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PÄD... Kunst.pdf - Birgit Engel

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Pädagogische <strong>Kunst</strong> –<br />

oder die <strong>Kunst</strong>,<br />

nicht pädagogisch zu handeln?<br />

Autoren<br />

<strong>Birgit</strong> <strong>Engel</strong> (Hrsg.)<br />

Constance Schröter (Hrsg.)<br />

Bärbel Kliche<br />

Andrea Künkele<br />

Petra Lorenz<br />

Katerina Mourati<br />

Christine Ruis


Inhalt<br />

Einführung<br />

Pädagogische <strong>Kunst</strong> – oder die <strong>Kunst</strong>, nicht pädagogisch zu handeln? 4<br />

<strong>Birgit</strong> <strong>Engel</strong>, Constance Schröter<br />

Projektdokumentationen<br />

Klangraum Aula 10<br />

Petra Lorenz<br />

Impressum:<br />

Hrsg:<br />

Dr. <strong>Birgit</strong> <strong>Engel</strong><br />

Constance Schröter<br />

Eine Kooperation von:<br />

frauenkunstforum-owl e.V.<br />

Postfach 101167<br />

33511 Bielefeld<br />

www.fkf-owl.de<br />

und<br />

Bertolt-Brecht-Gesamtschule<br />

der Stadt Löhne<br />

Zur Schule 4<br />

32564 Löhne<br />

und<br />

Fakultät für Erziehungswissenschaft<br />

Bereich: Migrationspädagogik und Kulturarbeit<br />

der Universität Bielefeld<br />

Die Buchstabenkünstler 16<br />

Christine Ruis<br />

Unwirtlichkeit oder Zugehörigkeit 24<br />

Andrea Künkele<br />

»Spuren« ein interkulturelles KonzeptArt Projekt 32<br />

Katerina Mourati<br />

Bildentwicklung – Jugend im Bild 40<br />

Bärbel Kliche<br />

Perspektivwechsel II – Vom Augen-Schein zum Körper-Sein 48<br />

Christine Ruis<br />

Biografien 56<br />

Layout/ Gestaltung:<br />

Christel Heermann<br />

Fotos:<br />

Dr. <strong>Birgit</strong> <strong>Engel</strong>, Bärbel Kliche,<br />

Andrea Künkele, Petra Lorenz<br />

Katerina Mourati, Christine Ruis<br />

Gefördert vom:<br />

MINISTERPRÄSIDENTEN<br />

DES LANDES<br />

NORDRHEIN-WESTFALEN


Einleitung<br />

»Die Zeit des Menschen ist nichts, solange man sie nicht erzählt. Wenn<br />

wir sie nicht mit »lebendigen Metaphern« durchdringen und in die<br />

Erzählung unseres eigenen Lebens verwandeln, dann erstarrt sie zur<br />

physikalisch leeren Zeit – ein Exzess sinnloser Dauer«<br />

Ricoeur, Paul: Die lebendige Metapher, München 1986<br />

Einleitung<br />

Dr. <strong>Birgit</strong> <strong>Engel</strong><br />

Konzeption<br />

»Ästhetische Bildung«<br />

Pädagogische <strong>Kunst</strong> –<br />

oder die <strong>Kunst</strong>, nicht-pädagogisch<br />

zu handeln?<br />

Die hier vorliegende Veröffentlichung<br />

ist aus einem Gedankenaustausch<br />

über pädagogisch-künstlerische Fragen<br />

und Erfahrungen entstanden, die wir<br />

als eine Arbeitsgruppe des frauenkunstforum-owl<br />

e.V. unter der Bezeichnung<br />

»Paed<strong>Kunst</strong>« seit mehreren Jahren praktizieren. Die<br />

Gruppe »Paed<strong>Kunst</strong>« besteht aus Künstlerinnen, die<br />

alle regelmäßig mit Kindern und Jugendlichen in<br />

Schulen in der Region Ostwestfalen-Lippe zusammenarbeiten<br />

und in unterschiedlichen künstlerischen<br />

Sparten spezialisiert sind. Die Grundidee der<br />

Zusammenarbeit entstand bereits Anfang 2003,<br />

also schon einige Zeit, bevor die bildungspolitischen<br />

Initiativen im Bundesland NRW begannen,<br />

KünstlerInnen als KooperationspartnerInnen von<br />

Schulen anzuwerben und pädagogisch weiterzuqualifizieren.<br />

Constance Schröter<br />

wissenschaftliche<br />

Assistenz<br />

4<br />

Ein wesentlicher Ausgangspunkt bei der Gründung<br />

unserer Gruppe war das gemeinsame Interesse an<br />

der pädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.<br />

Vor dem Hintergrund einer überlasteten<br />

Bildungssituation von LehrerInnen und Schüler/<br />

Innen in den Schulen verband uns das Anliegen,<br />

sowohl die eigenen künstlerisch-praktischen<br />

Kompetenzen, als auch den eigenen künstlerischen<br />

Weltzugang in die schulische Pädagogik einzubringen.<br />

Unsere Vermutung war, dass wichtige<br />

Potenziale und kreativ künstlerische Wahrnehmungs-<br />

und Ausdrucksfähigkeiten der Kinder und<br />

Jugendlichen durch die Entwicklungsresistenz starrer<br />

Unterrichtsformen, die starke Ausrichtung an<br />

Konkurrenz und an der Messbarkeit von schulischen<br />

Leistungen in der Institution zu kurz kommen.<br />

In den von uns konzipierten Projekten suchen wir<br />

nach neuen Wegen in der Verknüpfung von <strong>Kunst</strong><br />

und Pädagogik. Dabei sehen wir die <strong>Kunst</strong> als<br />

Medium, d.h. als Mittlerin zwischen Lernen und<br />

Leben. Die pädagogisch-künstlerischen Projekte<br />

sollen sich an Entschleunigung, Bewusstwerdung,<br />

Selbststeuerung und Erfahrungsoffenheit, Innovation<br />

und Partizipation orientieren. Künstlerischpädagogische<br />

Impulse können in der alltäglichen<br />

Belastung zwischen LehrerInnen und SchülerInnen<br />

Freiräume schaffen, zum Umgang mit dem<br />

Fremden ermutigen, neue verborgene Potenziale<br />

entdecken helfen, in der gemeinsamen künstlerischen<br />

Arbeit an einer Sache soziale und kulturelle<br />

Differenzen produktiv werden lassen und das soziale<br />

Miteinander fördern.<br />

Inzwischen können wir auf eine ganze Reihe von<br />

stattgefundenen schulischen Projekten zurückblikken,<br />

die im Diskussions- und Reflexionszusammenhang<br />

der Gruppe stehen. Der Gedanke, ausgewählte<br />

Projekte zu dokumentieren und zu veröffentlichen<br />

erschien uns sowohl im Sinne einer Selbstreflexion als<br />

auch unter der Perspektive, Ausschnitte unserer<br />

Arbeit zur Diskussion zu stellen, interessant.<br />

Jede Künstlerin bringt andere Vorstellungen in die<br />

Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ein, die gegründet<br />

sind auf ihrem je persönlichen professionsund<br />

spartenspezifischen Zugang zu ihrer eigenen<br />

<strong>Kunst</strong> und auf ihren Erfahrungen, die sie bisher in<br />

der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gesammelt<br />

hat. Sie muss diese dann mit den Bedingungen<br />

die sie in der Schule antrifft, wie Alter, Gruppengröße,<br />

Räumlichkeit, Zeitplanungen, Klima, Voraussetzungen<br />

und auch Stimmungen der SchülerInnen,<br />

vorhandenem Material, etc in einen kreativ-künstlerischen<br />

Zusammenhang bringen. Dabei geht es<br />

nicht nur darum, sich auf den institutionellen<br />

Rahmen der jeweiligen Schule einzustellen, sondern<br />

auch selbst einen Platz in einer Ordnung zu finden,<br />

in der ein »anderer Wind weht«, die an anderen<br />

Orientierungen ausgerichtet ist, eine eigene Sprache<br />

spricht. Die KünstlerIn ist zunächst Fremde, Dritte<br />

und möglicherweise auch Störfaktor, Anlass zur<br />

Irritation. Der Verlauf und das Gelingen ihres<br />

Projektes, hängt entscheidend davon ab, wie es ihr<br />

gelingt, sich in diesen fremden Ordnungszusammenhang<br />

einzubringen und ob sie eine situativ<br />

adäquate künstlerische Antwort auf die jeweils<br />

konkrete Situation finden kann.<br />

»Dieses Wovon des Getroffenseins verwandelt sich<br />

in ein Worauf des Antwortens, indem jemand sich<br />

handelnd und redend darauf bezieht, es abwehrt,<br />

begrüßt und zur Sprache bringt.«<br />

Berhard Waldenfels in: Grundmotive einer Phänomenologie des Fremden,<br />

Frankfurt a.M. 2006<br />

Die Frage war für uns nun, wie wir die Besonderheit<br />

dieser Situation und den spezifischen Charakter der<br />

Projekte dokumentieren könnten. Ein Vorgehen<br />

nach vorab festgelegten Evaluationsgesichtspunkten<br />

hätte den (Rück-)Blick der KünstlerInnen<br />

auf das stattgefundene Projekt in eine vorab festgelegte<br />

Richtungen gelenkt, die – möglicherweise –<br />

ihrem eigenen konzeptionellen Zugang und den<br />

Besonderheiten dessen, was sich in den Projekten<br />

ereignete, nicht entsprochen hätte. Wie war es möglich<br />

einen anderen Zugang zu finden? Die Diskussion<br />

und der Austausch unserer Gedanken im Rahmen<br />

unserer Arbeitsgruppe waren immer dann besonders<br />

interessant, produktiv und lebendig, wenn die<br />

KünstlerInnen von einer bestimmten Begebenheit<br />

erzählten, die ihnen in Erinnerung geblieben war.<br />

»Schlüsselereignisse ... nötigen uns, dem Satz vom<br />

zureichenden Grund, den Satz vom unzureichenden<br />

Grund entgegenzusetzen, da ... alle Begründungsversuche<br />

auf unüberwindliche Grenzen stoßen.«<br />

Berhard Waldenfels in: Grundmotive einer Phänomenologie des Fremden,<br />

Frankfurt a.M. 2006<br />

Es erschien uns lohnenswert, Ausschnitte aus diesen<br />

Geschichten weiterzuerzählen und öffentlich zu<br />

machen. Die Projektdokumentationen sollten sich<br />

deshalb an zwei Zielen ausrichten: Einerseits soll den<br />

Lesern der äußere Rahmen der Projekte und das<br />

Projektkonzept vorgestellt werden, andererseits sollen<br />

Schlüsselsituationen beschrieben werden, die<br />

wichtig für den Verlauf der gemeinsamen Arbeit<br />

mit den SchülerInnen und für die Art der<br />

Verständigung und den Umgang mit der Thematik<br />

waren.<br />

Die Erschließung solcher stattgefundenen Schlüsselsituationen,<br />

als »spurenbildendes Bildungsmoment«<br />

erforderte von den Künstlerinnen nochmals eine<br />

aktive Auseinandersetzung mit ihrer eigenen<br />

Arbeit, diesmal jedoch in einer – nicht unbedingt<br />

gewohnten – reflexiven Rückwendung auf das<br />

Erlebte. Dies erfordert zunächst ein Innehalten und<br />

dann ein Zulassen dessen, was sich als Erinnerung<br />

zeigt. Auch wenn es in einem nächsten Schritt<br />

zunächst »nur« um eine Beschreibung und noch<br />

nicht unbedingt um eine reflexive Durchdringung<br />

des Erlebten geht, ist diese Beschreibung doch<br />

begleitet von einer Bewusstwerdung darüber, was<br />

man getan, gedacht oder erlebt hat und diese<br />

Beschäftigung wirft einen neuen Faden, legt eine<br />

erste Spur für weitere Ideen und Konzepte.<br />

»Um der Welt den Gehalt seiner Gedanken mitzuteilen,<br />

muss der Denkende vor allem aufhören zu<br />

denken und anfangen, sich des bereits gedachten<br />

zu erinnern.«<br />

Hannah Arendt: Vita activa<br />

Entstanden sind die dem Leser/ der Leserin nun vorliegenden<br />

sieben Dokumentationen mit sehr unterschiedlichen<br />

Gewichtungen hinsichtlich der Auswahl,<br />

Beschreibungsdichte und auch der zugeschriebenen<br />

Bedeutungen. Alle Projekte haben das gemeinsame<br />

Ziel, insbesondere Kinder mit unterschiedlichen<br />

kulturellen und auch belasteten familiären Hintergründen<br />

in die Aktivitäten einzubeziehen und in<br />

besonderer Weise zu fördern. Die Vorhaben wurden<br />

in Teilen durch das fkf-owl aus den Landesmitteln<br />

NRW im Rahmen der Frauenkulturförderung<br />

finanziell unterstützt.<br />

Die Projekte der Künstlerinnen Andrea Künkele,<br />

Petra Lorenz, Christine Ruis und Katerina Mourati<br />

wurden an der Bertolt-Brecht Gesamtschule in<br />

Löhne im Rahmen des – nochmals spezifischen<br />

Projektkonzepts >Schule als <strong>Kunst</strong>Ort< durchgeführt<br />

1 . Hierbei ging es um den explizit formulierten<br />

Auftrag an die Künstlerinnen, mit ihren Konzepten<br />

auf die spezifischen – zwischenmenschlichen, architektonischen,<br />

klimatischen, akustischen – ästhetischen –<br />

Wirkungen des Lernortes künstlerisch zu antworten.<br />

Das Projekt der Künstlerin Bärbel Kliche wurde im<br />

Rahmen der Werk(statt)schule (BAJ) in Bielefeld für<br />

gesellschaftlich benachteiligte Jugendliche durchgeführt.<br />

Ein weiteres Projekt, ein Sprachförderprojekt,<br />

der Künstlerin Christine Ruis fand an einer<br />

Grundschule in Bad Salzuflen, mit finanzieller<br />

Unterstützung des dortigen Rotary-Clubs statt.<br />

»Unwirtlichkeit oder Zugehörigkeit«<br />

Die Bildende Künstlerin Andrea Künkele beschreibt<br />

in ihrer Dokumentation den Beginn eines künstlerischen<br />

Schulentwicklungsprojektes, die Umgestaltung<br />

eines Schuljahrgangsflures. Sie verfolgte mit diesem<br />

Projekt konsequent die Idee, einen unwirtlichen<br />

und von Zerstörungsspuren gekennzeichneten<br />

Jahrgangsflur einer Gesamtschule gemeinsam mit<br />

5


Einleitung<br />

Einleitung<br />

6<br />

den SchülerInnen in einen angenehmen Lebensraum<br />

umzugestalten. Sie beschreibt Ausschnitte aus dem<br />

Prozess und dabei ihr Bemühen, die SchülerInnen<br />

an den zu treffenden Entscheidungen zu beteiligen.<br />

Sichtbar werden in ihrem Bericht die Schwierigkeiten<br />

und Hürden in den festgefahrenen Bahnen<br />

der schulischen Institution neue Wege der partizipativen<br />

Gestaltung des schulischen Lernortes zu<br />

beschreiten. Dabei stellt sich die Künstlerin immer<br />

wieder die nicht leicht zu beantwortende Frage:<br />

Wie kann die Teilhabe der SchülerInnen an der<br />

Aneignung und Mitgestaltung ihrer schulischen<br />

Lebenssituation gelingen? Sie berichtet in ihrer<br />

Dokumentation anschaulich über Schwierigkeiten<br />

und Erfolge der praktischen Bewältigung dieses<br />

Problems.<br />

»Bildentwicklung – Jugend im Bild«<br />

Das Projekt der Bildenden Künstlerin Bärbel Kliche<br />

richtete sich an SchülerInnen, die für sich mit der Schule<br />

innerlich schon abgeschlossen und Erfahrungen mit<br />

schwierigen Lebenssituationen hatten und nun im<br />

Rahmen der Werk(statt)schule des BAJ e.V.<br />

Bielefeld die Chance erhielten, in den regulären<br />

Schulalltag, nach einem Jahr, zurückzukehren. Sehr<br />

konkret und sachbezogen, aber zugleich einfühlsam<br />

und sensibel schildert die Künstlerin eine von ihr<br />

gewählte Auswahl von Situationen, in denen sich<br />

Haltung und Motivation der SchülerInnen während<br />

des Projektverlaufs sukzessiv veränderten und<br />

auch, welch offensichtlich wichtige Bedeutung das<br />

<strong>Kunst</strong>projekt für die sich langsam herausbildende<br />

positive Einstellung zur praktisch-künstlerischen<br />

Mitarbeit und in einigen Fällen auch zum Erwerb<br />

eines qualifizierten Bildungsabschlusses auf die<br />

Jugendlichen hatte.<br />

»Klangraum Aula«<br />

Die Bildende Künstlerin und Dipl. Ing. Petra Lorenz<br />

beschäftigte sich mit dem Phänomen von Schule als<br />

Klangraum. SchülerInnen lachen, rufen, kreischen in<br />

unterschiedlichsten Sprachen während der Pausensituation<br />

in der nicht gerade kleinen Schulaula der<br />

Gesamtschule Löhne. Schnell steigt der Lärmpegel<br />

an und wird durch den Widerhall in der Aula<br />

zusätzlich verstärkt. Lärmschutz in der Schule, bei<br />

Spitzenwerten um die 100 dB. Die Künstlerin hatte<br />

diesen Wert für Extremsituationen in der Aula<br />

ermittelt. Trotzdem konnte es nicht darum gehen,<br />

die vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten und die<br />

leibliche und stimmliche Vitalität der SchülerInnen<br />

zu sanktionieren. Petra Lorenz beschreibt in ihrer<br />

Dokumentation, wie sie zusammen mit den<br />

SchülerInnen neue Erfahrungen mit der Klangvielfalt<br />

des schulischen Lernraums macht, wie sie<br />

gemeinsam mit den SchülerInnen die Aula der<br />

Schule als Klangraum erforscht und wie sie die prekäre<br />

akustische und räumliche Situation dazu<br />

nutzt, um den Sinnen, dem Leib, insbesondere dem<br />

Hören einen Erfahrungsraum zu erschließen.<br />

»Spuren« ein interkulturelles KonzeptArt Projekt<br />

Die Bildende Künstlerin Katerina Mourati ist<br />

zusammen mit den SchülerInnen auf Spurensuche<br />

gegangen. Ihre Projektidee bestand darin, die private<br />

und schulische Lebenswelt nicht auszublenden,<br />

sondern zur Grundlage einer künstlerischen schulischen<br />

Installation zu machen. Dabei geht es um die<br />

großen Themen: Alltagsleben in der Schule,<br />

Freundschaft, andere Kulturen und die Liebe. Auch<br />

hier wird ein institutionell geprägter funktionaler<br />

Jahrgangsflur umgestaltet, diesmal mit dem<br />

Wagnis, ihn durch authentische Ausdrucksspuren<br />

der SchülerInnen, die ihn täglich benutzen, nicht nur<br />

zu einem wirtlicheren Lebensraum, sondern zu<br />

einem kommunikativen künstlerischen Medium<br />

umzugestalten. Die Künstlerin beschreibt eindrucksvoll<br />

Ausschnitte aus diesem Prozess, aber auch die<br />

Irritationen, die durch das erlaubte Hinterlassen von<br />

Spuren, wie das Bemalen und Beschreiben von<br />

Wänden und Bänken bei den schulischen Akteuren<br />

ausgelöst wurden. >Ist das <strong>Kunst</strong>?< ist eine zentrale<br />

Frage, die sich dabei den von den sichtbaren<br />

Veränderungen betroffenen schulischen Akteuren<br />

nach dem »verborgenen Sinn« dieser Aktivitäten<br />

stellt und dabei auch die Selbstverständlichkeit der<br />

gewohnten Ordnung relativiert. Gegen die mühsam<br />

durchzusetzenden schulischen Regeln verstoßen,<br />

darf man das im Rahmen der Freiheit der <strong>Kunst</strong>?<br />

»Perspektivwechsel I Vom Augen-Schein zum<br />

Körper-Sein«<br />

Für die Schauspielerin, Regisseurin und Theaterpädagogin<br />

Christine Ruis standen wiederum andere<br />

Ideen im Zentrum ihres Projektes. An der Bertolt-<br />

Brecht- Gesamtschule Löhne bildete sie interessierte<br />

SchülerInnen zu Stelzenläufern aus, die in ergebnisoffenen<br />

Performances in die Pausensituationen der<br />

Schule intervenierten. Bei dieser Arbeit entstanden<br />

elementare Fragen nach der Bedeutung von<br />

Vertrauen, Balance, Offenheit und Risikobereitschaft<br />

auch über das Theaterprojekt hinaus für das eigene<br />

Leben. Wie können wir miteinander und von einander<br />

lernen? Performance und Schauspiel zeigen sich<br />

dabei »als wirkliche Lebensprozesse«, denn es gibt<br />

kein »als ob«. Christine Ruis berichtet in ihrer<br />

Dokumentation über die konkrete Arbeit mit den<br />

Jugendlichen und auch über die organisatorischen<br />

Schwierigkeiten, ein solches Projekt an einer Schule<br />

durchzuführen, in der der Schulalltag allen<br />

Beteiligten kaum Zeit und Raum für Außergewöhnliches<br />

lässt.<br />

»Die Buchstabenkünstler« – abstrakte Sprache<br />

lebendig machen«<br />

Bei diesem Projekt, basierend auf der Geschichte<br />

»Der Buchstabenfresser« von Paul Maar, handelt es<br />

sich um ein Projekt zur Sprachförderung für<br />

Schülerinnen der zweiten Jahrgangsstufe. Das<br />

Gewohnte umkehren, einen Rahmen bieten, Neues<br />

ausprobieren, Defizite ausgleichen, auf diesem Weg<br />

eröffnete Christine Ruis allen Kindern eine Chance<br />

zur aktiven Beteiligung.<br />

Dieses Projekt ist ein gutes Beispiel für eine gelungene<br />

Kooperation zwischen Schule und Künstlerin.<br />

Während des Projektverlaufs wurde vieles anders<br />

gemacht, die gewohnte schulische Ordnung, wie der<br />

45 Minuten Takt, sowie andere schulische Routinen<br />

gemeinsam mit den LehrerInnen aufgehoben. Die<br />

Dokumentation gibt zum einen konkrete<br />

Anregungen, wie künstlerische Projekte an Schulen<br />

erfolgreich umgesetzt werden können, zum andern<br />

werden die sich bietenden Chancen und<br />

Möglichkeiten deutlich und damit der Gewinn für<br />

alle Beteiligten.<br />

»Nicht vor allem durch die Künste, aber niemals<br />

ohne sie können wir die Gattungsarbeit leisten,<br />

künftige Lebensformen zu finden, zumal es an entscheidenden<br />

Punkten um Überlebenssicherung<br />

geht, die von den Folgen einer einseitig rationalistischen<br />

Aufklärung bedroht erscheint.«<br />

R. zur Lippe: Die utopische <strong>Kunst</strong> des Ortes, in: Sinnenbewusstsein, Reinbeck<br />

b. Hamburg 1987<br />

Was passiert, wenn Künstlerinnen an die Schule<br />

kommen?<br />

Im allgemeinen Bewusstsein des Mangels am<br />

Bildungserfolg deutscher Schulen hat auch ästhetische<br />

Bildung zurzeit Konjunktur. Im Rahmen des<br />

Ausbaus der Ganztagsschule und im Blick auf die<br />

Defizite im Bereich kultureller und interkultureller<br />

Bildung wetteifern die Bundesländer um effektive<br />

Kooperationsmodelle mit KünstlerInnen. KünstlerInnen<br />

sollen nun in die Schulen hineintragen, was<br />

die Bildungspolitik in den vergangenen Jahren vernachlässigt<br />

hat 2 . In der Pressemitteilung der kulturpolitischen<br />

Gesellschaft heißt es: »Die Möglichkeiten<br />

kreativer Gestaltung, die ästhetische Erziehung vermitteln<br />

kann und die unmittelbar Auswirkungen<br />

haben auf Lernfähigkeit und Persönlichkeitsentwicklung,<br />

sind aus der bildungspolitischen<br />

Wahrnehmung verschwunden ... Diese Tendenz<br />

muss gestoppt werden. Vielmehr müssen Angebote<br />

aus den <strong>Kunst</strong>gattungen ... gerade im Interesse der<br />

Kinder und Jugendlichen nichtdeutscher Herkunft in<br />

Schule wie in Freizeit ausgebaut werden.« 3<br />

Zurzeit werden von Schulen und KünstlerInnen erste<br />

Erfahrungen und Wissen in diesem sich weiter ausbauenden<br />

Kooperationszusammenhang gesammelt.<br />

Dabei haben die Schulen noch keine feste<br />

Struktur, noch keine Ordnung, in die die<br />

Künstlerinnen sich mit ihren Projekten einfach nur<br />

einzuordnen bräuchten. Meist muss für die Projekte<br />

der Rahmen noch völlig neu abgesteckt werden. So<br />

wichtig es einerseits erscheint, dass sich in den schulischen<br />

Ordnungen ein institutionalisierter Raum für<br />

diese außerschulischen Kooperationspartner bildet,<br />

so bedenkenswert erscheint uns zugleich die Gefahr<br />

einer Vereinnahmung und Neutralisierung des<br />

Potenzials der Differenz, das KünstlerInnen durch<br />

ihre Mitarbeit in der schulischen Institution erzeugen.<br />

KünstlerInnen sind keine LehrerInnen. ...<br />

Die KünstlerIn hat den Kindern und Jugendlichen<br />

gegenüber eine andere, neue Position. Sie tritt<br />

ihnen nicht als LehrerIn im Sinne einer »Vertreterin<br />

der Institution Schule« gegenüber. Das heißt, das<br />

pädagogisch-künstlerische Verhältnis und die<br />

künstlerisch-praktischen Vermittlungswege müssen<br />

erst noch gemeinsam mit den Kindern und<br />

7


Einleitung<br />

Einleitung<br />

8<br />

Jugendlichen neu herausgefunden werden. Das ist,<br />

im Vergleich mit der Arbeit von Lehrerinnen und<br />

Lehrern, die ihre Arbeit in einem vorgegebenen<br />

curricularen und oft auch methodisch-didaktischen<br />

Rahmen bewältigen, in dem die Spielregeln für die<br />

Beteiligten (Leitungsorientierung, Klassen- und<br />

Vergleichsarbeiten, etc.) weitgehend abgeklärt sind,<br />

eine nicht ganz einfache Herausforderung, aber<br />

auch eine besondere Chance. Sie erhalten von den<br />

SchülerInnen meist zunächst einen gewissen Bonus,<br />

weil sie nicht zum alltäglichen Repertoire der Schule<br />

gehören. Die Kinder und Jugendlichen haben das<br />

Interesse und die natürliche Neugier, diese anderen<br />

Personen kennen zu lernen, mehr über ihren Beruf,<br />

ihr Können, ihre Arbeitsweise zu erfahren. Dabei<br />

geht es immer auch um die Frage, ob und worin sich<br />

die neue Person als Spezialistin zeigt, was man<br />

möglicherweise von ihr lernen kann und ob man sie<br />

ernstnehmen sollte. Auch die künstlerischen Medien<br />

wirken dabei inspirierend, der Einsatz der Sinne, die<br />

Praxis, die Möglichkeit den eigenen Körper aktiv ins<br />

Spiel zu bringen wecken Lebendigkeit und<br />

Engagement.<br />

Dennoch legen die SchülerInnen ihre erworbenen<br />

Einstellungen zum Lernort Schule nicht automatisch<br />

ab. Sie testen aus, wollen die Grenzen und Spielräume<br />

kennen lernen, die ihnen die KünstlerInnen<br />

setzen und die bei dieser Grenzziehung nicht auf das<br />

»bewährte Disziplinierungsrepertoire« der schulischen<br />

Akteure zurückgreifen können. Dem möglichen<br />

»Druck der Leistungsorientierung durch<br />

Notengebung« müssen, können und wollen sie –<br />

meist – ein anderes »Leistungsprinzip« entgegensetzen.<br />

Das Gelingen der gemeinsamen Arbeit erweist<br />

sich nicht nur in einer guten, fairen und offenen<br />

Kommunikation, sondern meist auch in einem für<br />

Andere sichtbaren Produkt. Dies weckt eine andere<br />

Ebene der Anstrengung.<br />

Ob sich etwas als tauglich erweist,<br />

wird nicht an der Abwesenheit von Fehlern gemessen,<br />

sondern eher an der Lebendigkeit, an der<br />

Präsenz, der Überzeugungskraft, mit der es gelingt,<br />

den Anderen etwas Eigenes mitzuteilen. Die<br />

Wirkung, die das eigene oder auch gemeinsame<br />

Produkt auf die Anderen, die LehrerInnen, die<br />

Eltern und möglicherweise eine weitere Öffentlichkeit<br />

ausübt, vermittelt die Erfahrung an einem<br />

öffentlichen Raum zu partizipieren, in ihm das Wort<br />

zu ergreifen und damit zur Gestaltung eines<br />

gemeinsamen Lebensraums beizutragen.<br />

Indem KünstlerInnen als nicht-schulische Akteure in<br />

der schulischen Ordnung künstlerisch-pädagogisch<br />

handeln, entsteht auf der Ebene der Leistungsorientierung<br />

und der Lernorganisation möglicherweise<br />

der Impuls, auch die schulischen Alltagsroutinen<br />

anders, neu zu denken.<br />

Künstlerisches Handeln in pädagogischen<br />

Situationen heißt,<br />

sich der jeweiligen schulischen Situation zu stellen,<br />

sich in ihr bewusst, aber erfahrungsoffen zu positionieren<br />

und beinhaltet die Herausforderung, immer<br />

wieder neue und andere Antworten auf eine<br />

bestimmte Lage, die Voraussetzungen und die<br />

Interessen der Kinder und Jugendlichen, die je spezifische<br />

Situation einer Schule zu finden. Die<br />

SchülerInnen ihrerseits reagieren und antworten auf<br />

das, was die KünstlerInnen mitbringen, ebenso wie<br />

diese auf das antworten, was von den Kindern und<br />

Jugendlichen kommt. KünsterInnen und Schüler-<br />

Innen handeln, antworten und gestalten gemeinsam<br />

und kreieren dabei eine sich herausbildende<br />

singuläre pädagogisch-künstlerische Situation. Eine<br />

so verstandene kulturpädagogische Ausrichtung<br />

erschöpft ihre Sinnhaftigkeit nicht in einer preisgünstigen<br />

kreativen Erweiterung des schulischen<br />

Angebots zur Ganztagsbetreuung und auch nicht<br />

darin, den öffentlichen Kultureinrichtungen mehr<br />

Publikum zuzuspielen. So verstandenes künstlerisches<br />

Handeln verweigert die Instrumentalisierung<br />

sowohl der eigenen Person als auch der Anderen<br />

und muss dabei doch – pädagogisch verantwortlich –<br />

die beteiligten Kinder und Jugendlichen in eine sich<br />

herstellende gemeinsame Ordnung führen. Diese<br />

lebendige Ordnung kann im besten Fall neue<br />

Ausdrucksspielräume ermöglichen, scheinbar Selbstverständliches<br />

in einem anderen Licht zeigen, den<br />

alten Sinn verweigern und zu neuen Sinnentdeckungen<br />

einladen. Differenzen, seien sie kultureller,<br />

geschlechts- oder auch generationenspezifischer Art<br />

erweisen sich im Rahmen der gemeinsamen<br />

Orientierung an einem künstlerischen Produkt nicht<br />

als Störung, sondern als Bereicherung.<br />

Schule und LehrerInnen könnten grundsätzlich<br />

von dem künstlerischen Potenzial lernen,<br />

eine solche prinzipielle Offenheit als besondere Art<br />

der Wahrnehmung in den Umgang mit pädagogischen<br />

Situationen einzubringen und dabei dem<br />

Ungeplanten, Anderen und Fremden zu begegnen.<br />

Dieses Gespür für Materialien, Orte und Menschen<br />

benötigt man prinzipiell in jeder gewöhnlichen Unterrichtsstunde,<br />

auch wenn dies von den Handlungsmustern<br />

der täglichen Routine oft überdeckt wird.<br />

Die schulische Ordnung, der Habitus und das<br />

Bewusstsein der schulischen Akteure aber stehen<br />

solchen künstlerischen Bildungsbemühungen häufig<br />

grundsätzlich noch skeptisch gegenüber oder sie<br />

relativieren die Relevanz der in solchen Arrangements<br />

möglichen Lernerfahrungen und Bildungsereignisse<br />

gegenüber der Ernsthaftigkeit der ihnen vertrauten<br />

formalisierten und curricular vorbestimmten<br />

Arbeitsweisen und Vermittlungsstrukturen.<br />

Aus dieser Tatsache ergibt sich eine besondere<br />

Vermittlungsaufgabe im Rahmen der gegenwärtigen<br />

künstlerisch-kulturellen Bildungsbemühungen.<br />

Vermittelt werden muss hier nicht nur auf einer<br />

organisatorisch-pragmatischen und strukturellen<br />

Ebene, sondern zwischen zwei grundsätzlich differenten<br />

kulturellen Praxen und Erfahrungsmustern.<br />

Wenn Künstlerinnen eine pädagogische Erfahrung<br />

in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen<br />

machen, dann reiht sie sich ein in die Kontinuität<br />

ihrer Geschichten und Erfahrungen als Ganzes. Die<br />

hier vorliegenden Erfahrungsberichte der Künstlerinnen<br />

aus ihrer pädagogischen Begegnung mit<br />

Kindern und Jugendlichen – insbesondere auch aus<br />

bildungsfernen Milieus – könnten einen kleinen<br />

Beitrag zu einer solchen Vermittlung leisten.<br />

1 <strong>Engel</strong>, <strong>Birgit</strong> (Hg.), 2005 Schule als <strong>Kunst</strong>Ort. Über<br />

den Beginn eines künstlerischen Schulentwicklungsprojekts<br />

an der Bertolt-Brecht-Gesamtschule,<br />

Löhne, Bielefeld<br />

2 Vgl.: <strong>Engel</strong>, <strong>Birgit</strong> (2005): Schule als <strong>Kunst</strong>Ort –<br />

Künstler antworten auf die ästhetische Bildungskrise<br />

in: AHAes: Die pädagogische Zeitschrift für die<br />

Allgemeinbildenden Höheren Schulen, Linz – Österreich<br />

– Nummer 15 2007<br />

3 Pressemitteilung der Kulturpolitischen Gesellschaft<br />

e.V. 2005; siehe: www.kupoge.de<br />

9


Die Aula als Klangraum<br />

Die Aula als Klangraum<br />

Kinder als Forscher, Produzenten, Musiker und Sprecher nähern sich dem Klangraum<br />

der Aula<br />

Projektleitung Ein Projekt an der Bertolt-Brecht<br />

Gesamtschule in Löhne mit Kindern<br />

Petra Lorenz des 5. und 6. Jahrgangs im Jahr 2007<br />

Dipl. Ing.<br />

im Rahmen des Projektkonzepts<br />

Bildende Künstlerin Schule als <strong>Kunst</strong>Ort<br />

Eine Kooperation von Bertolt-Brecht-<br />

Gesamtschule, Löhne, frauenkunstforum-owl<br />

e.V., Bielefeld und der pädagogischen<br />

Fakultät der Uni Bielefeld,<br />

gefördert aus Mitteln der Aktion<br />

Mensch/ 5000xzukunft und dem MSWKS NRW<br />

10<br />

Der Rahmen des Projektes<br />

Die Bertolt-Brecht-Gesamtschule ist eine 5 zügige<br />

Schule mit ganztägigen Angeboten und einer großen<br />

Anzahl von Kindern mit Migrationshintergrund.<br />

Da die Schüler hier einen großen Zeitabschnitt der<br />

Woche verbringen, ist dies auch ein zentraler<br />

Lebensraum. Während dieser Zeit kommt dem<br />

ästhetischen Bereich des Hörens und Sprechens<br />

besondere Bedeutung zu.<br />

Architektur als akustischer Handlungsraum<br />

im Schulleben wird durch<br />

Menschen bestimmt, die ihn beleben.<br />

Der Projektbericht umfasst<br />

einen Zeitraum von ca. 10 Wochen<br />

von Nov. 2005 bis Febr. 2006 an<br />

dem mit kleinen Schülergruppen<br />

jeder betroffenen Klasse in dem<br />

Raum der akustische und ästhetische<br />

Klang-Wert des Raumes erlebt<br />

und verändert werden sollte.<br />

Dabei sollten die Kinder selber<br />

Forscher, Produzenten, Musiker<br />

und Akteure sein.<br />

Die Zielgruppe: Die Nutzer der Aula<br />

Bei mehr als 100 Nutzern der Aula wirken die Stimmen<br />

wie ein Dröhnen, das durch Laute in hohen<br />

Tonlagen, wie Schreie, Kreischen, Pfiffe überlagert<br />

wird. Durch die hohen Lagen ist eine ästhetische<br />

Differenzierung von Sprechen und Hören gar nicht<br />

mehr möglich. Dies fordert lautes Stimmverhalten<br />

in der Aula noch heraus. Für normale Verständigungen<br />

müssen auch nebeneinander stehende<br />

Personen ihre Stimme so anstrengen, dass eine<br />

ästhetische Modulation kaum noch möglich ist. Da<br />

die Schüler auch die gesamte Distanz des Raumes<br />

für Rufe und Sprechen überbrücken, liegt der durchschnittliche<br />

Dezibelwert bei 85 bis 95 DZ/A, in<br />

Spitzenwerten bis 110 DZ/A. In einer Minute geschehen<br />

mitunter teilweise gleichzeitig bis zu 20<br />

Kontaktaufnahmen, also 40 Stimmäußerungen<br />

über größere Distanz als 4m. Die 10 Klassen der<br />

fünften und sechsten Jahrgangsstufe nutzen die<br />

Aula. Mit dieser Gruppe sollten prozeßhaft neue<br />

Erfahrungen im Bereich der Akustik, des Hörens<br />

und der Rhythmik<br />

mit ihrer eigenen<br />

Stimme geschaffen<br />

werden. Dabei<br />

sollte der Raum<br />

und seine besondere<br />

Art der Akustik<br />

mit in die Erfahrung<br />

der eigenen<br />

Stimmen einfließen.<br />

In allen 10<br />

Klassen sind mehr<br />

als 10 Nationalitäten<br />

vertreten.<br />

Klangpotential kennenlernen und erweitert erfahren.<br />

In kleinen Teams von 7 bis 12 Kindern besteht<br />

zeitlich die Möglichkeit einen akustischen Dialog mit<br />

der Stimme oder auch mit Tönen zu erzeugen und<br />

auch wahrzunehmen.<br />

Vielfalt und Ideen in der Gemeinschaft<br />

Ideen der Schüler und Spontaneität beim Improvisieren<br />

sollten die Themen bestimmen. Die Kleingruppen<br />

mit 7 bis 12 Schülern waren groß genug für<br />

persönliche Vielfalt und Ideen und begrenzt genug<br />

um Hören und Lauschen im leisen Bereich zu<br />

ermöglichen. Die gegenseitige Wahrnehmung sollte<br />

durch diese Schüleranzahl verbessert werden.<br />

Der Raum als Mitarbeiter<br />

Die neuen Akteure einer Klangproduktion hatten<br />

einen festen Bestandteil in der Planung des<br />

Projektes: der Raum sollte akustischer Gehilfe der<br />

Produktion sein. Er lieferte spezifischen Hall, Verstärkung<br />

und durch die vielen möglichen Standpunkte<br />

nicht nur die Möglichkeit einer Quadrophonie<br />

sondern einer Polyphonie. Die Architektur<br />

als Lebensraum der Schüler sollte in der Art einer<br />

künstlerischen Qualität erfahrbar werden<br />

Organisation des Projektes<br />

Für die Planung des Projektes musste innerhalb der<br />

Schulzeiten eine Möglichkeit gefunden werden, die<br />

Schüler für das Projekt aus dem normalen Schulbetrieb<br />

herauszunehmen. In einer Lehrerkonferenz<br />

wurde deshalb nach Möglichkeiten dafür gesucht.<br />

Dazu boten sich Arbeitsgemeinschaftsstunden an, in<br />

denen jeder Klassenlehrer/jede Klassenlehrerin den<br />

Inhalt flexibler bestimmen kann. Diese Zeiten lagen<br />

vorwiegend am Nachmittag direkt hinter der<br />

Mittagspause.<br />

Die Künstlerin meldete sich vorher bei den zu besuchenden<br />

Klassenleitungen an. Bei wöchentlichen<br />

Besuchen in den Klassen konnte das Thema von<br />

verschiedenen Seiten aufgenommen werden und<br />

dies sollte auch eine Kontinuität schaffen.<br />

Die Teilnahme der Schüler sollte auf jeden Fall freiwillig<br />

sein.<br />

Die Übungen<br />

Die Klassenstimmen:<br />

die eigene Stimme hören – das bin ich<br />

11<br />

Das Projekt wurde begleitet von Frau Dr. <strong>Birgit</strong><br />

<strong>Engel</strong> im Rahmen des Projektkonzeptes Schule als<br />

<strong>Kunst</strong>Ort. Die technische Unterstützung leistete bei<br />

den Klangaufnahmen Dipl. Päd. Volker Beckmann.<br />

Die Projektleitung hatte ich, Dipl. Ing. Petra Lorenz<br />

Bildende Künstlerin aus Bielefeld. Ich kam als<br />

»Gast« innerhalb des Projektzeitraumes regelmäßig<br />

in Absprache mit den Lehrern/innen in die Schule.<br />

Die Anzahl der Akteure lag pro Nachmittag bei 7<br />

bis 10 Schülern, die per Losverfahren als Freiwillige<br />

teilnahmen.<br />

Ziele des Projektes<br />

Neue Klangqualität<br />

Ziel des Projektes war, mit den Schülern die akustische<br />

Klangqualität des Raumes zu verändern. Dazu<br />

sollten die eigenen Stimmen und auch Klangkörper<br />

eingesetzt werden.<br />

Interaktion auf akustischem Weg<br />

In der Rhythmik und der unterschiedlichen Qualität<br />

von Tönen, Klängen, Geräuschen in dem Begegnungsraum<br />

Aula sollten dann die Schüler ihr eigenes<br />

Die Produktion als Hörspiegel der Schulvielfalt<br />

Die Möglichkeit, die erzeugten neuen Klänge aufzuzeichnen<br />

und als künstlerisches Erzeugnis im Raum<br />

über Lautsprecherboxen wiederholbar zu machen,<br />

sollte den Schülern ihre eigene Vielfalt bewußt<br />

machen. Die Hörmöglichkeiten sollten sich dabei<br />

mit den Ideen der Schüler vervielfältigen.<br />

Die Schüler wurden abwechseln zu Flüsterern und<br />

andere zu Horchern. Die Horcher sollten durch<br />

Lauschen versuchen herauszufinden, welche<br />

Klassenkameraden an den Stimmen noch erkennbar<br />

waren, wenn sie flüsterten. Dies stellte sich als<br />

gar nicht so leicht heraus, weil Flüstern ein Rauschen<br />

verursacht, wenn wie in der Übung 4 bis zu sechs<br />

Stimmen leise sprechen. Da Ästhetik und Wahrnehmung<br />

von der Erfahrung der Polarität lebt,<br />

schloss sich eine Übung mit normaler Lautstärke an,


Die Aula als Klangraum<br />

Die Aula als Klangraum<br />

12<br />

bei der erst zwei, dann vier, dann acht, dann 16<br />

Schüler gleichzeitig sprachen, hier gingen die<br />

Botschaften ab vier Personen im Stimmenmeer<br />

unter.<br />

Dazu ein Beispiel über die Situation:<br />

Als der Sprechkanon angeboten wurde, hatten sich<br />

die Kleingruppen schon 2-3 mal getroffen. Vorher<br />

hatten sich die Schüler mit dem Resonanzbereich<br />

des Kehlkopfes vertraut gemacht. Ebenso probierten<br />

sie die eigene Stimme verfremdet aus, indem sie<br />

Ohren mit den Fingern schlossen, und die eigene<br />

Stimme so viel deutlicher nur über die Gehörknochen<br />

wahrnehmen konnten. Es waren teilweise<br />

aber auch Kinder zum ersten Mal dabei. In der Aula<br />

war der Recorder schon angeschlossen und im roten<br />

Koffer befanden sich dieses Mal unter anderem<br />

Texte. Das Protokoll zeigt einen Ausschnitt des<br />

Treffens. Zunächst wurde der Text gelesen und dann<br />

die Übung erklärt. Wie in einigen anderen Übungen<br />

auch, drängten die Kinder Aufnahmen zu machen,<br />

weil sie sich selber hören wollten. Die Gruppe teilte<br />

sich selbst in Mädchen und Jungen. Ich kam auf die<br />

Idee wegen der Unterschiedlichkeit der Stimmen<br />

zunächst die Mädchen, dann die Jungen den Text<br />

sprechen zu lassen.<br />

Das Protokoll zeigt einen Ausschnitt des Treffens.<br />

Die eigene Stimme hören – das bin ich?<br />

Der Rhythmus war klar, der Text sehr gut verständlich.<br />

Sie machten einen gelösten und starken<br />

Eindruck. Bei allen waren beide Beine im<br />

Gleichgewicht. Sie haben deutlich und offen die<br />

Lippen bewegt. Als die Mädchen mit dem Vortrag<br />

fertig waren, griff blitzschnell einer der Jungen zwei<br />

andere Jungen und zog sie zu Boden bis sie lachend<br />

übereinander lagen. Sie standen von selbst wieder<br />

auf. Als sie sich in Position stellten, begannen sie sich<br />

als Vierergruppe die Arme über die Schultern zu<br />

legen und mit den freien Händen die Texte zu halten.<br />

Dabei schauten zwei in ein Blatt. Sie begannen<br />

in einer normalen Betonung, aber ab der zweiten<br />

Zeile begannen sie den Text zu leiern. Dabei schafften<br />

sie es aber völlig synchron und in der Qualität<br />

gleichwertig theatralisch den Rhythmus zu halten.<br />

Sie wirkten dabei sehr fröhlich. In der Gruppe selbst<br />

entstand durch den nahen Kontakt eine Bewegung,<br />

die das leiernde Sprechen unterstützte. Dabei<br />

war nicht erkennbar, ob einer die Gruppe in der<br />

Bewegung führte. Nach dem sie geendet hatten,<br />

haben sie geschwiegen und erwartungsvoll<br />

geguckt. Ich machte den Vorschlag das Ganze<br />

anzuhören. Sofort war der Recorder umlagert. Sie<br />

zeigten ein Verhalten, das oft beim Abhören zu<br />

beobachten war. Die ganze Gruppe umlagerte den<br />

Recorder sehr nah. Dabei schauten sie sich wieder<br />

an oder rangelten um einen Platz. Sie legten sich<br />

neben den Recorder, oder legten die Arme darauf.<br />

Sie schauten sich gegenseitig an. Die Aufzeichnung<br />

der Mädchen erzeugte in den Akteurinnen aufmerksame<br />

Gesichter. Sie schienen den Text noch einmal<br />

durchzugehen. Unmittelbar danach wurde die<br />

Aufnahme der Jungen hörbar, die mit einem »das<br />

sind wir« kommentiert wurde. Die Jungen begannen<br />

zu albern als der Text in die leiernde Qualität<br />

überging. Sie wollten näher zuhören und reckten<br />

die Köpfe noch näher zum Recorder. Zwei Jungen<br />

verzogen den Mund.<br />

Beim Sprechchor einigten sich vier Jungen rhythmisch<br />

völlig kongruent auf ein »Leiern« des Textes<br />

und beweisen somit eine Sensibilität für gemeinschaftliche<br />

akustische Abstimmung. Durch die<br />

Aufzeichnungen geriet noch etwas anderes in das<br />

Interesse: die eigene Stimme. Über dreiviertel der<br />

Kinder war die eigene Stimme vom Band etwas<br />

völlig Neues und auch etwas Fremdes. Die Gesetzmäßigkeiten<br />

mit denen sich die Gruppen im Alltag<br />

in der Aula in der Lautstärke nach oben entwickel<br />

wirkten auch in den Übungen. Die Gruppen waren<br />

untereinander immer in der Lage sich ohne<br />

Absprachen intuitiv auf einen Rhythmus oder eine<br />

Klangbesonderheit zu einigen. Diese kollektive<br />

Fähigkeit zur Hör- Abstimmung war in ganz unterschiedlichen<br />

Situationen zu beobachten.<br />

Übung: Sprachrauschen<br />

Die Kinder wollten Aufzeichnungen in ihrer Muttersprache<br />

machen. Da über 10 Sprachen mit Muttersprachlern<br />

vertreten waren, verstanden sich die<br />

Kinder untereinander nicht, solange sie einen<br />

Beitrag in ihrer Sprache erstellten. Sie legten sich<br />

schnell auf bekannte Rituale fest. Der Vorschlag in<br />

der Muttersprache zu zählen, wurde von allen<br />

gerne aufgenommen und umgesetzt. Ebenso wurde<br />

eine Begrüßung in der jeweiligen Landessprache<br />

gewählt.<br />

Es gab eine besondere Situation, die auch auf den<br />

später erstellten CDs markant ist. Die Kinder bereiteten<br />

eine Übersetzung vor- eine Begrüßung – und<br />

sprachen übend nahe zu alle zusammen gleichzeitig<br />

in ihrer jeweiligen Sprache. Da sie alle konzentriert<br />

waren, sprechen sie nur halblaut.<br />

Dies spiegelt eine Erfahrung des ganzen Projektes:<br />

in Momenten, in denen Konzentration beobachtet<br />

wird, herrscht ein normales Sprachverhalten.<br />

Übung : Bespielung der Aula mit Klangkörper<br />

Für die Projektdurchführung >Klänge außerhalb<br />

des eigenen Körpers


Die Aula als Klangraum<br />

Die Aula als Klangraum<br />

14<br />

te ein Horchspaziergang unternommen werden. Ein<br />

Horcher musste sich dabei blind auf akustische<br />

Signale verlassen. Die Augen waren verbunden. Die<br />

anderen Kinder suchten sich eine Stelle in der Aula<br />

aus, wo sie einen festen Standort einnahmen.<br />

Vorher hatten sie sich eines der Klanginstrumente<br />

ausgesucht. Nun suchte sich der Horcher einen<br />

Klang aus, auf den er zugehen sollte, flankiert von<br />

den anderen Klängen. Etwa ein Drittel der Schüler<br />

hatte wegen Ausblendung des Sehsinns und der<br />

Bodenorientierung den Gleichgewichtssinn enorm<br />

zu aktivieren und wackelte bei jedem Schritt in der<br />

Körperachse dementsprechend. Die zweite Gruppe<br />

trat relativ sicher mit beiden Füßen auf und bewegte<br />

sich fast in normalem Gehtempo. Der Kopf war<br />

immer aufgerichtet. Die Schüler setzten zum Teil die<br />

Arme ein, aber nicht zur Sicherung der Stabilität<br />

sondern eher spielerisch. Dabei fotografierten sich<br />

die Akteure selber und schufen so eine eigene<br />

Dokumentation.<br />

Kinder mit 15 cm langen Stimmgabeln Schwingungserfahrungen<br />

an der Haut machen.<br />

Voraussetzungen für Erfahrungen in den<br />

Übungen<br />

Die Schüler brauchen gerade im Bereich Hören<br />

eine überschaubare Gruppengröße.<br />

Ein offener Verhaltenspielraum in Übungen regt<br />

eigene Impulse an.<br />

In geschützter räumlicher Atmosphäre vertieft<br />

sich die Achtsamkeit und gegenseitige Wahrnehmung.<br />

Der kulturelle Bildungs-Prozess ist an ein Subjekt,<br />

den Künstler/in, gebunden, der einen Raum zur<br />

eignen Aktion schafft.<br />

Der Hörsinn und die Fähigkeiten zu lauschen ist für<br />

die ästhetische Entwicklung wichtig. Er reguliert<br />

und steuert auch das kulturelle Verhalten im<br />

Bereich Sprechen und Hören. Wie der Verlauf der<br />

Übungen zeigt, verlangen die Kinder nach Möglichkeiten,<br />

in diesem Bereich Erfahrungen zu sammeln<br />

und auszuprobieren. Sie benötigen geschützte und<br />

überschaubare Räume zur Erprobung ihrer<br />

Selbstwahrnehmung.<br />

Das Lärmproblem der Aula erweist sich als eine<br />

systemische Größe, die nicht nur durch die<br />

Architektur oder Baumaterialen entsteht. Gewohnheiten,<br />

der bewusste Umgang mit der eigenen<br />

Stimme, kollektive Lautstärkenanpassung an das<br />

Umfeld bedingen einander. Die Ausbildung einer<br />

Hörkultur und die Entwicklung Ton, Klang, Schall<br />

ästhetisch beurteilen zu können, formen das akustische<br />

Alltagsbild. Durch das Projekt wurde gezeigt,<br />

dass es möglich ist, den Bereich der ästhetischen<br />

Erfahrungen zu erproben.<br />

CD-Aufnahmen<br />

Während des Projektes wurden 8 Cassetten mit<br />

Klangmaterial zu den unterschiedlichen Themen<br />

aufgenommen. Die aufwendigste Arbeit lag in der<br />

Zusammenstellung der CD Stimmen der Schule. Die<br />

Individualität der Stimmen zu erhalten und gleichzeitg<br />

die gemeinschafltiche Qualität im sprachlichen<br />

darzustellen, verlangete eine gute Überlagerung<br />

der Sequenzen. Wichtiger Aspekt war hier, nicht nur<br />

die Inhalte, sondern auch die musikalischen Züge<br />

und klanglichen und rhythmischen Anteile der<br />

Sprache zu unterstreichen.<br />

Die CD dokumentiert auch den Bereich Schule in<br />

seiner klanglichen Vielfalt. Sie zeigt die Vielfalt an<br />

Ideen, mit der Stimme umzugehen. Sie zeigt die<br />

rhyhtmische und phonetische Viefalt, die durch<br />

andere Sprachen lebt. In einer Sequenz wurde diese<br />

Vielfalt gemischt. Die Stellen, in denen die Kinder in<br />

ihren Muttersprachen zählen, wurden übereinandergelegt<br />

und zeigen so in einem sprachlichen<br />

Rauschen die gleichzeitige Anwesenheit der sprachlichen<br />

Einzelbeiträge.<br />

Durch die Mitarbeit des Diplom Theaterpädagogen<br />

der Schule, der über ein eigenes Tonstudio verfügte,<br />

wurden dann alle Aufnahmen digitalisiert. In den<br />

Übungen wurde das enorme Potenzial der Schüler<br />

im Bereich der Gestaltung deutlich. Sprechen und<br />

Hören im Vergleich.<br />

Die Kinder verfügten über deutlich mehr Möglichkeiten<br />

mit der eigenen Stimme umzugehen, als<br />

über Möglichkeiten zu lauschen oder zu hören. Das<br />

Interesse am Hören wurde durch die beschriebenen<br />

Hörangebote so geweckt, dass die Kinder nach zwei<br />

Projektstunden selbst dazu aufforderten. Bereits bei<br />

den zweiten und dritten Besuchen äußerten die<br />

Kinder den Wunsch, mehr Zeit zu haben, die<br />

Aufzeichnungen anzuhören, oder der Klasse vorzuspielen.<br />

Immer herrschten bei dem Zuhören der<br />

eigenen Produktion Konzentration und Stille.<br />

15<br />

Übungen Schall und Tastsinn<br />

Töne und Klänge haben noch<br />

andere Wahrnehmungsbereiche<br />

als über das Ohr. Sie sind über den<br />

Tastsinn zu erfahren oder über den<br />

Sehsinn. Synästhetische Erfahrungen<br />

transparent zu machen schaffte<br />

neue Möglichkeiten, mehr über<br />

die Wirkungsqualität von Klang<br />

oder Geräusch zu erfahren.<br />

Um die Töne über die Haut erlebbar<br />

zu machen, konnten die


»Die Buchstabenkünstler« – abstrakte Sprache lebendig machen<br />

»Die Buchstabenkünstler«<br />

»Die Buchstabenkünstler« – abstrakte Sprache lebendig machen<br />

Grundschulkinder entdecken im Theaterspiel den Reiz und die Möglichkeiten des<br />

sprachlichen Ausdrucks<br />

Projektleitung Ein Projekt der Sprachförderung konzipiert<br />

für die erste und zweite Jahrgangsstufe,<br />

basierend auf der<br />

Christine Ruis<br />

Theaterpädagogin Geschichte »Der Buchstabenfresser«<br />

Schauspielerin von Paul Maar. Das Projekt wurde<br />

bisher in zwei Variationen für die<br />

zweite Jahrgangsstufe durchgeführt:<br />

Schuljahr 2006/2007 in der Grundschule<br />

am Wellbach in Bielefeld-<br />

Baumheide im Rahmen des NRW-<br />

Landesprogramms Kultur und Schule. 2. Schulhalbjahr<br />

2007 in der Grundschule Elkenbrederweg in Bad<br />

16<br />

Salzuflen. Eine Kooperation von Christine Ruis<br />

(Schauspielerin, Theaterpädagogin) mit der Schulleitung<br />

(Frau Seidel) und den LehrerInnen der 2.<br />

Jahrgangsstufe. Gefördert wurde das Projekt vom<br />

Rotary-Club Bad Salzuflen und vom Förderverein<br />

der Schule. Gegenstand der Dokumentation ist das<br />

Projekt an der Grundschule Elkenbrederweg. Es<br />

wird auch im 2. Schulhalbjahr 2008 in der beschriebenen<br />

Form wieder durchgeführt werden, dieses<br />

Mal in der ersten Jahrgangstufe.<br />

Vorbereitung/Projektplanung<br />

In gemeinsamer Absprache mit der Schulleitung<br />

wird vereinbart, dass der gesamte 2. Jahrgang, d.h.<br />

3 Klassen, am Projekt »Die Buchstabenkünstler«<br />

teilnehmen wird. Die jeweiligen Klassenlehrer wählen<br />

ganz gezielt die Kinder aus, die sprachlich und<br />

darstellerisch Defizite aufweisen. Die anderen<br />

Kinder aus den jeweiligen Klassen beschäftigen sich<br />

ebenfalls mit der Geschichte »Der Buchstabenfresser«.<br />

Es wird Projekttage geben, die ganz unter<br />

dem Zeichen des Buchstabenfressers stehen.<br />

Es geht los mit der Veranstaltung/Aufführung »Der<br />

Buchstabenfresser – eine buchstabenvolle Märchenlesung<br />

mit witzigen Klangeinlagen« vorgetragen<br />

von Ch. Ruis (Text) und E. Lütkebohle (Klänge)<br />

Eine Veranstaltung für ca. 80 – 100 Kinder.<br />

Dauer der klangvollen Lesung ca. 45 Min. danach<br />

noch Gespräche und Interaktionen mit den Kindern.<br />

Projektunterricht<br />

basiert auf der Geschichte »Der Buchstabenfresser«<br />

Dauer 6 Tage, verteilt auf 4 Wochen, jeweils von<br />

8.00 – 12.00 Uhr<br />

im musikalischen Bereich (Lehrer/in)<br />

mit den Kindern an den musikalischen Themen<br />

aus der Lesung entlang arbeiten unter Verwendung<br />

von leeren Marmeladengläsern, Sandpapier,<br />

Büchern; »richtige« Instrumente können<br />

auch zum Einsatz kommen …<br />

im gestalterischen Bereich (Lehrer/in)<br />

Bilder vom Buchstabenfresser herstellen >wie<br />

könnte der aussehen


»Die Buchstabenkünstler« – abstrakte Sprache lebendig machen<br />

»Die Buchstabenkünstler«<br />

»Die Buchstabenkünstler« – abstrakte Sprache lebendig machen<br />

18<br />

gebracht und der Teil der Geschichte, für den die<br />

Kinder zuständig sind, wird zum ersten Mal abgelesen.<br />

(Die Geschichte wurde in der gekürzten<br />

Fassung in 3 Teile aufgeteilt, so dass die ausgewählten<br />

Schüler/innen jeder Klasse einen ungefähr<br />

gleichlangen Teil vortragen werden). Es ist gut zu<br />

beobachten, wer in welchem Ausmaß Leseschwierigkeiten<br />

hat (Langsamkeit beim Buchstabieren,<br />

Schwierigkeiten, die Sinnzusammenhänge zu verstehen,<br />

Unkonzentriertheit, Schwierigkeiten bei der<br />

Artikulation, etc.).<br />

Im großen Plenum wird die Gesichtsgymnastik vorgeführt.<br />

Die anderen Gruppen zeigen die ersten<br />

Ergebnisse für Plakate und führen die ersten rhythmischen<br />

Lernschritte für den Buchstabenfresser-Rap<br />

vor.<br />

3. Treffen: 10. Mai 2007<br />

Die Gruppen machen ähnliche Übungen/Spiele wie<br />

unter 3. Mai, Spiegelübung kommt noch dazu; die<br />

Kinder teilen sich danach auf, wer welche Passage<br />

liest, welche Rolle übernimmt – es gibt 4 Figuren,<br />

die aufgeteilt werden; pro Gruppe gibt es z.B. mehrere<br />

Erzählertexte, die aufteilt werden. Im Plenum<br />

verläuft es ähnlich wie unter 3. Mai beschrieben.<br />

4. Treffen: 24. Mai 2007<br />

Vom Verlauf ähnlich wie 10. Mai – die Kinder nehmen<br />

das ganze Projekt sehr ernst und haben gleichzeitig<br />

viel Spaß (ich auch!). Unser neuer Arbeitsraum<br />

ist die Turnhalle, die ersten Bühnenbilder stehen.<br />

Die Gruppen wechseln sich in ihrer Reihenfolge,<br />

zu welcher Uhrzeit sie zu mir kommen, pro Termin<br />

ab – die letzte Gruppe ist immer am schwierigsten,<br />

da sie erst gegen 10.50 Uhr kommen und die Kinder<br />

schon Einiges erlebt und erledigt haben. Über<br />

Pfingsten bekommen alle Kinder die gekürzte<br />

kopierte Gesamtfassung mit nach Hause mit der<br />

Aufgabe alles zu lesen und ihre Textstellen in der<br />

Farbe ihrer Lesekarten zu unterstreichen (sie<br />

machen diese Hausaufgabe wirklich ohne Murren!)<br />

5. Treffen: 31. Mai 2007<br />

Um die Konzentration und das Gruppengefühl der<br />

Kinder zu fördern, wird zunächst gespielt – Namen/<br />

Silben rhythmisieren; danach mit Stöcken und<br />

Worten Rhythmus gemacht … spezielle Übetechnik<br />

… Die Kulissen sind fertig, die Technik steht und<br />

kann ausprobiert werden, die Kinder sprechen mit<br />

Mikrophon, sie probieren aus, wie sie die Textblätter<br />

halten müssen, wie sie ihre Stimmen verstärkt erleben<br />

– die meisten sind aufgeregt – eine schöne<br />

Stimmung: ernsthaft, aufgeregt und sehr ehrgeizig.<br />

Die Auftrittsorte werden festgelegt: wer steht am<br />

Beginn hinter welcher Kulisse – wer muss wem welches<br />

Requisit reichen – wer soll beim Applaus wo<br />

stehen – wie verbeugen sie sich – etc ...<br />

6. Treffen: 1. Juni 2007 Freitag<br />

Die Kinder kommen aus allen drei Gruppen zusammen<br />

und sprechen den Text chronologisch und<br />

sehen/hören sich dabei zu – es ist Generalprobe. Mit<br />

allen Kindern wird noch einmal die Applausordnung<br />

bei der Einzelgruppendarstellung besprochen<br />

und die kniffelige Situation der Ab- und Aufgänge,<br />

wenn eine Gruppe zu Ende ist und die nächste<br />

kommt – große Aufregung ist zu spüren, große<br />

Ernsthaftigkeit; die Kinder haben sich in ihrer Leseund<br />

Sprechleistung sehr gesteigert (d.h. sie hatten<br />

genug Motivation zu hause zu üben).<br />

Aufführung: 2. Juni 2007<br />

Die Kinder treten auf und sind trotz Aufregung sehr<br />

konzentriert und souverän. Die Kinder können entspannt<br />

zum Verlauf des weiteren Festes übergehen –<br />

ich finde solch einen Anlass sehr günstig für einen<br />

Auftritt.<br />

Reflexionsspots auf das Gesamtprojekt und auf<br />

einige besondere Einzelsituationen aus Sicht der<br />

Durchführenden.<br />

Für mich war dieses Projekt ein ganz außerordentliches<br />

Projekt. Bis jetzt hatte ich es noch nie erlebt,<br />

dass eine Schule den Impuls von außen, d.h. in diesem<br />

Fall, die Anwesenheit von mir als Gast so<br />

100%ig nutzte, um aus der gewohnten Ordnung<br />

auszusteigen. An den 6 Projekttagen, verteilt über<br />

4 Wochen, galt jeweils ein anderer Stundentakt<br />

wenn ich kam; die Pausen wurden anders genutzt,<br />

es war eben »Der Buchstabenkünstler-Tag«. Man<br />

könnte auch sagen, es war der »Frau Ruis-Tag«<br />

oder der Theatertag. Weil ich als Schauspielerin und<br />

Theaterpädagogin aus Bielefeld angereist kam,<br />

wurde an 6 Schulvormittagen im Jahrgang 2 alles<br />

anders gemacht als sonst; das galt für die<br />

Schülerinnen/Schüler und die Lehrerinnen/Lehrer!<br />

Der normale Unterricht wurde ausgesetzt, die Lerngruppen<br />

waren kleiner, es gab für alle kreative<br />

Angebote, den ganzen Vormittag lang – Singen,<br />

Malen, Basteln, Darstellen. So ein Umgang hebt den<br />

Wert des Gastes/der Künstlerin enorm! Ich war nicht<br />

von der Schulleitung »für ein Produkt eingekauft«<br />

worden und von den beteiligten Lehrerinnen/<br />

Lehrern geduldet oder akzeptiert, sondern es ging<br />

bei der Vorbereitung des Projektes bereits los, dass<br />

mir als Gast ein Terminvorschlag von ca. 2 Stunden<br />

gemacht wurde, an dem alle beteiligten Lehrer<br />

anwesend waren. Dem Projekt wurde von Anfang<br />

an große Wertschätzung entgegengebracht. Ich<br />

hatte Gelegenheit, alle beteiligten Lehrerinnen und<br />

Lehrer kennen zu lernen, das Projekt nochmals mit<br />

meinen Worten vorzustellen, meine Begeisterung<br />

für die Paul Maar Geschichte funken und überspringen<br />

zu lassen. Wir inspirierten uns beim ersten<br />

Planungstermin gegenseitig, machten uns auf mögliche<br />

zeitliche/organisatorische Engpässe aufmerksam<br />

und konnten uns durch die gemeinsame<br />

Planung von Anfang an als Team verstehen. Ich war<br />

als Impulsgeberin wertgeschätzt und als Theaterfachfrau<br />

für Sprech- und Darstellungsaufgaben<br />

integriert in das System Schule ohne von diesem<br />

System vereinnahmt zu werden. Die Lehrerinnen/-<br />

Lehrer übernahmen jeweils eigene Aufgaben in<br />

gegenseitiger Absprache je nach ihren Vorstellungen/Wünschen,<br />

Fähig- und Fertigkeiten. Das<br />

gesamte Projekt, alle 6 Schulvormittage, wurden<br />

an diesem Termin durchstrukturiert und jede/jeder<br />

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»Die Buchstabenkünstler« – abstrakte Sprache lebendig machen<br />

»Die Buchstabenkünstler«.<br />

»Die Buchstabenkünstler« – abstrakte Sprache lebendig machen<br />

20<br />

wusste für seinen Aufgabenbereich, was zu besorgen,<br />

zu organisieren war. Eine tolle Teamarbeit! Die<br />

herausragende Idee, die im gemeinsamen Gespräch<br />

entstanden war: Die Kinder mit Sprachdefiziten<br />

werden darstellerisch in den Focus/Spot gestellt und<br />

die Kinder, die sonst im Schulalltag sprachlich im<br />

Focus des Beifalls stehen werden Zuarbeiterinnen<br />

und Zuarbeiter für ihre Mitschülerinnen und<br />

Mitschüler, sie kümmern sich um Bühnenbild,<br />

Requisiten, etc. Diese Entscheidung stellte sich als<br />

tolles Sprungbrett für alle Beteiligten heraus. Durch<br />

die Umkehrung der gewohnten Verhältnisse hatte<br />

quasi jedes Kind die Chance, etwas Neues auszuprobieren.<br />

Für mich war es eine sehr große Freude<br />

am Tag der Aufführung durch ein kleines Malheur<br />

nochmals ungewollt eine Bestätigung meiner Arbeit<br />

zu bekommen. Ein Kind aus der Gruppe 2c war<br />

ausgefallen und in aller Eile wurde von der zuständigen<br />

Lehrerin ein Ersatzkind aus dieser Klasse<br />

gefunden, ein sog. gutes Sprech- und Vorlesekind,<br />

das während des Projektes nicht bei den Sprachförderkindern<br />

war. Dieses Kind machte seine Sache<br />

sehr gut, war aber keineswegs besser als die<br />

Sprachförderkinder, d.h. die sog. Förderkinder hatten<br />

in der kurzen Zeit des Projektes enorm in ihrem<br />

Können zugelegt.<br />

Herausragende Situationen<br />

Das gesamte Projekt war ein einziges großes Lehrund<br />

Lernfeld, ständig gab es Überraschungen für<br />

mich, weil die Kinder sehr aufmerksam waren, sehr<br />

bereit mitzumachen, sich einzulassen, neue Ideen<br />

beizusteuern. Für die Kinder war von Anfang an<br />

klar, dass wir auf eine Aufführung hinarbeiten. Auf<br />

eine »Vorlesung«, ähnlich der Lesung, die sie als<br />

Einstieg im April 2007 erlebt hatten und die ihnen<br />

gefallen hatte. Das Wort Aufführung war also von<br />

Anfang an nichts Abstraktes oder Nebulöses, sondern<br />

gefüllt mit Vorstellung >aha, wir machen so<br />

etwas Ähnliches wie Frau Ruis für uns gemacht hatMeine Aufgaben sind: den Text auszuwählen,<br />

diesen zwischen ihnen aufzuteilen, mit<br />

ihnen Sprechen zu trainieren und die Aufführung zu<br />

proben. Ich kann das, deswegen haben mich ihre<br />

Lehrerinnen und Lehrer extra eingeladen. Ihre<br />

Aufgabe ist es, ihr Bestmöglichstes bei jeder Probe<br />

zu geben, damit sie alle zusammen die Geschichte<br />

beim Schulfest präsentieren können, mit Bühnenbild<br />

usw. Die Ernsthaftigkeit, mit der alle Kinder von<br />

Anfang an dabei waren, war einfach toll! Am 3. Mai<br />

brachte ich die farbig gestaltete Textfassung der<br />

gekürzten Geschichte mit. Ich hatte die Geschichte<br />

in drei gleich grosse Teile aufgeteilt (für jede Klasse<br />

ein großer zusammenhängender Teil der Geschichte),<br />

die einzelnen Figuren der Geschichte inklusive<br />

Erzählstimme farbig gestaltet und auseinandergeschnippelt.<br />

Jede Gruppe bekam ihre Geschichte<br />

durchgemischt und musste sie gemeinsam sortieren<br />

um sie vorlesen zu können. Die einzelnen Schnipsel<br />

waren mit Zahlen versehen um sie leichter sortieren<br />

zu können, das habe ich den Kindern aber nicht<br />

explizit gesagt. Es war für mich ein Erlebnis zu<br />

sehen, wie unterschiedlich jede Gruppe funktionierte,<br />

wie viele unterschiedliche Möglichkeiten des<br />

Sortierens und Strukturierens es zu entdecken gab.<br />

Jede Gruppe hat es anders gemacht und ihr eigenes<br />

System kreiert. Genauso interessant war das gegenseitige<br />

Vorlesen. Auch hier habe ich keine Vorgabe<br />

gegeben wie die Kinder das machen sollen/müssen.<br />

Es gab Kinder die konnten den Text aus einem<br />

1<br />

⁄2 Meter Entfernung lesen, die wollten sich nicht<br />

bücken oder setzen und lasen im Stehen die auf<br />

dem Boden liegenden Zettel; andere haben die<br />

Zettel aus der gelegten Reihe genommen und ihn<br />

direkt vor’s Gesicht genommen und Wort für Wort<br />

gelesen, andere haben den Zeigefinger zu Hilfe<br />

genommen, andere haben die Worte von der Seite<br />

liegend auf dem Bauch gelesen, wieder andere störte<br />

es nicht, die Buchstaben quasi auf dem Kopf stehend<br />

zu buchstabieren, sie konnten den Text flüssig<br />

lesen. Es gab die unterschiedlichsten Varianten von<br />

Körperhaltungen zu beobachten, aber allen Kindern<br />

gemeinsam war große Aufmerksamkeit und die<br />

Bereitschaft zu helfen oder sich helfen zu lassen. Was<br />

meine Aufgabe als Anleiterin sehr erleichtert hat,<br />

war die große Begeisterungsfähigkeit der Kinder<br />

und die Ernsthaftigkeit, mit der sie das große Ziel<br />

der Aufführung verfolgten. So konnte ich ohne weiteres<br />

dem einen oder anderen Kind sagen >haste ja<br />

gemerkt, du musst noch etwas zu Hause üben,<br />

damit du die »Claudia« / »Mamma« etc. gut vorlesen<br />

kannst. Am besten, du liest jeden Tag<br />

5 Zeilen laut aus der Tageszeitung oder der Fernsehzeitung<br />

für deine Eltern und/oder Geschwister<br />

vor. Von meiner Seite aus gab es von Anfang an die<br />

Ansprache für die Kinder. >ihr habt noch so und so<br />

viel Zeit gute Sprecherinnen und Sprecher zu werden;<br />

ich traue euch das zu und ich habe Erfahrung;<br />

dafür machen wir ein Sprechtraining wie die Profis,<br />

21


»Die Buchstabenkünstler« – abstrakte Sprache lebendig machen<br />

»Die Buchstabenkünstler«<br />

»Die Buchstabenkünstler« – abstrakte Sprache lebendig machen<br />

22<br />

z.B. diese Gesichtsgymnastik und ihr übt zu Hause<br />

wie richtige Sprecherinnen und SprecherJetzt stehe ich hier, jetzt kann ich meinen<br />

Text, jetzt habe ich einen Hänger und die<br />

Chance durch eine schnelle Idee, durch eine neue<br />

Wortschöpfung mich nicht zu blamieren, oder mich<br />

zu blamieren und deswegen nicht auszurasten, den<br />

anderen geht es ähnlich, ich habe keine Zeit auszurasten,<br />

das Spiel geht weiter … Jetzt funkt die Regie<br />

dazwischen, jetzt bei der Probe darf sie das noch,<br />

jetzt bekomme ich noch Zuflüsterhilfe, beim Auftritt<br />

wäre mir das peinlich …


Unwirtlichkeit oder Zugehörigkeit<br />

Unwirtlichkeit oder Zugehörigkeit<br />

Schüler/innen partizipieren an der Umgestaltung eines Jahrgangsflures (2005)<br />

Ausgeführt an der Bertold-Brecht-Gesamtschule, Löhne<br />

Projektleitung<br />

Andrea Künkele<br />

Bildende Künstlerin<br />

24<br />

Ein Flur – Nicht nur ein<br />

Durchgangsbereich<br />

In einer Ausschreibung des frauenkunstforums-owl<br />

e.V. wurden Künstlerinnen<br />

gesucht, die sich im Rahmen des<br />

Projektkonzepts >Schule als <strong>Kunst</strong>Ort<<br />

mit einem künstlerischen Konzept<br />

bewerben, das sich auf den konkreten<br />

Lernort Schule an der Bertolt-Brecht-<br />

Gesamtschule der Stadt Löhne bezog. Ich reichte<br />

kein fertiges Konzept ein, sondern die Idee, gemeinsam<br />

mit den Beteiligten an einer räumlichen<br />

Umgestaltung eines Gebäudeteils zu arbeiten.<br />

Durch einen vorherigen Besuch der Schule machte<br />

ich mich mit den Räumlichkeiten vertraut und entschied<br />

mich für den Flurbereich in einem Trakt der<br />

Schule, in dem damals die Schüler/innen von 5<br />

Klassen des 8. Jahrgangs untergebracht waren. Hier<br />

nahm ich einen konkreten Problembereich innerhalb<br />

der Schule wahr, einen Ort, der tagtäglich<br />

durchquert wird, der lang und ungemütlich ist. Der<br />

Flur liegt im Altbauteil der Schule, einem Plattenbau<br />

aus den 60er Jahren. Er ist 25 m lang, 3,20 m<br />

breit, 3,15 m hoch und erinnerte mit über seinen<br />

9.000 gelblichen Fliesen und 152 quadratischen<br />

beigefarbenen Schließfächern an die Kälte eines<br />

Schlachthauses. Als ich diesen Raum das erste Mal in<br />

einer Mittagspause durchquerte, fielen mir die<br />

Unwirtlichkeit seiner Atmosphäre und das aggressive<br />

lautstarke Verhalten der Schüler/innen ins Auge.<br />

Türen, Schließfächer und Decken waren sogar teilweise<br />

zerstört.<br />

Ich nahm mir vor, gemeinsam mit den Schüler/innen<br />

des damals 8. Jahrgangs an einer Umgestaltung zu<br />

arbeiten, d.h. zunächst Ideen zu sammeln und zu<br />

entwickeln, wie wir diesen Flur gemeinsam verändern<br />

könnten. Der Flur ist ein Ort, der nicht mit dem<br />

Begriff »meine Klasse« »beschlagnahmt“ werden<br />

kann, sondern ein Übergangsraum von der Klasse in<br />

die weitere Schulöffentlichkeit, hier zunächst in<br />

einen gemeinschaftlichen Bereich des 8. Jahrgangs.<br />

Es schien mir für die Lernsituation der Schüler/innen<br />

nicht egal zu sein, was vor ihrer Klassenzimmertür<br />

liegt und sich dort ereignet. Der Flur ist auch ein Ort,<br />

den sie nutzen und an dem sie Zeit verbringen. Ich<br />

hatte die Vision, dass solch ein Flur mehr sein kann,<br />

als ein funktionaler Durchgangsbereich, dass man<br />

ihn so umgestalten müsste, dass sich die Schüler/<br />

innen in ihm wohl fühlen und sich möglicherweise<br />

sogar mit ihm identifizieren können. Bei der gemeinsamen<br />

Entwicklung einer neuen Gestaltungsidee<br />

sollte es aber nicht nur um eine »optische Verschönerung«<br />

gehen, sondern um ein neues und<br />

anderes Nutzungskonzept, in dem die Bedürfnisse<br />

der Schüler/innen aufgegriffen werden.<br />

Einstieg in die Planungsphase – Überzeugungsarbeit<br />

Um die Projektidee den Schüler/innen nahe zu bringen,<br />

war es erst notwendig, den organisatorischen<br />

Teil mit den Lehren/innen abzuklären. Wann und in<br />

welchem Rahmen kann ich in die Klassen gehen?<br />

Wann gibt der Schulalltag die Möglichkeit, mit den<br />

Schüler/innen über das Projekt zu reden, ihnen<br />

meine Idee mitzuteilen und sie nach ihren eigenen<br />

Interessen zu befragen? So kam es von meiner Seite<br />

zu mehreren Unterrichtsbesuchen. Ich begab mich<br />

in die einzelnen Klassen und stellte ihnen das<br />

Konzept vor. Es war anfangs gar nicht so einfach, in<br />

der »instrumentellen« Wirklichkeit der Schule etwas<br />

Neues, Lebendiges zu schaffen. Es geht von einer<br />

Stunde zur nächsten. Lehrerwechsel, Raumwechsel,<br />

Schüler/innengruppenwechsel, meist schon nach 45<br />

Minuten, acht Stunden lang stillsitzen und aufmerksam<br />

sein müssen. Nicht alle gehen gern in die Schule,<br />

teils, weil sie Schwierigkeiten mit dem Lernen<br />

haben, teils, weil sie das Gefühl haben nicht akzeptiert<br />

zu werden. Einigen fehlen die Erfolgserlebnisse. 1<br />

Obwohl die Schüler/innen und die Lehrer/innen<br />

durchaus Interesse an meinen Ideen zeigten, merkte<br />

man doch, dass manche sich etwas Neues nicht so<br />

einfach vorstellen konnten. Die Schüler/innen waren<br />

anfänglich voller Zweifel, ob ich es mit dieser Idee<br />

ernst meinen könnte. Es kam ihnen unglaubwürdig<br />

vor, dass sie nach ihren Interessen und Meinungen<br />

befragt wurden. Sie konnten sich zunächst gar nicht<br />

vorstellen, dass es möglich sein sollte und dass sich<br />

jemand dafür interessierte, ihre Lernumgebung zu<br />

verändern. Auch die Lehrer/innen waren zunächst<br />

sehr skeptisch: »Das wird nicht lange in Ordnung<br />

bleiben.« oder »Die machen doch alles kaputt, was<br />

außerhalb ihrer Klassenzimmer ist.« waren Aussagen,<br />

die ich in der ein oder anderen Form damals<br />

häufiger hörte.<br />

Erste Projektphase, Planung – Platz für Neues<br />

schaffen<br />

Als erstes stand die Planung im Vordergrund, da ja<br />

fünf Klassen mit entscheiden sollten und es für mich<br />

wichtig war, dass sie sich ernst genommen fühlten.<br />

Um den Flur besser vor Augen zu haben, sahen wir<br />

ihn uns bewusst an. Ich ließ die Schüler/innen den<br />

Flur vermessen und eine herausfordernde Aufgabe<br />

war es dabei, die Fliesen zu zählen. Die teilweise<br />

kaputten Schließfächer waren nicht gerade aufbauend<br />

und es gab Kleiderhaken, die meistens leer<br />

blieben. Mehr und mehr Kinder entdeckten dabei<br />

den Reiz der Idee, den Flur zu verändern, dass die<br />

Dinge nicht selbstverständlich sein mussten, wie sie<br />

waren und dass auf manches verzichtet werden<br />

konnte, um Platz für Neues zu schaffen. Die<br />

Schüler/innen zeichneten die ersten Entwürfe und<br />

brachten Ideen ein, die teilweise durchaus originell<br />

waren. Schwarzlicht, »alles in Schwarz«, Skaterbahn,<br />

Teppichboden und Kuschelecken >sie würden<br />

dafür auch die Schuhe ausziehenkleinen<br />

Verschönerungsaktivitäten< nichts Wesentliches zu<br />

bewirken war. Es gab Zeiten, in denen ich grundsätzlich<br />

daran zweifelte, ob solch ein unwirtlicher<br />

Raum unter den finanziellen Voraussetzungen<br />

überhaupt zu verändern wäre, er wirkte so lang<br />

und abstoßend.<br />

Je länger ich mich mit dem Problem beschäftigte,<br />

die Situation und die Aufgabe vor meinen Augen<br />

und in meiner Erinnerung mit mir herumtrug, desto<br />

klarer wurde meine Entscheidung, diesem Flur eine<br />

grundsätzliche neue Gestalt zu geben und nicht nur<br />

eine kostengünstige ästhetische Verschönerung zu<br />

betreiben. Hierzu war allerdings eine Baumaßnahme<br />

erforderlich, für die prinzipiell bislang keine<br />

finanziellen Ressourcen vorhanden waren. Es schien<br />

ziemlich unrealistisch, Energie in eine Idee zu investieren,<br />

die möglicherweise gar nicht realisiert werden<br />

konnte. Dennoch trieb mich etwas voran und<br />

ich ließ mich von den vielfältigen praktischen<br />

Hinderungsgründen nicht abschrecken. Angeregt<br />

von einigen Ideen der Schüler/innen und vor dem<br />

Hintergrund meiner eigenen künstlerischen Gestaltungspraxis,<br />

wuchs meine Idee von einer möglichen<br />

neuen Gestalt dieses Flurs in meiner Vorstellung und<br />

ich begann spontan mit dem Bau eines maßstabgerechten<br />

Modells. Die Schränke mussten beseitigt, die<br />

Kleiderhaken, die doch keiner benutzte, aus Angst,<br />

dass etwas wegkam, konnten abmontiert werden,<br />

die Fliesen mussten überputzt und der Flur gestrichen<br />

werden …<br />

25<br />

An den Wänden sollten Bänke angebracht werden,<br />

die zum Verweilen und zur Kommunikation einladen.<br />

Bänke und Wände sollten mit weichen


Unwirtlichkeit oder Zugehörigkeit<br />

Unwirtlichkeit oder Zugehörigkeit<br />

26<br />

geschwungenen Formen gestaltet werden, die der<br />

geometrischen Rechtwinkligkeit des Raumes eine<br />

neue Lebendigkeit entgegensetzen würden. Die<br />

Farben sollten kräftig und warm sein. Spiegelmosaike<br />

sollten den pubertierenden Schüler/innen<br />

die Möglichkeit geben, sich selbst zu betrachten,<br />

aber auch Lichtreflektionen im Raum einfangen<br />

und den Raum optisch vergrößern. Die Klassenzimmertüren<br />

sollten von den Schüler/innen mit<br />

selbstentworfenen Zeichen gestalteten die jeweilige<br />

Klassenidentität zum Ausdruck bringen. Eine<br />

Pinnwand sollte als Austauschplattform dienen. Ich<br />

ging mit dem Modell in die Schule und besprach es<br />

zunächst mit der Projektinitiatorin Frau Doktor<br />

<strong>Birgit</strong> <strong>Engel</strong> und der Schulleiterin Frau Braun, die<br />

beide spontane Begeisterung für eine so grundsätzliche<br />

Umgestaltung zeigten, was mich wiederum<br />

dazu motivierte, weitere formale Hürden abzuklären.<br />

Ich lud die städtischen Vertreter der Schulbauaufsicht<br />

und des Brandschutzes ein, um ihnen das<br />

Projekt – an Hand des bestehenden Flurs und meines<br />

Modells – vorzustellen. Es gelang mir, sie zu<br />

überzeugen, dass eine solche bauliche Veränderung<br />

möglich ist und wir konnten klären, welcher Putz<br />

erlaubt ist, wo Bänke aufgestellt werden können<br />

und ob die Materialien nicht zu leicht entflammbar<br />

sind usw.<br />

Als die ersten Hürden genommen waren, ging ich<br />

mit dem fertigen Modell wiederum in jede einzelne<br />

Klasse des 8.Jahrgangs und stellte meinen Entwurf<br />

zur Diskussion vor. Die Schüler/innen zeigten sich an<br />

dem Modell, mit dem sie sich nun bildhaft eine<br />

andere mögliche Gestalt ihres Flures vorstellen<br />

konnten, sehr interessiert und die Projektidee<br />

gewann bei ihnen ein neues Stück Glaubwürdigkeit.<br />

Dennoch gab es nicht nur Zustimmung, das<br />

Grundkonzept kam zwar an, aber die Schüler/<br />

innen äußerten auch Unzufriedenheiten und neue<br />

Wünsche, da ihnen das Modell zu farbig war, ihnen<br />

einiges zu kindlich und zu harmonisch erschien. Ich<br />

griff Vorschläge für die farbliche Veränderung auf.<br />

So beschlossen wir, dass die Türrahmen dunkelblau<br />

werden sollten, die Türen nach außen weiß und die<br />

Motive darauf dunkelblau, die 4 Bänke dunkelrot,<br />

und der Farbton der Wände ein Lachston sein sollte.<br />

Danach kam das »Warten«, ob es gelingen würde,<br />

den finanziellen Rahmen für das Projekt zu klären.<br />

Einige der Schüler/innen zeigten sich inzwischen<br />

aktiv interessiert und gaben ein offizielles<br />

Statement an die Schulleitung weiter: »Wir Schüler<br />

und Schülerinnen des 8. Jahrgangs finden es gut,<br />

dass unser Jahrgangsflur neu gestaltet werden soll.<br />

In dem jetzigen Flur ist es total langweilig und<br />

ungemütlich, so dass wir uns hier nicht gerne aufhalten<br />

und wir uns dort auch nicht wohl fühlen. Wir<br />

wollen, dass Frau Künkeles Ideen in unserem<br />

Jahrgangsflur umgesetzt werden, weil wir denken,<br />

dass eine freundliche Umgebung sehr wichtig ist.<br />

Damit dieses schöne Projekt nicht am Geld scheitert,<br />

erklären wir uns bereit, an der Gestaltung<br />

unseres Flurs mitzuarbeiten. Wir wollen als Schüler/<br />

innen des 8. Jahrgangs unseren Teil dazu beitragen,<br />

dass die Räumlichkeiten des Jahrgangs neu gestaltet<br />

werden. Da es wahrscheinlich trotzdem Geld<br />

kosten wird, bitten wir alle Verantwortlichen, ihren<br />

Teil dazu beizutragen.«<br />

Durch die aktive Mitwirkung von Projektinitiatorin<br />

und Schulleitung, die sich um die Finanzierung aus<br />

unterschiedlichen Quellen bemühten, kam es nach<br />

einigem Warten zur Zusage, so dass wir das Projekt<br />

starten konnten.<br />

Zweite Projektphase – ein Sportfest und andere<br />

Hürden<br />

Um das Projekt umzusetzen, musste nun Zeit und<br />

eine Arbeitsform gefunden werden, die es möglich<br />

machte, dass alle fünf Klassen einbezogen werden<br />

konnten. Die Projektarbeit sollte eine wichtige und<br />

symbolische Aktivität werden, an der der ganze<br />

Jahrgang teilhaben sollte, um allen das Erlebnis zu<br />

vermitteln, was es bedeutet, die Schritte der<br />

Veränderung aktiv zu gestalten und zu begleiten.<br />

Leider war schnell ersichtlich, dass nicht alle<br />

Schüler/innen im Flur mitarbeiten konnten, sondern<br />

aus den einzelnen Klassen sich Gruppen von<br />

8 - 10 Schüler/innen zusammen finden mussten.<br />

Mit der Projektinitiatorin und den Lehrer/innen des<br />

Jahrgangs einigten wir uns auf die Möglichkeit, die<br />

Flurumgestaltung im Rahmen einer geplanten<br />

Projektwoche durchzuführen. Obwohl im Vorfeld<br />

die Arbeitsform gut durchdacht erschien, traten<br />

Widrigkeiten auf, die nicht von den Schüler/innen<br />

kamen, sondern von organisatorischer Seite.<br />

Obwohl mit den Lehrer/innen abgesprochen worden<br />

war, diese Woche, die kurz vor den Sommerferien<br />

lag, frei zu halten, waren um diese Tage<br />

herum eine Vielzahl an weiteren Aktivitäten<br />

geplant, wie Ausflüge, ein Sportfest usw. Es war<br />

schwierig, zu koordinieren, wann welche Klasse an<br />

der Arbeit teilnehmen konnte und wann die Klassen<br />

ganz gezielt für die Woche aufgeteilt werden mussten.<br />

Eine Klasse konnte dann gar nicht mitmachen,<br />

weil die Lehrerin den verabredeten Tag komplett<br />

verplant hatte. Eine andere Klasse sprang zum<br />

Glück ein. So war es für mich als Projektleiterin<br />

manchmal nicht ganz nachvollziehbar, ob die<br />

Lehrer/innen sich im Klaren darüber waren, was<br />

alles in der Woche zu leisten war und dass ich auf<br />

ihre Zusammenarbeit angewiesen war. Anerkennend<br />

kann ich feststellen, dass die beteiligten<br />

Schüler/innen sehr ausdauernd waren, das geplante<br />

Ziel zu erreichen.<br />

Die Projektwoche – Ideen werden Wirklichkeit<br />

Dies war eine Zeit, in der die Schüler/innen direkt<br />

erleben konnten, wie sie mit ihrem Einsatz den<br />

neuen offenen Raum zusammen veränderten. Sie<br />

erlebten, dass die Ideen, die im Modell steckten, und<br />

die wir nun in gemeinsamer Arbeit umsetzen, wirklich<br />

Gestalt annahmen.<br />

Der Flur, der an Weite gewonnen hatte, wurde<br />

durch die Wellenform, die die Wände in ein Oben<br />

und Unten aufteilte, aus der starren Geometrie<br />

gebracht. Der Farbton und die Art des Aufbringens<br />

war für die Schüler/innen eine Herausforderung,<br />

denn ein Lasurauftrag muss zügig durchgeführt<br />

werden, damit der Gesamteindruck nicht durchbrochen<br />

wird. Es ging dann nicht mehr darum wer mit<br />

wem am liebsten zusammen arbeiten möchte, sondern<br />

das gemeinsame Ziel zu erreichen. Jeden<br />

Morgen mussten Arbeiten verteilt werden: Wer<br />

klebt ab, wer lackiert die Türen, wer kann streichen,<br />

wer möchte die Spiegelmosaike freilegen, wer<br />

möchte die Pinnwände bearbeiten. Es gab<br />

Arbeiten, die mit einem schnellen Erfolg belohnt<br />

wurden, andere brauchten Ausdauer, oder waren<br />

wie, Putzen und Aufräumen, eher nervig, aber es<br />

27


Unwirtlichkeit oder Zugehörigkeit<br />

Unwirtlichkeit oder Zugehörigkeit<br />

gab auch Schüler/innen, die auch dies gerne taten.<br />

Die einzelnen Arbeitsschritte mussten innerhalb<br />

eines engen Zeitrahmens fertig werden. Dies war für<br />

manchen im Schulgeschehen ungewohnt, da es ja<br />

über Farbe, Farbauftrag/Lasur geeinigt: Türrahmen<br />

dunkelblau, Türen zum Flur hin weiß und<br />

in den Raum dunkelblau, Türmotive dunkelblau,<br />

Wände im unteren Bereich in einem Lachston<br />

lasiert, der obere Bereich sollte weiß blieben, damit<br />

diese Flächen für die <strong>Kunst</strong>lehrer/innen für Präsentationen<br />

genutzt werden können.<br />

Die Bänke<br />

28<br />

den bekannten Stundentakt gibt und durch das<br />

Klingeln die Arbeit nicht sachorientiert, sondern formal<br />

organisiert ist. Man wandert einfach zum nächsten<br />

Unterrichtsraum weiter. Bei uns wurde gegen<br />

diesen Rhythmus an der Sache weiter gearbeitet,<br />

wobei wir natürlich auch Pausen machten. Jeder<br />

Tag brachte für die tätigen Schüler/innen und jene,<br />

die in den Pausen das Werk betrachteten, Neues<br />

mit sich. Am Anfang war es für sie auch nicht so einfach,<br />

sich das Ganze vorzustellen. Wir hatten uns<br />

Als die Wände soweit fertig waren, konnten die in<br />

Auftrag gegebenen vier weinroten Bänke direkt an<br />

den Wänden befestigt werden. Ihre Form war passend<br />

zum Raumkonzept ebenfalls geschwungen,<br />

um dadurch die geometrisierten rechtwinkligen<br />

Sehgewohnheiten zu durchbrechen. Die Bänke hatten<br />

zuerst keine Stützen, sondern die Rückenlehne<br />

ging bis zum Boden, da die Putzkolonnen darauf<br />

bestanden hatten, dass es für sie arbeitsgerecht bleiben<br />

musste. Es war<br />

gut zu erleben, wie<br />

die Bänke von vielen Schüler/innen positiv aufgenommen<br />

wurden. Durch die Art und Weise, wie sie<br />

entworfen waren, kam es bei einer Bank anfänglich<br />

zu einer leichten Unstabilität in Form eines leichten<br />

Knarrens, da mehr Schüler/innen als gedacht Platz<br />

darauf nahmen. So erhielten alle Bänke noch kleine<br />

Stützen. Hierbei war es spannend zu beobachten,<br />

wie verschieden die Schüler/innen damit<br />

umgingen: Die einen waren besorgt und einige<br />

wollten den Hörtest weiter erproben.<br />

Großaktion Fußleisten – ein Happening<br />

Diese Aktion wurde zu einem wahren Happening,<br />

da hierfür die auf Maß gesägten Leisten – zwischen<br />

250cm - 300cm Länge, mit Acrylmasse bespritzt –<br />

20 Minuten an die Wände gepresst werden mussten.<br />

Wie sollte das gehen? Um das Vorhaben zu realisieren,<br />

kam mir die Idee, dass die Schüler/innen<br />

gemeinsam diese Aufgabe übernehmen sollten.<br />

Jahrgangsübergreifend saßen dann bis zu 20<br />

Schüler/innen – mit sichtbarer Freude – auf dem<br />

Boden, um mit ihren Füßen gegen die Leisten Druck<br />

auszuüben. Glücklicherweise gab es Lehrer/innen,<br />

die mir spontan auch aus den anderen Klassen weitere<br />

Schüler/innen zur Verfügung stellten, denn mit<br />

der kleinen Gruppe wäre dies kaum möglich gewesen.<br />

Hier war auch interessant zu erleben, dass Zeit<br />

etwas sehr Subjektives ist, und wahrzunehmen, wie<br />

viel Ausdauer manchen Schüler/innen abverlangt<br />

wurde, »die Zeit abzusitzen«. Aber alle ließen sich<br />

bereitwillig darauf ein, auch wenn dabei einige<br />

Antipathien überwunden werden mussten, denn<br />

durch meine Organisation saßen ab und an<br />

Schüler/innen, die sich sonst wohl nicht freiwillig in<br />

eine solche Konstellation brachten, nebeneinander.<br />

Aber auch diese Schwierigkeiten ließen sich lösen<br />

und die Schüler/innen hatten Spaß dabei.<br />

Ist Partizipation möglich? –<br />

Die Entscheidungsfindung für die Türmotive<br />

Für die Motivfindung hatte sich aus jeder Klasse<br />

eine Gruppe von 3-4 Schüler/innen gebildet, um<br />

ihre Ideen und Entwürfe später ihren Mitschüler/<br />

innen vorzustellen und mit diesen zu besprechen. Ich<br />

hatte zuvor in jeder Klasse erklärt, dass sie ihr eigenes<br />

Motiv oder Zeichen finden sollten, da dies eine<br />

Möglichkeit zur Identifikation ermöglicht. Gewisse<br />

allgemeinverbindliche Absprachen wurden dabei<br />

im Vorfeld getroffen: keine Zahlen, da die sich ja<br />

jedes Jahr verändern würden, keine Werbezeichen<br />

(Nike, Puma, Fußballinitialien usw.). Zwei Klassen<br />

fanden chinesische Schriftzeichen gut, und bei den<br />

anderen geschah etwas Merkwürdiges, wohl aus<br />

einem Wortmissverständnis heraus. Anstelle von<br />

Zeichen/Motiv oder Symbol verstanden sie<br />

Zeichnung oder Karikatur und nun kam es zu<br />

einem Ringen um das Motiv. Eine Klasse hatte einen<br />

Klodeckel entworfen mit einem Teufelchen, das den<br />

nackten Hintern zeigte, eine andere Klasse einen<br />

Samuraikämpfer mit mehreren Schwertern, weil sie<br />

sich in der Schule so empfinden. Manche Kleingruppe<br />

war ganz pfiffig und bezog die Lehrer/innen<br />

mit ein, diese hatten auch nichts dagegen. Jenen<br />

war aber nicht klar, wie groß das Motiv später sein<br />

würde und dass es auf der Flurseite angebracht<br />

werden sollte. So begann ein erneuter Gang durch<br />

diese Klassen, und ich bemühte mich um eine<br />

Klärung, dass dieses Motiv nicht nur mal soeben da<br />

29


Unwirtlichkeit oder Zugehörigkeit<br />

Unwirtlichkeit oder Zugehörigkeit<br />

30<br />

sein würde, sondern sie die nächsten Jahre begleiten<br />

wird. Darüber hinaus sollte ein Motiv gewählt werden,<br />

mit dem alle einverstanden waren und das<br />

nicht nur eine kleine Gruppe ausgeheckt hatte. Die<br />

Schüler/innen und Lehrer/innen akzeptierten meine<br />

Argumente. Später wurden die einzelnen Motive<br />

über einen Overheadprojektor an die jeweilige Tür<br />

Abschließende Betrachtungen – Es ist möglich!<br />

Insgesamt hat diese Aktion in der Schule ein positives<br />

Zeichen hinterlassen, und etwas, das zu Beginn<br />

als kaum lösbar erschien, wurde möglich. Es wurde<br />

erlebbar, dass in dem gemeinsamen Tun und<br />

Erleben der Ortsveränderung sich die Schüler/innen<br />

ernst genommen fühlten. Mein anfängliches Ziel<br />

jedenfalls, mit den Schüler/innen einen neuen<br />

Lebensraum zu schaffen, hatte sich durch viele<br />

Hindernisse hindurch realisiert. Auch Lehrer/innen,<br />

die Anfangs dem Ganzen etwas skeptisch gegenüber<br />

gestanden hatten, waren angesichts des<br />

Ergebnisses positiv überrascht. Es ist etwas<br />

mit dem neuen Angebot des Flures umgegangen<br />

wird, kann man nicht einfach beantworten, da es<br />

ein Ort ist, an dem täglich ca. 150 Schüler/innen Zeit<br />

verbringen. Ob diese Schüler/innen und nachfolgende<br />

Klassen dieses Angebot längerfristig als Beitrag<br />

wahrnehmen werden, einen anderen Bezug zum<br />

Lernort zu bekommen und zu erleben, wird sich in<br />

der Zukunft erweisen. Unmittelbar wahrnehmbar<br />

schien für mich, dass sich alle Schüler/innen in dem<br />

neu geschaffenen Raum wohler fühlten. Ich kann<br />

nicht erwarten, dass die entstandene Lösung alle<br />

Vorstellungen einbezieht, aber ich denke, dem größeren<br />

Teil der Schüler/innen und Lehrer/innen wird<br />

es gut tun.<br />

31<br />

projiziert, mit Edding nach gezeichnet und mit der<br />

dunkelblauen Lackfarbe ausgemalt. Die Schüler/<br />

innen waren hier besonders stolz auf die fertigen<br />

Werke.<br />

Jedenfalls war die veränderte Wirkung dieses Flurs<br />

der Anlass für ein weiteres Jahrgangsteam von<br />

Schüler/innen und Lehrer/innen, mich und die<br />

Projektinitiatorin Dr. <strong>Birgit</strong> <strong>Engel</strong> darum zu bitten,<br />

die Umgestaltung auch ihres Flures in die Hand zu<br />

nehmen. So wurde inzwischen ein weiterer Flur mit<br />

mir künstlerisch umgestaltet und in der Folge auch<br />

ein dritter Flur von der Künstlerin Katerina Mourati<br />

sowie in Gemeinschaftsarbeit ein Treppenhaus.<br />

1 Vgl. Künkele, Andrea: Unwirtlichkeit oder Zugehörigkeit,<br />

in: <strong>Engel</strong>, B. (Hrsg.) Schule als <strong>Kunst</strong>ort – Über den Beginn eines<br />

künstlerischen Schulentwicklungsprojekts, Bielefeld 2005<br />

(frauenkunstforum-owl e.V.)<br />

Besonderes, wenn nicht nur im eigenen Klassenzimmer<br />

und durch ein paar neue Bilder an den<br />

Wänden Veränderungen stattfinden, sondern im<br />

großen Stil Dinge bewegt werden. Die Frage, wie


»Spuren« Ein interkulturelles KonzeptArt Projekt<br />

»Spuren« Ein interkulturelles Konzept<br />

»Spuren« Ein interkulturelles KonzeptArt Projekt<br />

Schüler/innen eines 7. Jahrgangs an der Bertolt- Brecht- Gesamtschule Löhne<br />

Projektleitung<br />

Katerina Mourati<br />

Bildende Künstlerin<br />

32<br />

Von September 2006 - Januar 2007<br />

arbeitete ich an der Bertolt-Brecht<br />

Gesamtschule Löhne wöchentlich mit<br />

je zwei Gruppen des 7. Jahrgangs an<br />

der künstlerischen Gestaltung eines<br />

Jahrgangsflurs.<br />

Als ich das Projekt »Spuren« angefangen<br />

habe, hatte ich etwas anderes<br />

in meinem Kopf als das, was sich später entwickelt<br />

hat. Am Ende des Projektes habe ich etwas<br />

Wichtiges festgestellt. Wenn man mit Kindern<br />

künstlerisch arbeitet und man möchte den Kindern<br />

alle Freiheiten im Namen der <strong>Kunst</strong> erlauben, dann<br />

sollte man von Anfang an flexible Vorstellungen<br />

haben und auch keine streng festgelegten<br />

Erwartungen. Die Dynamik in einem Schulprojekt<br />

entsteht durch »menschliche Seelen« und man kann<br />

und darf auch nicht über diese »Seelen« hinweg<br />

planen. Man kann nur eine Richtung vorgeben in<br />

einer weichen Art, so dass die Kinder fast gar nicht<br />

merken, dass eine Richtung vorgegeben worden ist.<br />

Zugleich muss man bereit sein, beim Leiten die<br />

Richtung zu spüren, in die einen die Kinder führen.<br />

Es ist ein Austauschprozess, der auf einer Ebene passiert,<br />

die unsichtbar und nur spürbar ist.<br />

Meine Idee im Rahmen der Ausschreibung<br />

»migrARTE« des fkf-owl e.V. >Transnationale<br />

schulische Räume<<br />

Im Rahmen des Projektkonzepts »Schule als<br />

<strong>Kunst</strong>Ort« werden Künstlerinnen damit beauftragt,<br />

eine künstlerische Antwort auf eine bestimmte<br />

Situation oder einen bestimmten Ort in der Schule<br />

zu entwickeln. Meine Idee war die folgende:<br />

Die Persönlichkeit des Menschen ist ein Ergebnis von<br />

»Spuren«. Sein Verhalten ist ein Ergebnis von<br />

Erfahrungen und Umgebungen. In einer jeden<br />

Umgebung gibt es Menschen, Objekte, Dokumente,<br />

die in ganz besonderer Weise Einfluss nehmen, so<br />

dass sie niemals vergessen werden. Sichtbare und<br />

unsichtbare Dinge berühren einen und hinterlassen<br />

ihre Abdrücke, ihre »Spuren«. In dem künstlerischen<br />

Projekt »Spuren« wollte ich gemeinsam mit<br />

Schüler/innen aus dem 7. Jahrgang nach ihren alltäglichen<br />

Spuren suchen und sie dabei unterstützen,<br />

diese in künstlerischer Weise zum Ausdruck zu bringen.<br />

Unser »sichtbares« Material sollten Objekte,<br />

Dokumente, Fotos, Fotokopien und andere<br />

Materialien sein, die dazu geeignet sind, »unsichtbare<br />

Dinge«, wie Gefühle oder Träume symbolisch<br />

bzw. als Ideogramme wahrnehmbar und mitteilbar<br />

zu machen.<br />

Ziel des Projektes war die Motivationsstärkung<br />

sowie die Stärkung des Selbstbewusstseins und der<br />

Selbstsicherheit durch Erweiterung der Ausdruckfähigkeit,<br />

die Verbesserung der nonverbalen<br />

Kommunikationsfähigkeit und als Ergebnis die<br />

künstlerische Gestaltung eines gemeinsamen<br />

Raums, des Jahrgangsflurs. Im Verlauf des Projektes<br />

sollte eine kollektive Installation entstehten, die sich,<br />

wenn möglich, über die Jahre weiterentwickelt und<br />

zugleich vergangene Spuren lebendig erhält.<br />

Entwicklung der Idee<br />

Während der Realisierung des Projektes sind neue<br />

Perspektiven entwickelt worden, die vorher<br />

»unsichtbar« trotz meiner Erfahrung waren. Dank<br />

der Flexibilität der Schüler/innen und unserer<br />

gemeinsamen Improvisierungen können heute alle,<br />

die am Schulleben beteiligt sind, den Schulflur als<br />

Lebensraum genießen und beleben. Die Momente,<br />

die eine wichtige und entscheidende Rolle bei dieser<br />

Entwicklung spielten, erzähle ich im Weiteren aus<br />

meiner Erinnerung.<br />

Mein erstes Erscheinen in den Klassen<br />

Frau Dr. <strong>Engel</strong> wollte mich bei den Schülern/innen<br />

vorstellen und als wir in die Klasse treten, herrscht<br />

eine sehr lebendige Atmosphäre. Der Lehrer hält in<br />

einer seiner Hände eine leere Gummibärchen-Tüte<br />

und sagt: »Und etwas wie das gehört nicht in den<br />

Flur!« Er macht eine Bewegung, um die Tüte in den<br />

Müll zu werfen. »Nein, nein sie gehört in den Flur,<br />

wir werden <strong>Kunst</strong> damit machen!« rufe ich, ohne<br />

mich vorzustellen. Frau Dr. <strong>Engel</strong> und der Lehrer<br />

lachen sympathisch und zwischen den Schülern und<br />

Schülerinnen herrscht weiterhin Unruhe und Lachen<br />

und wahrscheinlich auch der Gedanke «was sagt sie<br />

uns jetzt?«. Ich stellte mich nun vor und begann von<br />

meinen Ideen zu dem Projekt »Spuren« zu erzählen.<br />

Als erstes wollten wir <strong>Kunst</strong>werke aus Müll für den<br />

Flur gestalten. Die Idee entstand aus der geschilderten<br />

Situation, also wegen meiner schnellen Reaktion<br />

und meiner Ansicht, dass Müll sehr gut zum Thema<br />

»Spuren« passt. Die Fragen der Schüler/innen<br />

kamen wie ein Regenguss über mich und als ich<br />

fragte, wer sich anmelden möchte, gab es wesentlich<br />

mehr interessierte Schüler/innen, als wir, Frau<br />

<strong>Engel</strong> und ich, erwartet hatten.<br />

Auf diese Weise, in verschiedenen Variationen, habe<br />

ich das Projekt in den Klassen vorgestellt. Eigentlich<br />

sollten aus jeder Klasse nur vier bis fünf Schüler/<br />

innen teilnehmen, aber ich konnte nicht nein sagen<br />

und habe viel mehr genommen, weil sie so gespannt<br />

auf das Projekt und das Thema »Spuren« waren. So<br />

wurden aus 24 Schüler/innen 34, die ich in zwei<br />

Gruppen einteilte.<br />

Die Partyspuren<br />

Ich erinnere mich an die Tage, an welchen jedes<br />

Stück Müll von uns als ein kleines <strong>Kunst</strong>werk<br />

betrachtet worden ist. Reste von Gummibärchen,<br />

Chips und Schokoladen- Tütchen, alte CDs<br />

Flaschenkorken, Reste von Zigaretten, alles lag auf<br />

unserem Arbeitstisch und die Frage war »Wie arbeite<br />

ich mit Raum und Proportionen auf den großen<br />

Tafeln, 50cm x 200cm, die ich vor mir habe« eigentlich<br />

bekannte Fragen, aber …<br />

33


»Spuren« Ein interkulturelles KonzeptArt Projekt<br />

»Spuren« Ein interkulturelles Konzept<br />

»Spuren« Ein interkulturelles KonzeptArt Projekt<br />

Nach zwei Wochen konnten wir die ersten Bilder<br />

aufhängen. Die Schüler/innen trugen sehr vorsichtig<br />

und mit viel Gefühl die schweren Bilder vom<br />

<strong>Kunst</strong>raum, aus der 2. Etage nach unten in den<br />

Jahrgangsflur, in das Erdgeschoss, Lehrer/innen und<br />

Hausmeister waren beteiligt an diesem Prozess. Die<br />

Schüler/innen führten beim Nageln interessante<br />

Dialoge:<br />

34<br />

35<br />

»Ja, Frau Mourati, wir haben geklebt und<br />

geschnitten und mit Farben gearbeitet aber<br />

etwas stimmt nicht.«<br />

»Ja ich sehe das auch so.«<br />

Auch wenn man gut mit Raum, Proportionen und<br />

Farbe gearbeitet hat, reicht es nicht. In solch einer<br />

Art von Werk gibt es immer eine Lücke. Die Frage<br />

ist: Wie schaffst du es zu einem künstlerischen Ergebnis<br />

zu kommen, welches ist diese letzte Detail,<br />

die letzte Berührung, die ein Objekt zum <strong>Kunst</strong>werk<br />

macht? Wann kannst du endlich sagen, ich bin fertig?<br />

Ich hatte Faden, Aluminium und Baumwolle mitgebracht<br />

und dann fing die kreative Arbeit an.<br />

Nach vielen Gesprächen und visuellen Experimenten<br />

sind Kollagen und Assemblagen geschaffen worden,<br />

sehr attraktive und lebendige, die mit<br />

Aluminium oder Baumwolle am Rand gestaltet<br />

worden sind.<br />

»Man ist fertig, wenn das Bild in die eigenen<br />

internen tiefen visuellen Vorstellungen passt. Das<br />

Bild ist fertig, das Bild passt mir, das Bild war<br />

schön in mir.«<br />

Der Flur<br />

Nachdem die ersten Schritte getan waren, bestand<br />

unser nächster Schritt darin, uns für eine neue Farbe<br />

für den Flur zu entscheiden, bevor die Bilder aufgehängt<br />

würden. Die Meinungen, zur Farbauswahl,<br />

waren sehr vielfältig und sehr verschieden. Aus<br />

praktischen Gründen sollte der Flur nicht zu bunt<br />

gestrichen werden. Nach vielen Gesprächen fassten<br />

wir folgenden Entschluss: Unten dunkelrot, oben<br />

hellgelb und in der Mitte ein weißer, dicker Streifen,<br />

in dem jeder mit schwarzer Farbe seinen Namen<br />

schreiben konnte. So hatte jeder die Möglichkeit mit<br />

seiner Unterschrift eine Spur seiner Anwesenheit in<br />

der Schule hinterlassen. Die Schüler/innen waren<br />

begeistert, im Flur zu arbeiten und wie selbstverständlich<br />

kamen auch Schüler/innen, die nicht an<br />

dem Projekt teilgenommen haben und auch sie<br />

griffen sich einen Pinsel, um ihren Namen zu schreiben.<br />

Alle genossen es, ihren eigenen Namen auf die<br />

Wand oder die Namen ihrer Freunde zu schreiben.<br />

»Was ist denn das?«<br />

»Das ist eine Assemblage.«<br />

»Was ist eine Assemblage? Das ist nur Müll.«<br />

»Komm, du hast keine Ahnung von <strong>Kunst</strong>, das<br />

war Müll, aber jetzt ist es <strong>Kunst</strong>.«<br />

Etwas das wir Wollen<br />

Nach diesem kreativen »Wandschreiben« arbeiteten<br />

wir wieder im <strong>Kunst</strong>raum. Seit langem hatte ich<br />

mit den Schülern/innen über meine Ausgangsidee<br />

gesprochen und über die Materialien, die sie von zu<br />

Hause mitbringen sollten: alte Familienfotos,<br />

Dokumente, alte Fahr- und Flugkarten eben<br />

Erinnerungsobjekte. Daraus sollten sie Assemblagen<br />

schaffen, die mit ihrer Geschichte zu tun hatte und<br />

alles das genau wie die Partyspuren bearbeiten.<br />

Leider hatte kein Schüler und keine Schülerin etwas<br />

mitgebracht und dank des höflichen Angebots<br />

zweier Lehrer/innen, die Fotokopien und das<br />

gefragte Material mitgebracht hatten, hatten wir<br />

jetzt überhaupt Material.<br />

»Frau Mourati, ich möchte nicht mehr so arbeiten.«<br />

»Ja, ich auch, warum sollen wir was über unsere<br />

Geschichte erzählen, das geht niemanden etwas<br />

an.«<br />

»Wir möchten mit den Pinseln auf die Tafeln<br />

malen. Es gibt noch viele leere Wände im Flur.«<br />

» Okay! Pause! Stuhlkreis! Ich höre Vorschläge.«<br />

»Wir möchten mit Pinseln malen.«<br />

»Wir möchten über die Liebe malen.«<br />

»Sie haben uns gesagt, dass wir die alten Bänke,<br />

die im Schuleingang stehen, anmalen sollten.«<br />

»Okay! Die Liebe, die Freundschaft und die<br />

Länder.<br />

Alles zusammen auf die Tafeln, aber alles muss so<br />

geplant und gedacht werden, dass es zu den Partyspuren<br />

genau wie zum Namenschreiben passt. Der<br />

Flur muss ein Ganzes sein, das von den verschiedenen<br />

Bildern bestimmt wird, aber diese Bilder sollen<br />

etwas Gemeinsames haben, aber was könnte das<br />

sein. Mit welchen Materialen ist der Flur zu gestalten?«<br />

»Aluminium! An den Rändern der Tafeln soll wieder<br />

Aluminium kommen!«<br />

»Und was ist mit den Möbeln?«<br />

»Wenn die Wände erstmal voll sind, verspreche<br />

ich euch, dass wir die Möbel bemalen.«


»Spuren« Ein interkulturelles KonzeptArt Projekt<br />

»Spuren« Ein interkulturelles Konzept<br />

»Spuren« Ein interkulturelles KonzeptArt Projekt<br />

36<br />

Die Liebe<br />

Zum Thema Liebe kamen wir so:<br />

Meine Kollegin Andrea Künkele<br />

hatte mit Schülern/innen einen anderen<br />

Flur und ein Treppenhaus gestaltet.<br />

Ich sollte mit den Schülern/innen<br />

meines Projektes auch noch den<br />

Schuleingang gestalten. Unser Ziel<br />

war es, eine Bindung zwischen den<br />

beiden verschiedenen Konzepten,<br />

Andreas und meinem, zu schaffen.<br />

Dies gelang uns durch die Farbauswahl.<br />

Ich hatte zuvor die Schüler/<br />

innen eingeladen und nach ihren<br />

Meinungen und Ideen gefragt.<br />

»Ich würde gerne ein großes Herz<br />

im Schuleingang malen.«<br />

»Und dann das Wort Liebe in allen<br />

Sprachen.«<br />

»Und dann ein verliebtes Paar im<br />

Sonnenuntergang.«<br />

»Und dann wieder an dem Rand<br />

Aluminium.«<br />

37<br />

Die Wände waren bald künstlerisch gestaltet und<br />

außer den neuen Bildern wurden noch runde Tafeln,<br />

die grün gestrichen wurden, um als Informationstafeln<br />

von Lehrern/innen und Schülern/innen genutzt<br />

zu werden, aufgehängt.<br />

Die Möbel<br />

Dann kam die Zeit, in welcher ich mein Versprechen<br />

über die Möbel einlösen musste. Das Versprechen<br />

hatte ich jedoch geäußert, ohne wirklich zu wissen,<br />

was es für mich bedeuten würde. Meine Leidenschaft<br />

für die Kreativität bringt mich manchmal zu<br />

Entscheidungen, die ich mir gründlicher überlegen<br />

sollte. Tatsächlich war es so unglaublich viel Arbeit,<br />

aber gleichzeitig war es auch für alle Beteiligten ein<br />

großer Genuss.<br />

Wir haben alte Tische vom Dachboden getragen,<br />

wir haben sie geschliffen, genau wie zwei Bänke, die<br />

schon im Flur standen, wir haben sie mit Grundierfarbe<br />

gestrichen und dann sollte jede Gruppe von je<br />

vier Schülern/innen ein Konzept für einen der Tische<br />

entwickeln. Auf die Bänke haben die Schüler/innen<br />

mit Filzstiften gezeichnet und dann wurden sie mit<br />

Glanzlack lackiert. Jeder Schüler oder Schülerin, der<br />

oder die während der Pause vorbei kam, hat seinen<br />

Name oder eine Liebesnachricht auf eine der Bänke<br />

geschrieben.<br />

»Frau Mourati, dürfen wir richtig auf die Bänke<br />

schreiben?«<br />

Die Wände waren voll mit Bildern, die Bänke und<br />

die Tische waren da – wir hatten unser Ziel erreicht.<br />

Zwei Monate später haben wir alle diese Ergebnisse<br />

den Schülern/innen, Lehrern/innen und der Presse<br />

gezeigt.


»Spuren« Ein interkulturelles KonzeptArt Projekt<br />

»Spuren« Ein interkulturelles Konzept<br />

»Spuren« Ein interkulturelles KonzeptArt Projekt<br />

38<br />

Über die Kreativität<br />

In dieser Weise könnten wir die ganze Schule künstlerisch<br />

gestalten. Die Inspiration für das nächste<br />

Thema kommt jeweils von der vorherigen Aktion.<br />

Wenn ich ein Schulkunstprojekt leite, werde ich<br />

manchmal gefragt, welches meine Methode ist und<br />

dann antworte ich: »Eigentlich habe ich keine.« An<br />

meinen Projekten interessieren mich die Originalität<br />

und die Authentizität, ich möchte, dass die Fantasie<br />

der Schüler/innen sich öffnet, dass ihr Wille für<br />

Kreativität verstärkt wird und etwas Neues entsteht.<br />

Um diese Fantasie zu öffnen, arbeite ich mit<br />

Schlüsselwörtern und Assoziationen, die den<br />

Schülern/innen helfen, ihre ursprünglichen kreativen<br />

Kräfte zu entfalten und zu entwickeln. Jeder<br />

Schüler/jede Schülerin hat etwas in sich, was ich<br />

spüre und auf »dieses etwas« arbeiten wir zusammen<br />

hin.<br />

Es gab manchmal während des Projektes Momente,<br />

bei denen die Kühnheit der Ideen der Schüler/innen<br />

so stark war, dass ich wie eine Akrobatin funktionieren<br />

musste. Wo setzt die Schule, als Institution mit<br />

ihren Regeln, der Freiheit der künstlerischen<br />

Kreativität Grenzen? Was dürfen die Schüler/innen<br />

ausdrücken und was dürfen sie nicht? Sollen wir das,<br />

was sie ausdrücken »Kinderkunst« nennen oder<br />

geleitete künstlerische Freiheit? Oder: Wie finden<br />

wir einen gemeinsamen Weg, um die Balancen zu<br />

erhalten, dass das Projekt »Schule als <strong>Kunst</strong>Ort«<br />

funktioniert? Mit solchen Fragen und Bemerkungen<br />

bin ich immer zu Frau Dr. <strong>Engel</strong> gegangen, die mit<br />

ihrer wissenschaftlichen Kenntnis über Pädagogik,<br />

aber auch mit ihrer Kenntnis über <strong>Kunst</strong>, für mich<br />

eine besondere Hilfe und Unterstützung war. Ihre<br />

diskrete Begleitung war für mich und die Schüler/<br />

innen sehr wichtig.<br />

Wenn man mich fragt, ob ich dasselbe Projekt mit<br />

neuen Schülern/innen wiederholen könnte, würde<br />

ich »ja« sagen. Die Ergebnisse wären jedoch anders,<br />

weil die neuen Schüler/innen neue Personen wären<br />

und mit ihnen eine neue Dynamik entstehen würde.<br />

Wenn ich ein Schulkunstprojekt anfange, fühle ich<br />

mich wie eine Schwimmerin, die in das tiefe Wasser<br />

eines Ozeans eintaucht und das Einzige was sie<br />

beherrscht sind die Grundbewegungen des<br />

Schwimmens, die Schüler/innen führen mich und<br />

nach einiger Zeit schwimme ich gut in diesem tiefen<br />

Ozean, dann schwimmen wir zusammen. Wir<br />

haben von einander das Schwimmen in Tiefen<br />

gelernt.<br />

39


»Bildentwicklung – Jugend im Bild«<br />

»Bildentwicklung – Jugend im Bild«<br />

Jugendliche, zwischen 15 bis 17 Jahren, gestalten und verarbeiten ihre Lebenssituation in Bildern<br />

Projektleitung<br />

Bärbel Kliche<br />

Bildende Künstlerin<br />

Pädagogin<br />

40<br />

Im August 2006 arbeitete ich mit<br />

Schülerinnen zwischen 15 und 17 Jahren<br />

aus unterschiedlichen Herkunftsländern<br />

zum Thema »Bild-Entwicklung«<br />

in der Werk(statt)schule des Vereins<br />

BAJ, August Bebel Str. 133, 33602<br />

Bielefeld.<br />

Die Werk(statt)schule richtet sich an<br />

schuldistanzierte Schülerinnen im vorletzten<br />

und im letzten Schulbesuchsjahr.<br />

Konzeption<br />

Die Eingangsvoraussetzungen für die Teilnahme an<br />

der Werk(statt)schule sind, dass die SchülerInnen<br />

lange Zeit nicht mehr in der Schule gewesen sind<br />

und ihre Teilnahme freiwillig ist. Sie sollten Interesse<br />

an praktischer Arbeit haben. Die Anmeldung<br />

erfolgt über die Schulsozialarbeiterin oder auch<br />

über den Klassenlehrer. Die Eltern sind informiert<br />

und erklären ihr Einverständnis.<br />

Die Ziele der Werk(statt)schule sind, SchülerInnen<br />

zu motivieren, Lernen wieder als sinnvoll zu erkennen.<br />

Sie sollen eigene Perspektiven für die Zukunft<br />

entwickeln und diese Perspektiven mit dem Team<br />

der Werk(statt)schule planen und nach Ende der<br />

Werkstattschule umsetzen (z.B. den Hauptschulabschluss<br />

in einer Berufsvorbereitenden Maßnahme<br />

nachzuholen). Weitere wichtige Ziele sind die<br />

Persönlichkeitsentwicklung und Stabilisierung,<br />

Heranführen an einen strukturierten Tagesablauf,<br />

das Aufspüren von Interessen und Motivation, die<br />

Vermittlung von Erfolgserlebnissen, Hinarbeiten auf<br />

den Erwerb von Schlüsselqualifikationen, sowie die<br />

Weiterentwicklung der vorhandenen schulischen<br />

Fähigkeiten.<br />

Angebote und Inhalte der Werk(statt)schule sind,<br />

Lernen anhand von Werkstattprojekten aus verschiedenen<br />

Fachbereichen, berufspraktische<br />

Erfahrungen sammeln, Unterstützung bei der<br />

Entwicklung und Verwirklichung eigener Projekte,<br />

Unterstützung bei der Bewältigung persönlicher<br />

Probleme, Herausarbeiten der eigenen Stärken und<br />

Fähigkeiten, praxisbezogene Vermittlung von<br />

Unterrichtsinhalten, mehrere Betriebskurzpraktika,<br />

sowie soziale Lerneinheiten zur Entwicklung von<br />

Kommunikation und Persönlichkeit.<br />

Ein Schulabschluss wird in der Werk(statt)schule<br />

nicht angeboten, da sich dies im ersten Durchlauf<br />

aufgrund der fehlenden fachlichen Voraussetzungen<br />

als unrealistisch erwiesen hat. Nach Abschluss<br />

der Maßnahme erhalten die Jugendlichen ein BAJ-<br />

Zertifikat über die erworbenen fachlichen<br />

Qualifikationen.<br />

Die Dauer der Werk(statt)schule beträgt ein<br />

Schuljahr. Die Werk(statt)schule hat 16 Plätze eingerichtet,<br />

sie beginnt täglich um 8.00 Uhr und<br />

endet um 14.00 Uhr.<br />

Ziele des <strong>Kunst</strong>projektes »Bildentwicklung«<br />

Ziel des <strong>Kunst</strong>projektes war die Wahrnehmung der<br />

eigenen Person, die Entwicklung von kommunikativer<br />

und sozialer Kompetenz, der Erwerb von<br />

gestalterischen Ausdrucksfähigkeiten und -fertigkeiten,<br />

die Freude an dem eigenen kreativen<br />

Ausdruck.<br />

Ziel war auch, beim Erwerb von Kompetenzen,<br />

Perspektiven, neuen Lebenseinstellungen behilflich<br />

zu sein und diese zu fördern.<br />

Teilnehmer<br />

An dem <strong>Kunst</strong>projekt in der Werk(statt)schule nahmen<br />

vier Mädchen und acht Jungen im Alter von<br />

15 bis 17 Jahren teil.<br />

Finanzierung<br />

Das Projekt »Bildentwicklung« fand während des<br />

gesamten Schuljahres einmal wöchentlich 7 Stunden<br />

in einem eingerichteten Malatelier in den Räumen<br />

des Vereins BAJ statt.<br />

Es wurde durch die Gruppe Paed<strong>Kunst</strong> zum<br />

Jahresthema »transnationale schulische Räume«<br />

migrArte des frauenkunstforum-owl. e.V. über<br />

einen Zeitraum von 21 Stunden gefördert.<br />

Vorbereitung und Gestaltung des <strong>Kunst</strong>raums<br />

Bevor ich mit dem <strong>Kunst</strong>projekt begann, bereitete<br />

ich das Malatelier so vor, dass die Atmosphäre einladend<br />

war und alle vorhandenen Materialien in<br />

ausreichender Menge an ihrem Platz lagen. Ich<br />

legte Buntstifte, Wachsstifte offen aus, nahm die<br />

Deckel von den Farbbehältern, um den Teilnehmern<br />

so einen guten Einstieg zu ermöglichen.<br />

In dem Malatelier waren an allen vier Wänden<br />

Malwände angebracht, an denen die Jugendlichen<br />

im Stehen und mit vollem Körpereinsatz an ihren<br />

Bildern arbeiten konnten. In der Mitte des Raumes<br />

hatte ich einen Materialtisch mit angeordneter<br />

Gouache-Farbpalette, für alle gut zugänglich, aufgebaut.<br />

Der gemeinsame Materialtisch bewirkte Sicherheit<br />

und Orientierung. Die Nutzung erforderte gleichzeitig<br />

auch die Einhaltung von Regeln und Struktur.<br />

Die TeilnehmerInnen konnten ihr gewünschtes<br />

Material selbst auswählen. Es bestand aus großformatigem<br />

Papier, Pappe, Leinwänden und Holz.<br />

Durch die Auswahl der unterschiedlichen Materialien<br />

wollte ich die Jugendlichen motivieren und<br />

zum Experimentieren anregen.<br />

In einer Ecke des Raumes hatte ich eine Zeichenecke<br />

eingerichtet. Sie war mit Bleistiften, Buntstiften und<br />

Wachsmalstiften ausgestattet. Der Zeichentisch bot<br />

den Jugendlichen u. a. auch eine Möglichkeit des<br />

Rückzugs.<br />

Begleitung und Regeln<br />

Zu Beginn erklärte ich die Regeln. Diese hingen im<br />

Eingangsbereich für alle gut sichtbar:<br />

• wir gehen freundlich miteinander um<br />

• wir klären Konflikte die entstehen<br />

• jeder kann sich ausprobieren und ausdrücken<br />

• wir äußern uns nicht negativ über unsere<br />

eigenen Bilder und die der anderen Teilnehmer<br />

• wir nutzen die Zeit für uns<br />

• wir setzen uns und die Gruppe nicht durch<br />

Bewertungen unter Druck<br />

Unterstützung und Begleitung im Prozess<br />

Ich vermittelte Präsenz, Akzeptanz, Zuwendung,<br />

und schaffte für meine Teilnehmer eine vertrauliche<br />

Atmosphäre. So wollte ich den Einstieg in das<br />

<strong>Kunst</strong>projekt ohne jeden Leistungsdruck ermögli-<br />

41


»Bildentwicklung – Jugend im Bild«<br />

»Bildentwicklung – Jugend im Bild«<br />

42<br />

chen. Ich ließ ihnen die Zeit, die sie benötigten, um<br />

sich auf die verschiedenen Angebote im Malatelier<br />

einzulassen. Zur Anregung, aber auch um sich eine<br />

Auszeit zu nehmen, legte ich eine wechselnde<br />

Auswahl von Anschauungsmaterialien, z.B. <strong>Kunst</strong>kataloge<br />

und Zeichenbücher aus. Die anregende,<br />

ruhige, vertrauliche und wertfreie Atmosphäre bot<br />

die Grundlage für die jungen Menschen, sich individuell<br />

und auch vor den anderen Teilnehmern kreativ<br />

öffnen und darstellen zu können.<br />

Durch authentische Begleitung und eine individuelle<br />

Förderung tauchten sie schnell in ihre eigene Bilderwelt<br />

ein. Es gelang ihnen bereits nach kurzer Zeit<br />

eigene Bildthemen zu malen und diese gestalterisch<br />

zu verdichten.<br />

Gemeinsam suchten wir für die Themen »Liebe«,<br />

»Gewalt« und »Respekt« Symbole. Für das Thema<br />

Liebe wurde u. a. ein Herz, ein Liebespaar oder<br />

auch ein <strong>Engel</strong> individuell gestaltet.<br />

Am Ende des Projekts entschieden die Teilnehmer<br />

welche Bilder sie in den Räumen der Werk(statt)-<br />

schule aushängen wollten.<br />

Ein Teil der Bilder wurde im Februar 2006 bei der<br />

Kinder und Jugendausstellung NRW in Witten präsentiert.<br />

Am Schuljahresende wurden die Exponate<br />

in einer gemeinsamen Ausstellung, mit den <strong>Kunst</strong>werken<br />

aus anderen Maßnahmen, im Jugendgästehaus<br />

in Bielefeld, einem interessierten Publikum<br />

präsentiert.<br />

43<br />

Die Themen wurden dann ein zweites Mal in den<br />

Bildern der Einzelnen, oder in einer gemeinschaftlichen<br />

Arbeit eindrucksvoll gestaltet. So konnte<br />

scheinbar Feststehendes betrachtet werden und<br />

gemeinsam nach anderen Lösungswegen gesucht<br />

werden. Die Werke der Jugendlichen beinhalteten<br />

unter anderem die Themen: »Leben zwischen<br />

unterschiedlichen Traditionen und Kulturen«,<br />

»Liebe«, »Gewalt« und »Respekt«.<br />

Vertiefende Erinnerungen an Situationen des<br />

Projekts – Voreinstellungen der Projektteilnehmer<br />

zur <strong>Kunst</strong><br />

Während der wöchentlichen Projektstunden kristallisierten<br />

sich unterschiedliche Themen heraus. Diese<br />

spiegelten auch die momentane Situation der<br />

Teilnehmer wieder. Wir nahmen uns viel Zeit, um<br />

die Themen gemeinsam zu besprechen. Bei Bedarf<br />

stand ich selbstverständlich für vertrauliche Gespräche<br />

zur Verfügung.<br />

Einige Teilnehmer hatten mir zu Projektbeginn<br />

erzählt, dass sie schlechte Erfahrungen mit dem<br />

<strong>Kunst</strong>unterricht hatten. Nach ihren Aussagen hatten<br />

sie bisher immer schlechte Noten in diesem<br />

Unterrichtsfach. Die Jungen erwähnten recht eindrucksvoll,<br />

dass sie bereits seit der Grundschule nicht<br />

mehr gerne am <strong>Kunst</strong>unterricht teilnahmen.<br />

»Ich werde hier im <strong>Kunst</strong>unterricht nicht malen, weil<br />

ich <strong>Kunst</strong> hasse. Du wirst nicht erleben, dass ich auch


»Bildentwicklung – Jugend im Bild«<br />

»Bildentwicklung – Jugend im Bild«<br />

44<br />

nur einen Stift in die Hand nehme und ein Bild<br />

male; ich erst recht nicht.« Auf ihre Einwände reagierte<br />

ich beruhigend und mit viel Verständnis. Ich<br />

vermittelte ihnen, dass das <strong>Kunst</strong>projekt mit diesen<br />

Voreinstellungen der beste Einstieg ist, um <strong>Kunst</strong><br />

und Kreativität neu zu entdecken. Da die Bilder<br />

nicht benotet wurden und der Umgang auch in der<br />

Gruppe wertfrei sein sollte, konnten sie sich schnell<br />

auf das Angebot im Malatelier einlassen.<br />

Selbst- und Arbeitskonzept – Eigenes erhält<br />

einen Raum<br />

Meine Reaktion auf ihre negativen Erfahrungen<br />

ermöglichte meinen jungen Teilnehmern in der<br />

Regel sehr bald, sich auf die Situation einzulassen<br />

und die vorhandenen einsatzbereiten Materialien<br />

auszuprobieren. Anfangs testeten sie selbstverständlich<br />

aus, wie weit sie bei mir mit ihrer<br />

Bildgestaltung gehen konnten.<br />

es dann gemeinsam zum Trocknen an den dafür<br />

vorgesehenen Platz legen könnten. Es wurde sehr<br />

deutlich, dass die Teilnehmer meine Toleranz oder<br />

Hemmschwelle überprüften. Sie rechneten nicht<br />

damit, dass ich ihre anfängliche Arbeitshaltung und<br />

die Bilder ohne jeden inhaltlichen Kommentar<br />

akzeptierte.<br />

Ein junger Mann teilte mir bereits während der<br />

Vorstellung des Malprojektes mit, dass er sich nicht<br />

beteiligen würde. In der dritten Woche hatte er<br />

bereits Buntstifte in der Hand. Er malte mit sichtli-<br />

Materialien aus. So gelang es ihm, seinen ganz persönlichen<br />

authentischen Zugang zur <strong>Kunst</strong> zu finden.<br />

Am Anfang malte er ein Haus und Wolken.<br />

Am Ende hatte er soviel Vertrauen, dass er im<br />

Gespräch und in seinen Bildern Einblicke in seine<br />

Lebenssituation, seine Wünsche und Träume gestattete.<br />

Zum Abschluss des Projekts gestaltete er mit<br />

anderen Teilnehmerinnen ein gemeinschaftliches<br />

Bild zu den Projektthemen.<br />

In ihren ersten Arbeiten präsentierten sie z. B. die<br />

Flaggen ihrer Heimatländer. Sie spritzten Farbe auf<br />

das Papier. Einige gestalteten Bilder von ihrem<br />

favorisierten Fußballverein und ihrem bevorzugten<br />

Gangstaraper.<br />

von ihnen wieder auf dem Maltisch zurückgestellt.<br />

Die Selbstverständlichkeit, mit der die Situation<br />

gemeinsam bewältigt wurde, half meinen TeilnehmerInnen<br />

dabei, sich sicherer zu fühlen. Das<br />

führte dazu, dass die Behälter immer seltener auf<br />

dem Boden landeten.<br />

Bildthematik und Veränderung der<br />

Arbeitshaltung<br />

Nach einem kurzen Zeitraum malten sie sehr spezielle<br />

und eigene Bildthemen. Auf einem Bild war<br />

eine Kirche mit angrenzendem Friedhof und<br />

45<br />

Ein Teilnehmer malte als erstes ein Bild, auf dem<br />

eine sexuelle Szene dargestellt war. Als er fertig war,<br />

rief er mich. Er wollte, dass ich mir sein Bild<br />

anschaue. Während ich das Bild betrachtete, verfolgte<br />

er gespannt meine Reaktion. Anschließend<br />

fragte ich ihn, ob das Bild für ihn fertig wäre, da wir<br />

cher Freude ein Haus und Wolken. Ich spürte, dass<br />

es sinnvoll war, ihn nicht auf sein Bild anzusprechen,<br />

sondern ihn einfach in Ruhe zu lassen.<br />

Am Schluss sammelte ich sein Bild »kommentarlos«<br />

ein, um ihn nicht mit »bewertenden« Äußerungen<br />

in seiner sich entwickelnden Kreativität zu blockieren.<br />

Sein erstes Werk war ein Haus und Wolken, mit<br />

Buntstiften gemalt. Dieses Motiv hat er dann in den<br />

jeweiligen Projektzeiten mit Hingabe erweitert. Das<br />

nächste Bild bestand aus einem Haus, einer freundlich<br />

lächelnden Sonne am oberen Bildrand und<br />

einem Baum. Er vermittelte mir allerdings immer<br />

noch das Gefühl, dass ich ihn in dieser Phase noch<br />

nicht ansprechen sollte. Er suchte dann nach einem<br />

kurzem Zeitraum von sich aus das Gespräch. Nach<br />

den Projektstunden verließ er meistens gemeinsam<br />

mit mir das Malatelier.<br />

Seine Bilder entwickelt er mit viel Freude weiter. Im<br />

Weiteren fügte er auf seinen Bildern Blumen, Beete,<br />

Bäume, Wege und Straßen hinzu. Mittlerweile nutzte<br />

er unterschiedliche Formate und wählte andere<br />

Situationen gemeinsam bewältigen<br />

TeilnehmerInnen, die sehr unruhig (hyperaktiv)<br />

waren, fielen u. a. die Farbbehälter in der ersten<br />

Zeit häufig auf den Boden. Ganz selbstverständlich<br />

und ohne bewertenden Kommentar unterstützte<br />

ich sie dabei, die Farbe vom Fußboden zu beseitigen.<br />

Die neu gefüllten Farbbehälter wurden dann<br />

Bäumen dargestellt. An einem Baum hing ein junges<br />

Mädchen. Der Bildinhalt war allerdings nur<br />

erkennbar, wenn man das Bild sehr genau betrachtete.<br />

Die Bilder waren sorgfältig und künstlerisch bis<br />

ins kleinste Detail gestaltet. Im anschließenden<br />

Gespräch stellte sich heraus, dass sich die junge Frau<br />

sehr häufig mit dem Thema Verlustangst und Tod<br />

beschäftigte. In ihren Bildern konnten innere<br />

Konflikte thematisiert werden, die sonst nicht zur<br />

Sprache kamen.


»Bildentwicklung – Jugend im Bild«<br />

»Bildentwicklung – Jugend im Bild«<br />

46<br />

Wenn die TeilnehmerInnen die Bilder fertig gemalt<br />

hatten, nahm ich sie gemeinsam mit ihnen von der<br />

Malwand. Während wir das Bild zum Trocknen legten,<br />

signalisierte ich ihnen meine Gesprächsbereitschaft.<br />

Meistens suchten sie allerdings das Gespräch<br />

mit mir.<br />

Nach diesen Themen entstanden offensichtlich<br />

Werke, die für meine TeilnehmerInnen neue positive<br />

Bildthemen beinhalteten. Auf den nächsten Bildern<br />

beeindruckten sie mit hellen leuchtenden Farben,<br />

Figuren und Formen.<br />

Am Ende hatten alle ProjektteilnehmerInnen Bilder<br />

hergestellt, auf die sie besonders stolz waren. Trotz<br />

ihrer Voreinstellung zum <strong>Kunst</strong>projekt war ein<br />

neuer, aus sich selbst schöpfender positiver Zugang<br />

zur Kreativität und zur <strong>Kunst</strong> gelungen.<br />

Prinzip der Werk(statt)schule<br />

Das Projekt wurde in enger Begleitung und intensivem<br />

Gesprächsaustausch mit dem Team der<br />

Werk(statt)schule durchgeführt.<br />

Die notwendige sensible Begleitung, Wertschätzung<br />

und Anteilnahme, war für die Entwicklung der<br />

TeilnehmerInnen und den Gruppenzusammengehörigkeitsprozess<br />

ebenfalls sehr bedeutsam.<br />

47


»Perspektivwechsel II« – Vom Augen-Schein zum Körper-Sein<br />

Schüler/innen einer Gesamtschule werden zu Stelzenläufer/innen und zu temporären<br />

Performance-Künstler/innen<br />

»Perspektivwechsel II«<br />

»Perspektivwechsel II« – Vom Augen-Schein zum Körper-Sein<br />

Projektleitung<br />

Christine Ruis,<br />

Schauspielerin<br />

Theaterpädagogin<br />

48<br />

Dauer des Projektes:<br />

Sept. 2005 – Juni 2006<br />

Das Projekt war eingebettet in das<br />

Großprojekt: »Schule als <strong>Kunst</strong>ort –<br />

künstlerische Interventionen als Schulentwicklungsimpuls«<br />

Eine Kooperation von Bertolt-Brecht-<br />

Gesamtschule, Löhne, frauenkunstforum-owl e.V.,<br />

Bielefeld und der pädagogischen Fakultät der Uni<br />

Bielefeld, gefördert aus Mitteln der Aktion Mensch/<br />

5000xzukunft und dem MSWKS NRW<br />

Vorbereitung/Planung<br />

Das Projekt »Vom Augen-Schein zum Körper-Sein«<br />

war eine Fortführung des Projektes »Perspektivwechsel<br />

– eine schulische Ausschreitung auf 93 cm<br />

hohen Stelzen« aus dem Schuljahr 2004/2005<br />

(nachzulesen in »Schule als <strong>Kunst</strong>ort«)<br />

Damals hatten 133 von ca. 300 befragten Schüler/<br />

innen aus den Jahrgängen 5/6/7/8 auf die Frage, ob<br />

sie das Stelzenlaufen lernen wollen, mit JA geantwortet.<br />

126 Schüler/innen bekundeten auch ihre<br />

Neugier auf die Erfahrung des Fallens. Diese<br />

Antworten inspirierten mich zu einem Folgeprojekt.<br />

Konzept<br />

Zielgruppe<br />

Schüler/innen aus den Jahrgängen 5-8, die sich<br />

freiwillig für das Erlernen des Stelzenlaufens interessieren.<br />

Gruppengröße max. 16 Personen, wenn<br />

möglich Zusammenarbeit mit jeweils einer<br />

Lehrkraft.<br />

Ziele<br />

• Vermittlung der Erfahrungen, dass wir körperlich/leiblich<br />

sind, dass wir leibhaftig denken,<br />

fühlen und lernen.<br />

• Erlernen des Stelzenlaufens und Erarbeitung<br />

einer Bewegungschoreografie.<br />

• Durch bewusste Fragestellungen beim<br />

Vermitteln der konkreten Lernziele die<br />

Aufmerksamkeit auf individuelle Lernmuster<br />

lenken.<br />

• Bewusste Konfrontation der individuellen<br />

spezifischen Erwartungshaltungen in Bezug<br />

auf das Stelzenlaufen mit den tatsächlich<br />

gemachten Erfahrungen.<br />

• Die Schüler/innen werden von mir gefilmt und<br />

filmen sich gegenseitig.<br />

Zeitrahmen<br />

Als zeitlicher Rahmen waren 8 Projekttage mit<br />

jeweils 6 Unterrichtseinheiten angedacht und 1-2<br />

Treffen zur Klärung organisatorischer Aufgabenstellungen.<br />

Durchführung/Organisation<br />

Unvorhersehbare Probleme bei der Planung können<br />

zu wunderbaren Lösungen führen, wenn man/<br />

frau offen ist für ungewohnte Arbeitszeiten.<br />

Unvorhergesehene Vorgaben von Seiten der Schule<br />

• nur Schüler/innen der Jahrgänge 7 und 8<br />

sollten teilnehmen<br />

• die 8er Jahrgänge hatten nachmittags Projektbezogenen<br />

Unterricht und konnten nicht freigestellt<br />

werden; außerdem hatten sie 1 Monat<br />

Praktikum, standen in diesem Zeitraum<br />

überhaupt nicht zur Verfügung<br />

• das Stelzenprojekt sollte nur in der unterrichtsfreien<br />

Zeit stattfinden<br />

• Unterstützung von Seiten der Lehrer/innen in<br />

diesem Schuljahr war nicht möglich<br />

• Die zeitliche Verfügbarkeit geeigneter Räumlichkeiten<br />

(Turnhalle) gestaltete sich äußerst<br />

schwierig<br />

Von Seiten der freiberuflichen Künstlerin gab es<br />

ebenfalls unvorhersehbare Terminschwierigkeiten,<br />

sie war nicht jederzeit einsetzbar, hatte u.a.<br />

Auftrittstermine.<br />

Die unterschiedlichen Systeme<br />

Alltag der Künstlerin – Alltag der Institution Schule –<br />

Alltag/Freizeiten der Schüler/innen – mussten in ein<br />

praktikables Gleichgewicht gebracht werden. Das<br />

erforderte aufwändige Mehrorganisation, Risikobereitschaft<br />

bei allen Beteiligten, mehr Treffen als<br />

geplant, einschließlich der unvermeidlichen Fahrtzeiten.<br />

Von den Schüler/innen erforderte es ein sehr<br />

hohes Maß an Eigeninitiative und Selbstmotivation –<br />

die Hälfte der Treffen fand an Samstagen und<br />

Sonntagen statt! Trotz der widrigen Umstände, oder<br />

vielleicht auch gerade deswegen konnte das<br />

Projekt in den letzten Schultagen des Schuljahres<br />

2005/2006 zu einem gelungenen Abschluß für alle<br />

Beteiligten kommen.<br />

• Alle teilnehmenden Schüler/innen fühlten sich<br />

durch die Teilnahme am Projekt um einige<br />

intensive Erfahrungen bereichert; Interesse<br />

für den Aufbau einer schulinternen Stelzengruppe<br />

war geweckt.<br />

• Die Schulleitung und die Initiatorin des<br />

Projektes »Schule als <strong>Kunst</strong>ort«, Dr. <strong>Birgit</strong><br />

<strong>Engel</strong>, waren zufrieden.<br />

• Ich, als durchführende Künstlerin der Projekte<br />

»Perspektivwechsel I + II« war zufrieden.<br />

Mein Erfahrungsschatz in Bezug auf Lernen<br />

im allgemeinen Lebenszusammenhang und in<br />

Bezug auf das System Schule wurde erweitert.<br />

Vermittlung von Wissen und Können<br />

Die einzelnen Treffen sind festgehalten auf ca.<br />

9 Stunden Filmmaterial; davon habe ich einen<br />

Rohschnitt von ca. 2 Stunden zusammengestellt<br />

und einen Vorführfilm, der in drei Kapitel unterteilt ist:<br />

I. Lernen<br />

II. Zeigen<br />

III. Gesehen werden<br />

Das Projekt endete mit einer Performance, die<br />

zweimal aufgeführt wurde. Der Film kann als CD<br />

bestellt werden: ruis.schalkin@googlemail.com<br />

Da ich den Hauptteil der Dokumentation mit filmischen<br />

Mitteln bewerkstelligt habe, beschränke ich<br />

mich hier, auf der Textebene, auf eine assoziative<br />

Berichterstattung.<br />

Reflexionen über einen außergewöhnlichen<br />

Lernprozeß<br />

Freiberufliche Künstlerin – System Schule<br />

Voneinander Lernen – auf jeden Fall lohnenswert!<br />

Mein Dreh- und Angelpunkt bei den Projekten<br />

Perspektivwechsel I+II war die konkrete Arbeit mit<br />

den Schüler/innen mit Methoden aus der Theaterarbeit.<br />

Da ich weder Lehrerin im klassischen Sinne,<br />

noch Forscherin im wissenschaftlichen Sinne bin, sondern<br />

Schauspielerin und Regisseurin habe ich einen<br />

»spielerischen« Blick auf das Lerngeschehen. Wenn<br />

ich selbst die Akteurin bin, wie in Perspektivwechsel I,<br />

steht das spielerische improvisierende Vorgehen im<br />

Vordergrund. Improvisationen gehören zu meinem<br />

Repertoire, ich bin darin ausgebildet. Ich spiele,<br />

49


»Perspektivwechsel II« – Vom Augen-Schein zum Körper-Sein<br />

»Perspektivwechsel II«<br />

»Perspektivwechsel II« – Vom Augen-Schein zum Körper-Sein<br />

50<br />

agiere in eigener Verantwortung, kann das Spiel<br />

abbrechen wann ich will; wenn ich Fehler mache,<br />

muss ich sie ausbaden, sonst niemand.<br />

Anders meine Rolle im Zusammenhang mit dem<br />

Folgeprojekt: »Perspektivwechsel II – vom Augenschein<br />

zum Körpersein«. Dieses Mal waren die<br />

Schüler/innen die Akteure, ich hatte die Funktion<br />

Ich habe es nicht mit Kolleginnen und Kollegen zu<br />

tun. Weder kennen sie meine Fachsprache in Bezug<br />

auf Theater, noch kenne ich ihre Fachtermini in<br />

Bezug auf schulpädagogische Praxis, auch kenne<br />

ich nicht die organisatorischen Schwierigkeiten in<br />

Bezug auf Stundenplanerstellung und Raumbelegung<br />

…<br />

Hürden – Grenzen – Lösungen<br />

Mein Blick ist geschult und geprägt durch jahrelanges<br />

Beobachten – was machen die (Schau-)Spieler,<br />

was brauchen sie, um das in Ihnen steckende<br />

Potential zum Leben/nach Außen zu bringen. Wo<br />

habe ich Möglichkeiten, sie zu unterstützen, wo sind<br />

meine Grenzen im gemeinsamen Geben und<br />

Nehmen? Was können wir gemeinsam tun, um das<br />

anvisierte Ziel einer Aufführung zu erreichen.<br />

Die Lehrer/innen waren freundlich aber sehr daran<br />

interessiert, keine zusätzlichen Arbeiten erledigen<br />

zu müssen. Sie sind aber diejenigen, die mir am meisten<br />

weiterhelfen können, was organisatorische<br />

Überlegungen in ihren Klassen angeht. Grenzen, die<br />

aus dem Gefühl der Überlastung bestehen? Oder<br />

aus Desinteresse? Oder einfach konkreter Zeitmangel<br />

– die Besprechungszeiten der Teamlehrer<br />

waren, wenn überhaupt gemeinsam zu erreichen,<br />

äußerst knapp bemessen. Ein System wie die Schule<br />

lässt sich kaum erschüttern – es weiß um seine gut<br />

befestigten Grenzen – jedes System verlässt sich auf<br />

seine Eigendynamik – und die ist nicht so schnell zu<br />

erschüttern durch ein paar Störaktionen von außen …<br />

51<br />

Lösungen<br />

des Lehrens/Anleitens. Auch diese Rolle ist mir vertraut.<br />

Im Theaterbereich arbeite ich auch als<br />

Regisseurin und Theaterpädagogin/Trainerin. Was<br />

bedeutet diese Rolle aber in einer anderen<br />

Umgebung, in einem ganz anderen »Feld«? Um bei<br />

diesem Bild aus der Landwirtschaft zu bleiben:<br />

Schule und Theater sind beide sehr an Produkten/<br />

Ergebnissen orientiert und interessiert, aber welch<br />

ein Unterschied im Vorgehen! Es wird ganz anders<br />

gesäät, gedüngt, geackert, geerntet. Regeln? Gibt<br />

es da wie dort.<br />

Voneinander lernen – auf jeden Fall lohnenswert!<br />

Was beinhaltet meine Rolle als Leiterin eines Schul-<br />

Projektes:<br />

• in Bezug auf die Schüler/innen, die keine<br />

Schauspielschüler/innen sind<br />

• in Bezug auf mich, die ich in einer mir<br />

fremden Umgebung arbeite<br />

• in Bezug auf die Schule und ihre<br />

Gegebenheiten<br />

Was denken die Lehrer/innen über mich und<br />

meine Arbeit?<br />

Glauben sie an Schulentwicklungsmöglichkeiten mit<br />

Methoden, die aus dem Theaterbereich stammen,<br />

und noch dazu aus dem Straßentheaterbereich?<br />

Können Sie mich in meiner Funktion als Anleiterin/<br />

Regisseurin wahrnehmen, als Person, die viel und<br />

oft lehrt – Theaterwissen, Theaterhandwerk …?<br />

Oder bin ich für das Lehrerkollegium eine Exotin,<br />

eine, über die man nichts weiß und die eigentlich<br />

nicht reinpasst in den Schulalltag???<br />

Zunächst habe ich einfach die Befragung in den einzelnen<br />

Klassen der Jahrgänge 7 und 8 durchgeführt<br />

und beobachtet was passiert. Mit mir, mit den<br />

Schüler/innen, den Lehrer/innen, dem Schulsystem.<br />

Hürden/Grenzen<br />

Bei mir stieß ich ganz schnell auf Grenzen in Form<br />

von vielen Fragen – ich kenne den Schulalltag zu<br />

wenig. Wer organisiert was, wann darf man in einer<br />

Klasse stören, wann nicht? Wann fühlen sich Lehrer/-<br />

innen gestört, wann nicht, wer koordiniert was?<br />

Die Schüler/innen zogen ihre Grenzen unterschiedlich<br />

eng – die einen sagten klar »nein danke – keine<br />

neuen Erfahrungen, keine zusätzlichen Termine«;<br />

die anderen sagten klar »ja« – aber gleich hinterher –<br />

»mal gucken, ob ich kann. Nein, an dem Termin<br />

passt es mir nicht, könnten wir nicht dann und<br />

dann« … Grenzen aus Kaugummi!<br />

Dann gab es einige Umstrukturierungen, was den<br />

Verlauf des Projektes anging. Die Hausmeister der<br />

Schule stellten sich als Freunde und Helfer des<br />

Projektes heraus, ich bekam auf Vertrauens- und<br />

Unterschriftenbasis den Schlüssel zur Sporthalle.<br />

Ebenfalls große Unterstützung bekam ich von den<br />

Menschen im Sekretariat: Sie leiteten meine mails<br />

an die zuständigen Lehrer/innen weiter, und meine<br />

Post an die Schüler/innen, die im Praktikum waren.<br />

Überhaupt möchte ich den Mitarbeiterinnen im<br />

Sekretariat an dieser Stelle ein großes Dankeschön<br />

widmen. Sie hatten immer ein offenes Ohr für<br />

meine Fragen, immer einen Stift oder Tesafilm,<br />

oder, oder … zur Hand. Es gibt fast nichts, was diese<br />

Damen nicht besorgen können. Was mich am meisten<br />

beeindruckt hat, war ihr absolut höflicher<br />

Ton/Umgang mit den Schüler/innen. Egal wie viele<br />

Menschen im Raum standen und welch monströse<br />

Anfragen manchmal reinkamen, ...<br />

Nach anfänglichen Startschwierigkeiten kam das<br />

Projekt zum konkreten Kern – sprich die Schüler/<br />

innen kamen auf die Holzbeine, auf die Stelzen.


»Perspektivwechsel II« – Vom Augen-Schein zum Körper-Sein<br />

»Perspektivwechsel II«<br />

»Perspektivwechsel II« – Vom Augen-Schein zum Körper-Sein<br />

52<br />

Assoziationen zum Lernfeld Stelzenlaufen<br />

• ein Spiel mit der Balance, dem Gleichgewicht –<br />

etwas, was uns das ganze Leben auf allen<br />

Ebenen begleitet; je besser wir dieses Spiel –<br />

das Spiel um das Gleichgewicht der Kräfte<br />

verstehen lernen, umso leichter können wir<br />

damit spielen und sind geschützt vor<br />

Abstürzen und Knochenbrüchen leiblicher wie<br />

seelischer Art.<br />

• Sich frei fühlen, trotz »Behinderung« durch<br />

die Holzbeine<br />

• das Körperbewusstsein wird geschult – der<br />

Blick/das Gefühl für Muskeln, Knochen wird<br />

geschärft; für das Eigengewicht und dessen<br />

Möglichkeiten der Verlagerung …<br />

• Mit allen Sinnen lernen<br />

• Mit anderen lernen, ich muß vertrauen<br />

können, ich muß verlässlich sein<br />

• Groß sein<br />

• Sich anders fühlen – gelenkiger oder<br />

ungelenkiger als sonst<br />

• Die Perspektive verändert sich –<br />

der Blick wird anders<br />

• Abheben – ein Stelzenläufer hebt sich ab von<br />

der Menge, vor dem Hintergrund; er steht im<br />

Vordergrund, auch wenn er hinten steht<br />

• Sich zeigen<br />

• Es ist leichter als es aussieht, es b(e)ein-druckt<br />

• Auch das Fallen hat seine Qualität –<br />

z.B. können Sprichwörter anders betrachtet<br />

werden – Hochmut kommt vor dem Fall –<br />

richtig! Aber nicht jeder der hohen Mut hat,<br />

muß fallen; und wenn er schon fällt, kann das<br />

auch gewollt und gewünscht sein –<br />

Nichts muß bleiben wie es ist! –<br />

alles kann mit Sinn und Unsinn gefüllt werden –<br />

entscheidend ist die bewusste Entscheidung.<br />

Die Schüler/innen haben ihre ganz eigenen Erfahrungen<br />

im Umgang mit den Holzbeinen gemacht<br />

und sie waren im gemeinsamen Erfinden von Lernsituationen<br />

äußerst kreativ:<br />

• während des Übens wurden Gedichte rezitiert,<br />

der Stelzenschritt dem Versmaß angeglichen<br />

und umgekehrt<br />

• es wurden Französischvokabeln gegenseitig<br />

abgefragt<br />

• die Schüler/innen brachten eigene Musiken mit<br />

und ließen sich inspirieren, was man zu welchen<br />

Klängen auf den Stelzen machen kann<br />

• sie spielten auf den Stelzen Basketball,<br />

Fußball, Handball<br />

• sie erfanden neue Spiele – z.B. über eine<br />

aufgestellte Langbank als Hindernis laufen<br />

• sie erfanden eigene Bewegungsmuster mit<br />

den Bambusstöcken und setzten diese unter<br />

meiner Anleitung in Choreografien um<br />

• sie nutzten alle möglichen Gänge in der<br />

Turnhalle um sich zu erproben<br />

• sie waren äußerst hilfsbereit untereinander<br />

Ergebnis<br />

Zum Abschluss des Projektes war eine Performance<br />

geplant. Das Typische einer Performance ist das Spiel<br />

mit dem Unvorhersehbaren, im Gegensatz zum<br />

Theaterspiel, in dem die Abläufe festgelegt sind,<br />

einschließlich der Raumaufteilung – hier die Bühne/<br />

dort die Zuschauer.<br />

Ganz anders die Performance: hier treffen die<br />

Akteure unmittelbar auf die Zuschauer, lösen Irritationen<br />

aus, müssen mit diesen umgehen können. Die<br />

Situation, die geschaffen wird, ist ein offener Erfahrungsraum<br />

für beide Seiten, für Akteure genauso<br />

wie für die Zuschauer. Man braucht viel Mut um sich<br />

auf eine Performance einzulassen; sie ähnelt einem<br />

Experiment in einem Chemielabor. Hier wie dort<br />

gehört die Möglichkeit des Scheiterns zur Versuchsanordnung.<br />

Hier wie dort wird trotzdem das Bestmögliche<br />

vorbereitet. Jedes Experimtent benötigt<br />

eine gute Grundlage, damit der zu beobachtende<br />

Prozess beginnen kann. Die Performer/Schüler/<br />

innen hatten eine Aufgabe bekommen. Sie hatten<br />

unter meiner Anleitung eine kleine Choreografie<br />

erarbeitet und wir hatten sie eingeprobt.<br />

Ich hatte dabei folgende Überlegungen:<br />

• die Aufgaben dienen als kleines Stützkorsett,<br />

damit sie sich erst einmal sicher fühlen können,<br />

bevor die zu erwartenden Sprüche losgehen;<br />

• wenn sie Unannehmlichkeiten haben, z.B. aus<br />

sich selbst heraus wegen Lampenfieber, dann<br />

haben sie kleine einstudierte Bewegungsabläufe<br />

auf die sie zurückgreifen können;<br />

wenn ihnen die Auftrittssituation<br />

unangenehm wird haben sie eine Struktur, an<br />

der sie sich innerlich festhalten können.<br />

Das eigentliche Risiko bestand darin, nicht zu wissen,<br />

wie laufen die Schüler/innen, wenn sie unter<br />

freiem Himmel laufen, wenn sie ganz andere<br />

Geräusche, Eindrücke um sich haben, als bei den<br />

Proben. Niemand konnte vorhersagen, wie sie reagieren<br />

würden, wenn sie angesprochen, geärgert<br />

werden. Wir hatten theoretisch darüber gesprochen,<br />

aber die Praxis sieht oft anders aus als die Theorie.<br />

Ich glaube, außer mir wusste keiner, wie gewagt das<br />

Experiment war, wie leicht es hätte daneben gehen<br />

können, wenn die Stelzenläufer/innen unsicher geworden<br />

wären – dann hätten alle in ihrem Umfeld<br />

an ihre Unsicherheit, an ihr Misstrauen angedockt,<br />

und das benutzt, um Blödsinn zu machen, bis hin<br />

zum Runterschmeissen.<br />

Die Schüler/innen haben sich bestens bewährt – es<br />

war mir eine große Freude ihnen zuzusehen. Ich war<br />

und bin stolz auf alle Beteiligen und dankbar, dass<br />

wir alle zusammen diese Erfahrungen machen<br />

konnten.<br />

Dass die Performance gelang, hat mit dem Mut der<br />

Akteure zu tun, ihrem Selbstvertrauen, das sie sich<br />

angeeignet hatten in Bezug auf sich selbst und in<br />

Bezug auf die Gruppe.<br />

Gutes Theater, interessante Performances beruhen<br />

auf der menschlichen Fähigkeit, gemeinsam für<br />

kurze Momente eine neue Realität zu erschaffen.<br />

53


»Perspektivwechsel II« – Vom Augen-Schein zum Körper-Sein<br />

»Perspektivwechsel II«<br />

»Perspektivwechsel II« – Vom Augen-Schein zum Körper-Sein.<br />

54<br />

Das kann nur gelingen, wenn alle am Prozess beteiligten<br />

mitmachen. So gesehen ist das Publikum nie<br />

passiv, immer aktiv. In welche Richtung sich dessen<br />

Aktivität verwandelt, liegt an den Spielern, an der<br />

Regie, am Text. Deswegen gibt es Proben. Aber ob<br />

eine Premiere gelingt oder nicht, hat mit Vertrauen<br />

zu tun und Ernsthaftigkeit im Spiel. Mit letzterem<br />

meine ich die Ernsthaftigkeit, wie sie Kinder beim<br />

Spielen haben.<br />

Spiel und Leben ist eins – es gibt kein als ob.<br />

Man ist groß, man wird gesehen, man zeigt sich,<br />

man ist verletzlich. Ob man gut über den Platz<br />

kommt, hängt ab von den eigenen Fähigkeiten und<br />

der Stimmung der anderen – also sorgt man dafür,<br />

dass alle gute Stimmung haben, einschließlich man<br />

selbst. Diese Sätze laufen nicht bewusst im Kopf ab,<br />

aber die Akteure handeln so, sie bringen sich in<br />

guten Mut – und damit auch ihr Umfeld. Und sie<br />

gehen mit Selbstvertrauen vom Platz – eine bessere<br />

Selbstmotivation für Lernen gibt es nicht.<br />

Mein Dank gilt der Leitung der Bertolt-Brecht-<br />

Gesamtschule, Löhne, der Initiatorin des übergeordneten<br />

Projektes »Schule als <strong>Kunst</strong>ort«, Dr. <strong>Birgit</strong><br />

<strong>Engel</strong>, dem fkf-owl und natürlich den teilnehmenden<br />

Schüler/innen, die mir noch unbekannte<br />

Sehweisen über die Stelzenarbeit vermittelt haben.<br />

Ein Schüler/innenvorschlag: In Anlehnung an den<br />

Übungsleiterschein für Sport sollte auch ein Übungsleiterschein<br />

für Stelzenlaufen angeboten werden.<br />

Ich wünsche der bbg- löhne und ihrer bereits existierenden<br />

schulinternen Stelzengruppe ein reiches<br />

Wachstum und Gedeihen in die Höhe und in die<br />

Breite.<br />

Stelzenlaufenlernen ist ein wunderbares Spiel- und<br />

Lernfeld, mit sich und anderen ins Gleichgewicht zu<br />

kommen.<br />

55


Biografien Autorinnen<br />

Biografien<br />

Biografien Autorinnen<br />

56<br />

Dr. <strong>Birgit</strong> <strong>Engel</strong>,<br />

Koordinatorin für Ästhetische Bildung;<br />

Studium der <strong>Kunst</strong>pädagogik und<br />

Erziehungswissenschaft an der Universität<br />

Oldenburg; Schülerin von<br />

Rudolf zur Lippe; seit 1983 Lehrerin an<br />

Gymnasium und Gesamtschule; promoviert<br />

im Bielefeld-Kasseler Graduiertenkolleg<br />

»Schulentwicklungsforschung<br />

an Reformschulen« bei Ludwig<br />

Huber; seit 2002 Lehrbeauftragte der Fakultät für<br />

Pädagogik der Universität Bielefeld; Arbeitsschwerpunkte:<br />

schulische Lern-, Lehr- und Bildungsprozesse<br />

im Kontext von Ästhetik, Hermeneutik<br />

und Phänomenologie, Künstlerische Kulturarbeit im<br />

Kontext von Differenz, Schule als <strong>Kunst</strong>Ort, sinnlichleibliche<br />

Übungen als Teil wissenschaftlichen Lehrens<br />

und Lernens; von 2004 - 2008 im Vorstand des<br />

frauenkunstforum-owl e.V. (fkf-owl e.V.), Mitinitiatorin<br />

der Gruppe Paedkunst; Näheres: www.engelbirgit.de<br />

Bärbel Kliche,<br />

Pädagogin und bildende Künstlerin;<br />

Schwerpunkt: <strong>Kunst</strong>therapeutisches<br />

Ausdrucksmalen; seit 1980 regelmäßige<br />

Einzelausstellungen in Berlin und in<br />

der Region OWL; seit 1998 Gemeinschaftsausstellungen<br />

mit Künstler-<br />

Innen aus Deutschland und den<br />

Niederlanden; Mitgründerin der<br />

Gruppe »<strong>Kunst</strong> für Menschenrechte«<br />

im Rahmen des Wanderkirchenasyls 1998 gemeinsam<br />

mit Bielefelder KünstlerInnen; Mitglied im<br />

frauenkunstforum-owl e.V. und in der Gruppe<br />

Paedkunst; seit 1980 Verknüpfung von <strong>Kunst</strong> und<br />

Pädagogik in der Arbeit mit Kindern und jugendlichen<br />

GrenzgängerInnen/ Schulverweigerern, als<br />

Schwerpunkt ihrer Arbeit; seit 2003 künstlerischpädagogische<br />

Arbeit an Schulen und in anderen<br />

städtischen/ kirchlichen Einrichtungen mit dem<br />

Schwerpunkt der Ausdrucksmalerei und individualisierten,<br />

ausdrucksbezogenen Erfahrungs- und<br />

Lernangeboten; Partizipativ organisierte Kinderund<br />

Jugendkunstausstellungen als öffentliches<br />

Forum, u.a. Teilnahme 2007 an der überregionalen<br />

Kinder- und Jugendkunstausstellung NRW in<br />

Witten; Verknüpfung von regionaler mit überregionaler<br />

Arbeit in <strong>Kunst</strong>projekten für Kinder und<br />

Jugendliche; Seminare und Fortbildungen für<br />

Pädagogen im Bereich »<strong>Kunst</strong> mit Kindern«.<br />

Andrea Künkele,<br />

bildende Künstlerin, Schwerpunkt<br />

Malerei; Studium<br />

zur <strong>Kunst</strong>pädagogin und<br />

<strong>Kunst</strong>therapeutin an der<br />

Fachhochschule Ottersberg<br />

/ Bremen; Seit 1988<br />

künstlerische Arbeit mit<br />

Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen<br />

und Senioren;<br />

seit 1999 Atelier in der Gadderbaumerstr. 3, 33739<br />

Bielefeld; Mitglied beim Bundesverband bildender<br />

Künstler (BBK-Owl); Mitglied bei den offenen<br />

Ateliers Bielefeld; Mitinitiatorin der Gruppe<br />

»<strong>Kunst</strong>lichter« (spartenübergreifend arbeitende<br />

Künstlerinnengruppe), Bielefeld; von 2004 - 2006<br />

im Vorstand des frauenkunstforum-owl e.V. (fkf-owl<br />

e.V.); <strong>Kunst</strong>projekte an Schulen seit 2000, z.B.<br />

Berthold Brecht Schule Löhne im Rahmen »Schule<br />

als <strong>Kunst</strong>ort«, Tieplatz Schule Heepen im Rahmen<br />

von Kultur und Schule NRW.; Einzel- und Gruppenausstellungen;<br />

Näheres: www.atelier-kuenkele.de<br />

Petra Lorenz<br />

Dipl. Ing., bildende Künstlerin<br />

Studium der Innenarchitektur,<br />

Gestaltung und <strong>Kunst</strong>,<br />

Pädagogik und Soziologie;<br />

Atelier Lorenz Bielefeld /<br />

Wuppertal / Schweiz;<br />

seit 1988 Seminararbeit;<br />

seit 1996 Jugendarbeit;<br />

2005 - 2007 Schulprojekte<br />

»Schule als <strong>Kunst</strong>ort« unter Leitung von Dr. <strong>Birgit</strong><br />

<strong>Engel</strong>, frauenkunstforum-owl .e.V. und 2006 -2007<br />

»Schule und Kultur« unter Leitung des Landeskulturdienstes<br />

NRW; Gruppen- und Einzelausstellungen<br />

im Kontext Museum, Tourismus, Wirtschaft;<br />

Objekte in über 70 Städten Deutschland / Schweiz;<br />

Seminare <strong>Kunst</strong> und Architektur, leibsinnlicher<br />

Erfahrung von Raum und Bewegung; Innen-, und<br />

Aussenraum, <strong>Kunst</strong>Orte, AndersOrte; Näheres:<br />

dipl.ing.petralorenz@gmx.de<br />

Katerina Mouraati<br />

ist gebürtige Griechin. In<br />

Griechenland und besonders<br />

in Athen ist sie durch<br />

eine Vielzahl von<br />

Ausstellungen in Galerien<br />

bekannt. Seit 1999 lebt<br />

und arbeitet sie in<br />

Bielefeld. Außer ihrer<br />

künstlerischen Arbeit<br />

gestaltet sie interkulturelle <strong>Kunst</strong>projekte in<br />

Schulen. Näheres: www.mourati.eu<br />

Christine Ruis,<br />

sch.a.l.k.i.n.<br />

Schauspiel, Arbeit, Leben,<br />

<strong>Kunst</strong>, innovativ, nützlich;<br />

1980 Diplom Sozialpädagogin<br />

und Arbeit als<br />

Sozialpädagogin;<br />

Ausbildung in Schauspiel/<br />

Theatertechniken;<br />

1983-1994 Theaterlabor<br />

Bielefeld e.V.; Tourneen im In- und Ausland; Weiterbildungen<br />

u.a. bei Odin Teatret, Yoshi Oida, Keith<br />

Johnston, Roy-Heart-Theatre; Weiterbildung beim<br />

Temps-Fort-Theatre im Bereich Maskenbau; 1995<br />

Gründung Theater EigenArt in Süddeutschland, bis<br />

2000 Lebensmittelpunkt in Süddeutschland; auf<br />

Einladung des Goethe-Institutes Gastspiele in<br />

Kasachstan und Kirgisien; 2000 Rückkehr nach<br />

Bielefeld, freiberuflich tätig im Bereich Schauspiel,<br />

Regie, Maskenbau, Theaterpädagogik, eingebunden<br />

in das Netzwerk der Freien Kulturszene in<br />

Bielefeld; 2003-2005 Zusammenarbeit mit F. K.<br />

Waechter; seit 2005 viele Aufträge als Theaterpädagogin<br />

an Schulen, u.a. bei der Yehudi-<br />

Menuhin Stiftung Deutschland; Zusatzausbildung<br />

zur Feldenkraispädagogin; intensive Auseinandersetzung<br />

mit ganzheitlichen Lern- und Lehrmethoden;<br />

Näheres: www.schalkin.de<br />

Constance Schröter<br />

Dipl. Soziologin mit den<br />

Schwerpunkten Bildungsund<br />

Kultursoziologie; studiert<br />

an der Humboldt<br />

Universität zu Berlin und<br />

an der Universität Bielefeld;<br />

2002 vier monatiger<br />

Aufenthalt in Sankt Petersburg;<br />

2007 bis 5/2008<br />

wissenschaftliche Mitarbeiterin für das frauenkunstforum-owl<br />

e.V.; seit Juli 2008 im Vorstand des frauenkunstforum-owl<br />

e.V.

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