die erworbenen fachlichen<br />
Qualifikationen.<br />
Die Dauer der Werk(statt)schule beträgt ein<br />
Schuljahr. Die Werk(statt)schule hat 16 Plätze eingerichtet,<br />
sie beginnt täglich um 8.00 Uhr und<br />
endet um 14.00 Uhr.<br />
Ziele des <strong>Kunst</strong>projektes »Bildentwicklung«<br />
Ziel des <strong>Kunst</strong>projektes war die Wahrnehmung der<br />
eigenen Person, die Entwicklung von kommunikativer<br />
und sozialer Kompetenz, der Erwerb von<br />
gestalterischen Ausdrucksfähigkeiten und -fertigkeiten,<br />
die Freude an dem eigenen kreativen<br />
Ausdruck.<br />
Ziel war auch, beim Erwerb von Kompetenzen,<br />
Perspektiven, neuen Lebenseinstellungen behilflich<br />
zu sein und diese zu fördern.<br />
Teilnehmer<br />
An dem <strong>Kunst</strong>projekt in der Werk(statt)schule nahmen<br />
vier Mädchen und acht Jungen im Alter von<br />
15 bis 17 Jahren teil.<br />
Finanzierung<br />
Das Projekt »Bildentwicklung« fand während des<br />
gesamten Schuljahres einmal wöchentlich 7 Stunden<br />
in einem eingerichteten Malatelier in den Räumen<br />
des Vereins BAJ statt.<br />
Es wurde durch die Gruppe Paed<strong>Kunst</strong> zum<br />
Jahresthema »transnationale schulische Räume«<br />
migrArte des frauenkunstforum-owl. e.V. über<br />
einen Zeitraum von 21 Stunden gefördert.<br />
Vorbereitung und Gestaltung des <strong>Kunst</strong>raums<br />
Bevor ich mit dem <strong>Kunst</strong>projekt begann, bereitete<br />
ich das Malatelier so vor, dass die Atmosphäre einladend<br />
war und alle vorhandenen Materialien in<br />
ausreichender Menge an ihrem Platz lagen. Ich<br />
legte Buntstifte, Wachsstifte offen aus, nahm die<br />
Deckel von den Farbbehältern, um den Teilnehmern<br />
so einen guten Einstieg zu ermöglichen.<br />
In dem Malatelier waren an allen vier Wänden<br />
Malwände angebracht, an denen die Jugendlichen<br />
im Stehen und mit vollem Körpereinsatz an ihren<br />
Bildern arbeiten konnten. In der Mitte des Raumes<br />
hatte ich einen Materialtisch mit angeordneter<br />
Gouache-Farbpalette, für alle gut zugänglich, aufgebaut.<br />
Der gemeinsame Materialtisch bewirkte Sicherheit<br />
und Orientierung. Die Nutzung erforderte gleichzeitig<br />
auch die Einhaltung von Regeln und Struktur.<br />
Die TeilnehmerInnen konnten ihr gewünschtes<br />
Material selbst auswählen. Es bestand aus großformatigem<br />
Papier, Pappe, Leinwänden und Holz.<br />
Durch die Auswahl der unterschiedlichen Materialien<br />
wollte ich die Jugendlichen motivieren und<br />
zum Experimentieren anregen.<br />
In einer Ecke des Raumes hatte ich eine Zeichenecke<br />
eingerichtet. Sie war mit Bleistiften, Buntstiften und<br />
Wachsmalstiften ausgestattet. Der Zeichentisch bot<br />
den Jugendlichen u. a. auch eine Möglichkeit des<br />
Rückzugs.<br />
Begleitung und Regeln<br />
Zu Beginn erklärte ich die Regeln. Diese hingen im<br />
Eingangsbereich für alle gut sichtbar:<br />
• wir gehen freundlich miteinander um<br />
• wir klären Konflikte die entstehen<br />
• jeder kann sich ausprobieren und ausdrücken<br />
• wir äußern uns nicht negativ über unsere<br />
eigenen Bilder und die der anderen Teilnehmer<br />
• wir nutzen die Zeit für uns<br />
• wir setzen uns und die Gruppe nicht durch<br />
Bewertungen unter Druck<br />
Unterstützung und Begleitung im Prozess<br />
Ich vermittelte Präsenz, Akzeptanz, Zuwendung,<br />
und schaffte für meine Teilnehmer eine vertrauliche<br />
Atmosphäre. So wollte ich den Einstieg in das<br />
<strong>Kunst</strong>projekt ohne jeden Leistungsdruck ermögli-<br />
41
»Bildentwicklung – Jugend im Bild«<br />
»Bildentwicklung – Jugend im Bild«<br />
42<br />
chen. Ich ließ ihnen die Zeit, die sie benötigten, um<br />
sich auf die verschiedenen Angebote im Malatelier<br />
einzulassen. Zur Anregung, aber auch um sich eine<br />
Auszeit zu nehmen, legte ich eine wechselnde<br />
Auswahl von Anschauungsmaterialien, z.B. <strong>Kunst</strong>kataloge<br />
und Zeichenbücher aus. Die anregende,<br />
ruhige, vertrauliche und wertfreie Atmosphäre bot<br />
die Grundlage für die jungen Menschen, sich individuell<br />
und auch vor den anderen Teilnehmern kreativ<br />
öffnen und darstellen zu können.<br />
Durch authentische Begleitung und eine individuelle<br />
Förderung tauchten sie schnell in ihre eigene Bilderwelt<br />
ein. Es gelang ihnen bereits nach kurzer Zeit<br />
eigene Bildthemen zu malen und diese gestalterisch<br />
zu verdichten.<br />
Gemeinsam suchten wir für die Themen »Liebe«,<br />
»Gewalt« und »Respekt« Symbole. Für das Thema<br />
Liebe wurde u. a. ein Herz, ein Liebespaar oder<br />
auch ein <strong>Engel</strong> individuell gestaltet.<br />
Am Ende des Projekts entschieden die Teilnehmer<br />
welche Bilder sie in den Räumen der Werk(statt)-<br />
schule aushängen wollten.<br />
Ein Teil der Bilder wurde im Februar 2006 bei der<br />
Kinder und Jugendausstellung NRW in Witten präsentiert.<br />
Am Schuljahresende wurden die Exponate<br />
in einer gemeinsamen Ausstellung, mit den <strong>Kunst</strong>werken<br />
aus anderen Maßnahmen, im Jugendgästehaus<br />
in Bielefeld, einem interessierten Publikum<br />
präsentiert.<br />
43<br />
Die Themen wurden dann ein zweites Mal in den<br />
Bildern der Einzelnen, oder in einer gemeinschaftlichen<br />
Arbeit eindrucksvoll gestaltet. So konnte<br />
scheinbar Feststehendes betrachtet werden und<br />
gemeinsam nach anderen Lösungswegen gesucht<br />
werden. Die Werke der Jugendlichen beinhalteten<br />
unter anderem die Themen: »Leben zwischen<br />
unterschiedlichen Traditionen und Kulturen«,<br />
»Liebe«, »Gewalt« und »Respekt«.<br />
Vertiefende Erinnerungen an Situationen des<br />
Projekts – Voreinstellungen der Projektteilnehmer<br />
zur <strong>Kunst</strong><br />
Während der wöchentlichen Projektstunden kristallisierten<br />
sich unterschiedliche Themen heraus. Diese<br />
spiegelten auch die momentane Situation der<br />
Teilnehmer wieder. Wir nahmen uns viel Zeit, um<br />
die Themen gemeinsam zu besprechen. Bei Bedarf<br />
stand ich selbstverständlich für vertrauliche Gespräche<br />
zur Verfügung.<br />
Einige Teilnehmer hatten mir zu Projektbeginn<br />
erzählt, dass sie schlechte Erfahrungen mit dem<br />
<strong>Kunst</strong>unterricht hatten. Nach ihren Aussagen hatten<br />
sie bisher immer schlechte Noten in diesem<br />
Unterrichtsfach. Die Jungen erwähnten recht eindrucksvoll,<br />
dass sie bereits seit der Grundschule nicht<br />
mehr gerne am <strong>Kunst</strong>unterricht teilnahmen.<br />
»Ich werde hier im <strong>Kunst</strong>unterricht nicht malen, weil<br />
ich <strong>Kunst</strong> hasse. Du wirst nicht erleben, dass ich auch
»Bildentwicklung – Jugend im Bild«<br />
»Bildentwicklung – Jugend im Bild«<br />
44<br />
nur einen Stift in die Hand nehme und ein Bild<br />
male; ich erst recht nicht.« Auf ihre Einwände reagierte<br />
ich beruhigend und mit viel Verständnis. Ich<br />
vermittelte ihnen, dass das <strong>Kunst</strong>projekt mit diesen<br />
Voreinstellungen der beste Einstieg ist, um <strong>Kunst</strong><br />
und Kreativität neu zu entdecken. Da die Bilder<br />
nicht benotet wurden und der Umgang auch in der<br />
Gruppe wertfrei sein sollte, konnten sie sich schnell<br />
auf das Angebot im Malatelier einlassen.<br />
Selbst- und Arbeitskonzept – Eigenes erhält<br />
einen Raum<br />
Meine Reaktion auf ihre negativen Erfahrungen<br />
ermöglichte meinen jungen Teilnehmern in der<br />
Regel sehr bald, sich auf die Situation einzulassen<br />
und die vorhandenen einsatzbereiten Materialien<br />
auszuprobieren. Anfangs testeten sie selbstverständlich<br />
aus, wie weit sie bei mir mit ihrer<br />
Bildgestaltung gehen konnten.<br />
es dann gemeinsam zum Trocknen an den dafür<br />
vorgesehenen Platz legen könnten. Es wurde sehr<br />
deutlich, dass die Teilnehmer meine Toleranz oder<br />
Hemmschwelle überprüften. Sie rechneten nicht<br />
damit, dass ich ihre anfängliche Arbeitshaltung und<br />
die Bilder ohne jeden inhaltlichen Kommentar<br />
akzeptierte.<br />
Ein junger Mann teilte mir bereits während der<br />
Vorstellung des Malprojektes mit, dass er sich nicht<br />
beteiligen würde. In der dritten Woche hatte er<br />
bereits Buntstifte in der Hand. Er malte mit sichtli-<br />
Materialien aus. So gelang es ihm, seinen ganz persönlichen<br />
authentischen Zugang zur <strong>Kunst</strong> zu finden.<br />
Am Anfang malte er ein Haus und Wolken.<br />
Am Ende hatte er soviel Vertrauen, dass er im<br />
Gespräch und in seinen Bildern Einblicke in seine<br />
Lebenssituation, seine Wünsche und Träume gestattete.<br />
Zum Abschluss des Projekts gestaltete er mit<br />
anderen Teilnehmerinnen ein gemeinschaftliches<br />
Bild zu den Projektthemen.<br />
In ihren ersten Arbeiten präsentierten sie z. B. die<br />
Flaggen ihrer Heimatländer. Sie spritzten Farbe auf<br />
das Papier. Einige gestalteten Bilder von ihrem<br />
favorisierten Fußballverein und ihrem bevorzugten<br />
Gangstaraper.<br />
von ihnen wieder auf dem Maltisch zurückgestellt.<br />
Die Selbstverständlichkeit, mit der die Situation<br />
gemeinsam bewältigt wurde, half meinen TeilnehmerInnen<br />
dabei, sich sicherer zu fühlen. Das<br />
führte dazu, dass die Behälter immer seltener auf<br />
dem Boden landeten.<br />
Bildthematik und Veränderung der<br />
Arbeitshaltung<br />
Nach einem kurzen Zeitraum malten sie sehr spezielle<br />
und eigene Bildthemen. Auf einem Bild war<br />
eine Kirche mit angrenzendem Friedhof und<br />
45<br />
Ein Teilnehmer malte als erstes ein Bild, auf dem<br />
eine sexuelle Szene dargestellt war. Als er fertig war,<br />
rief er mich. Er wollte, dass ich mir sein Bild<br />
anschaue. Während ich das Bild betrachtete, verfolgte<br />
er gespannt meine Reaktion. Anschließend<br />
fragte ich ihn, ob das Bild für ihn fertig wäre, da wir<br />
cher Freude ein Haus und Wolken. Ich spürte, dass<br />
es sinnvoll war, ihn nicht auf sein Bild anzusprechen,<br />
sondern ihn einfach in Ruhe zu lassen.<br />
Am Schluss sammelte ich sein Bild »kommentarlos«<br />
ein, um ihn nicht mit »bewertenden« Äußerungen<br />
in seiner sich entwickelnden Kreativität zu blockieren.<br />
Sein erstes Werk war ein Haus und Wolken, mit<br />
Buntstiften gemalt. Dieses Motiv hat er dann in den<br />
jeweiligen Projektzeiten mit Hingabe erweitert. Das<br />
nächste Bild bestand aus einem Haus, einer freundlich<br />
lächelnden Sonne am oberen Bildrand und<br />
einem Baum. Er vermittelte mir allerdings immer<br />
noch das Gefühl, dass ich ihn in dieser Phase noch<br />
nicht ansprechen sollte. Er suchte dann nach einem<br />
kurzem Zeitraum von sich aus das Gespräch. Nach<br />
den Projektstunden verließ er meistens gemeinsam<br />
mit mir das Malatelier.<br />
Seine Bilder entwickelt er mit viel Freude weiter. Im<br />
Weiteren fügte er auf seinen Bildern Blumen, Beete,<br />
Bäume, Wege und Straßen hinzu. Mittlerweile nutzte<br />
er unterschiedliche Formate und wählte andere<br />
Situationen gemeinsam bewältigen<br />
TeilnehmerInnen, die sehr unruhig (hyperaktiv)<br />
waren, fielen u. a. die Farbbehälter in der ersten<br />
Zeit häufig auf den Boden. Ganz selbstverständlich<br />
und ohne bewertenden Kommentar unterstützte<br />
ich sie dabei, die Farbe vom Fußboden zu beseitigen.<br />
Die neu gefüllten Farbbehälter wurden dann<br />
Bäumen dargestellt. An einem Baum hing ein junges<br />
Mädchen. Der Bildinhalt war allerdings nur<br />
erkennbar, wenn man das Bild sehr genau betrachtete.<br />
Die Bilder waren sorgfältig und künstlerisch bis<br />
ins kleinste Detail gestaltet. Im anschließenden<br />
Gespräch stellte sich heraus, dass sich die junge Frau<br />
sehr häufig mit dem Thema Verlustangst und Tod<br />
beschäftigte. In ihren Bildern konnten innere<br />
Konflikte thematisiert werden, die sonst nicht zur<br />
Sprache kamen.
»Bildentwicklung – Jugend im Bild«<br />
»Bildentwicklung – Jugend im Bild«<br />
46<br />
Wenn die TeilnehmerInnen die Bilder fertig gemalt<br />
hatten, nahm ich sie gemeinsam mit ihnen von der<br />
Malwand. Während wir das Bild zum Trocknen legten,<br />
signalisierte ich ihnen meine Gesprächsbereitschaft.<br />
Meistens suchten sie allerdings das Gespräch<br />
mit mir.<br />
Nach diesen Themen entstanden offensichtlich<br />
Werke, die für meine TeilnehmerInnen neue positive<br />
Bildthemen beinhalteten. Auf den nächsten Bildern<br />
beeindruckten sie mit hellen leuchtenden Farben,<br />
Figuren und Formen.<br />
Am Ende hatten alle ProjektteilnehmerInnen Bilder<br />
hergestellt, auf die sie besonders stolz waren. Trotz<br />
ihrer Voreinstellung zum <strong>Kunst</strong>projekt war ein<br />
neuer, aus sich selbst schöpfender positiver Zugang<br />
zur Kreativität und zur <strong>Kunst</strong> gelungen.<br />
Prinzip der Werk(statt)schule<br />
Das Projekt wurde in enger Begleitung und intensivem<br />
Gesprächsaustausch mit dem Team der<br />
Werk(statt)schule durchgeführt.<br />
Die notwendige sensible Begleitung, Wertschätzung<br />
und Anteilnahme, war für die Entwicklung der<br />
TeilnehmerInnen und den Gruppenzusammengehörigkeitsprozess<br />
ebenfalls sehr bedeutsam.<br />
47
»Perspektivwechsel II« – Vom Augen-Schein zum Körper-Sein<br />
Schüler/innen einer Gesamtschule werden zu Stelzenläufer/innen und zu temporären<br />
Performance-Künstler/innen<br />
»Perspektivwechsel II«<br />
»Perspektivwechsel II« – Vom Augen-Schein zum Körper-Sein<br />
Projektleitung<br />
Christine Ruis,<br />
Schauspielerin<br />
Theaterpädagogin<br />
48<br />
Dauer des Projektes:<br />
Sept. 2005 – Juni 2006<br />
Das Projekt war eingebettet in das<br />
Großprojekt: »Schule als <strong>Kunst</strong>ort –<br />
künstlerische Interventionen als Schulentwicklungsimpuls«<br />
Eine Kooperation von Bertolt-Brecht-<br />
Gesamtschule, Löhne, frauenkunstforum-owl e.V.,<br />
Bielefeld und der pädagogischen Fakultät der Uni<br />
Bielefeld, gefördert aus Mitteln der Aktion Mensch/<br />
5000xzukunft und dem MSWKS NRW<br />
Vorbereitung/Planung<br />
Das Projekt »Vom Augen-Schein zum Körper-Sein«<br />
war eine Fortführung des Projektes »Perspektivwechsel<br />
– eine schulische Ausschreitung auf 93 cm<br />
hohen Stelzen« aus dem Schuljahr 2004/2005<br />
(nachzulesen in »Schule als <strong>Kunst</strong>ort«)<br />
Damals hatten 133 von ca. 300 befragten Schüler/<br />
innen aus den Jahrgängen 5/6/7/8 auf die Frage, ob<br />
sie das Stelzenlaufen lernen wollen, mit JA geantwortet.<br />
126 Schüler/innen bekundeten auch ihre<br />
Neugier auf die Erfahrung des Fallens. Diese<br />
Antworten inspirierten mich zu einem Folgeprojekt.<br />
Konzept<br />
Zielgruppe<br />
Schüler/innen aus den Jahrgängen 5-8, die sich<br />
freiwillig für das Erlernen des Stelzenlaufens interessieren.<br />
Gruppengröße max. 16 Personen, wenn<br />
möglich Zusammenarbeit mit jeweils einer<br />
Lehrkraft.<br />
Ziele<br />
• Vermittlung der Erfahrungen, dass wir körperlich/leiblich<br />
sind, dass wir leibhaftig denken,<br />
fühlen und lernen.<br />
• Erlernen des Stelzenlaufens und Erarbeitung<br />
einer Bewegungschoreografie.<br />
• Durch bewusste Fragestellungen beim<br />
Vermitteln der konkreten Lernziele die<br />
Aufmerksamkeit auf individuelle Lernmuster<br />
lenken.<br />
• Bewusste Konfrontation der individuellen<br />
spezifischen Erwartungshaltungen in Bezug<br />
auf das Stelzenlaufen mit den tatsächlich<br />
gemachten Erfahrungen.<br />
• Die Schüler/innen werden von mir gefilmt und<br />
filmen sich gegenseitig.<br />
Zeitrahmen<br />
Als zeitlicher Rahmen waren 8 Projekttage mit<br />
jeweils 6 Unterrichtseinheiten angedacht und 1-2<br />
Treffen zur Klärung organisatorischer Aufgabenstellungen.<br />
Durchführung/Organisation<br />
Unvorhersehbare Probleme bei der Planung können<br />
zu wunderbaren Lösungen führen, wenn man/<br />
frau offen ist für ungewohnte Arbeitszeiten.<br />
Unvorhergesehene Vorgaben von Seiten der Schule<br />
• nur Schüler/innen der Jahrgänge 7 und 8<br />
sollten teilnehmen<br />
• die 8er Jahrgänge hatten nachmittags Projektbezogenen<br />
Unterricht und konnten nicht freigestellt<br />
werden; außerdem hatten sie 1 Monat<br />
Praktikum, standen in diesem Zeitraum<br />
überhaupt nicht zur Verfügung<br />
• das Stelzenprojekt sollte nur in der unterrichtsfreien<br />
Zeit stattfinden<br />
• Unterstützung von Seiten der Lehrer/innen in<br />
diesem Schuljahr war nicht möglich<br />
• Die zeitliche Verfügbarkeit geeigneter Räumlichkeiten<br />
(Turnhalle) gestaltete sich äußerst<br />
schwierig<br />
Von Seiten der freiberuflichen Künstlerin gab es<br />
ebenfalls unvorhersehbare Terminschwierigkeiten,<br />
sie war nicht jederzeit einsetzbar, hatte u.a.<br />
Auftrittstermine.<br />
Die unterschiedlichen Systeme<br />
Alltag der Künstlerin – Alltag der Institution Schule –<br />
Alltag/Freizeiten der Schüler/innen – mussten in ein<br />
praktikables Gleichgewicht gebracht werden. Das<br />
erforderte aufwändige Mehrorganisation, Risikobereitschaft<br />
bei allen Beteiligten, mehr Treffen als<br />
geplant, einschließlich der unvermeidlichen Fahrtzeiten.<br />
Von den Schüler/innen erforderte es ein sehr<br />
hohes Maß an Eigeninitiative und Selbstmotivation –<br />
die Hälfte der Treffen fand an Samstagen und<br />
Sonntagen statt! Trotz der widrigen Umstände, oder<br />
vielleicht auch gerade deswegen konnte das<br />
Projekt in den letzten Schultagen des Schuljahres<br />
2005/2006 zu einem gelungenen Abschluß für alle<br />
Beteiligten kommen.<br />
• Alle teilnehmenden Schüler/innen fühlten sich<br />
durch die Teilnahme am Projekt um einige<br />
intensive Erfahrungen bereichert; Interesse<br />
für den Aufbau einer schulinternen Stelzengruppe<br />
war geweckt.<br />
• Die Schulleitung und die Initiatorin des<br />
Projektes »Schule als <strong>Kunst</strong>ort«, Dr. <strong>Birgit</strong><br />
<strong>Engel</strong>, waren zufrieden.<br />
• Ich, als durchführende Künstlerin der Projekte<br />
»Perspektivwechsel I + II« war zufrieden.<br />
Mein Erfahrungsschatz in Bezug auf Lernen<br />
im allgemeinen Lebenszusammenhang und in<br />
Bezug auf das System Schule wurde erweitert.<br />
Vermittlung von Wissen und Können<br />
Die einzelnen Treffen sind festgehalten auf ca.<br />
9 Stunden Filmmaterial; davon habe ich einen<br />
Rohschnitt von ca. 2 Stunden zusammengestellt<br />
und einen Vorführfilm, der in drei Kapitel unterteilt ist:<br />
I. Lernen<br />
II. Zeigen<br />
III. Gesehen werden<br />
Das Projekt endete mit einer Performance, die<br />
zweimal aufgeführt wurde. Der Film kann als CD<br />
bestellt werden: ruis.schalkin@googlemail.com<br />
Da ich den Hauptteil der Dokumentation mit filmischen<br />
Mitteln bewerkstelligt habe, beschränke ich<br />
mich hier, auf der Textebene, auf eine assoziative<br />
Berichterstattung.<br />
Reflexionen über einen außergewöhnlichen<br />
Lernprozeß<br />
Freiberufliche Künstlerin – System Schule<br />
Voneinander Lernen – auf jeden Fall lohnenswert!<br />
Mein Dreh- und Angelpunkt bei den Projekten<br />
Perspektivwechsel I+II war die konkrete Arbeit mit<br />
den Schüler/innen mit Methoden aus der Theaterarbeit.<br />
Da ich weder Lehrerin im klassischen Sinne,<br />
noch Forscherin im wissenschaftlichen Sinne bin, sondern<br />
Schauspielerin und Regisseurin habe ich einen<br />
»spielerischen« Blick auf das Lerngeschehen. Wenn<br />
ich selbst die Akteurin bin, wie in Perspektivwechsel I,<br />
steht das spielerische improvisierende Vorgehen im<br />
Vordergrund. Improvisationen gehören zu meinem<br />
Repertoire, ich bin darin ausgebildet. Ich spiele,<br />
49
»Perspektivwechsel II« – Vom Augen-Schein zum Körper-Sein<br />
»Perspektivwechsel II«<br />
»Perspektivwechsel II« – Vom Augen-Schein zum Körper-Sein<br />
50<br />
agiere in eigener Verantwortung, kann das Spiel<br />
abbrechen wann ich will; wenn ich Fehler mache,<br />
muss ich sie ausbaden, sonst niemand.<br />
Anders meine Rolle im Zusammenhang mit dem<br />
Folgeprojekt: »Perspektivwechsel II – vom Augenschein<br />
zum Körpersein«. Dieses Mal waren die<br />
Schüler/innen die Akteure, ich hatte die Funktion<br />
Ich habe es nicht mit Kolleginnen und Kollegen zu<br />
tun. Weder kennen sie meine Fachsprache in Bezug<br />
auf Theater, noch kenne ich ihre Fachtermini in<br />
Bezug auf schulpädagogische Praxis, auch kenne<br />
ich nicht die organisatorischen Schwierigkeiten in<br />
Bezug auf Stundenplanerstellung und Raumbelegung<br />
…<br />
Hürden – Grenzen – Lösungen<br />
Mein Blick ist geschult und geprägt durch jahrelanges<br />
Beobachten – was machen die (Schau-)Spieler,<br />
was brauchen sie, um das in Ihnen steckende<br />
Potential zum Leben/nach Außen zu bringen. Wo<br />
habe ich Möglichkeiten, sie zu unterstützen, wo sind<br />
meine Grenzen im gemeinsamen Geben und<br />
Nehmen? Was können wir gemeinsam tun, um das<br />
anvisierte Ziel einer Aufführung zu erreichen.<br />
Die Lehrer/innen waren freundlich aber sehr daran<br />
interessiert, keine zusätzlichen Arbeiten erledigen<br />
zu müssen. Sie sind aber diejenigen, die mir am meisten<br />
weiterhelfen können, was organisatorische<br />
Überlegungen in ihren Klassen angeht. Grenzen, die<br />
aus dem Gefühl der Überlastung bestehen? Oder<br />
aus Desinteresse? Oder einfach konkreter Zeitmangel<br />
– die Besprechungszeiten der Teamlehrer<br />
waren, wenn überhaupt gemeinsam zu erreichen,<br />
äußerst knapp bemessen. Ein System wie die Schule<br />
lässt sich kaum erschüttern – es weiß um seine gut<br />
befestigten Grenzen – jedes System verlässt sich auf<br />
seine Eigendynamik – und die ist nicht so schnell zu<br />
erschüttern durch ein paar Störaktionen von außen …<br />
51<br />
Lösungen<br />
des Lehrens/Anleitens. Auch diese Rolle ist mir vertraut.<br />
Im Theaterbereich arbeite ich auch als<br />
Regisseurin und Theaterpädagogin/Trainerin. Was<br />
bedeutet diese Rolle aber in einer anderen<br />
Umgebung, in einem ganz anderen »Feld«? Um bei<br />
diesem Bild aus der Landwirtschaft zu bleiben:<br />
Schule und Theater sind beide sehr an Produkten/<br />
Ergebnissen orientiert und interessiert, aber welch<br />
ein Unterschied im Vorgehen! Es wird ganz anders<br />
gesäät, gedüngt, geackert, geerntet. Regeln? Gibt<br />
es da wie dort.<br />
Voneinander lernen – auf jeden Fall lohnenswert!<br />
Was beinhaltet meine Rolle als Leiterin eines Schul-<br />
Projektes:<br />
• in Bezug auf die Schüler/innen, die keine<br />
Schauspielschüler/innen sind<br />
• in Bezug auf mich, die ich in einer mir<br />
fremden Umgebung arbeite<br />
• in Bezug auf die Schule und ihre<br />
Gegebenheiten<br />
Was denken die Lehrer/innen über mich und<br />
meine Arbeit?<br />
Glauben sie an Schulentwicklungsmöglichkeiten mit<br />
Methoden, die aus dem Theaterbereich stammen,<br />
und noch dazu aus dem Straßentheaterbereich?<br />
Können Sie mich in meiner Funktion als Anleiterin/<br />
Regisseurin wahrnehmen, als Person, die viel und<br />
oft lehrt – Theaterwissen, Theaterhandwerk …?<br />
Oder bin ich für das Lehrerkollegium eine Exotin,<br />
eine, über die man nichts weiß und die eigentlich<br />
nicht reinpasst in den Schulalltag???<br />
Zunächst habe ich einfach die Befragung in den einzelnen<br />
Klassen der Jahrgänge 7 und 8 durchgeführt<br />
und beobachtet was passiert. Mit mir, mit den<br />
Schüler/innen, den Lehrer/innen, dem Schulsystem.<br />
Hürden/Grenzen<br />
Bei mir stieß ich ganz schnell auf Grenzen in Form<br />
von vielen Fragen – ich kenne den Schulalltag zu<br />
wenig. Wer organisiert was, wann darf man in einer<br />
Klasse stören, wann nicht? Wann fühlen sich Lehrer/-<br />
innen gestört, wann nicht, wer koordiniert was?<br />
Die Schüler/innen zogen ihre Grenzen unterschiedlich<br />
eng – die einen sagten klar »nein danke – keine<br />
neuen Erfahrungen, keine zusätzlichen Termine«;<br />
die anderen sagten klar »ja« – aber gleich hinterher –<br />
»mal gucken, ob ich kann. Nein, an dem Termin<br />
passt es mir nicht, könnten wir nicht dann und<br />
dann« … Grenzen aus Kaugummi!<br />
Dann gab es einige Umstrukturierungen, was den<br />
Verlauf des Projektes anging. Die Hausmeister der<br />
Schule stellten sich als Freunde und Helfer des<br />
Projektes heraus, ich bekam auf Vertrauens- und<br />
Unterschriftenbasis den Schlüssel zur Sporthalle.<br />
Ebenfalls große Unterstützung bekam ich von den<br />
Menschen im Sekretariat: Sie leiteten meine mails<br />
an die zuständigen Lehrer/innen weiter, und meine<br />
Post an die Schüler/innen, die im Praktikum waren.<br />
Überhaupt möchte ich den Mitarbeiterinnen im<br />
Sekretariat an dieser Stelle ein großes Dankeschön<br />
widmen. Sie hatten immer ein offenes Ohr für<br />
meine Fragen, immer einen Stift oder Tesafilm,<br />
oder, oder … zur Hand. Es gibt fast nichts, was diese<br />
Damen nicht besorgen können. Was mich am meisten<br />
beeindruckt hat, war ihr absolut höflicher<br />
Ton/Umgang mit den Schüler/innen. Egal wie viele<br />
Menschen im Raum standen und welch monströse<br />
Anfragen manchmal reinkamen, ...<br />
Nach anfänglichen Startschwierigkeiten kam das<br />
Projekt zum konkreten Kern – sprich die Schüler/<br />
innen kamen auf die Holzbeine, auf die Stelzen.
»Perspektivwechsel II« – Vom Augen-Schein zum Körper-Sein<br />
»Perspektivwechsel II«<br />
»Perspektivwechsel II« – Vom Augen-Schein zum Körper-Sein<br />
52<br />
Assoziationen zum Lernfeld Stelzenlaufen<br />
• ein Spiel mit der Balance, dem Gleichgewicht –<br />
etwas, was uns das ganze Leben auf allen<br />
Ebenen begleitet; je besser wir dieses Spiel –<br />
das Spiel um das Gleichgewicht der Kräfte<br />
verstehen lernen, umso leichter können wir<br />
damit spielen und sind geschützt vor<br />
Abstürzen und Knochenbrüchen leiblicher wie<br />
seelischer Art.<br />
• Sich frei fühlen, trotz »Behinderung« durch<br />
die Holzbeine<br />
• das Körperbewusstsein wird geschult – der<br />
Blick/das Gefühl für Muskeln, Knochen wird<br />
geschärft; für das Eigengewicht und dessen<br />
Möglichkeiten der Verlagerung …<br />
• Mit allen Sinnen lernen<br />
• Mit anderen lernen, ich muß vertrauen<br />
können, ich muß verlässlich sein<br />
• Groß sein<br />
• Sich anders fühlen – gelenkiger oder<br />
ungelenkiger als sonst<br />
• Die Perspektive verändert sich –<br />
der Blick wird anders<br />
• Abheben – ein Stelzenläufer hebt sich ab von<br />
der Menge, vor dem Hintergrund; er steht im<br />
Vordergrund, auch wenn er hinten steht<br />
• Sich zeigen<br />
• Es ist leichter als es aussieht, es b(e)ein-druckt<br />
• Auch das Fallen hat seine Qualität –<br />
z.B. können Sprichwörter anders betrachtet<br />
werden – Hochmut kommt vor dem Fall –<br />
richtig! Aber nicht jeder der hohen Mut hat,<br />
muß fallen; und wenn er schon fällt, kann das<br />
auch gewollt und gewünscht sein –<br />
Nichts muß bleiben wie es ist! –<br />
alles kann mit Sinn und Unsinn gefüllt werden –<br />
entscheidend ist die bewusste Entscheidung.<br />
Die Schüler/innen haben ihre ganz eigenen Erfahrungen<br />
im Umgang mit den Holzbeinen gemacht<br />
und sie waren im gemeinsamen Erfinden von Lernsituationen<br />
äußerst kreativ:<br />
• während des Übens wurden Gedichte rezitiert,<br />
der Stelzenschritt dem Versmaß angeglichen<br />
und umgekehrt<br />
• es wurden Französischvokabeln gegenseitig<br />
abgefragt<br />
• die Schüler/innen brachten eigene Musiken mit<br />
und ließen sich inspirieren, was man zu welchen<br />
Klängen auf den Stelzen machen kann<br />
• sie spielten auf den Stelzen Basketball,<br />
Fußball, Handball<br />
• sie erfanden neue Spiele – z.B. über eine<br />
aufgestellte Langbank als Hindernis laufen<br />
• sie erfanden eigene Bewegungsmuster mit<br />
den Bambusstöcken und setzten diese unter<br />
meiner Anleitung in Choreografien um<br />
• sie nutzten alle möglichen Gänge in der<br />
Turnhalle um sich zu erproben<br />
• sie waren äußerst hilfsbereit untereinander<br />
Ergebnis<br />
Zum Abschluss des Projektes war eine Performance<br />
geplant. Das Typische einer Performance ist das Spiel<br />
mit dem Unvorhersehbaren, im Gegensatz zum<br />
Theaterspiel, in dem die Abläufe festgelegt sind,<br />
einschließlich der Raumaufteilung – hier die Bühne/<br />
dort die Zuschauer.<br />
Ganz anders die Performance: hier treffen die<br />
Akteure unmittelbar auf die Zuschauer, lösen Irritationen<br />
aus, müssen mit diesen umgehen können. Die<br />
Situation, die geschaffen wird, ist ein offener Erfahrungsraum<br />
für beide Seiten, für Akteure genauso<br />
wie für die Zuschauer. Man braucht viel Mut um sich<br />
auf eine Performance einzulassen; sie ähnelt einem<br />
Experiment in einem Chemielabor. Hier wie dort<br />
gehört die Möglichkeit des Scheiterns zur Versuchsanordnung.<br />
Hier wie dort wird trotzdem das Bestmögliche<br />
vorbereitet. Jedes Experimtent benötigt<br />
eine gute Grundlage, damit der zu beobachtende<br />
Prozess beginnen kann. Die Performer/Schüler/<br />
innen hatten eine Aufgabe bekommen. Sie hatten<br />
unter meiner Anleitung eine kleine Choreografie<br />
erarbeitet und wir hatten sie eingeprobt.<br />
Ich hatte dabei folgende Überlegungen:<br />
• die Aufgaben dienen als kleines Stützkorsett,<br />
damit sie sich erst einmal sicher fühlen können,<br />
bevor die zu erwartenden Sprüche losgehen;<br />
• wenn sie Unannehmlichkeiten haben, z.B. aus<br />
sich selbst heraus wegen Lampenfieber, dann<br />
haben sie kleine einstudierte Bewegungsabläufe<br />
auf die sie zurückgreifen können;<br />
wenn ihnen die Auftrittssituation<br />
unangenehm wird haben sie eine Struktur, an<br />
der sie sich innerlich festhalten können.<br />
Das eigentliche Risiko bestand darin, nicht zu wissen,<br />
wie laufen die Schüler/innen, wenn sie unter<br />
freiem Himmel laufen, wenn sie ganz andere<br />
Geräusche, Eindrücke um sich haben, als bei den<br />
Proben. Niemand konnte vorhersagen, wie sie reagieren<br />
würden, wenn sie angesprochen, geärgert<br />
werden. Wir hatten theoretisch darüber gesprochen,<br />
aber die Praxis sieht oft anders aus als die Theorie.<br />
Ich glaube, außer mir wusste keiner, wie gewagt das<br />
Experiment war, wie leicht es hätte daneben gehen<br />
können, wenn die Stelzenläufer/innen unsicher geworden<br />
wären – dann hätten alle in ihrem Umfeld<br />
an ihre Unsicherheit, an ihr Misstrauen angedockt,<br />
und das benutzt, um Blödsinn zu machen, bis hin<br />
zum Runterschmeissen.<br />
Die Schüler/innen haben sich bestens bewährt – es<br />
war mir eine große Freude ihnen zuzusehen. Ich war<br />
und bin stolz auf alle Beteiligen und dankbar, dass<br />
wir alle zusammen diese Erfahrungen machen<br />
konnten.<br />
Dass die Performance gelang, hat mit dem Mut der<br />
Akteure zu tun, ihrem Selbstvertrauen, das sie sich<br />
angeeignet hatten in Bezug auf sich selbst und in<br />
Bezug auf die Gruppe.<br />
Gutes Theater, interessante Performances beruhen<br />
auf der menschlichen Fähigkeit, gemeinsam für<br />
kurze Momente eine neue Realität zu erschaffen.<br />
53
»Perspektivwechsel II« – Vom Augen-Schein zum Körper-Sein<br />
»Perspektivwechsel II«<br />
»Perspektivwechsel II« – Vom Augen-Schein zum Körper-Sein.<br />
54<br />
Das kann nur gelingen, wenn alle am Prozess beteiligten<br />
mitmachen. So gesehen ist das Publikum nie<br />
passiv, immer aktiv. In welche Richtung sich dessen<br />
Aktivität verwandelt, liegt an den Spielern, an der<br />
Regie, am Text. Deswegen gibt es Proben. Aber ob<br />
eine Premiere gelingt oder nicht, hat mit Vertrauen<br />
zu tun und Ernsthaftigkeit im Spiel. Mit letzterem<br />
meine ich die Ernsthaftigkeit, wie sie Kinder beim<br />
Spielen haben.<br />
Spiel und Leben ist eins – es gibt kein als ob.<br />
Man ist groß, man wird gesehen, man zeigt sich,<br />
man ist verletzlich. Ob man gut über den Platz<br />
kommt, hängt ab von den eigenen Fähigkeiten und<br />
der Stimmung der anderen – also sorgt man dafür,<br />
dass alle gute Stimmung haben, einschließlich man<br />
selbst. Diese Sätze laufen nicht bewusst im Kopf ab,<br />
aber die Akteure handeln so, sie bringen sich in<br />
guten Mut – und damit auch ihr Umfeld. Und sie<br />
gehen mit Selbstvertrauen vom Platz – eine bessere<br />
Selbstmotivation für Lernen gibt es nicht.<br />
Mein Dank gilt der Leitung der Bertolt-Brecht-<br />
Gesamtschule, Löhne, der Initiatorin des übergeordneten<br />
Projektes »Schule als <strong>Kunst</strong>ort«, Dr. <strong>Birgit</strong><br />
<strong>Engel</strong>, dem fkf-owl und natürlich den teilnehmenden<br />
Schüler/innen, die mir noch unbekannte<br />
Sehweisen über die Stelzenarbeit vermittelt haben.<br />
Ein Schüler/innenvorschlag: In Anlehnung an den<br />
Übungsleiterschein für Sport sollte auch ein Übungsleiterschein<br />
für Stelzenlaufen angeboten werden.<br />
Ich wünsche der bbg- löhne und ihrer bereits existierenden<br />
schulinternen Stelzengruppe ein reiches<br />
Wachstum und Gedeihen in die Höhe und in die<br />
Breite.<br />
Stelzenlaufenlernen ist ein wunderbares Spiel- und<br />
Lernfeld, mit sich und anderen ins Gleichgewicht zu<br />
kommen.<br />
55
Biografien Autorinnen<br />
Biografien<br />
Biografien Autorinnen<br />
56<br />
Dr. <strong>Birgit</strong> <strong>Engel</strong>,<br />
Koordinatorin für Ästhetische Bildung;<br />
Studium der <strong>Kunst</strong>pädagogik und<br />
Erziehungswissenschaft an der Universität<br />
Oldenburg; Schülerin von<br />
Rudolf zur Lippe; seit 1983 Lehrerin an<br />
Gymnasium und Gesamtschule; promoviert<br />
im Bielefeld-Kasseler Graduiertenkolleg<br />
»Schulentwicklungsforschung<br />
an Reformschulen« bei Ludwig<br />
Huber; seit 2002 Lehrbeauftragte der Fakultät für<br />
Pädagogik der Universität Bielefeld; Arbeitsschwerpunkte:<br />
schulische Lern-, Lehr- und Bildungsprozesse<br />
im Kontext von Ästhetik, Hermeneutik<br />
und Phänomenologie, Künstlerische Kulturarbeit im<br />
Kontext von Differenz, Schule als <strong>Kunst</strong>Ort, sinnlichleibliche<br />
Übungen als Teil wissenschaftlichen Lehrens<br />
und Lernens; von 2004 - 2008 im Vorstand des<br />
frauenkunstforum-owl e.V. (fkf-owl e.V.), Mitinitiatorin<br />
der Gruppe Paedkunst; Näheres: www.engelbirgit.de<br />
Bärbel Kliche,<br />
Pädagogin und bildende Künstlerin;<br />
Schwerpunkt: <strong>Kunst</strong>therapeutisches<br />
Ausdrucksmalen; seit 1980 regelmäßige<br />
Einzelausstellungen in Berlin und in<br />
der Region OWL; seit 1998 Gemeinschaftsausstellungen<br />
mit Künstler-<br />
Innen aus Deutschland und den<br />
Niederlanden; Mitgründerin der<br />
Gruppe »<strong>Kunst</strong> für Menschenrechte«<br />
im Rahmen des Wanderkirchenasyls 1998 gemeinsam<br />
mit Bielefelder KünstlerInnen; Mitglied im<br />
frauenkunstforum-owl e.V. und in der Gruppe<br />
Paedkunst; seit 1980 Verknüpfung von <strong>Kunst</strong> und<br />
Pädagogik in der Arbeit mit Kindern und jugendlichen<br />
GrenzgängerInnen/ Schulverweigerern, als<br />
Schwerpunkt ihrer Arbeit; seit 2003 künstlerischpädagogische<br />
Arbeit an Schulen und in anderen<br />
städtischen/ kirchlichen Einrichtungen mit dem<br />
Schwerpunkt der Ausdrucksmalerei und individualisierten,<br />
ausdrucksbezogenen Erfahrungs- und<br />
Lernangeboten; Partizipativ organisierte Kinderund<br />
Jugendkunstausstellungen als öffentliches<br />
Forum, u.a. Teilnahme 2007 an der überregionalen<br />
Kinder- und Jugendkunstausstellung NRW in<br />
Witten; Verknüpfung von regionaler mit überregionaler<br />
Arbeit in <strong>Kunst</strong>projekten für Kinder und<br />
Jugendliche; Seminare und Fortbildungen für<br />
Pädagogen im Bereich »<strong>Kunst</strong> mit Kindern«.<br />
Andrea Künkele,<br />
bildende Künstlerin, Schwerpunkt<br />
Malerei; Studium<br />
zur <strong>Kunst</strong>pädagogin und<br />
<strong>Kunst</strong>therapeutin an der<br />
Fachhochschule Ottersberg<br />
/ Bremen; Seit 1988<br />
künstlerische Arbeit mit<br />
Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen<br />
und Senioren;<br />
seit 1999 Atelier in der Gadderbaumerstr. 3, 33739<br />
Bielefeld; Mitglied beim Bundesverband bildender<br />
Künstler (BBK-Owl); Mitglied bei den offenen<br />
Ateliers Bielefeld; Mitinitiatorin der Gruppe<br />
»<strong>Kunst</strong>lichter« (spartenübergreifend arbeitende<br />
Künstlerinnengruppe), Bielefeld; von 2004 - 2006<br />
im Vorstand des frauenkunstforum-owl e.V. (fkf-owl<br />
e.V.); <strong>Kunst</strong>projekte an Schulen seit 2000, z.B.<br />
Berthold Brecht Schule Löhne im Rahmen »Schule<br />
als <strong>Kunst</strong>ort«, Tieplatz Schule Heepen im Rahmen<br />
von Kultur und Schule NRW.; Einzel- und Gruppenausstellungen;<br />
Näheres: www.atelier-kuenkele.de<br />
Petra Lorenz<br />
Dipl. Ing., bildende Künstlerin<br />
Studium der Innenarchitektur,<br />
Gestaltung und <strong>Kunst</strong>,<br />
Pädagogik und Soziologie;<br />
Atelier Lorenz Bielefeld /<br />
Wuppertal / Schweiz;<br />
seit 1988 Seminararbeit;<br />
seit 1996 Jugendarbeit;<br />
2005 - 2007 Schulprojekte<br />
»Schule als <strong>Kunst</strong>ort« unter Leitung von Dr. <strong>Birgit</strong><br />
<strong>Engel</strong>, frauenkunstforum-owl .e.V. und 2006 -2007<br />
»Schule und Kultur« unter Leitung des Landeskulturdienstes<br />
NRW; Gruppen- und Einzelausstellungen<br />
im Kontext Museum, Tourismus, Wirtschaft;<br />
Objekte in über 70 Städten Deutschland / Schweiz;<br />
Seminare <strong>Kunst</strong> und Architektur, leibsinnlicher<br />
Erfahrung von Raum und Bewegung; Innen-, und<br />
Aussenraum, <strong>Kunst</strong>Orte, AndersOrte; Näheres:<br />
dipl.ing.petralorenz@gmx.de<br />
Katerina Mouraati<br />
ist gebürtige Griechin. In<br />
Griechenland und besonders<br />
in Athen ist sie durch<br />
eine Vielzahl von<br />
Ausstellungen in Galerien<br />
bekannt. Seit 1999 lebt<br />
und arbeitet sie in<br />
Bielefeld. Außer ihrer<br />
künstlerischen Arbeit<br />
gestaltet sie interkulturelle <strong>Kunst</strong>projekte in<br />
Schulen. Näheres: www.mourati.eu<br />
Christine Ruis,<br />
sch.a.l.k.i.n.<br />
Schauspiel, Arbeit, Leben,<br />
<strong>Kunst</strong>, innovativ, nützlich;<br />
1980 Diplom Sozialpädagogin<br />
und Arbeit als<br />
Sozialpädagogin;<br />
Ausbildung in Schauspiel/<br />
Theatertechniken;<br />
1983-1994 Theaterlabor<br />
Bielefeld e.V.; Tourneen im In- und Ausland; Weiterbildungen<br />
u.a. bei Odin Teatret, Yoshi Oida, Keith<br />
Johnston, Roy-Heart-Theatre; Weiterbildung beim<br />
Temps-Fort-Theatre im Bereich Maskenbau; 1995<br />
Gründung Theater EigenArt in Süddeutschland, bis<br />
2000 Lebensmittelpunkt in Süddeutschland; auf<br />
Einladung des Goethe-Institutes Gastspiele in<br />
Kasachstan und Kirgisien; 2000 Rückkehr nach<br />
Bielefeld, freiberuflich tätig im Bereich Schauspiel,<br />
Regie, Maskenbau, Theaterpädagogik, eingebunden<br />
in das Netzwerk der Freien Kulturszene in<br />
Bielefeld; 2003-2005 Zusammenarbeit mit F. K.<br />
Waechter; seit 2005 viele Aufträge als Theaterpädagogin<br />
an Schulen, u.a. bei der Yehudi-<br />
Menuhin Stiftung Deutschland; Zusatzausbildung<br />
zur Feldenkraispädagogin; intensive Auseinandersetzung<br />
mit ganzheitlichen Lern- und Lehrmethoden;<br />
Näheres: www.schalkin.de<br />
Constance Schröter<br />
Dipl. Soziologin mit den<br />
Schwerpunkten Bildungsund<br />
Kultursoziologie; studiert<br />
an der Humboldt<br />
Universität zu Berlin und<br />
an der Universität Bielefeld;<br />
2002 vier monatiger<br />
Aufenthalt in Sankt Petersburg;<br />
2007 bis 5/2008<br />
wissenschaftliche Mitarbeiterin für das frauenkunstforum-owl<br />
e.V.; seit Juli 2008 im Vorstand des frauenkunstforum-owl<br />
e.V.