Die Sportvereine stecken mitten in einer Formkrise - Vorbild Sein
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6.1 <strong>Die</strong> Brettschneider-Studie im Spiegel der Medien<br />
85<br />
Überschriften zur Brettschneider-Studie von Februar bis Mai 2001<br />
Süddeutsche Zeitung 4. Mai 2001:<br />
Studie entlarvt<br />
Vere<strong>in</strong>swirkungen<br />
Völlig überschätzt Vollrausch e.V.<br />
Alle Annahmen, welche Segnungen der <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong><br />
für Jugendliche bereithält, wurden untersucht<br />
und lösen sich <strong>in</strong> Luft auf.<br />
FAZ 9. Februar 2001:<br />
Neue Westfälische 16. Februar 2001.<br />
<strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> im Zwielicht<br />
Jugendliche <strong>in</strong> Clubs gegen Drogenkonsum und Gewaltbereitschaft nicht gefeit.<br />
Neue Ruhrzeitung 6. März 2001:<br />
FAZ 6. März 2001:<br />
Abschied vom Alleskönner<br />
Fürchterliche Ergebnisse e<strong>in</strong>er Studie<br />
Vere<strong>in</strong>e machen Jugendliche nicht fitter fürs Leben, positiver<br />
E<strong>in</strong>fluss von Sportclubs kaum nachweisbar.<br />
„Erschütternde Ergebnisse“ beunruhigen<br />
<strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> bieten ke<strong>in</strong>en Schutz vor Drogen<br />
WAZ 6. März 2001:<br />
Beim Konsum von Bier und Zigaretten<br />
s<strong>in</strong>d Vere<strong>in</strong>sfußballer spitze<br />
Sportvere<strong>in</strong> hat nur wenig E<strong>in</strong>fluss auf die Jugend<br />
Rhe<strong>in</strong>ische Post 6. März 2001:<br />
WAZ 6. März 2001:<br />
<strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> verh<strong>in</strong>dern<br />
nicht den Drogenkonsum<br />
Westfalenblatt Bielefeld 6. März 2001:<br />
Fußballer mit<br />
kräftigem Schluck<br />
Kölnische Rundschau 7. März 2001:<br />
Verdienstvolles Aufräumen mit e<strong>in</strong>em Mythos<br />
<strong>Die</strong> <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> <strong>stecken</strong><br />
<strong>mitten</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>Formkrise</strong><br />
FAZ vom 9. Februar 2001<br />
Von Gerd Schneider<br />
„Fürchterliche Ergebnisse“ e<strong>in</strong>er Studie:<br />
Positiver E<strong>in</strong>fluss von Sportklubs kaum<br />
nachweisbar<br />
Vere<strong>in</strong>e machen Jugendliche nicht fitter fürs<br />
Leben<br />
PADERBORN. Ende Februar wird das Kultusm<strong>in</strong>isterium<br />
von Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen die Ergebnisse e<strong>in</strong>er Studie veröffentlichen,<br />
<strong>in</strong> der es um die Auswirkungen des Vere<strong>in</strong>ssports<br />
auf Jugendliche geht. Das ist nichts Neues, schließlich gibt es<br />
<strong>in</strong>zwischen e<strong>in</strong>e unüberschaubare Anzahl von solchen Untersuchungen.<br />
Man hat sich auch daran gewöhnt, dass sie unter<br />
dem Strich unisono e<strong>in</strong>es zutage fördern: wie segensreich die<br />
Effekte des Vere<strong>in</strong>ssports für die jungen Menschen s<strong>in</strong>d.<br />
Doch die wissenschaftliche Untersuchung, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong> paar<br />
Wochen <strong>in</strong> Düsseldorf vorgestellt wird, weicht empf<strong>in</strong>dlich<br />
ab von dieser herrschenden Me<strong>in</strong>ung – um nicht zu sagen: Sie<br />
hat es <strong>in</strong> sich. Ihre Ergebnisse stellen die meisten der verme<strong>in</strong>tlich<br />
gesicherten Erkenntnisse über die Auswirkungen<br />
des Vere<strong>in</strong>ssports <strong>in</strong> Frage. Und sie erschüttern dass landläufige<br />
Ansehen des Sports als Allheilmittel. „Es s<strong>in</strong>d fürchterliche<br />
Ergebnisse“, sagt selbst der Urheber der Studie, der Paderborner<br />
Sportwissenschaftler Professor Wolf-<strong>Die</strong>trich Brettschneider:<br />
„Mir tun diese Daten selbst weh“.<br />
Der renommierte Jugendforscher und se<strong>in</strong>e Mitarbeiter hatten<br />
es sich zum Ziel gesetzt, besonders gründlich den Anspruch<br />
und die Wirklichkeit der Jugendarbeit <strong>in</strong> den <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n zu<br />
untersuchen. Anders als die gängigen Erhebungen über die<br />
Auswirkungen des Sporttreibens konzipierten die Paderborner<br />
die Auftragsarbeit des Landes Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen als<br />
komb<strong>in</strong>ierte Längs- und Querschnittsstudie. In ihrer Art und<br />
dem damit verbundenen Aufwand dürfte sie auf diesem<br />
Gebiet <strong>in</strong> Deutschland bislang e<strong>in</strong>zigartig se<strong>in</strong>. <strong>Die</strong> weit weniger<br />
aufwendigen Querschnittsstudien fußen auf Untersuchungen,<br />
die zu e<strong>in</strong>em bestimmten Zeitpunkt bei Jugendlichen<br />
unterschiedlichen Alters gewonnen werden; sie können<br />
Zusammenhänge aufspüren, aber Entwicklungen oder Fragen<br />
nach Ursache und Wirkung nur selten beantworten. Brettschneiders<br />
Studie untersuchte dagegen Gruppen von Jugendlichen<br />
im Alter zwischen zwölf und achtzehn Jahren über den<br />
Zeitraum von drei Jahren h<strong>in</strong>weg. Das hat den Vorteil, dass<br />
man Entwicklungen detailliert verfolgen und daraus Schlüsse<br />
ziehen kann, die der Wirklichkeit ziemlich nahe kommen.<br />
<strong>Die</strong> Realität der Jugendarbeit <strong>in</strong> den <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n, wie sie<br />
die Paderborner Untersuchung wiedergibt, ist ziemlich desillusionierend.<br />
<strong>Die</strong> Sportwissenschaftler verglichen – anhand<br />
von Fragebogen, motorischen Tests und begleitenden Interviews<br />
– die Entwicklungen von Jugendlichen, die <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>en<br />
Sport treiben, mit denen von jungen Leuten, die nicht e<strong>in</strong>em<br />
Sportvere<strong>in</strong> angehören. So akribisch sie auch nach auffälligen<br />
Unterschieden <strong>in</strong> den Entwicklungsverläufen forschten, sie<br />
waren kaum zu f<strong>in</strong>den. Selbst bei der Untersuchung der körperlichen<br />
Leistungsfähigkeit traten ernüchternde Ergebnisse<br />
zutage. Zwar weist die Studie nach, dass die zwölfjährigen<br />
Jungen und Mädchen <strong>in</strong> den Klubs bessere „Anfangsleistungen“<br />
<strong>in</strong> Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer und Koord<strong>in</strong>ationsvermögen<br />
haben; offensichtlich gel<strong>in</strong>gt es den Vere<strong>in</strong>en, die<br />
motorisch begabteren Jugendlichen zu rekrutieren und an sich<br />
zu b<strong>in</strong>den. „Jedoch kann im Entwicklungsverlauf e<strong>in</strong> positiver<br />
E<strong>in</strong>fluss des Sportvere<strong>in</strong>s nicht identifiziert werden“, so<br />
heißt es <strong>in</strong> der Untersuchung, „es tritt nicht der erwartete<br />
Schereneffekt zugunsten der Vere<strong>in</strong>smitglieder e<strong>in</strong>, sondern<br />
e<strong>in</strong> Nivellierungseffekt.“ Mit anderen Worten: Den Vere<strong>in</strong>en<br />
gel<strong>in</strong>gt es offenbar nicht, se<strong>in</strong>e jungen Mitglieder <strong>in</strong> ihrer körperlichen<br />
Entwicklung gezielt zu fördern. Auch die Sozialisationseffekte,<br />
die dem Vere<strong>in</strong>ssport geme<strong>in</strong>h<strong>in</strong> nachgesagt<br />
werden, stellt die Paderborner Studie <strong>in</strong> Frage. Jugendliche,<br />
die <strong>in</strong> Klubs regelmäßig Sport treiben, sollen im Vergleich zu<br />
„Vere<strong>in</strong>smuffeln“ e<strong>in</strong> positiveres Bild von sich selbst haben,<br />
e<strong>in</strong> höheres Selbstwertgefühl, e<strong>in</strong>e bessere Stressresistenz<br />
und e<strong>in</strong>e ausgeprägtere soziale Kompetenz. Außerdem sollen<br />
sie kontaktfreudiger se<strong>in</strong>. <strong>Die</strong> Studie stellt dazu fest: Zwar<br />
„sche<strong>in</strong>t es, dass die Entwicklung des Selbstwertgefühls bei<br />
den männlichen Jugendlichen während der gesamten Jugendphase,<br />
bei den weiblichen lediglich im frühen Jugendalter von<br />
der Sportvere<strong>in</strong>szugehörigkeit positiv bee<strong>in</strong>flusst wird.“<br />
Doch die Untersuchung weist auch nach, dass bei den nicht <strong>in</strong><br />
Vere<strong>in</strong>en engagierten Jugendlichen die Entwicklung des<br />
Selbstkonzepts und der emotionalen Stabilität e<strong>in</strong>en ähnlichen<br />
Verlauf nehme. „<strong>Die</strong> Daten raten zur Zurückhaltung,<br />
wenn es um die persönlichkeitsformende Kraft des Sportvere<strong>in</strong>s<br />
geht."<br />
Nicht weniger ernüchternd s<strong>in</strong>d die Ergebnisse über die Auswirkungen<br />
von Vere<strong>in</strong>ssport auf Drogenkonsum, Gewaltbereitschaft<br />
und andere Gesetzesverstöße wie <strong>Die</strong>bstahl. „Aus<br />
der Entwicklung der Konsumraten legaler und illegaler Drogen<br />
kann nicht abgelesen werden, dass der Sportvere<strong>in</strong> die<br />
K<strong>in</strong>der gegen Drogen stark macht“, so Brettschneider <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />
Studie. „In der Entwicklung des Rausch- und Tr<strong>in</strong>kverhaltens<br />
unterscheiden sich die Sportvere<strong>in</strong>smitglieder nicht von<br />
den vere<strong>in</strong>sdistanzierten Jugendlichen.“ In manchen Sportarten<br />
kann sogar e<strong>in</strong> gegenteiliger Effekt nachgewiesen werden.<br />
<strong>Die</strong> Wissenschaftler fanden heraus, dass „nirgendwo so viel<br />
geraucht und getrunken wird wie im Fußball und im Handball“.<br />
Auch positive E<strong>in</strong>flüsse auf die Häufigkeit strafbarer<br />
Handlungen lassen sich nicht nachweisen.<br />
Auch wenn die Untersuchung, wie jede wissenschaftliche<br />
Studie, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Ergebnissen womöglich anfechtbar ist:<br />
<strong>Die</strong> Signale, die von ihr ausgehen, s<strong>in</strong>d zu deutlich, um sie<br />
künftig ignorieren zu können. Brettschneider ist der Nachweis<br />
gelungen, dass die <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> ihre hochgesteckten und<br />
zuweilen auch unrealistischen Ziele <strong>in</strong> der Jugendarbeit vielfach<br />
nicht erreichen – und vermutlich auch gar nicht erreichen<br />
können. „Der Sportvere<strong>in</strong> von heute saugt alles auf“, sagt der<br />
Paderborner Jugendforscher, „er will allen alles bieten: Fitness,<br />
geistige Gesundheit, Kontakte, Unterhaltung. Aber vor<br />
lauter Spass und trallala kommt nichts heraus. Wer alles will,<br />
hat am Ende gar nichts.“ Um dem Dilemma beizukommen,<br />
plädiert Brettschneider dafür, dass sich die Vere<strong>in</strong>e wieder e<strong>in</strong><br />
differenziertes Profil geben sollten. Das heißt: Will man<br />
bestimmte Effekte durch den Sport hervorrufen, muss man sie<br />
auch gezielt fördern. „Von der Vorstellung, dass sich die<br />
gewünschten Wirkungen automatisch e<strong>in</strong>stellen, muss man<br />
sich wohl verabschieden“, sagt Brettschneider. „Nebenher<br />
passiert gar nichts."
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6.0 Öffentliche Me<strong>in</strong>ungen<br />
FAZ vom<br />
9. Februar 2001<br />
nen Sport treiben, mit denen junger Menschen, die nicht Mitglied<br />
e<strong>in</strong>es Sportvere<strong>in</strong>s s<strong>in</strong>d. Trotz <strong>in</strong>tensiven Forschens –<br />
Brettschneider fand ke<strong>in</strong>e Unterschiede <strong>in</strong> den Entwicklungsverläufen.<br />
Selbst bei der Untersuchung der körperlichen Leistungsfähigkeit<br />
traten ernüchternde Ergebnisse zu Tage. „Im<br />
Entwicklungsverlauf kann e<strong>in</strong> positiver E<strong>in</strong>fluss des Sportvere<strong>in</strong>s<br />
nicht identifiziert werden. Vere<strong>in</strong>en gel<strong>in</strong>gt es offenbar<br />
nicht, ihre jungen Mitglieder <strong>in</strong> ihrer körperlichen Entwicklung<br />
gezielt zu fördern."<br />
Auch die positiven Sozialisierungseffekte, die Vere<strong>in</strong>ssport<br />
geme<strong>in</strong>h<strong>in</strong> zugesprochen werden, stellt Brettschneider <strong>in</strong> Frage.<br />
Dezidiert weist er nach, dass bei den nicht <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>en<br />
engagierten Jugendlichen die Entwicklung des „Selbstkonzepts<br />
und der emotionalen Stabilität“ e<strong>in</strong>en ähnlichen Verlauf<br />
nehme. „<strong>Die</strong> Daten raten zur Zurückhaltung, wenn es um die<br />
persönlichkeitsformende Kraft des Sportvere<strong>in</strong>s geht“, heißt<br />
es vorsichtig vornehm <strong>in</strong> der Studie.<br />
Brettschneider weiß um die Brisanz se<strong>in</strong>er Ergebnisse. „Mir<br />
tun diese Daten selbst weh“, sagt der renommierte Sportwissenschaftler.<br />
Er rät den Vere<strong>in</strong>en, sich e<strong>in</strong> differenziertes Profil<br />
zu geben. Das heißt: Wolle man bestimmte Effekte durch<br />
den Sport hervorrufen, müsse man sie auch gezielt fördern.<br />
„Von der Vorstellung, dass sich die gewünschten Wirkungen<br />
automatisch e<strong>in</strong>stellen, muss man sich wohl verabschieden“,<br />
sagt Brettschneider. Dafür habe er dem Sportm<strong>in</strong>ister auch<br />
e<strong>in</strong>e Reihe von Empfehlungen an die Hand gegeben. „<strong>Die</strong>se<br />
Daten dürfen nicht unterdrückt, mit ihnen muss offensiv<br />
umgegangen werden“, rät der Wissenschaftler. Er wolle sich<br />
gern der Ause<strong>in</strong>andersetzung stellen.<br />
Dazu bekommt er im April Gelegenheit. Dann erst will<br />
Vesper das Gutachten der Öffentlichkeit übergeben. „Ich werde<br />
die Studie differenziert auswerten und me<strong>in</strong>e Schlüsse<br />
geme<strong>in</strong>sam mit dem Sport ziehen“, erklärte er gestern dieser<br />
Zeitung. Brettschneider muss bis dah<strong>in</strong> schweigen. Das hat er<br />
Vesper versprochen.<br />
Wolf-<strong>Die</strong>trich Brettschneider<br />
· Geboren am 15. Juli 1943 <strong>in</strong> Sangerhausen<br />
· Beruflicher Werdegang: 1. Staatsexamen 1971, 1975 Promotion,<br />
1976 Studienprofessor an der Deutschen Sporthochschule<br />
Köln, 1977 Professor an der Universität Hamburg,<br />
1979 Professor an der Universität Paderborn, 1990<br />
Professor an der FU Berl<strong>in</strong>. Seit 1997 Professor an der Universität<br />
Paderborn.<br />
· Schwerpunkte: Sportwissenschaft/Sportpädagogik.<br />
· Brettschneider war Wegbereiter für die E<strong>in</strong>richtung „sportbetonter<br />
Schulen“ <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>.<br />
Neue Westfälische vom 16. Februar 2001<br />
Von Bernhard Hänel<br />
<strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> im Zwielicht<br />
Studie der Universität Paderborn:<br />
Jugendliche <strong>in</strong> Klubs gegen Drogenkonsum und<br />
Gewaltbereitschaft nicht gefeit<br />
Paderborn/Düsseldorf. <strong>Die</strong> nordrhe<strong>in</strong>-westfälische Landesregierung<br />
kann ihre Überlegungen ad acta legen, die <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong><br />
verstärkt mit der außerschulischen Betreuung von Schülern<br />
zu betrauen. Grund dafür ist e<strong>in</strong>e Studie des Paderborner<br />
Sportwissenschaftlers Wolf-<strong>Die</strong>trich Brettschneider, <strong>in</strong> der es<br />
um die Auswirkungen des Vere<strong>in</strong>ssports auf Jugendliche geht.<br />
<strong>Die</strong> Ergebnisse s<strong>in</strong>d erschütternd. „Nirgendwo wird so viel<br />
geraucht und getrunken wie <strong>in</strong> den Breitensportarten Fußball<br />
und Handball“, heißt es <strong>in</strong> der Expertise, die NRW-Sportm<strong>in</strong>ister<br />
Michael Vesper (<strong>Die</strong> Grünen) unter Verschluss hält.<br />
Das dennoch wesentliche Ergebnisse an die Öffentlichkeit<br />
gelangtem, ist der Aufmerksamkeit e<strong>in</strong>es Sport-Journalisten<br />
der Frankfurter Allgeme<strong>in</strong>en Zeitung zu verdanken. Vor Jahren<br />
hatte Gerd Schneider auf e<strong>in</strong>em Kongress von der Auftragsstudie<br />
der damaligen NRW-Sportm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> Ilse Brusis<br />
(SPD) an der Universität Paderborn gehört und e<strong>in</strong>fach mal<br />
nachgefragt. So kam er zu der Veröffentlichung von wissenschaftlichen<br />
Erkenntnissen, die Düsseldorf zur geheimen<br />
Kommandosache erklärt hat.<br />
<strong>Die</strong> Realität der Jugendarbeit <strong>in</strong> den <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n, wie sie<br />
die Paderborner Untersuchung wiedergibt, ist desillusionierend.<br />
<strong>Die</strong> <strong>in</strong> Sonn- und Festtagsreden von Politikern gefeierten<br />
segensreichen Effekte des Vere<strong>in</strong>ssports s<strong>in</strong>d allenfalls marg<strong>in</strong>al.<br />
Jugendliche, die ihre Freizeit im Sportvere<strong>in</strong> verbr<strong>in</strong>gen,<br />
seien gegen Drogenkonsum, Gewaltbereitschaft und andere<br />
Gesetzesverstöße wie <strong>Die</strong>bstahl nicht gefeit. „Aus der Entwicklung<br />
der Konsumraten legaler und illegaler Drogen kann<br />
nicht abgelesen werden, dass der Sportvere<strong>in</strong> die K<strong>in</strong>der<br />
gegen Drogen stark macht“, so Brettschneider. „In der Entwicklung<br />
des Rausch- und Tr<strong>in</strong>kverhaltens unterscheiden sich<br />
die Sportvere<strong>in</strong>smitglieder nicht von den vere<strong>in</strong>sdistanzierten<br />
Jugendlichen.“ Gerade beim Verband, der die Losung „Ke<strong>in</strong>e<br />
Macht den Drogen“ auf se<strong>in</strong>e Fahnen geschrieben hat, könne<br />
sogar e<strong>in</strong> gegenteiliger Effekt nachgewiesen werden.<br />
<strong>Die</strong> Sportwissenschaftler verglichen auch über drei Jahre –<br />
anhand von Fragebögen, motorischen Tests und geleitenden<br />
Interviews – die Entwicklung von Jugendlichen, die <strong>in</strong> Verei-<br />
WAZ vom<br />
6. März 2001
88<br />
89<br />
6.0 Öffentliche Me<strong>in</strong>ungen<br />
Rhe<strong>in</strong>ische Post Düsseldorf vom<br />
6. März 2001<br />
Von Jan Popp-Sew<strong>in</strong>g<br />
Fußballer mit kräftigem Schluck<br />
Studie: Versäumnisse <strong>in</strong> der Jugendarbeit<br />
DÜSSELDORF. Der E<strong>in</strong>fluss von <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n auf die Entwicklung<br />
junger Mitglieder wird deutlich überschätzt. <strong>Die</strong><br />
Vere<strong>in</strong>e werden ihren eigenen Ansprüchen bei der Jugendarbeit<br />
nicht gerecht. Das ist das Fazit e<strong>in</strong>er 500-seitigen repräsentativen<br />
Studie der Universität Paderborn, die Sportwissenschaftler<br />
Prof. Wolf-<strong>Die</strong>trich Brettschneider gestern NRW-<br />
Sportm<strong>in</strong>ister Michael Vesper übergab. Drei Jahre lang haben<br />
Forscher rund 1600 Zwölf- bis 18 Jährige, Mitglieder diverser<br />
Vere<strong>in</strong>e und e<strong>in</strong>e Vergleichsgruppe aus Nicht-Mitgliedern,<br />
beobachtet und getestet. Das Ergebnis der 300 000 Mark teuren<br />
Untersuchung überraschte auch die Wissenschaftler.<br />
Der Konsum von Alkohol und illegalen Drogen sei zum Beispiel<br />
zwischen Mitgliedern und Jugendlichen, die nicht regelmäßig<br />
Vere<strong>in</strong>ssport treiben, gleich weit verbreitet. Bei den<br />
Zigaretten gibt es je nach Sportart Unterschiede. Viele Vere<strong>in</strong>sjugendliche<br />
fürchten sich offenbar vor Leistungse<strong>in</strong>bußen<br />
durch Tabak und schränkten daher das Rauchen e<strong>in</strong>. Nicht so<br />
die Vere<strong>in</strong>sfußballer: Sie seien bei Rauchen und Tr<strong>in</strong>ken Spitzenreiter.<br />
Auch hätten junge Sportler durch die Vere<strong>in</strong>e kaum Entwicklungsvorteile<br />
bei der Ausbildung von Schnelligkeit, Kraft und<br />
Ausdauer. Es sei eher so, dass Jugendliche, die sowieso schon<br />
sportlich begabt seien, eher <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>treten als weniger<br />
begabte Altersgenossen.<br />
Bei der Förderung der Fitness kommt die Studie zu e<strong>in</strong>em<br />
besonders negativen Ergebnis: Den Vere<strong>in</strong>en sei es nicht<br />
gelungen, motorische Fähigkeiten und Kondition des getesteten<br />
Nachwuchses zu verbessern, sondern lediglich das Niveau zu<br />
halten. Auch näherten sich die Fitness-Werte der nicht organisierten<br />
Gruppe im Lauf der Untersuchung denen der Sportler<br />
an. Positiv schlug vor allem zu Buche, dass die Entwicklung<br />
des Selbstwertgefühls durch Engagement im Vere<strong>in</strong> profitiere.<br />
„<strong>Die</strong> Mitgliedschaft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vere<strong>in</strong> hat nicht automatisch<br />
positive Wirkungen“, unterstreicht Brettschneider. <strong>Die</strong> Studie<br />
habe ergeben, dass es bei der Jugend noch „große Potentiale“<br />
gebe, die Tra<strong>in</strong>er und Jugendleiter nutzen könnten.<br />
Walter Probst, Geschäftsführer des LandesSportBundes, sieht<br />
die Studie gelassen: „Enttäuscht s<strong>in</strong>d nur die, die den Sport<br />
als Allheilmittel sehen. Aber wir s<strong>in</strong>d nicht die Reparaturwerkstatt<br />
der Gesellschaft“. Vere<strong>in</strong>e könnten eben nicht <strong>in</strong> sechs<br />
bis acht Stunden pro Woche soziale Defizite korrigieren, an<br />
denen schon Eltern, Schule und Kirchen gescheitert seien.<br />
Prof. Brettschneider empfiehlt den 20 000 Vere<strong>in</strong>en <strong>in</strong> NRW,<br />
sich im Jugendbereich auf qualitativ hochwertige Angebote<br />
durch geschulte Tra<strong>in</strong>er zu beschränken und nicht zu versuchen<br />
aus Angst vor Mitgliederschwund „alles für jeden“ anzubieten.<br />
Sportm<strong>in</strong>ister Vesper kündigte als Reaktion auf die Studie<br />
e<strong>in</strong>en „Pakt für den Sport“ zwischen Land und Vere<strong>in</strong>en an.<br />
E<strong>in</strong>zelheiten würde das M<strong>in</strong>isterium gerade erarbeiten.<br />
<strong>Die</strong> Welt vom 6. März 2001<br />
Wissenschaft Kompakt<br />
Psychologie<br />
<strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> verh<strong>in</strong>dern nicht Drogenkonsum<br />
und Gewalt<br />
Gewaltbereitschaft und Drogenkonsum s<strong>in</strong>d bei Jugendlichen,<br />
die <strong>in</strong> <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n aktiv s<strong>in</strong>d, genauso häufig, wie<br />
bei anderen. Das ist das Ergebnis e<strong>in</strong>er Studie der Universität<br />
Paderborn. Insgesamt waren dafür seit 1997 rund 1600<br />
Jugendliche <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zeitraum von drei Jahren befragt und<br />
getestet worden. Weder bei den motorischen Fähigkeiten noch<br />
bei der emotionalen Stabilität und allgeme<strong>in</strong>en Entwicklung<br />
ließen sich Vorteile für Jugendliche, die <strong>in</strong> <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
organisiert s<strong>in</strong>d, nachweisen. E<strong>in</strong>zige Pluspunkte: Vere<strong>in</strong>sjugendliche<br />
rauchen deutlich weniger und leiden seltener an<br />
Schlafstörungen und Kopfschmerzen. Dafür s<strong>in</strong>d Vere<strong>in</strong>sfußballspieler<br />
beim Konsum von Bier und Zigaretten Spitzenreiter.<br />
Frankfurter Allgeme<strong>in</strong>e Zeitung<br />
vom 6. März 2001<br />
Reaktionen auf die Studie zur Jugendarbeit <strong>in</strong> <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n:<br />
„Erschütternde“ Ergebnisse beunruhigen<br />
gsc. DÜSSELDORF. <strong>Die</strong> Paderborner Studie über die<br />
Jugendarbeit <strong>in</strong> <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n hat bundesweit erhebliche<br />
Unruhe ausgelöst. „<strong>Die</strong> Leute <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong>en s<strong>in</strong>d verunsichert<br />
und erschrocken“, sagte Walter Probst, der Geschäftsführer<br />
des LandesSportBundes Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen, am Montag <strong>in</strong><br />
Düsseldorf bei der offiziellen Vorstellung der Untersuchung.<br />
„Ernüchternd, ja erschütternd“ nannte Probst vor allem die<br />
Erkenntnis, dass die Jugendarbeit im organisierten Sport nach<br />
den Ergebnissen der Studie ke<strong>in</strong>e messbare Auswirkung auf<br />
den Alkohol- und Drogenkonsum hat.<br />
Auch Michael Vesper (<strong>Die</strong> Grünen), der Sportm<strong>in</strong>ister von<br />
Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen, zeigte sich „überrascht“ von den<br />
Ergebnissen der „<strong>in</strong> ihrer Tiefe und Breite e<strong>in</strong>zigartigen<br />
Untersuchung“. Man müsse jetzt die Ansprüche an den Sport<br />
überdenken, sagte Vesper und kündigte an, mit den Daten der<br />
Untersuchung offensiv umzugehen. „Wir müssen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
<strong>in</strong>tensive Diskussion über die Fortentwicklung der Arbeit <strong>in</strong><br />
den <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n e<strong>in</strong>steigen.“ Wie vorab <strong>in</strong> dieser Zeitung<br />
(siehe F.A.Z. vom 9. Februar) berichtet, stellt die 500 Seiten<br />
starke Studie des Paderborner Sportwissenschaftlers Prof.<br />
Wolf-<strong>Die</strong>trich Brettschneider die Auswirkungen des Vere<strong>in</strong>ssports<br />
auf Jugendliche <strong>in</strong> Frage. Ihm gelang mit der drei Jahre<br />
dauernden und 300000 Mark teuren Auftragsarbeit des Landes<br />
Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen der Nachweis, dass die körperlichen<br />
und psychosozialen Effekte des organisierten Sports ger<strong>in</strong>ger<br />
s<strong>in</strong>d, als geme<strong>in</strong>h<strong>in</strong> angenommen wurde.<br />
„Der Sportvere<strong>in</strong> wird <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Leistungen für die Entwikklung<br />
der motorischen Leistungsfähigkeit und der psychosozialen<br />
Gesundheit überschätzt“, sagte Brettschneider am Montag<br />
<strong>in</strong> Düsseldorf und mahnte e<strong>in</strong>e neue Bescheidenheit und mehr<br />
Realitätss<strong>in</strong>n an. Dabei betonte der renommierte Sportpädagoge,<br />
dass se<strong>in</strong>e Studie nicht generell die Bedeutung des organisierten<br />
Sports <strong>in</strong> Frage stelle. Vielmehr müsse man sich von<br />
der Annahme verabschieden, der Sport sei e<strong>in</strong>e Insel der Seligen<br />
und so etwas wie e<strong>in</strong> Allheilmittel für alle gesellschaftlichen<br />
Defizite. „Er hat positive Auswirkungen auf K<strong>in</strong>der und<br />
Jugendliche, nur muss man dieses Potential auch ganz gezielt<br />
erschließen.“<br />
Sportm<strong>in</strong>ister Vesper kündigte bei der Vorstellung der Studie<br />
an, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Dialog zwischen der Sportwissenschaft, dem<br />
organisierten Sport und der Politik e<strong>in</strong>zusteigen. Man müsse<br />
den Status quo kritisch h<strong>in</strong>terfragen und vor allem „schnell<br />
handeln“. So wird sich am 4. April <strong>in</strong> Düsseldorf e<strong>in</strong> Diskussionsforum<br />
mit der Studie ause<strong>in</strong>andersetzen. E<strong>in</strong>e Neuorientierung<br />
der Jugendarbeit <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong>en soll <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen<br />
auch Gegenstand e<strong>in</strong>es „Paktes für den Sport“ se<strong>in</strong>.<br />
Vesper trat Befürchtungen entgegen, aufgrund der beunruhigenden<br />
Ergebnisse der Brettschneider-Studie erwäge die Politik<br />
e<strong>in</strong>e Kürzung der öffentlichen Fördergelder. Statt dessen<br />
sprach sich der Sportm<strong>in</strong>ister für e<strong>in</strong>e bessere pädagogische<br />
Ausbildung der Übungsleiter, e<strong>in</strong>e „stärkere Profilbildung<br />
und Qualitätssicherung“ <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong>en aus.<br />
Brettschneider zufolge ist auch die Sportwissenschaft aufgrund<br />
der Studie <strong>in</strong> Bewegung geraten. Es gebe auch über die<br />
Grenzen Deutschlands h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong> großen Interesse an den<br />
Befunden. „Wir müssen noch mehr wissen über die Wirkungen<br />
des organisierten Sporttreibens“, sagte er und sprach sich<br />
für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensivere Forschung <strong>in</strong> den sozialen Fragen des<br />
Sports aus.<br />
WAZ vom 6. März 2001<br />
<strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> verh<strong>in</strong>dern nicht den<br />
Drogenkonsum<br />
WAZ DÜSSELDORF. <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> eignen sich nicht als<br />
Reparaturbetriebe für gesellschaftliche Defizite. Sie werden<br />
<strong>in</strong> ihren Leistungen für die Entwicklung junger Menschen<br />
überschätzt. Zu diesem Ergebnis kommt e<strong>in</strong>e Studie der Uni<br />
Paderborn im Auftrag der Landesregierung. Danach seien<br />
Gewaltbereitschaft und Drogenkonsum bei Jugendlichen <strong>in</strong><br />
<strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n genauso häufig zu f<strong>in</strong>den wie bei Jugendlichen<br />
außerhalb von <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n.<br />
„Ich b<strong>in</strong> selbst sehr überrascht“, kommentierte Sportm<strong>in</strong>ister<br />
Vesper (Grüne).<br />
Westfalen-Blatt (Bielefeld) vom<br />
6. März 2001<br />
Von Hans Peter Tipp<br />
E<strong>in</strong>e Studie der Universität Paderborn deckt Schwächen auf<br />
<strong>Die</strong> <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> <strong>stecken</strong> <strong>mitten</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
<strong>Formkrise</strong><br />
Das Idealbild des Sportvere<strong>in</strong>s wankt. Ihre Jugendlichen s<strong>in</strong>d<br />
ebenso anfällig für Gewalt und Drogen wie Nichtsportler. Der<br />
Volkssport Nummer E<strong>in</strong>s führt auch hier die Tabelle an. Nirgendwo<br />
wird so viel getrunken und geraucht wie <strong>in</strong> Fußballvere<strong>in</strong>en.<br />
Das belegt e<strong>in</strong>e neue Studie der Universität Paderborn.<br />
Düsseldorf (WB). Der kluge Mann baute vor. „Ich hoffe, dass<br />
ich als Übermittler schlechter Nachrichten nicht geschlachtet<br />
werde“, sagte der Paderborner Professor Wolf-<strong>Die</strong>trich Brettschneider<br />
gestern <strong>in</strong> Düsseldorf bei der Vorstellung se<strong>in</strong>er<br />
Studie „Jugendarbeit <strong>in</strong> <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n“. <strong>Die</strong> Sorge war unbegründet.<br />
NRW-Sportm<strong>in</strong>ister Michael Vesper, dessen Vorgänger<strong>in</strong><br />
die 300 000 Mark teure Untersuchung <strong>in</strong> Auftrag gegeben<br />
hatte, und Walter Probst, Geschäftsführer des Landessporbundes<br />
Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen (LSB), die flanierend zur<br />
Rechten und zur L<strong>in</strong>ken des Wissenschaftlers Platz genommen<br />
hatten, zogen ihm noch nicht e<strong>in</strong>mal die Ohren lang.<br />
Der Politiker und der Funktionär versprachen, die Erkenntnisse<br />
und Anregungen, die der Wissenschaftler ihnen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er 500<br />
Seiten starken Expertise „Jugendarbeit <strong>in</strong> <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n“ mitgebracht<br />
hatte, zu beherzigen. Vesper stellte e<strong>in</strong>en „Pakt für<br />
den Sport“ <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen <strong>in</strong> Aussicht und kündigte<br />
für den 4. April e<strong>in</strong> Gesprächsforum mit Sportwissenschaftlern,<br />
organisiertem Sport und der Politik an.<br />
Was der Sportwissenschaftler zu sagen hatte, war so deutlich<br />
bislang noch nicht ausgesprochen worden. <strong>Die</strong> Erkenntnis des<br />
Experten war an Deutlichkeit nicht zu überbieten: <strong>Die</strong> <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong><br />
im Lande s<strong>in</strong>d überfordert.<br />
Das hatte der 57 Jahre alte Brettschneider anhand von Fragebögen,<br />
motorischen Tests und begleitenden Interviews bei e<strong>in</strong>em<br />
Vergleich von jugendlichen Vere<strong>in</strong>ssportlern mit Vere<strong>in</strong>smuffeln<br />
herausgefiltert. Insbesondere die häufig beschworenen positiven<br />
Sozialisationseffekte des Sports konnte Brettschneider <strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>er dreijährigen, bislang e<strong>in</strong>zigartigen Untersuchung nicht<br />
nachweisen. Im Gegenteil: „In ihrem Alkoholkonsum s<strong>in</strong>d<br />
jugendliche Vere<strong>in</strong>ssportler ke<strong>in</strong>eswegs zurückhaltender als<br />
Nicht-Mitglieder“, stellte der Uni-Professor fest.<br />
In Fußball-Vere<strong>in</strong>en ist Tr<strong>in</strong>ken offenbar am schönsten. Brettschneider:<br />
„Sie s<strong>in</strong>d beim Konsum von Bier und Zigaretten<br />
Spitzenreiter.“ Auch das Vorurteil, das Sport gegen Gewalt<br />
und Drogen stark mache, gehört für Brettschneider auf die<br />
Auswechselbank. „Beim Konsum illegaler Drogen gibt es<br />
ke<strong>in</strong>e Unterschiede zwischen Vere<strong>in</strong>smitgliedern und Nicht-<br />
Mitgliedern.“ Und: <strong>Die</strong> vorbeugende Wirkung vor leichten<br />
Krim<strong>in</strong>aldelikten verflüchtige sich mit zunehmendem Alter.<br />
Doch selbst sportlich <strong>stecken</strong> die Vere<strong>in</strong>e <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Leistungskrise.<br />
So fand der Wissenschaftler heraus, dass „e<strong>in</strong> Schereneffekt<br />
im Verlauf der motorischen Leistungsfähigkeit zugunsten der<br />
Vere<strong>in</strong>smitglieder nicht e<strong>in</strong>tritt.“<br />
E<strong>in</strong>zige erfreuliche Erkenntnis: Nach wie vor s<strong>in</strong>d <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong><br />
unter Jugendlichen die „Nummer 1“: 60 Prozent der 12 Jährigen<br />
und 40 Prozent der 18 Jährigen machen munter mit.<br />
LSB-Geschäftsführer Walter Probst wies darauf h<strong>in</strong>, dass<br />
<strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> ke<strong>in</strong> „Reparaturbetrieb zur Beseitigung gesellschaftlich<br />
bed<strong>in</strong>gter Schadensfälle“ seien. Allerd<strong>in</strong>gs könne<br />
der Sport sehr wohl se<strong>in</strong>en Beitrag dazu leisten. Er plädierte<br />
für mehr Bescheidenheit und Realismus: „Wir wollen aus der<br />
Verheißungs-Falle h<strong>in</strong>aus.“ Den Weg dazu wies der Wissenschaftler:<br />
<strong>Die</strong> Vere<strong>in</strong>e sollten Abstand nehmen von den<br />
Bemühungen, „allen, alles und das möglichst zeitgleich“ zu<br />
machen. Das Potenzial sei da. „Wirkungen sportlicher Aktivität<br />
stellen sich weder automatisch noch gezielt e<strong>in</strong>“, warnte<br />
Brettschneider und forderte zu gezieltem Handeln auf.
90<br />
91<br />
6.0 Öffentliche Me<strong>in</strong>ungen<br />
Rhe<strong>in</strong>ische Post<br />
Düsseldorf vom<br />
6. März 2001<br />
NRZ vom<br />
6. März 2001<br />
Bonner Rundschau<br />
vom 6. März 2001<br />
NRZ vom 6. März 2001<br />
von Theo Schumacher<br />
<strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> bieten ke<strong>in</strong>en Schutz vor Drogen<br />
Jugend-Studie – Vesper:<br />
Zu hohe Erwartungen<br />
Düsseldorf (NRZ). Jugendliche <strong>in</strong> <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n s<strong>in</strong>d vor<br />
Gewaltbereitschaft und Drogen nicht mehr geschützt als<br />
andere. Auch darüber h<strong>in</strong>aus haben sie kaum Vorteile. Zu diesem<br />
Resultat kommt e<strong>in</strong>e Studie für die Landesregierung. Der Vere<strong>in</strong><br />
könne nicht die Rolle als „Reparaturbetrieb für gesellschaftliche<br />
Defizite“ übernehmen.<br />
Der Paderborner Sportwissenschaftler Prof. Brettschneider,<br />
der drei Jahre lang 1600 Jugendliche von 12 und 16 Jahren<br />
mehrfach befragte und testete, nannte das Ergebnis „deprimierend“.<br />
Auch beim Alkohol s<strong>in</strong>d Vere<strong>in</strong>ssportler nicht<br />
zurückhaltender, sie rauchen aber deutlich weniger. Unter den<br />
Sportlern s<strong>in</strong>d Jugendfußballer beim Konsum von Bier und<br />
Zigaretten Spitzenreiter.<br />
Nach der Studie s<strong>in</strong>d junge Leute im Vere<strong>in</strong> nicht „sozialer“<br />
e<strong>in</strong>gestellt als Gleichaltrige, die ke<strong>in</strong>em Club angehören. Bei<br />
der emotionalen Stabilität oder den motorischen Fähigkeiten<br />
schneiden sie ebenfalls nicht besser ab. Zwar b<strong>in</strong>den die<br />
Clubs vor allem K<strong>in</strong>der und Jugendliche mit Kraft, Ausdauer<br />
und Schnelligkeit. <strong>Die</strong>se Fähigkeiten würden aber meist nicht<br />
ausgebaut. Unter Schlafstörungen und Kopfschmerzen leiden<br />
Vere<strong>in</strong>sjugendliche seltener.<br />
<strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> würden „<strong>in</strong> Leistungen und Leistungsfähigkeit<br />
für die Entwicklung der psychosozialen Gesellschaft überschätzt“,<br />
so der Autor. Allerd<strong>in</strong>gs sprechen sie junge Leute<br />
weit mehr an als andere Jugendorganisationen. Über 60 % der<br />
12 Jährigen und 40 % der 18 Jährigen treiben Sport im Vere<strong>in</strong>.<br />
Unter ihnen s<strong>in</strong>d mehr Jungen als Mädchen, mehr Gymnasiasten<br />
als Hauptschüler. <strong>Die</strong> <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> NRW zählen fünf<br />
Millionen Mitglieder. Weder Brettschneider noch Sportm<strong>in</strong>ister<br />
Michael Vesper (Grüne) machten den Vere<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>en Vorwurf.<br />
Sie versagten nicht, würden aber mit zu hohen Erwartungen<br />
beladen. Vesper forderte mehr qualifizierte Jugendtra<strong>in</strong>er,<br />
die auch über sozialpädagogische Fähigkeiten verfügten.<br />
Um die rund 250 000 ehrenamtlichen Übungsleiter weiterzubilden,<br />
wären laut LandesSportBund Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen 30<br />
Millionen Mark nötig.
92<br />
93<br />
6.0 Öffentliche Me<strong>in</strong>ungen<br />
<strong>Die</strong> Kölnische Rundschau vom<br />
7. März 2001 schreibt unter dem Titel:<br />
Von Gerl<strong>in</strong>d Schaidt<br />
„Verdienstvolles Aufräumen mit e<strong>in</strong>em Mythos“<br />
Können <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> bessere Menschen schaffen?<br />
Sportwissenschaftler verstehen die Aufregung nicht. Für sie<br />
ist die Erkenntnis nicht sonderlich spektakulär, dass <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong><br />
„prima“ s<strong>in</strong>d, aber ke<strong>in</strong>e tollen Charaktere formen und<br />
Jugendliche nicht unbed<strong>in</strong>gt „fitter fürs Leben“ machen.<br />
<strong>Die</strong> am Montag vom Paderborner Sport- und Jugendforscher<br />
Wolf-<strong>Die</strong>trich Brettschneider vorgelegte 500 Seiten starke<br />
Untersuchung über Jugendarbeit <strong>in</strong> nordrhe<strong>in</strong>-westfälischen<br />
<strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n hat für sie „erwartbare Ergebnisse“ gebracht<br />
und mit falschen Wunschvorstellungen aufgeräumt.<br />
„E<strong>in</strong> paar Fragezeichen möchte ich allerd<strong>in</strong>gs doch anbr<strong>in</strong>gen,<br />
nachdem ich die Brettschneider-Studie gründlich gelesen<br />
habe“, gibt der Sportsoziologe an der Universität Bielefeld<br />
<strong>Die</strong>trich Kurz zu Protokoll. Für Kurz, der als Institution im<br />
Sport gilt, s<strong>in</strong>d die Forschungsergebnisse se<strong>in</strong>es Paderborner<br />
Kollegen über die Jugendarbeit <strong>in</strong> nordrhe<strong>in</strong>-westfälischen<br />
<strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n weder enttäuschend noch deprimierend und<br />
schon gar nicht so spannend, wie <strong>in</strong> der Presse dargestellt.<br />
Methodisch bekrittelt der Sport-Guru e<strong>in</strong> bisschen die Vorgehensweise<br />
von Professor Wolf-<strong>Die</strong>trich Brettschneider, die<br />
ihm nicht repräsentativ genug ist. Auch hätte sich Kurz im<br />
Vorfeld der Veröffentlichung e<strong>in</strong>en breiteren wissenschaftlichen<br />
Austausch gewünscht. Doch <strong>in</strong>sgesamt bezeichnet der Bielefelder<br />
Professor Brettschneiders Untersuchung als „begrüßenswert.“<br />
Noch deutlicher wird der Sportsoziologe Professor Volker<br />
Rittner von der Sporthochschule Köln. „Es ist e<strong>in</strong> Verdienst<br />
von Brettschneiders Studie, mit dem Mythos aufzuräumen,<br />
dass <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> bessere Menschen schaffen können.<br />
Rittner, der im Auftrag des Sportausschusses des Deutschen<br />
Bundestages gerade e<strong>in</strong>e Expertise über „Geme<strong>in</strong>wohl, Nutzen<br />
und soziale Funktionen des Sports“ abgeschlossen hat, kommt<br />
zu ähnlichen Ergebnissen wie se<strong>in</strong> Paderborner Kollege:<br />
„Durch die Untersuchung werden <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> auf das Normalmaß<br />
zurechtgestutzt, das ihnen zukommt. In unserer künftigen<br />
Forschungsarbeit werden wir nicht mehr von Fiktionen ausgehen,<br />
die sich manche <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> gerne zurechnen, sondern<br />
davon, was Sport wirklich leisten kann.“<br />
Brettschneider hat <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Längsschnittstudie über drei Jahre<br />
lang 1565 Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler von 34 Hauptschulen und<br />
Gymnasien befragt. In e<strong>in</strong>er ersten Fragebogen-Aktion wurde<br />
auf Sport- und Vere<strong>in</strong>s-Engagement e<strong>in</strong>gegangen, die körperliche<br />
und motorische Entwicklung erforscht, das jugendliche<br />
Selbstkonzept erfragt und der psycho-sozialen Gesundheit<br />
nachgegangen.<br />
In e<strong>in</strong>er zweiten Testfolge, an der 868 Jugendliche teilnahmen,<br />
wurden Fitness, Geschicklichkeit, Kraft und Ausdauer von<br />
Vere<strong>in</strong>smitgliedern und Nichtmitgliedern untersucht. In e<strong>in</strong>er<br />
dritten Interview-Reihe wurden 19 Mädchen und Jungen und<br />
ihre Eltern ausführlich befragt.<br />
<strong>Die</strong> Vere<strong>in</strong>sjugendlichen waren <strong>in</strong> unterschiedlichsten Sportarten<br />
organisiert: Vom Reit-, Tischtennis- und Fußballvere<strong>in</strong> bis<br />
Judo, Tanz, Ski- und Gymnastikgruppen.“<br />
Westfälische Nachrichten vom<br />
13. März 2001<br />
Von Dirk Rodenbusch<br />
Erst der Sport, dann das Bierchen?<br />
BZ direkt will Ihre Erfahrungen mit <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
wissen<br />
Borken. „Im Vere<strong>in</strong> ist Sport am schönsten“, dieser Spruch des<br />
LandesSportBundes (LandesSportBund Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen)<br />
prangt alle Wochen wieder so vielversprechend wie werbeträchtig<br />
großformatig an Massen von Plakatwänden. Doch<br />
seitdem NRW-Sportm<strong>in</strong>ister Vesper letzte Woche e<strong>in</strong>e Studie<br />
des Paderborner Sportwissenschaftlers Brettschneider vorgestellt<br />
hat, könnte manch e<strong>in</strong>er diesen LSB-Slogan um die Frage<br />
ergänzen: “… etwa deshalb, weil das Bier nach dem Spiel so<br />
gut schmeckt?“<br />
Denn Brettschneider hat <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Studie festgestellt, dass junge<br />
Vere<strong>in</strong>ssportler h<strong>in</strong>sichtlich ihres Alkoholkonsums ke<strong>in</strong>eswegs<br />
zurückhaltender seien als Nicht-Mitglieder. Auch Drogenkonsum<br />
und Gewaltbereitschaft könnten <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> nicht verh<strong>in</strong>dern,<br />
fand der Wissenschaftler heraus. <strong>Die</strong> Erwartungen, die an<br />
<strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> als gesellschaftlicher Reparaturbetrieb gestellt<br />
würden, so Brettschneider, seien zu hoch.<br />
<strong>Die</strong>ser Me<strong>in</strong>ung s<strong>in</strong>d Sie auch? Oder aber haben Sie gänzlich<br />
andere Erfahrungen mit <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n gemacht? Und s<strong>in</strong>d<br />
womöglich der Ansicht, dass K<strong>in</strong>der und Jugendliche im<br />
Sportvere<strong>in</strong> nach wie vor gut aufgehoben s<strong>in</strong>d?<br />
Rufen Sie uns an, heute von 15 bis 17 Uhr bei „BZ direkt“.<br />
BZ-Redakteur Dirk Rodenbusch freut sich unter Tel. 0 28<br />
61/9 44-1 69 auf Ihren Anruf.<br />
Frankfurter Rundschau<br />
vom 17. März 2001
94<br />
95<br />
6.0 Öffentliche Me<strong>in</strong>ungen<br />
Neue Westfälische<br />
(Bielefelder Tagesblatt)<br />
vom 24. März 2001<br />
Annäherung der Entwicklungsl<strong>in</strong>ien<br />
<strong>Die</strong> Evaluationsstudie: <strong>Die</strong> Kernaussagen<br />
Altkreis Halle (HK/zümü). Am 5. März wurde die Evaluationsstudie<br />
„Jugendarbeit <strong>in</strong> <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n – Anspruch und Wirklichkeit“<br />
<strong>in</strong> Düsseldorf offiziell vorgestellt. Im Folgenden<br />
noch e<strong>in</strong>mal wesentliche Aussagen …<br />
„Bei den motorischen Tests verfügen Vere<strong>in</strong>sjugendliche h<strong>in</strong>sichtlich<br />
Schnelligkeit, Kraft, Ausdauer und Koord<strong>in</strong>ationsvermögen<br />
durchgängig über die besseren Ausgangswerte.<br />
Den <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n gel<strong>in</strong>gt es, die motorisch begabten und<br />
sportlich <strong>in</strong>teressierten K<strong>in</strong>der und Jugendlichen zu rekrutieren<br />
und an sich zu b<strong>in</strong>den. Im Entwicklungsverlauf kommt es<br />
allerd<strong>in</strong>gs – von Ausnahmen abgesehen, bei denen die Leistungsabstufungen<br />
gleich bleiben – zumeist zu e<strong>in</strong>er Annäherung<br />
der Entwicklungsl<strong>in</strong>ien.<br />
Bei der Entwicklung des Selbstwertgefühls profitieren Heranwachsende<br />
von ihrem Engagement im Sportvere<strong>in</strong>, allerd<strong>in</strong>gs<br />
geschlechtsspezifisch unterschiedlich. Mädchen entdecken<br />
den Sport als Quelle des Selbstgefühls im Entwicklungsverlauf<br />
eher als Jungen; Letztere profitieren länger. Wenn es um die<br />
emotionale Stabilität und ihre Entwicklung im Jugendalter<br />
geht, stellen Alter und vor allem das Geschlecht die wichtigsten<br />
E<strong>in</strong>flussvariabeln dar. E<strong>in</strong> systematischer E<strong>in</strong>fluss des Sportengagements<br />
im Vere<strong>in</strong> kann nicht nachgewiesen werden.<br />
In den sozialen Beziehungen zu Gleichaltrigen bestehen bei<br />
den Vere<strong>in</strong>sjugendlichen die Sportkontakte vornehmlich zum<br />
gleichen Geschlecht. Der Aufbau von Freundeskreisen ist teilweise<br />
vom Sportvere<strong>in</strong> positiv bee<strong>in</strong>flusst, die Qualität dieser<br />
Beziehungen ist sehr unterschiedlich. Sie reicht von kaum<br />
existierenden Kontakten im Vere<strong>in</strong> bis zu umfassender sozialer<br />
Unterstützung durch Sportfreunde.<br />
In ihrem Alkoholkonsum s<strong>in</strong>d jugendliche Vere<strong>in</strong>ssportler<br />
ke<strong>in</strong>eswegs zurückhaltender als Nicht-Mitglieder. Bei Zigaretten<br />
sieht die Entwicklung anders aus: <strong>Die</strong> Konsumrate der Vere<strong>in</strong>sjugendlichen<br />
liegen deutlich niedriger. Beim Konsum<br />
illegaler Drogen gibt es im Durchschnitt ke<strong>in</strong>e Unterschiede<br />
zwischen Vere<strong>in</strong>smitgliedern und Nicht-Mitgliedern.<br />
Insgesamt legen die Befunde der Studie nahe, allzu optimistische<br />
Annahme von positiven Wirkungen der Sportvere<strong>in</strong> auf die<br />
jugendliche Entwicklung zu relativieren. Wenn sich Vere<strong>in</strong>sjugendliche<br />
<strong>in</strong> manchen Aspekten von ihren vere<strong>in</strong>sdifferenzierten<br />
Altersgenossen unterscheiden, dann dürfte dies vor<br />
allem der Tatsache geschuldet se<strong>in</strong>, dass vor allem solche<br />
Jugendliche vermehrt <strong>in</strong> den Sportvere<strong>in</strong> gehen und sich an<br />
ihn b<strong>in</strong>den, die sich von vornhere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er starken Physis und<br />
Psyche erfreuen.“<br />
Versprechungen präzisieren<br />
LandesSportBund: <strong>Die</strong> Reaktion auf die Studie<br />
Altkreis Halle (HK/zümü). <strong>Die</strong> Stellungnahme des Landes-<br />
SportBundes zu der vorgestellten Studie wurde bereits vor<br />
deren Veröffentlichung erstellt. Auch hier die wichtigsten Aussagen<br />
zum Thema …<br />
„Unter den gegenwärtigen Bed<strong>in</strong>gungen der Pluralisierung<br />
und Indivialisierung ist Jugendarbeit e<strong>in</strong> komplexes und an<br />
vielfältige Voraussetzungen gebundenes Geschehen. Der Landes-<br />
SportBund Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen sieht sich durch die nunmehr<br />
vorliegenden Ergebnisse <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>schätzung bestätigt,<br />
dass die <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> unseres Landes e<strong>in</strong>e hohe Attraktivität<br />
für junge Leute haben, die sich <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er großen<br />
und lang andauernden Mitgliedschaft ausdrücken.<br />
<strong>Die</strong> Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass die Betreuung<br />
junger Menschen im Sportvere<strong>in</strong> nicht zu e<strong>in</strong>er nachweisbar<br />
positiveren Entwicklung ihrer allgeme<strong>in</strong>en motorischen Leistungsfähigkeit<br />
im Vergleich zu Nichtmitgliedern führt. Abgesehen<br />
von zahlreichen methodischen Fragen, die zu diesem<br />
Befund zu stellen und zu beantworten s<strong>in</strong>d, s<strong>in</strong>d wir der Me<strong>in</strong>ung,<br />
dass <strong>in</strong> unseren <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n zunächst vor allem spezifische<br />
Fähigkeiten <strong>in</strong> Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g und Wettkampf gelernt und<br />
geprüft werden. <strong>Die</strong> allgeme<strong>in</strong>en motorischen Fähigkeiten<br />
werden vorwiegend im Sportunterricht geschult, <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong>en<br />
wird angebotsspezifisch tra<strong>in</strong>iert.<br />
Prof. Brettschneider und se<strong>in</strong>e MitarbeiterInnen raten <strong>in</strong> ihrem<br />
Untersuchungsbericht „zur Zurückhaltung, wenn es um programmatische<br />
Behauptungen zur persönlichkeitsformenden<br />
Kraft des Sportvere<strong>in</strong>s geht“. Wir me<strong>in</strong>en: Es ist angesichts<br />
der sehr schwierigen, von vielfältigen Brüchen gekennzeichneten<br />
Lebensphasen junger Leute im Alter von 12–18 Jahren e<strong>in</strong><br />
positiver Befund, wenn nachgewiesen wird, dass Selbstwertgefühl<br />
und emotionale Stabilität <strong>in</strong> dieser Zeit bei jugendlichen<br />
Vere<strong>in</strong>smitgliedern auf hohem Niveau bleiben.<br />
Wir haben zur Kenntnis zu nehmen, dass mit Ausnahme des<br />
Zigarettenkonsums der Konsum legaler und illegaler Drogen<br />
bei jugendlichen Vere<strong>in</strong>smitgliedern genauso hoch ist wie bei<br />
vere<strong>in</strong>sungebundenen jungen Menschen.<br />
Wir ziehen aus den Ergebnissen und den bereits jetzt vorliegenden<br />
öffentlichen und <strong>in</strong>ternen Bewertungen den Schluss,<br />
dass es dr<strong>in</strong>gend erforderlich ist, <strong>in</strong>nerhalb unserer eigenen<br />
Reihen – aber auch <strong>in</strong> der Öffentlichkeit – die Erwartungen,<br />
die an die <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> gerichtet werden können, auf e<strong>in</strong>e realistische<br />
Grundlage zu stellen und die Versprechungen, die<br />
unsere <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> machen, für die Zukunft zu präzisieren.“<br />
Saarbrücker Zeitung vom<br />
26.04.2001<br />
Lokalausgabe Saarbrücken<br />
Erfüllen <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> noch ihre soziale Aufgabe?<br />
Nach Ansicht des Sportwissenschaftlers Professor Dr. Wolf-<br />
<strong>Die</strong>trich Brettschneider von der Universität Paderborn klaffen<br />
Ansprüche und Wirklichkeit bei der Jugendarbeit <strong>in</strong> den etwa<br />
86 000 deutschen <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n weit ause<strong>in</strong>ander. Brettschneiders<br />
Team schaute sich zwischen 1998 und 2000 die<br />
Jugendarbeit <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>en an, <strong>in</strong>terviewte und testete Zwölfbis<br />
16 Jährige an 40 Schulen. Fazit: „Den von außen aufge-<br />
bürdeten oder selbst auferlegten Leistungsansprüchen kann<br />
der Sportvere<strong>in</strong> angesichts der sozialen und kulturellen<br />
Umbrüche <strong>in</strong> unserer Gesellschaft nicht gerecht werden.<br />
Wenn befürchtet wird, dass Schule und Elternhaus ihre Erziehungsaufgaben<br />
nicht mehr h<strong>in</strong>reichend wahrnehmen können,<br />
kann auch der Sportvere<strong>in</strong> nicht die Rolle e<strong>in</strong>es Reparaturbetriebes<br />
für gesellschaftliche Defizite übernehmen.“<br />
E<strong>in</strong>ige Ergebnisse: Den <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n gel<strong>in</strong>gt es, die motorisch<br />
Begabten und sportlich Interessierten an sich zu b<strong>in</strong>den.<br />
Deren anfangs vorhandener Leistungsvorsprung gegenüber<br />
Nicht-Mitgliedern wird gelegentlich gehalten, kann meist<br />
aber nicht ausgebaut werden. Der Vere<strong>in</strong>ssport ist also eher<br />
Bewahrer als Förderer sportlicher Potenziale. Bei „emotionaler<br />
Stabilität“ und deren Entwicklung stellen Alter und vor allem<br />
Geschlecht die wichtigsten E<strong>in</strong>flüsse dar. E<strong>in</strong> systematischer<br />
E<strong>in</strong>fluss des sportlichen Engagements im Vere<strong>in</strong> ist nicht<br />
nachzuweisen.<br />
Brettschneiders Studie besagt auch, dass Junge Vere<strong>in</strong>ssportler<br />
viel seltener als Nichtmitglieder rauchen, aber nicht weniger<br />
Alkohol tr<strong>in</strong>ken. Beim Konsum illegaler Drogen gibt's<br />
ke<strong>in</strong>e dagegen Unterschiede. Vorbeugende Wirkung hat das<br />
Vere<strong>in</strong>sleben bei der leichten Krim<strong>in</strong>alität bei jüngeren Heranwachsenden.<br />
<strong>Die</strong>se Wirkung verflüchtigt sich aber im Verlauf<br />
der Jugendphase.<br />
red<br />
Vere<strong>in</strong>e werden mit Problemen der K<strong>in</strong>der<br />
alle<strong>in</strong> gelassen<br />
von Marcus Kalmes<br />
Verantwortung nicht abwälzen<br />
Das ist zu e<strong>in</strong>fach: Eltern und Politiker beruhigen ihr Gewissen,<br />
<strong>in</strong> dem sie ihre erzieherische Verantwortung auf <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong><br />
abwälzen. Früher schafften es Vere<strong>in</strong>e zwar, K<strong>in</strong>dern Diszipl<strong>in</strong>,<br />
Toleranz, Umgang mite<strong>in</strong>ander sowie mit Erfolg und Niederlage<br />
beizubr<strong>in</strong>gen. Eltern waren wie ihre K<strong>in</strong>der gleichermaßen<br />
e<strong>in</strong>gebunden. Doch das hat sich geändert. Der Paderborner<br />
Sportwissenschaftler Wolf-<strong>Die</strong>trich Brettschneider sagt: „Wir<br />
besche<strong>in</strong>igen Vere<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>e völlig überschätzte Leistungsfähigkeit<br />
auf sportlicher wie auf gesellschaftlicher Ebene.“ Er<br />
hat Recht. Vere<strong>in</strong>e verkommen zu Spaßvermittlern. <strong>Die</strong> Schuld<br />
liegt auch bei den Eltern. Oft gibt's diese Szene: K<strong>in</strong>d zum<br />
Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g fahren. Tür auf. K<strong>in</strong>d raus. Tür zu. Wieder wegfahren.<br />
Hauptsache aus dem Haus. Was das K<strong>in</strong>d tut? Egal. Eltern<br />
haben für ihre K<strong>in</strong>der immer weniger Zeit, weil beide zum<br />
Beispiel berufstätig s<strong>in</strong>d. Folge: K<strong>in</strong>der vere<strong>in</strong>samen, nehmen<br />
sich falsche <strong>Vorbild</strong>er, lassen als Konsequenz ihre Aggressionen<br />
ane<strong>in</strong>ander aus. Der Vere<strong>in</strong> alle<strong>in</strong> ist da überfordert. K<strong>in</strong>der<br />
brauchen heutzutage Anweisungen und Anleitungen, wie sie<br />
mite<strong>in</strong>ander umzugehen haben und vor allem wie Konflikte<br />
friedlich gelöst werden. Sie lernen es <strong>in</strong> der Schule oder zu<br />
Hause nicht mehr. Jugendleiter Bernd Brotschar von den Handballern<br />
des ASC Quierschied beschreibt e<strong>in</strong>e häufige Situation:<br />
„Zu Beg<strong>in</strong>n des Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs geht viel Zeit drauf, die K<strong>in</strong>der erst<br />
e<strong>in</strong>mal zu maßregeln, damit geme<strong>in</strong>same Übungen beg<strong>in</strong>nen<br />
können.“ Eltern geben die Verantwortung für ihre K<strong>in</strong>der und<br />
deren Verhalten e<strong>in</strong>fach weiter. <strong>Die</strong> Politik ruft paradoxerweise<br />
nach immer mehr ehrenamtlichen Helfern, schwächt aber<br />
gleichzeitig die Vere<strong>in</strong>e, <strong>in</strong> dem sie ihnen Zuschüsse kappt<br />
oder Ste<strong>in</strong>e <strong>in</strong> den Weg legt – etwa die Neuregelung beim<br />
630-Mark-Gesetz. Wie passt das zusammen? Vere<strong>in</strong>e werden<br />
kaum unterstützt. Helfer fehlen, das Geld wird immer knapper.<br />
Und ke<strong>in</strong>er sagt den Ehrenamtlichen, wie sie mit Problem-<br />
K<strong>in</strong>dern umgehen sollen, wie Konflikte zu bewältigen s<strong>in</strong>d.<br />
Wer unterstützt die Helfer, wenn sie Urlaubstage opfern oder<br />
Benz<strong>in</strong> für die Fahrten bezahlen müssen?<br />
Der Teufelskreis muss aufgebrochen werden. Eltern müssen<br />
umdenken. Der Gedanke, dass das K<strong>in</strong>d schon sicher gut untergebracht<br />
ist, darf sie nicht zufrieden stellen. Vere<strong>in</strong>e bemühen<br />
sich, das Verantwortungsbewusstse<strong>in</strong> ist groß. Doch sie pfeifen<br />
aus dem letzten Loch. Ke<strong>in</strong> Geld heißt: Ke<strong>in</strong>e qualifizierten und<br />
damit psychologisch geschulten Tra<strong>in</strong>er. Und ke<strong>in</strong>e Unterstützung<br />
von den Eltern heißt: Immer mehr Arbeit für die wenigen<br />
freiwilligen Helfer. Wer die Vere<strong>in</strong>e im Stich lässt, verrät die<br />
K<strong>in</strong>der.<br />
„Eltern schieben Verantwortung weiter“<br />
von Marcus Kalmes<br />
Studie: Vere<strong>in</strong>e werden bei ihrer sportlichen und<br />
gesellschaftlichen Leistungsfähigkeit überschätzt?<br />
– Klubs widersprechen<br />
Saarbrücken. E<strong>in</strong>e Studie e<strong>in</strong>es Paderborner Forschers hat für<br />
Unruhe gesorgt. Der Sportwissenschaftler Wolf-<strong>Die</strong>trich<br />
Brettschneider hat die Jugendarbeit <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>en zwei Jahre<br />
lang unter die Lupe genommen. Se<strong>in</strong> Fazit: „<strong>Die</strong> Leistungsfähigkeit<br />
auf sportlicher wie auf gesellschaftlicher Ebene wird<br />
völlig überschätzt.“ Eike Emrich, Sportsoziologe beim Landesportverband<br />
für das Saarland, erklärte, dass „<strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong><br />
ke<strong>in</strong>e Sozialstation der Gesellschaft“ seien. „Der Sportvere<strong>in</strong><br />
ist e<strong>in</strong> Spaßvermittler. Andere Funktionen s<strong>in</strong>d ihm angehängt<br />
worden“, sagte LSVS-Präsident Albert Wagner (wir berichteten).<br />
Was denken Vere<strong>in</strong>s-Verantwortliche? Ellen Kühn ist Leiter<strong>in</strong><br />
der Jugendfußball-Abteilung des SC Friedrichsthal. „E<strong>in</strong><br />
Tra<strong>in</strong>er reicht bei e<strong>in</strong>er Mannschaft oft nicht aus, um ordentliche<br />
Arbeit mit den K<strong>in</strong>dern zu leisten“, erklärt Ellen Kühn. „Derzeit<br />
f<strong>in</strong>det man aber immer jemanden, der mithilft. Im unteren<br />
Alters-Bereich s<strong>in</strong>d es oft Väter, die mitarbeiten.“ <strong>Die</strong> 46 Jährige<br />
teilt die Ansichten Brettschneiders nicht. „Der Herr Professor<br />
weiß nicht, was das für e<strong>in</strong>e Arbeit ist, wenn mehr als 100<br />
Kids auf dem Platz stehen“, sagt sie emotional, „die Vere<strong>in</strong>e<br />
erfüllen ihre soziale Verantwortung. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d von der<br />
Straße, kommen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>schaft und können sich sportlich<br />
entwickeln.“<br />
Ihr Mann Roman übernahm e<strong>in</strong> Team, als die K<strong>in</strong>der fünf Jahre<br />
alt waren und blieb bei den Jungs, bis sie 18 waren. Ellen<br />
Kühn sagt aus Erfahrung: „Der Tra<strong>in</strong>er hat e<strong>in</strong>e andere Beziehung<br />
zu den Spielern als viele Eltern e<strong>in</strong>e Beziehung zu ihrem K<strong>in</strong>d<br />
haben.“ Im Klartext: Tra<strong>in</strong>er s<strong>in</strong>d neben Eltern e<strong>in</strong>e weitere<br />
Bezugsperson, an die sich K<strong>in</strong>der vertrauensvoll mit Problemen<br />
wenden können – und zu denen sie mit D<strong>in</strong>gen kommen, die<br />
sie ihren Eltern nicht anvertrauen.<br />
So e<strong>in</strong> Beispiel ist der „SZ“ aus dem Sulzbachtal bekannt: E<strong>in</strong><br />
Jugendspieler hatte mit drei verschiedenen Autos nache<strong>in</strong>ander<br />
Probleme. <strong>Die</strong> Eltern dachten, dass der Zustand der Autos<br />
Schuld war. Der Tra<strong>in</strong>er des betroffenen Vere<strong>in</strong>s dagegen<br />
erfuhr, dass se<strong>in</strong> Jugendspieler wohl an Rennen teilgenommen<br />
hat beziehungsweise dessen Fahrstil die Schäden verursacht hat.<br />
Ellen Kühn teilt auch nicht die E<strong>in</strong>schätzung, dass der Vere<strong>in</strong><br />
sportliche Potenziale der K<strong>in</strong>der nicht ausreizen könne: „Es<br />
kommt auf das Talent an. Wenn e<strong>in</strong> talentierter Sportler kommt,<br />
kann er sich im Vere<strong>in</strong> natürlich weiterentwickeln.“ Und weniger<br />
talentierte K<strong>in</strong>der könnten im Klub <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>schaft re<strong>in</strong>-
96<br />
97<br />
6.0 Öffentliche Me<strong>in</strong>ungen<br />
wachsen, so dass sie ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>zelgänger werden, dem Sport<br />
treu bleiben. „Der Vere<strong>in</strong> gibt ihnen die Chance dazu.“<br />
<strong>Die</strong> Jugend-Handballer des ASC Quierschied tra<strong>in</strong>ieren <strong>in</strong> der<br />
Taubenfeldhalle. Jugendleiter Bernd Brotschar sagt: „In der<br />
Halle tra<strong>in</strong>ieren wir mit den K<strong>in</strong>dern. Vor der Halle hocken<br />
Kids ab zwölf mit Radio, Zigarette im Mund und Mixery-<br />
Dosen <strong>in</strong> der Hand. Da s<strong>in</strong>d die gleichaltrigen K<strong>in</strong>der im Vere<strong>in</strong><br />
besser aufgehoben.“ Der 56 Jährige Göttelborner kennt e<strong>in</strong>ige<br />
der K<strong>in</strong>der, die vor der Halle „herumlungern“ und hat sie<br />
angesprochen. „Ohne Erfolg. Das ist e<strong>in</strong>e Clique. Wir im ASC<br />
s<strong>in</strong>d wie e<strong>in</strong>e große Familie. Es geht nicht nur um Sport, auch<br />
die Eltern werden e<strong>in</strong>bezogen. Alles wird zusammen unternommen.“<br />
Alkohol ist unter Jugendlichen e<strong>in</strong> Problem. In Brettschneiders<br />
Studie wird behauptet, dass „junge Vere<strong>in</strong>ssportler zwar viel<br />
seltener rauchen als Nichtmitglieder, aber nicht weniger Alkohol<br />
tr<strong>in</strong>ken als diese“. Wie sieht das Brotschar? „Wenn nach<br />
dem Spiel im Beise<strong>in</strong> der Eltern 'mal e<strong>in</strong> Gespritztes getrunken<br />
wird, kann ich nicht verbieten. <strong>Die</strong> erzieherische Maßnahmen<br />
<strong>in</strong> Sachen Alkohol müssen die Eltern regeln.“ Dass Kids im<br />
Sportvere<strong>in</strong> teilweise sehr aggressiv auftreten, kreidet der<br />
Handballer den Eltern und auch der Schule an: „Oft hört man<br />
vorm Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g Gespräche unter K<strong>in</strong>dern, wo erzählt wird, wer<br />
mit wem <strong>in</strong> der Schule ane<strong>in</strong>ander war. Streit <strong>in</strong> der Schule,<br />
schnell nach Hause, Aufgaben machen, dann <strong>in</strong>s Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g. Da<br />
müssen Eltern zu Hause e<strong>in</strong>fach auch etwas mithelfen.“ Brettschneiders<br />
These, dass Vere<strong>in</strong>ssport „ke<strong>in</strong> Förderer sportlicher<br />
Potenziale ist“, entgegnet der 56 Jährige: „Wie soll man sportlich<br />
weiterkommen, wenn zu Beg<strong>in</strong>n des Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs immer wieder<br />
viel Zeit draufgeht, die K<strong>in</strong>der zu maßregeln?“<br />
Auch Fritz We<strong>in</strong>brecht von Rot-Weiß Sulzbach kritisiert die<br />
E<strong>in</strong>stellung e<strong>in</strong>iger Eltern. „Das Elternhaus darf die erzieherische<br />
Verantwortung nicht abschieben, <strong>in</strong> dem es se<strong>in</strong>e Verantwortung<br />
auf den Vere<strong>in</strong> überträgt“, erklärt der 38-jährige Leiter der<br />
Jugendfußball-Abteilung. Es fehle leider oft an Unterstützung<br />
vom Elternhaus. We<strong>in</strong>brecht fragt: „Wie oft kommt es vor, dass<br />
die Eltern mit dem Auto beim Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g oder Spiel vorfahren,<br />
die Tür aufmachen, das K<strong>in</strong>d aussteigen lassen, die Tür wieder<br />
zumachen und wieder wegfahren?“ Das sei leider immer<br />
wieder der Fall. Den Eltern sei egal, was ihr K<strong>in</strong>d treibt und<br />
wo es <strong>in</strong> welcher Obhut ist. Und viele Vere<strong>in</strong>e hätten eben ke<strong>in</strong>e<br />
ausgebildeten Tra<strong>in</strong>er und auch ke<strong>in</strong>e geschulten Psychologen<br />
zur Hand, die auch außersportliche Probleme lösen<br />
können. Der Tra<strong>in</strong>er oder Betreuer ist <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht Laie.<br />
We<strong>in</strong>brecht beschreibt die Situation heutzutage: „Wir machen<br />
Veranstaltungen, wo die Leute etwas zum Essen und zum<br />
Tr<strong>in</strong>ken umsonst bekommen. E<strong>in</strong>ige kommen trotzdem nicht.<br />
Da erkennt man, dass viele Eltern nicht h<strong>in</strong>ter der Sache ihres<br />
K<strong>in</strong>des stehen und die Kids <strong>in</strong> der Gestaltung ihrer Freizeit<br />
alle<strong>in</strong>e lassen.“ Dass spiegele sich <strong>in</strong> Auswüchsen krass wieder,<br />
die e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> nicht bewältigen kann. „<strong>Die</strong>se K<strong>in</strong>der lassen<br />
ihre aufgestauten Aggressionen dann auf dem Platz raus.“ <strong>Die</strong><br />
Folge: Spieler, die neben der Spur laufen, werden von alle<strong>in</strong>e<br />
aussortiert. We<strong>in</strong>brecht: „<strong>Die</strong> K<strong>in</strong>der regeln das unter sich.“<br />
Was den Konflikt vorprogrammiert: Das K<strong>in</strong>d wird von den<br />
Mitspielern nicht mehr akzeptiert. Es droht e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>samung<br />
ohne Freunde, da die Mitspieler oft auch Mitschüler s<strong>in</strong>d.<br />
Ohne sozialen Halt droht im Extremfall das Abrutschen <strong>in</strong> untere<br />
gesellschaftliche Ebenen bis h<strong>in</strong> zu krim<strong>in</strong>ellen Machenschaften.<br />
Süddeutsche Zeitung von Freitag,<br />
den 4. Mai 2001<br />
Völlig überschätzt<br />
Studie entlarvt Vere<strong>in</strong>s-Wirkungen<br />
München – Jetzt steht es fest: Belege für die weit verbreitete<br />
These, dass der Sport bei Jugendlichen per se positive Wirkungen<br />
erzielt, gibt es nicht. Das fanden Sportwissenschaftler der<br />
Universität Paderborn heraus. Das Forschungsprojekt „Jugendarbeit<br />
<strong>in</strong> <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n: Anspruch und Wirklichkeit“ untersuchte<br />
zu drei verschiedenen Zeitpunkten Jugendliche aus der 6., 8.<br />
und 10. Klasse <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Längsschnittstudie<br />
über drei Jahre begleitet wurden. Alle Annahmen,<br />
welche Segnungen der Sportvere<strong>in</strong> für Jugendliche bereithält,<br />
wurden untersucht und lösten sich am Ende <strong>in</strong> Luft auf. <strong>Die</strong><br />
sozialen Beziehungen der Jugendlichen, die sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Sportvere<strong>in</strong> engagieren, entwickelten sich nicht anders als bei<br />
den Jugendlichen, die sich Vere<strong>in</strong>en verweigern. „<strong>Die</strong> ‚richtigen‘<br />
Freunde und Freund<strong>in</strong>nen werden zumeist außerhalb des<br />
Sportvere<strong>in</strong>s gesucht und gefunden“, fand Professor Wolf-<br />
<strong>Die</strong>trich Brettschneider heraus. Auch bei den „Konsumraten<br />
legaler und illegaler Drogen“ ergab sich ke<strong>in</strong>e Abweichung,<br />
obwohl der Deutsche Sportbund (DSB) mit aufwendigen Werbekampagnen<br />
immer wieder suggerieren, dass der Sportvere<strong>in</strong> die<br />
K<strong>in</strong>der gegen Sucht und Drogen stark mache.<br />
E<strong>in</strong>e solche Wirkung hat die Untersuchung nicht ergeben. Im<br />
Gegenteil „nirgendwo wird so viel geraucht und getrunken<br />
wie beim Fußball und Handball“, rückte Brettschneider die<br />
Vere<strong>in</strong>swirklichkeit zurecht. Auch e<strong>in</strong>e „gewaltpräventive<br />
Funktion“ hat der Vere<strong>in</strong> nicht. Nichtvere<strong>in</strong>smitglieder begehen<br />
ke<strong>in</strong>eswegs häufiger Delikte oder Straftaten. „<strong>Die</strong> meisten der<br />
nicht selten reklamierten positiven Wirkungen e<strong>in</strong>es Engagements<br />
im Sportvere<strong>in</strong> können empirisch nicht bestätigt werden“,<br />
resümiert die Studie. Selbst „die Erwartung, dass sich das<br />
sportliche Engagement der Jugendlichen im Vere<strong>in</strong> im Niveau<br />
der motorischen Leistungsfähigkeit niederschlägt, bestätigt<br />
sich nicht“, widerspricht die Untersuchung der gängigen Vorstellung,<br />
dass Vere<strong>in</strong>sjugendliche sportlicher s<strong>in</strong>d als Vere<strong>in</strong>smuffel.<br />
Waren die Vere<strong>in</strong>smitglieder am Anfang noch kräftiger,<br />
schneller und ausdauernder, fanden die Wissenschaftler nach<br />
drei Jahren ke<strong>in</strong>erlei Unterschiede mehr.<br />
Supermarkt und Sozialstation<br />
„Der Sportvere<strong>in</strong> erweist sich zwar als Bewahrer der sportlichen<br />
und motorischen Begabung und psychosozialen Eigenschaften<br />
junger Menschen; die Rolle des systematischen Förderers<br />
der jungen Sportler vermag er offensichtlich nicht effektiv<br />
auszuüben“, beschreibt die Studie die Wirkungsgrenzen des<br />
Sportvere<strong>in</strong>s. <strong>Die</strong>se scheitert offenbar an se<strong>in</strong>en selbst formulierten<br />
Ansprüchen und se<strong>in</strong>er eigenen Überforderung. „<strong>Die</strong><br />
Leistungsfähigkeit e<strong>in</strong>es Sportvere<strong>in</strong>s wird überschätzt“,<br />
sagen die Wissenschaftler. <strong>Die</strong> Schuld geben die Wissenschaftler<br />
den Sportverbänden, deren Funktionäre e<strong>in</strong>en „komplexen<br />
Anspruch“ für sich reklamieren. Damit s<strong>in</strong>d die Vere<strong>in</strong>e<br />
offenbar überfordert oder er führt zu e<strong>in</strong>er „Profil- und<br />
Konturlosigkeit vieler <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> und ihrer Jugendabteilungen“.<br />
<strong>Die</strong> Paderborner Jugendforscher fordern Verbände und Vere<strong>in</strong><br />
auf, „sich von überhöhten Wirkungsvorstellungen und wohlme<strong>in</strong>enden<br />
Slogans zu verabschieden“. Mancher Sportvere<strong>in</strong><br />
wollte Supermarkt und Sozialstation zugleich se<strong>in</strong>. Doch, wer<br />
alles wolle, habe am Ende gar nichts, warnt die Studie.<br />
Den Sportverbänden hat es angesichts der Studie wochenlang<br />
die Sprache verschlagen. Jetzt misstrauen sie erst e<strong>in</strong>mal, wie<br />
der Präsident des Bayrischen Landes-Sportverbandes (BLSV)<br />
Peter Kapust<strong>in</strong>, zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>em Teil der erhobenen Untersuchungsergebnisse<br />
oder stellen entlarvend hilflose Fragen:<br />
„Aber was wäre, wenn der Sportvere<strong>in</strong> nicht mehr zur Verfügung<br />
wäre?“ So Kapust<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Verbandszeitschrift Bayernsport.<br />
Kapust<strong>in</strong> ist übrigens leitender Sportprofessor an der Universität<br />
Würzburg.<br />
Karl-Wilhelm Götte<br />
RSB-Journal<br />
Mai 2001
98<br />
99<br />
6.0 Öffentliche Me<strong>in</strong>ungen<br />
<strong>Die</strong> Woche vom 6. Juli 2001<br />
Von Alexandra Kuitkowski<br />
Wissenschaftliche Studien belegen:<br />
Organisierter Sport macht Jugendliche nicht stärker,<br />
sondern anfällig für Alkohol und andere Drogen<br />
Im Vere<strong>in</strong> ist Bier am schönsten<br />
Bier schmeckt immer. Nach Niederlagen herb wie der Frust,<br />
prickelnd frisch im Rausch des Sieges. Der deutschen Vere<strong>in</strong>sjugend<br />
schmeckt es zu oft zu gut. Und die Nachwuchssportler<br />
tr<strong>in</strong>ken nicht nur, sie rauchen und kiffen auch. Ke<strong>in</strong>e Macht<br />
den Drogen? Dass <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> der Rettungsanker für Leib<br />
und Seele junger Menschen s<strong>in</strong>d, dass dort niemand alle<strong>in</strong><br />
gelassen wird, weil: „Fair geht vor“ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Welt, die „K<strong>in</strong>der<br />
stark machen“ soll – daran können nicht e<strong>in</strong>mal mehr diejenigen<br />
glauben, die solche Slogans propagieren.<br />
Denn jetzt belegt e<strong>in</strong>e wissenschaftliche Studie, dass die organisierte<br />
Sportjugend weder fitter noch netter durchs Leben geht<br />
als junge Menschen, die nicht <strong>in</strong>s deutsche Vere<strong>in</strong>swesen e<strong>in</strong>gebunden<br />
s<strong>in</strong>d. Sportpädagoge Wolf-<strong>Die</strong>trich Brettschneider<br />
von der Universität Paderborn hat im Auftrag des nordrhe<strong>in</strong>westfälischen<br />
Kultusm<strong>in</strong>isteriums herausgefunden, <strong>in</strong> welchem<br />
Ausmaß Anspruch und Wirklichkeit im Vere<strong>in</strong>ssport ause<strong>in</strong>ander<br />
driften.<br />
„Vere<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>d mit der Fülle von sozialen und sportlichen<br />
Ansprüchen schlicht überfordert“, sagt Brettschneider nach zwei<br />
Jahren Forschungsarbeit. <strong>Die</strong> Wissenschaftler haben Gymnasiasten,<br />
Hauptschüler und deren Eltern <strong>in</strong> dieser Zeit mehrmals<br />
<strong>in</strong>terviewt; die Jugendlichen füllten regelmäßig Fragebögen<br />
aus und stellten sich motorischen Test. Alle Probanden stammen<br />
aus Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen; die Befunde seien aber „verallgeme<strong>in</strong>erbar“.<br />
Und sie s<strong>in</strong>d entmutigend für alle Beteiligten: So<br />
fördern Vere<strong>in</strong>e die Herausbildung e<strong>in</strong>er stabilen Persönlichkeit<br />
weit weniger als geme<strong>in</strong>h<strong>in</strong> angenommen. Und auch die emotionale<br />
Stabilität der Jugendlichen wird vom Vere<strong>in</strong>sengagement<br />
nicht begünstigt. Nicht e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e nachhaltige Wirkung<br />
des Vere<strong>in</strong>slebens auf das „soziale Selbstkonzept“ der jungen<br />
Mitglieder konnte nachgewiesen werden: Auf der Suche nach<br />
dem eigenen Ich haben es pubertierende Jungen und Mädchen<br />
<strong>in</strong> <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n also genauso schwer wie alle anderen. Sie<br />
f<strong>in</strong>den sich weder attraktiver als ihre Altergenossen, noch<br />
schätzen sie die eigene sportliche Leistungsfähigkeit höher e<strong>in</strong>.<br />
<strong>Die</strong>ses Selbstbild deckt sich mit der Realität: Vere<strong>in</strong>sjugendliche<br />
s<strong>in</strong>d anfangs zwar begabter, wenn es um Kraft, Schnelligkeit<br />
und Ausdauer geht. Aber e<strong>in</strong>en Entwicklungsvorteil erhalten<br />
die sportlichen Teenies durch die Vere<strong>in</strong>smitgliedschaft nicht.<br />
Brettschneider: „Vere<strong>in</strong>e b<strong>in</strong>den begabte Jugendliche rechtzeitig<br />
an sich und s<strong>in</strong>d eher Bewahrer als Förderer des motorischen<br />
Nachwuchses.“<br />
Gefördert wird aber die Tr<strong>in</strong>kfestigkeit. Vor allem im Volkssport<br />
Fußball wird so viel Bier getrunken und geraucht wie <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er<br />
anderen Sportart. Ausgerechnet die ehrgeizigsten Spieler langen<br />
am meisten zu. So greift jeder fünfte jugendliche Leistungsfußballer,<br />
der pro Woche m<strong>in</strong>destens sechs Stunden auf dem<br />
Spielfeld verbr<strong>in</strong>gt, regelmäßig zur Zigarette und zur Bierflasche.<br />
Weniger ambitionierte Kicker konsumieren zwar weniger<br />
Bier, dafür s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> dieser Gruppe neben hochprozentigen<br />
Schnäpsen Haschisch und Marihuana beliebt: Rund 12 Prozent<br />
der Befragten kiffen regelmäßig. Bei Jugendlichen, die sich<br />
nicht im Vere<strong>in</strong> engagieren, liegt der Wert mit etwas über 5<br />
Prozent deutlich niedriger.<br />
Warum ausgerechnet ehrgeizige Mannschaftssportler zu Rauschmitteln<br />
nicht Ne<strong>in</strong> sagen können, lässt sich mit banalen gesellschaftlichen<br />
Ritualen begründen: „Man konsumiert eher <strong>in</strong><br />
Gesellschaft“ vermutet die Erziehungswissenschaftler<strong>in</strong> Beate<br />
Locher. „Da geht dann der so genannte Stiefel herum. Oder<br />
der Coach spendiert e<strong>in</strong>en Kasten Bier und denkt sich nichts<br />
dabei.“ Wettkampfrituale werden dabei auf das geme<strong>in</strong>same<br />
Tr<strong>in</strong>ken nach dem Spiel übertragen: „Man möchte sich beweisen“,<br />
sagt Locher. In e<strong>in</strong>er eigenen Studie zur Suchtgefährdung<br />
Jugendlicher <strong>in</strong> <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n kommt sie zu ähnlichen Ergebnissen<br />
wie die Paderborner Forscher: Vere<strong>in</strong>sgebundene<br />
Jugendliche konsumieren häufiger Alkohol als ihre Altersgenossen<br />
– und erleben öfter e<strong>in</strong>en Vollrausch. Im Vere<strong>in</strong> ist<br />
eben nicht nur Sport am schönsten.<br />
Tiefe Freundschaften stiftet das Gesellschaftserlebnis allerd<strong>in</strong>gs<br />
kaum. Auch Locher hat die soziale Kompetenz der Clubs h<strong>in</strong>terfragt<br />
und ermittelt, dass die jungen Sportler große Schwierigkeiten<br />
haben, <strong>in</strong>nerhalb ihrer Vere<strong>in</strong>e Beziehungen aufzubauen.<br />
Freunde zu f<strong>in</strong>den, ist für die Hälfte der Befragten e<strong>in</strong> ernstes<br />
Problem – obwohl sie <strong>in</strong> das Vere<strong>in</strong>sleben e<strong>in</strong>gebunden s<strong>in</strong>d.<br />
„Von engen Bezugspersonen wie Jugend- und Übungsleitern<br />
werden diese Sorgen kaum wahrgenommen“, hat die Pädagog<strong>in</strong><br />
festgestellt. Schlittert der Vere<strong>in</strong>ssport also <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Krise?<br />
„Nicht unbed<strong>in</strong>gt. Aber es muss etwas getan werden“, sagt<br />
Brettschneider. Bei der Formulierung ihres Selbstverständnisses<br />
empfiehlt der Sportwissenschaftler den Vere<strong>in</strong>en schlicht mehr<br />
Bescheidenheit. Doch gerade die überzogenen Ansprüche<br />
bescheren dem organisierten Sport e<strong>in</strong> hohes Prestige. So bekundete<br />
Bundes<strong>in</strong>nenm<strong>in</strong>ister Otto Schily bei den Haushaltsberatungen<br />
im vergangenen Jahr: „Wir sollten den hohen Stellenwert<br />
des Sports immer wieder betonen. Er hat e<strong>in</strong>e hohe Integrationskraft<br />
<strong>in</strong> der Gesellschaft.“ <strong>Die</strong> Volksvertreter <strong>in</strong> Bund,<br />
Ländern und Kommunen bedenken den Sport nicht alle<strong>in</strong> mit<br />
warmen Worten. Im neuen Etat des Bundes<strong>in</strong>nenm<strong>in</strong>isteriums<br />
steigen die Zuwendungen für die Förderung des Leistungssports<br />
um 10 Millionen Mark auf 489,5 Millionen (250,3<br />
Mio. Euro). Davon profitiert nicht nur der begabte Nachwuchs<br />
<strong>in</strong> den Kadern, auch der Breitensport wird generös<br />
bezuschusst: 29 Millionen Mark (14,8 Mio. Euro) <strong>in</strong>vestiert<br />
der Bund beispielsweise unter dem Motto „Goldener Plan<br />
Ost“ <strong>in</strong> Sportstätten <strong>in</strong> den neuen Bundesländern. Für die<br />
Jugendarbeit <strong>in</strong> den Verbänden bleiben noch m<strong>in</strong>destens 3<br />
Millionen Mark (1,53 Mio. Euro) Fördergeld übrig.<br />
Dennoch sche<strong>in</strong>t es, als würde angesichts der neuen Erkenntnisse<br />
auf Funktionärsebene künftig Demut geprobt. Manfred von<br />
Richthofen, Präsident des Deutschen Sportbundes, gibt sich<br />
resigniert: „Wir fragen uns natürlich, können wir alle Aufgaben,<br />
die an uns herangetragen werden, wirklich konsequent erfüllen.<br />
Und da müssen wir sagen: Ne<strong>in</strong>. Wir werden also <strong>in</strong><br />
Zukunft verstärkt auch Aufgaben abweisen, so wichtig sie<br />
auch se<strong>in</strong> mögen“, sagte er dem ZDF. Dabei wäre der organisierte<br />
Sport schon wegen der großen Zahl se<strong>in</strong>er jungen Anhänger<br />
prädest<strong>in</strong>iert, erzieherische Verantwortung zu übernehmen. In<br />
87 000 Vere<strong>in</strong>en s<strong>in</strong>d 9 Millionen Jugendliche aktiv, das s<strong>in</strong>d<br />
nach Angaben der Deutschen Sportjugend mehr als die Hälfte<br />
e<strong>in</strong>es jeden Jahrgangs. Der Sportvere<strong>in</strong> ist damit die unangefochtene<br />
Nummer e<strong>in</strong>s unter allen deutschen Jugendorganisationen,<br />
stellt die Shell-Jugendstudie aus dem Jahr 2000 fest.<br />
<strong>Die</strong>s alle<strong>in</strong> reicht jedoch nicht, um tatsächlich auch sozial e<strong>in</strong>e<br />
tragende Rolle zu spielen. Sportwissenschaftler Brettschneider<br />
fordert Konzepte: „<strong>Die</strong> Vere<strong>in</strong>e wollten alles auf e<strong>in</strong>mal se<strong>in</strong> –<br />
e<strong>in</strong> Kaufhaus, das für alle Kunden passende Produkte anbietet,<br />
e<strong>in</strong> hoch spezialisiertes Fachgeschäft und dann auch noch<br />
e<strong>in</strong>e Sozialstation.“ Er ermuntert all jene, die <strong>in</strong> <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Jugendarbeit leisten, se<strong>in</strong>e Forschungsergebnisse als Chance<br />
zu begreifen: „Es gilt, die eigene Arbeit nicht mit Erwartungen<br />
zu überfrachten und sich e<strong>in</strong> differenziertes Profil zu geben.“<br />
Dass dies möglich ist und an der Basis längst praktiziert wird,<br />
zeigt e<strong>in</strong> Beispiel aus Hamburg: Im Eimsbütteler Sternschanzenpark<br />
führt der Weg zum Sport vorbei an Fixern. Mitten im<br />
Abseits der Leistungsgesellschaft spielen Teenager Fußball.<br />
Heike Rosemann ist stolz, <strong>in</strong> nur drei Jahren e<strong>in</strong>e Fußball-<br />
Jugendabteilung mit sieben neuen Teams für den SC Sternschanze<br />
aufgebaut zu haben. 140 K<strong>in</strong>der und Jugendliche tra<strong>in</strong>ieren<br />
regelmäßig – und es kommen immer mehr.<br />
Alle paar M<strong>in</strong>uten muss die resolute Blonde potentiellen<br />
Nachwuchskickern e<strong>in</strong> Anmeldeformular <strong>in</strong> die Hand drücken.<br />
„Wir nehmen auch Jugendliche, die ke<strong>in</strong> anderer Vere<strong>in</strong> wollte“,<br />
sagt die Mutter zweier Söhne. „Rund die Hälfte der A-Jugend-<br />
Spieler kommen aus Jugendhilfe-E<strong>in</strong>richtungen.“ Sie selbst<br />
hat die Abteilung gegründet. Weil sie wollte, dass ihre „Jungs<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Team Fußball spielen, das nicht nur strikt nach Leistung<br />
geht“.<br />
Mit diesem Ans<strong>in</strong>nen war das Profil der Vere<strong>in</strong>sjugend Sternschanze<br />
vorgezeichnet, die sozialen Erfolge folgten prompt.<br />
Heike Rosemann: „Zwei Jugendliche gehen demnächst zum<br />
Schiedsrichterlehrgang, zwei werden Tra<strong>in</strong>er.“ Es s<strong>in</strong>d die<br />
verme<strong>in</strong>tlichen Problem-Jugendlichen, die sich nun für Jüngere<br />
<strong>in</strong> die Pflicht nehmen lassen.<br />
„Mir reicht das als Beweis dafür, dass der Sportvere<strong>in</strong> die<br />
soziale Kompetenz positiv bee<strong>in</strong>flussen kann“, bef<strong>in</strong>det die<br />
Jugendleiter<strong>in</strong>. Dass gerade <strong>in</strong> Sachen Suchtprävention ke<strong>in</strong>e<br />
Wunder zu erwarten s<strong>in</strong>d, ist ihr dabei bewusst. „Ob die Kids <strong>in</strong><br />
zehn Jahren trotzdem drogenabhängig s<strong>in</strong>d, kann nur die Zeit<br />
zeigen“, sagt sie und fügt achselzuckend h<strong>in</strong>zu: „Natürlich<br />
tr<strong>in</strong>ken die Großen hier ihr Bier.“ Das schmeckt eben immer.<br />
Und überall.
100<br />
101<br />
6.0 Öffentliche Me<strong>in</strong>ungen<br />
Sonderveröffentlichung<br />
„Wir im Sport“ 06/2001<br />
Zusammenfassung von Prof. Dr. W.-D. Brettschneider und<br />
Torsten Kle<strong>in</strong>e<br />
„Brettschneider-Studie“<br />
Jugendarbeit im Sportvere<strong>in</strong> – Anspruch und<br />
Wirklichkeit – E<strong>in</strong>e Evaluationsstudie<br />
Zwischen 1998 und 2000 untersuchte e<strong>in</strong> Team der Universität<br />
Paderborn unter der Leitung des Sportwissenschaftlers Prof.<br />
Dr. Wolf-<strong>Die</strong>ter Brettschneider die Jugendarbeit <strong>in</strong> nordrhe<strong>in</strong>westfälischen<br />
<strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n. Zentrale Befunde der Studie, die<br />
das M<strong>in</strong>isterium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport<br />
des Landes NRW <strong>in</strong> Auftrag gegeben hatte, wurden vor kurzem<br />
<strong>in</strong> Düsseldorf vorgestellt.<br />
Jugendarbeit <strong>in</strong> <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n soll – im Selbstverständnis des<br />
organisierten Sports wie auch <strong>in</strong> den Vorstellungen von Staat<br />
und Politik – zum e<strong>in</strong>en das sportliche Engagement im Vere<strong>in</strong><br />
fördern und zum anderen die Persönlichkeitsentwicklung von<br />
jungen Menschen <strong>in</strong> all ihren Facetten unterstützen und folglich<br />
dem Geme<strong>in</strong>wohl dienen. Aufschluss zu gew<strong>in</strong>nen, <strong>in</strong>wieweit<br />
die <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> diesem Anspruch gerecht werden, war das<br />
Ziel der Forschungsarbeit.<br />
<strong>Die</strong> Gesamtkonzeption sah drei Teilstudien vor: e<strong>in</strong>e Fragebogenerhebung,<br />
motorische Tests und Interviews mit Vere<strong>in</strong>sjugendlichen<br />
und deren Eltern. Untersucht wurden Gymnasiasten<br />
und Hauptschüler nach spezifischen Verteilungskriterien an<br />
40 ausgewählten Schulen Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalens im Alter zwischen<br />
12 und 16 Jahren. Zugleich wurde die Vere<strong>in</strong>slandschaft <strong>in</strong><br />
ihrer Vielfalt und Buntheit abgebildet. <strong>Die</strong> Ergebnisse s<strong>in</strong>d für<br />
die genannte Population verallgeme<strong>in</strong>erbar. Alle Teilstudien<br />
waren längsschnittlich (Messung über e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum<br />
– Anmerkung der Redaktion) angelegt. Das heißt, die Jugendlichen<br />
wurden im Verlauf von drei Schuljahren mehrfach<br />
untersucht. Auf diese Weise konnten Aussagen über die <strong>in</strong>dividuelle<br />
Entwicklung aller Probanden gemacht und zugleich<br />
Vergleiche zwischen aktiven Vere<strong>in</strong>smitgliedern und vere<strong>in</strong>sdistanzierten<br />
Jugendlichen angestellt werden.<br />
<strong>Die</strong> wichtigsten Befunde:<br />
Nach wie vor ist der Sportvere<strong>in</strong> die unangefochtene No. 1 unter<br />
den Jugendsportorganisationen. In Übere<strong>in</strong>stimmung mit der<br />
aktuellen Shell-Jugendstudie wird im Zehnjahresvergleich<br />
tendenziell sogar e<strong>in</strong>e Steigerung des Organisationsgrades festgestellt.<br />
Mehr als 60% der 12jährigen und ca. 40% der 18jährigen<br />
s<strong>in</strong>d aktive Mitglieder im Sportvere<strong>in</strong> (mehr Jungen als<br />
Mädchen, mehr Gymnasiasten als Hauptschüler). 18jährige<br />
aktive Vere<strong>in</strong>smitglieder s<strong>in</strong>d im Durchschnitt 9 Jahre im Vere<strong>in</strong><br />
und verbr<strong>in</strong>gen dort etwa 5 Stunden pro Woche.<br />
Fazit: Der Vere<strong>in</strong> besitzt e<strong>in</strong>e hohe Integrationskraft<br />
Bei den motorischen Tests verfügen Vere<strong>in</strong>sjugendliche h<strong>in</strong>sichtlich<br />
Schnelligkeit, Kraft, Ausdauer und Koord<strong>in</strong>ationsfähigkeit<br />
durchgängig über die besseren Ausgangswerte. Im Entwicklungsverlauf<br />
kommt es – von Ausnahmen abgesehen, wo<br />
die Leistungsabstufungen gleich bleiben – zumeist zu e<strong>in</strong>er Annäherung<br />
der Entwicklungsl<strong>in</strong>ien. <strong>Die</strong> Verlaufsl<strong>in</strong>ien zur motorischen<br />
Leistungsfähigkeit lassen Entwicklungsvorteile auf Seiten<br />
der Vere<strong>in</strong>sjugendlichen kaum erkennen.<br />
Fazit: Den <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n gel<strong>in</strong>gt es offensichtlich, die motorisch<br />
begabten und sportlich <strong>in</strong>teressierten K<strong>in</strong>der und Jugend-<br />
lichen zu rekrutieren und an sich zu b<strong>in</strong>den. Der anfangs vorhandene<br />
Leistungsvorsprung wird gehalten, kann aber zumeist<br />
nicht ausgebaut werden. Der Vere<strong>in</strong>ssport ist <strong>in</strong>sofern eher als<br />
„Bewahrer“ denn als Förderer der motorischen und sportlichen<br />
Potenziale se<strong>in</strong>es Nachwuchses e<strong>in</strong>zustufen.<br />
Kann der Jugendsport im Vere<strong>in</strong> dazu beitragen, Ressourcen<br />
zu erschließen, den Heranwachsenden bei der Bewältigung<br />
ihrer Entwicklungsaufgaben zu helfen? Aufschluss kann das<br />
Bild geben, das Jugendliche von sich selbst haben.<br />
Bei der Entwicklung des Selbstwertgefühls profitieren Heranwachsende<br />
von ihrem Engagement im Sportvere<strong>in</strong>, allerd<strong>in</strong>gs<br />
geschlechtsspezifisch unterschiedlich. Mädchen entdecken<br />
den Sport als Quelle des Selbstwertgefühls im Entwicklungsverlauf<br />
eher als Jungen; letztere profitierten länger. Bei der<br />
E<strong>in</strong>schätzung ihrer sozialen Beziehungen zu Gleichaltrigen des<br />
gleichen und des anderen Geschlechts wie auch des <strong>in</strong>tergenerationellen<br />
Verhältnisses unterscheiden sich Vere<strong>in</strong>sjugendliche<br />
nicht signifikant von ihren vere<strong>in</strong>sdistanzierten Altersgenossen.<br />
Der Aufbau von Freundeskreisen mag zeitweise vom Sportvere<strong>in</strong><br />
positiv bee<strong>in</strong>flusst werden. E<strong>in</strong>e nachhaltige Wirkung<br />
auf das soziale Selbstkonzept kann nicht nachgewiesen werden.<br />
Bei der E<strong>in</strong>schätzung der eigenen sportlichen Leistungsfähigkeit<br />
wie auch der Zufriedenheit mit der eigenen körperlichen<br />
Attraktivität gibt es geschlechtsunabhängig mehr Geme<strong>in</strong>samkeiten<br />
als Differenzen zwischen jugendlichen Vere<strong>in</strong>smitgliedern<br />
und Nicht-Mitgliedern.<br />
Wenn es um die emotionale Stabilität und ihre Entwicklung<br />
im Jugendalter geht, stellen Alter und vor allem das Geschlecht<br />
die wichtigsten E<strong>in</strong>flussvariablen dar. E<strong>in</strong> systematischer E<strong>in</strong>fluss<br />
des Sportengagements im Vere<strong>in</strong> kann nicht nachgewiesen<br />
werden.<br />
Wenn Belastungen im Jugendalter nicht bewältigt werden,<br />
spiegelt sich das häufig <strong>in</strong> psychosomatischen Beschwerden und<br />
im Problemverhalten der betroffenen Heranwachsenden wider.<br />
Vor Schlafstörungen und Kopfschmerzen s<strong>in</strong>d Vere<strong>in</strong>sjugendliche<br />
im Entwicklungsverlauf weniger betroffen als ihre vere<strong>in</strong>sdistanzierten<br />
Altersgenossen. <strong>Die</strong> Prävalenzrate weiterer Sieben<br />
erfasster psychosomatischer Beschwerdebilder lassen ke<strong>in</strong>e<br />
Unterschiede zwischen der Untersuchungs- und der Kontrollgruppe<br />
erkennen.<br />
<strong>Die</strong> Befunde zum jugendlichen Problemverhalten:<br />
In ihrem Alkoholkonsum s<strong>in</strong>d jugendliche Vere<strong>in</strong>ssportler<br />
ke<strong>in</strong>eswegs zurückhaltender als Nicht-Mitglieder. Bei Zigaretten<br />
sieht die Entwicklung anders aus: <strong>Die</strong> Konsumraten der Vere<strong>in</strong>sjugendlichen<br />
liegen deutlich niedriger. Offensichtlich befürchten<br />
die Vere<strong>in</strong>smitglieder E<strong>in</strong>bußen ihrer sportlichen Leistungen<br />
durch Nikot<strong>in</strong>. In beiden Punkten gibt es große sportartspezifische<br />
Unterschiede. Beim Konsum von Bier und Zigaretten<br />
s<strong>in</strong>d Vere<strong>in</strong>sfußballspieler Spitzenreiter.<br />
Beim Konsum illegaler Drogen gibt es im Durchschnitt ke<strong>in</strong>e<br />
Unterschiede zwischen Vere<strong>in</strong>smitgliedern und Nicht-Mitgliedern.<br />
Bei der Entwicklung der leichten Del<strong>in</strong>quenz ist für jüngere<br />
Heranwachsende von e<strong>in</strong>er protektiven Wirkung des Vere<strong>in</strong>s auszugehen,<br />
die sich im Verlauf der Jugendphase verflüchtigt.<br />
<strong>Die</strong> Prävalenzraten bei schwerer Del<strong>in</strong>quenz s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sgesamt<br />
niedrig und schließen <strong>in</strong>sofern überzeugende Interpretationen aus.<br />
Fazit: Der Sportvere<strong>in</strong> wird <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Leistungen und se<strong>in</strong>er<br />
Leistungsfähigkeit für die Entwicklung der psychosozialen<br />
Gesundheit überschätzt.<br />
Insgesamt legen unsere Befunde nahe, allzu optimistische Annahmen<br />
von positiven Wirkungen der <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> auf die<br />
jugendliche Entwicklung zu relativieren. Wenn sich Vere<strong>in</strong>sjugendliche<br />
<strong>in</strong> manchen Aspekten von ihren vere<strong>in</strong>sdifferenzierten<br />
Altersgenossen unterscheiden, dann dürfte dies vor<br />
allem der Tatsache geschuldet zu se<strong>in</strong>, dass vor allem solche<br />
Jugendliche vermehrt <strong>in</strong> den Sportvere<strong>in</strong> gehen und sich an<br />
ihn b<strong>in</strong>den, die sich von vornehere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er starken Physis und<br />
Psyche erfreuen.<br />
Der Sportvere<strong>in</strong> stellt e<strong>in</strong> Feld dar, <strong>in</strong> dem Jugendliche vielfältige<br />
Erfahrungen machen können, die für ihre Entwicklung<br />
bedeutsam s<strong>in</strong>d. Deshalb sollte die Jugendarbeit des Sportvere<strong>in</strong>s<br />
weiterh<strong>in</strong> auf die beiden Säulen setzen: die Förderung des<br />
Sportengagements und die Unterstützung jugendlicher Entwicklung.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs stellen sich Wirkungen sportlicher Aktivität<br />
nicht automatisch e<strong>in</strong>. Weder die Förderung psychosozialer<br />
Gesundheit noch die Entwicklung motorischer Leistungsfähigkeit<br />
geschieht so nebenbei. Dazu bedarf es e<strong>in</strong>er spezifischen<br />
Inszenierung des Sports sowie entsprechender Kompetenzen<br />
und Ressourcen auf Seiten derer, die ihn anbieten und<br />
vermitteln.<br />
Den von außen aufgebürdeten oder selbst auferlegten Leistungsansprüchen<br />
kann der Sportvere<strong>in</strong> angesichts der sozialen<br />
und kulturellen Umbrüche <strong>in</strong> unserer Gesellschaft nicht<br />
gerecht werden. Wenn befürchtet wird, dass Sozialisations<strong>in</strong>stanzen<br />
wie Schule und Elternhaus ihre Erziehungsaufgaben<br />
nicht mehr h<strong>in</strong>reichend wahrnehmen (können), kann auch der<br />
Sportvere<strong>in</strong> nicht die Rolle e<strong>in</strong>es Reparaturbetriebes für gesellschaftliche<br />
Defizite übernehmen. <strong>Die</strong> Empfehlungen an den<br />
organisierten Sport lauten: Er kann sich se<strong>in</strong>es pädagogischen<br />
und sozialen Potenzials durchaus sicher se<strong>in</strong>. Bei der Erschließung<br />
dieses Potenzials ist mehr Realitätss<strong>in</strong>n und mehr<br />
Bescheidenheit an den Tag zu legen. Anzuraten ist e<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>wendung<br />
zur Qualitätssicherung und damit verbunden zu verstärkter<br />
Evaluation. Wenn es gelänge, e<strong>in</strong>e neue Debatte um<br />
Profilbildung und Neuorientierung der <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> zu eröffnen,<br />
hätte die Studie mit ihren Befunden e<strong>in</strong>e wichtige Aufgabe<br />
erfüllt.<br />
<strong>Die</strong> Studie „Jugendarbeit <strong>in</strong> <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n“ ist als Broschüre<br />
kostenfrei erhältlich beim:<br />
M<strong>in</strong>isterium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport,<br />
Breite Str. 27, 40190 Düsseldorf, Fax: 0211/3843603, E-mail:<br />
presse@mswks.nrw.de<br />
Stellungnahme des LandesSportBundes Nordrhe<strong>in</strong>-<br />
Westfalen zu den Ergebnissen des Forschungsprojektes<br />
„Jugendarbeit im Sportvere<strong>in</strong>“ durch<br />
den Vizepräsidenten Dr. Johannes Euler<strong>in</strong>g<br />
Der LandesSportBund Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen bedauert, dass es<br />
zu e<strong>in</strong>er voreiligen Veröffentlichung von Teilen der Ergebnisse<br />
des Forschungsprojektes <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Tageszeitungen gekommen<br />
ist. <strong>Die</strong> Darstellungen legen höchst e<strong>in</strong>seitige Maßstäbe<br />
an und verkürzen die generellen Möglichkeiten e<strong>in</strong>er zeitgemäßen<br />
Jugendarbeit im Sport auf wenige Aussagen. <strong>Die</strong>se<br />
Darstellungen der Ergebnisse und möglicher Konsequenzen<br />
für die Sportorganisationen s<strong>in</strong>d tendenziös und <strong>in</strong> dieser<br />
Form durch die Untersuchung nicht gedeckt.<br />
Unabhängig von dieser „unglücklichen“ Form der Erstveröffentlichung<br />
sieht sich der LandesSportBund Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen<br />
durch die nunmehr vorliegenden Ergebnisse <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />
E<strong>in</strong>schätzung bestätigt, dass die <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> unseres Landes<br />
e<strong>in</strong>e hohe Attraktivität für junge Leute haben, die sich <strong>in</strong>sbesondere<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er großen und lang andauernden Mitgliedschaft<br />
ausdrücken. <strong>Die</strong>se „B<strong>in</strong>dungskraft“ unserer Vere<strong>in</strong>e, die auf<br />
fast die Hälfte aller jungen Menschen im Alter von 12–18 Jahren<br />
wirkt, kann ke<strong>in</strong>e andere Freiwilligenorganisation auch nur<br />
annähernd nachweisen. Wir freuen uns ausdrücklich über die<br />
Feststellung im Untersuchungsbericht, dass „der Sportvere<strong>in</strong><br />
unter quantitativen Gesichtspunkten die mit Abstand bedeutendste<br />
Jugendorganisation ist; ke<strong>in</strong>e andere erreicht e<strong>in</strong>en<br />
Organisationsgrad von mehr als 5 %.“ (S. 490)<br />
Wir s<strong>in</strong>d selbstverständlich weiterh<strong>in</strong> der Me<strong>in</strong>ung, dass <strong>in</strong><br />
unseren <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n zunächst und vor allem spezifische<br />
Fähigkeiten im Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g gelernt und geübt und im Wettkampf<br />
überprüft werden. In den Vere<strong>in</strong>en wird angebotsspezifisch,<br />
bei jungen Menschen vielfach <strong>in</strong> den sogenannten klassischen<br />
Sportarten mit sehr unterschiedlichen motorischen Anforderungen,<br />
tra<strong>in</strong>iert. Wir halten (sozusagen bis zum Beweis des<br />
Gegenteils) an der vielfach gemachten Erfahrung fest, dass<br />
z.B. e<strong>in</strong>e junge Tischtennis- oder Badm<strong>in</strong>tonspieler<strong>in</strong> mit regelmäßigem<br />
Vere<strong>in</strong>stra<strong>in</strong><strong>in</strong>g im Durchschnitt und unter sonst<br />
gleichen Bed<strong>in</strong>gungen besser spielt als e<strong>in</strong>e Spieler<strong>in</strong> ohne<br />
Vere<strong>in</strong>smitgliedschaft.<br />
Zudem ist es angesichts der sehr schwierigen, von vielfältigen<br />
Brüchen gekennzeichneten Lebensphase junger Leute im Alter<br />
von 12–18 Jahren e<strong>in</strong> positiver Befund, wenn nachgewiesen<br />
wird, dass Selbstwertgefühl und emotionale Stabilität <strong>in</strong> dieser<br />
Zeit bei jugendlichen Vere<strong>in</strong>smitgliedern auf hohem Niveau<br />
bleiben.<br />
Wir haben zur Kenntnis zu nehmen, dass – mit Ausnahme des<br />
Zigarettenkonsums – der Konsum legaler und illegaler Drogen<br />
bei jugendlichen Vere<strong>in</strong>smitgliedern genauso hoch ist wie bei<br />
vere<strong>in</strong>sungebundenen jungen Menschen.<br />
Neben vielen <strong>in</strong>teressanten Ergebnissen, die <strong>in</strong> weiteren Auswertungen<br />
noch detaillierter zu erschließen s<strong>in</strong>d, macht die<br />
Untersuchung aber e<strong>in</strong>es ganz deutlich:<br />
<strong>Die</strong> Sportorganisationen, und besonders unsere <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong><br />
werden immer wieder mit sehr hohen, teilweise unrealistischen<br />
Erwartungen h<strong>in</strong>sichtlich ihrer Leistungen und Wirkungen<br />
auch und gerade für die Persönlichkeitsentwicklung junger<br />
Menschen konfrontiert. Auch Vertreter<strong>in</strong>nen und Vertreter des<br />
Sports haben entsprechende Vorstellungen aufgegriffen, um<br />
öffentliche Förderung und politische Akzeptanz zu sichern.<br />
<strong>Die</strong> Ergebnisse der Untersuchung ermutigen uns, unsere bereits<br />
vor e<strong>in</strong>iger Zeit begonnene Reflexion und Diskussion über<br />
unser Selbstverständnis, über Potentiale, Ziele und Aufgaben<br />
der Sportorganisationen fortzusetzen.<br />
Bereits seit vielen Jahren bef<strong>in</strong>det sich der LandesSportBund<br />
Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>tensiven Me<strong>in</strong>ungsaustausch<br />
mit Vertreter<strong>in</strong>nen und Vertretern der <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> über die Frage<br />
der künftigen Vere<strong>in</strong>sentwicklung.<br />
In diesem Diskurs mit der Basis, der auch während des Kongresses<br />
„Hauptsache: Sport“ im Mai 1997 <strong>in</strong> Duisburg stattfand,<br />
ist deutlich geworden, dass viele <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> erkannt haben,<br />
dass sie für ihre künftige Entwicklung e<strong>in</strong> deutliches Profil<br />
für ihre Angebote und Leistungen benötigen. Sie wollen die<br />
Qualität ihrer Organisations- und Betreuungsleistungen erhöhen.<br />
Sie setzen dabei auch auf die Unterstützung durch die Sportverbände<br />
und Bünde und erwarten staatliche Förderung.<br />
Wir ziehen aus den Ergebnissen und den bereits jetzt vorliegenden<br />
öffentlichen und <strong>in</strong>ternen Bewertungen den Schluss,
102<br />
103<br />
6.0 Öffentliche Me<strong>in</strong>ungen<br />
dass es dr<strong>in</strong>gend erforderlich ist, <strong>in</strong>nerhalb unserer eigenen<br />
Reihen – aber auch <strong>in</strong> der Öffentlichkeit – die Erwartungen,<br />
die an die <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> gerichtet werden können, auf e<strong>in</strong>e realistische<br />
Grundlage zu stellen und zu präzisieren.<br />
In diesem Zusammenhang und zur richtigen E<strong>in</strong>schätzung der<br />
jetzt vorgelegten Untersuchung gehört auch die Klarstellung,<br />
dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er pluralisierten, hochkomplex organisierten Gesellschaft<br />
mit vielen Brüchen und Widersprüchen ke<strong>in</strong>e Sozialisations<strong>in</strong>stanz<br />
– auch nicht die „klassischen“ Instanzen Familie<br />
und Schule – die <strong>in</strong> sie gesetzten hohen Erwartungen erfüllt.<br />
In diesem Institutionenvergleich wird dann auch zu klären<br />
se<strong>in</strong>, dass von e<strong>in</strong>er Freiwilligenorganisation mit ungleich<br />
bescheideneren Ressourcen nicht von vornhere<strong>in</strong> und ohne<br />
präzise Absprachen die gleichen oder gar bessere Leistungen<br />
und Ergebnisse erwartet werden können. <strong>Die</strong> derzeitigen Beiträge<br />
des Sports s<strong>in</strong>d beträchtlich, die Sportorganisationen s<strong>in</strong>d<br />
bereit, über weitere Verbesserungen zu diskutieren und diese<br />
umzusetzen. Wir setzen dabei darauf, dass gezielte Aktivitäten<br />
zur Verbesserung der Vere<strong>in</strong>sangebote, zur Verbesserung der<br />
organisatorischen und personellen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen unserer<br />
<strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> durch die Sportwissenschaft unterstützt und durch<br />
das Land gefördert werden.<br />
Zur Zeit werden die Ergebnisse des Projektes mit bereits vorliegenden<br />
Befunden <strong>in</strong> früheren Untersuchungen abgeglichen.<br />
Wir werden daraus <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit dem <strong>in</strong> unserem Hause<br />
erarbeiteten Strategiekonzept „Hauptsache: Sport“ die Felder<br />
ermitteln, <strong>in</strong> denen wir unseren Vere<strong>in</strong>en gezielte Maßnahmen<br />
zur Weiterentwicklung ihrer geme<strong>in</strong>nützigen Arbeit vorschlagen.<br />
Wir werden sie auch ermutigen, sich an e<strong>in</strong>em im Aufbau<br />
bef<strong>in</strong>dlichen Qualitätsmanagementsystem des Sports <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen<br />
zu beteiligen, um qualitativ hochwertige Leistungen<br />
zu erbr<strong>in</strong>gen und diese durch entsprechende Auswertungen<br />
und Ergebnispräsentationen belegen zu können.<br />
<strong>Die</strong> Impulse, Anregungen und Vorschläge, die <strong>in</strong> der Diskussion<br />
über die Untersuchungsergebnisse gegeben bzw. entwickelt<br />
werden, werden <strong>in</strong> den <strong>in</strong> diesen Tagen anlaufenden Gesprächen<br />
über e<strong>in</strong>en „Pakt für den Sport <strong>in</strong> NRW“ Berücksichtigung<br />
f<strong>in</strong>den. In diesem Dialog – zunächst zwischen Landesregierung<br />
und LandesSportBund – werden sich die Gesprächspartner<br />
über Ziele und Aufgaben <strong>in</strong> den wichtigsten Feldern der<br />
Sportentwicklung unseres Landes verständigen und entsprechende<br />
Prioritäten <strong>in</strong> der Sportförderung für die nächsten Jahre<br />
setzen. Art, Umgang und Qualität der Angebote unserer <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong><br />
für junge Menschen werden e<strong>in</strong>en wichtigen Platz auf<br />
der Agenda erhalten.<br />
Der LandesSportBund Nordrhe<strong>in</strong>- Westfalen wird Untersuchungen<br />
und Analysen von ausgewählten <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n, ihrer<br />
Angebote, der Qualität der genutzten Sportanlagen sowie der<br />
Leistungen der tätigen Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter und<br />
der Zufriedenheit der Vere<strong>in</strong>smitglieder durchführen und der<br />
Öffentlichkeit präsentieren. E<strong>in</strong> besonderer Akzent wird dabei<br />
auf die Betreuungsleistungen für junge Menschen <strong>in</strong> verschiedenen<br />
Typen von <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n und mit unterschiedlichen<br />
Sportangeboten (u. a. Sportarten) gelegt werden.<br />
Wir im Sport im Gespräch mit Dr. Klaus Balster<br />
Vorstandsmitglied der Sportjugend NRW und<br />
u.a. Vorsitzender des Ressorts „Bewegung,<br />
Spiel und Sport für K<strong>in</strong>der und Jugendliche“<br />
WIS: Wie e<strong>in</strong>e Bombe schlugen die ersten Vorveröffentlichungen<br />
der Ergebnisse der sogenannten „Brettschneider-Studie“<br />
e<strong>in</strong>. Frei nach dem Motto „Schlechte Nachrichten s<strong>in</strong>d<br />
gute Nachrichten“ berichteten Zeitungen mit Überschriften<br />
wie: „<strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> im Zwielicht“, „Beim Konsum von Alkohol<br />
und Zigaretten s<strong>in</strong>d Vere<strong>in</strong>sfußballer Spitze“, „Erschütternde<br />
Ergebnisse beunruhigen“ oder „Vere<strong>in</strong>e machen Jugendliche<br />
nicht fitter fürs Leben“. Mit Häme und Spott reagierten manche<br />
Zeitgenossen auf diese Schlagzeilen.<br />
Womit erklären Sie sich die Form der Berichterstattung,<br />
durch die sich viele tausend ehrenamtliche Sportvere<strong>in</strong>smitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />
und –mitarbeiter vor den Kopf gestoßen fühlen?<br />
Balster: <strong>Die</strong> bisherigen plakativ aufbereiteten Aussagen verschiedener<br />
Medien resultieren alle<strong>in</strong>e aus e<strong>in</strong>er ersten für die<br />
Presse aufbereiteten Kurzfassung der Sportjugendstudie (meist<br />
4 Seiten!), die ke<strong>in</strong>e objektiven, zuverlässigen Interpretationen<br />
und ke<strong>in</strong>e konstruktiven Schlüsse erlauben. <strong>Die</strong> Form, die die<br />
meisten der schreibenden Zunft wählten, gründet sich nicht<br />
auf e<strong>in</strong>en verantwortlichen Umgang mit Ergebnisdaten, sondern<br />
redet e<strong>in</strong>em re<strong>in</strong> populistischen Weg das Wort. Darum ist diese<br />
Form überhaupt nicht zu billigen!<br />
Kaum e<strong>in</strong>e Zeitung war um e<strong>in</strong>e objektive Berichterstattung<br />
bemüht, denn dazu hätten die Redakteure und Redakteur<strong>in</strong>nen<br />
zunächst die Gesamtstudie von knapp 500 Seiten lesen müssen.<br />
Denn dann ersche<strong>in</strong>en Aussagen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em anderen Zusammenhang.<br />
<strong>Die</strong>sen „analytischen Kenntnisstand“ hätte ich sowohl e<strong>in</strong>igen<br />
Verantwortungsträgern <strong>in</strong> den Sportverbänden gewünscht, die<br />
durch ihre „zu schnellen“ Funktionärs-Reaktionen bei vielen<br />
Vere<strong>in</strong>smitstreitern unnötige Verunsicherungen auslösten, als<br />
auch Vertretern aus Organisationen außerhalb des Sports bzw.<br />
politisch Verantwortlichen <strong>in</strong> Jugendhilfeausschüssen, die<br />
schon die qualitativen Leistungen der größten Jugendorganisation<br />
und damit f<strong>in</strong>anzielle Jugendförderungen durch das<br />
Land <strong>in</strong> Frage stellen. Darum wird e<strong>in</strong>e umfängliche konstruktive<br />
Ause<strong>in</strong>andersetzung mit der Studie nötig!<br />
WIS: Wir haben <strong>in</strong> der Vergangenheit auch <strong>in</strong> unserem Magaz<strong>in</strong><br />
immer wieder die positiven Aspekte unserer Jugendarbeit herausgestellt.<br />
Wir haben uns auf den Weg gemacht, ebenso die<br />
Anerkennung der sportlichen Jugendarbeit als förderungswürdige<br />
Jugendarbeit im Rahmen des K<strong>in</strong>der und Jugendhilfegesetzes<br />
zu erreichen. Ist das alles falsch, müssen wir unsere<br />
Auffassung korrigieren oder nur präzisieren?<br />
Balster: Ne<strong>in</strong> – die größte Jugendorganisation erhält zu recht<br />
staatliche Förderungen, wie dies e<strong>in</strong>drucksvoll e<strong>in</strong>ige Detaildaten<br />
der Studie zeigen. Beurteilen Sie e<strong>in</strong>mal, was Brettschneider<br />
selbst formuliert:<br />
Zusammenstellung von Dr. Klaus Balster<br />
(In Klammern jeweils die Seitenzahlen der Studie,<br />
SV=Sportvere<strong>in</strong>, SM=Sportvere<strong>in</strong>smitglied):<br />
Wie Jugendliche den Sportvere<strong>in</strong> sehen!<br />
• nicht verstaubt (S.85), sondern aufgeschlossen und vielfältig<br />
(S.95)<br />
• Jugendliche <strong>in</strong>ternationaler Herkunft sehen SV als offenherzig<br />
an (S.86)<br />
• Tendenz: Populär, leicht zugänglich und gut ausgestattet (S.86)<br />
• SV ist e<strong>in</strong> Ort der Geselligkeit (S.90); soziales Klima positiv<br />
(S.95)<br />
• Notwendigkeit für die Existenz von SV (S.91)<br />
• SV ist nicht e<strong>in</strong>seitig und e<strong>in</strong>fallslos (S.92)<br />
• Image des SV ist positiv (S.95)<br />
Sett<strong>in</strong>g für Sporttreiben<br />
Für die meisten Jugendlichen ist privat organisierter Sport e<strong>in</strong>e<br />
attraktive Ergänzung zum Vere<strong>in</strong>ssport, ke<strong>in</strong>e Alternative (S. 124)<br />
Bestätigt wird der für SV positive Befund, dass SM andere<br />
Sportgelegenheiten eher kompensatorisch, denn als Alternative<br />
zum Sportvere<strong>in</strong> aufsuchen<br />
Motorische Leistungsfähigkeit<br />
Bei der motorischen Leistungsfähigkeit weisen SM <strong>in</strong> fast<br />
allen Übungen die besseren Leistungen auf, was sich auf die<br />
bessere Konstitution der SM zurückführen lässt (S.212)<br />
SM <strong>in</strong> allen Tests bessere Werte (S.175), hoher Leistungsvorsprung<br />
Selbstkonzept<br />
• Bezüglich aller untersuchten Dimensionen des Selbstkonzeptes<br />
zeigen SM positivere Werte (S.219)<br />
• SM wird e<strong>in</strong>e stabilere emotionale Bef<strong>in</strong>dlichkeit zugeschrieben<br />
(S.246)<br />
• Losgelöst vom Entwicklungsverlauf ist der E<strong>in</strong>fluss der SM<br />
festzustellen (S.249)<br />
• SM zeigen höheres E<strong>in</strong>gangs- bzw. Endniveau <strong>in</strong> Bezug auf<br />
die E<strong>in</strong>schätzung ihres Selbstwertgefühls (S.254)<br />
• SM schätzen sich realistischer e<strong>in</strong> (S.276)<br />
Psychosomatische Beschwerden<br />
• SM berichten seltener von psychosomatischen Beschwerden<br />
(S.288)<br />
• SM haben weniger Kopfschmerzen (S.293)<br />
• SM leiden weniger an Nervosität (S.296)<br />
• SM haben weniger Magenbeschwerden (S.299)<br />
• SM leiden weniger unter Schlaflosigkeit (S.301)<br />
Jugendliches Problemverhalten<br />
• SM rauchen weniger (S.320)<br />
• SM tr<strong>in</strong>ken weniger Bier (S.320)<br />
• SM tr<strong>in</strong>ken weniger Alkoholika (S.320)<br />
• SM rauchen weniger Haschisch bzw. Marihuana (S.320)<br />
• SM zeigen ger<strong>in</strong>ge Gewaltbereitschaft (S.345/346)<br />
• SM begehen weniger schwerwiegende Eigentums- und Gewaltdelikte<br />
(S.347)<br />
• SM zeigen niedrigere und weniger steil ansteigende Quoten<br />
normverletzender Verhaltensweisen (S.348)<br />
• SM s<strong>in</strong>d seltener an Formen abweichenden Verhaltens beteiligt<br />
(S.348)<br />
Soziale Beziehungen<br />
• Mit zunehmendem Alter werden die Sportvere<strong>in</strong>snetzwerke<br />
größer, stabiler und leisten umfassende soziale Unterstützung<br />
(S.456)<br />
• Altershomogene Sportgruppen s<strong>in</strong>d vorteilhaft für die Entwicklung<br />
und den Erhalt sozialer Beziehungen (S.457)<br />
• Vere<strong>in</strong> genießt bei den Eltern e<strong>in</strong> hohes Ansehen (S.480)<br />
• E<strong>in</strong>e über Jahre gewachsene Vere<strong>in</strong>sgruppe kann tatsächlich<br />
zu e<strong>in</strong>em sozialen Netz werden, <strong>in</strong> dem die SM füre<strong>in</strong>ander<br />
e<strong>in</strong>stehen (S.485)<br />
• SV bietet Gelegenheiten, soziale Beziehungen zu knüpfen<br />
(S.485)<br />
Leistungen des Sportvere<strong>in</strong>s für se<strong>in</strong>e Jugendlichen<br />
• SV erreicht mit Abstand höchsten Organisationsgrad<br />
(S.490)<br />
• SV trägt zur Dichte des sozialen Netzwerkes von Jugendlichen<br />
bei (S.493)<br />
• Verdienst der SV, dass heute so viele Jugendliche <strong>in</strong>formellen<br />
und privat organisierten Sportaktivitäten nachgehen (S.496)<br />
Also – die Förderung ist gerechtfertigt. Nur – wir sollten diese<br />
Studie, wie wir dies auch bei anderen tun, zum Anlass nehmen<br />
und uns aktiv mit verschiedenen sportimmanenten und gesellschaftlichen<br />
Prozessen ause<strong>in</strong>andersetzen. Dazu gehört für<br />
mich auch, dass sich Funktionsträger häufiger an Entwicklungen<br />
aktiv beteiligen bzw. sich nicht notwendigen qualitativen Veränderungen<br />
verschließen.<br />
WIS: Was ist unseren Vere<strong>in</strong>smitarbeitern zusammenfassend<br />
zu den Ergebnissen der Studie zu sagen?<br />
Balster: Sportvere<strong>in</strong>smitglieder haben zu Beg<strong>in</strong>n und am<br />
Ende der Untersuchung meist bessere Werte<br />
Der Erhalt e<strong>in</strong>es höheren Niveaus ist bei SM dauerhafter; was<br />
als positiver Aspekt e<strong>in</strong>er Sportvere<strong>in</strong>ssozialisation zu werten ist<br />
• Ke<strong>in</strong>e Nivellierungseffekte (Nivellierung = Gleichmachung,<br />
A.d. Redaktion) zugunsten der SM<br />
• SM s<strong>in</strong>d nicht schlechter entwickelt<br />
• Integrationskraft der <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> als Freiwilligenvere<strong>in</strong>igung<br />
ist e<strong>in</strong> besonders wichtiger Part im gesellschaftlichen<br />
Zusammenhalt; ke<strong>in</strong>e andere Organisation erreicht vergleichbare<br />
B<strong>in</strong>dungswirkungen<br />
• Trotz der Jugendphase mit sehr vielen Brüchen bietet der<br />
Sportvere<strong>in</strong> im Gegensatz zu anderen Institutionen e<strong>in</strong>en<br />
stabilen Entwicklungsort (das Gros bleibt im Sport)<br />
• Der SV ist der grundlegende Ort, um junge Menschen für<br />
bürgerschaftliches Engagement zu gew<strong>in</strong>nen<br />
• SM weisen <strong>in</strong> ihrer motorischen Entwicklung, im Selbstkonzept<br />
und <strong>in</strong> den psychosomatischen Beschwerden günstigere<br />
Werte <strong>in</strong> be<strong>in</strong>ahe allen Fällen auf<br />
• <strong>Die</strong> Ambivalenz (Widersprüchlichkeit, A.d. Redaktion) gesellschaftlicher<br />
Zusammenhänge zeigt sich am Beispiel des<br />
Alkoholkonsums. Geselligkeit steht häufig im Zusammenhang<br />
mit Alkoholkonsum und der SV kann dadurch nicht zur<br />
alkoholfreien Zone mutieren<br />
• Primäre Aufgabe der <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> ist die geme<strong>in</strong>schaftliche<br />
Ausübung sportlicher Aktivität<br />
• SV bietet Forum für die Selbstentfaltung und persönliche<br />
Darstellung; er bietet e<strong>in</strong>e zusätzliche Option für e<strong>in</strong>en gel<strong>in</strong>genden<br />
Sozialisationsprozess
104<br />
105<br />
6.0 Öffentliche Me<strong>in</strong>ungen<br />
WIS: Welche Argumentationshilfen können wir unseren Jugendleitern,<br />
Übungsleitern, Tra<strong>in</strong>ern und Vere<strong>in</strong>s- und Jugendvorstandsmitgliedern<br />
geben, um sie fit für Diskussionen mit zum<br />
Beispiel Eltern, Politikern und Jugendfunktionären anderer<br />
Jugendverbände zu machen?<br />
Balster: Ich empfehle ihnen, sich mit den Detaildaten zu<br />
befassen, sie <strong>in</strong>tensiv und sorgfältig <strong>in</strong> den eigenen Reihen zu<br />
diskutieren und sie mit eigenen, gültigen und zuverlässigen<br />
bisherigen Programmen, Leitl<strong>in</strong>ien und Handlungsschritten zu<br />
vergleichen. Erst dann macht der Schritt S<strong>in</strong>n, auf andere Personen<br />
oder Organisationen außerhalb des Sport zuzugehen.<br />
<strong>Die</strong>ser Prozess sollte sachbezogen gestaltet werden. Sportjugend<br />
und LandesSportBund bieten hier Gesprächshilfen an.<br />
WIS: Welche Konsequenzen sollten Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach die<br />
Sportjugend NRW und der LandesSportBund aus der Studie<br />
ziehen?<br />
Balster: <strong>Die</strong>se Daten, wie auch die anderer Studien, sollten<br />
immer wieder Anlass se<strong>in</strong>, uns selbst e<strong>in</strong>en Spiegel vorzuhalten<br />
(z.B. Stichwort Erfüllung der Leitbildvorgaben) und uns <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>en permanenten gesellschaftlichen Dialog e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen.<br />
Aber auch hier bitte sachlich.<br />
Künftig sehe ich vermehrten Handlungsbedarf<br />
auf dem H<strong>in</strong>tergrund der Sportjugendstudie für<br />
folgende aktuelle Aufgaben:<br />
Studie im Blitzlicht der Wissenschaft<br />
Der LandesSportBund hat zur eigenen Me<strong>in</strong>ungsbildung drei<br />
bekannte Wissenschaftler beauftragt, e<strong>in</strong>e Stellungnahme zur<br />
Untersuchung von Professor Brettschneider abzugeben. Aus den<br />
vorliegenden Stellungnahmen s<strong>in</strong>d folgende Zitate entnommen:<br />
Univ.-Prof. Dr. Volker Rittner/Dr. Christoph Breuer<br />
(Deutsche Sporthochschule Köln, Institut für Sportsoziologie)<br />
„Von größter Bedeutung ist die Feststellung, dass die Sportorganisationen<br />
außerordentlich erfolgreich h<strong>in</strong>sichtlich der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />
von K<strong>in</strong>dern und Jugendlichen s<strong>in</strong>d. Hier s<strong>in</strong>d ausnahmsweise<br />
auch Superlativen angemessen. In e<strong>in</strong>er Zeit der<br />
Individualisierung und Differenzierung schafft es e<strong>in</strong>e Organisation<br />
bzw. e<strong>in</strong> Verbund von Organisationen – auf der Basis<br />
der Freiwilligkeit – K<strong>in</strong>der und Jugendliche zu b<strong>in</strong>den und –<br />
auf Zeit – zu <strong>in</strong>tegrieren. (…) Ke<strong>in</strong>e andere Jugendorganisation<br />
erreicht auch nur annähernd gleiche B<strong>in</strong>dungswirkungen.“<br />
E<strong>in</strong> (…) Aspekt ist, dass K<strong>in</strong>der und Jugendliche die Organisation<br />
sehr positiv beurteilen. Auch dies ist e<strong>in</strong> Ergebnis der Studie<br />
von Brettschneider/Kle<strong>in</strong>e. Damit s<strong>in</strong>d im übrigen schon erste<br />
Voraussetzungen e<strong>in</strong>es Qualitätsmerkmales erfolgt, wenn<br />
man so will, Kategorien von ‘Kundenzufriedenheit’.“ (Seite 22)<br />
Prof. Dr. <strong>Die</strong>trich Kurz/Andre Gogoll<br />
(Universität Bielefeld – Fakultät für Psychologie und Sportwissenschaften)<br />
„In querschnittlicher Perspektive (Messung zu e<strong>in</strong>em<br />
bestimmten Zeitpunkt – Anmerkung der Redaktion) ergibt sich,<br />
dass jugendliche Sportvere<strong>in</strong>smitglieder gegenüber Nichtmitgliedern<br />
<strong>in</strong> be<strong>in</strong>ahe allen Fällen die günstigeren Werte <strong>in</strong> der<br />
motorischen Entwicklung, im Selbstkonzept und <strong>in</strong> den<br />
psychosomatischen Beschwerden aufweisen. H<strong>in</strong> sichtlich<br />
des Substanzkonsums weisen beide Vergleichsgruppen ähnlich<br />
hohe Werte auf. In längsschnittlicher Perspektive (Messung<br />
über e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum – Anmerkung der Redaktion)<br />
bestätigen sich die erwarteten positiven Entwicklungen der<br />
Vere<strong>in</strong>smitglieder nicht. Sie verbessern sich im Verlauf der<br />
Jugendphase nicht stärker <strong>in</strong> den erfragten motorischen Testwerten,<br />
im Selbstkonzept, bei den psychosomatischen<br />
Beschwerden und im Problemverhalten als die Nichtmitglieder.“<br />
(Seite 17/18)<br />
„Hier liegt e<strong>in</strong>e große Herausforderung für Sportangebote, die<br />
so gestaltet werden müssen, dass sie den Jugendlichen Freiräume<br />
ermöglichen, um selbständig Regeln auszuhandeln,<br />
Rollen zu verteilen und zu übernehmen, Grenzen zu setzen<br />
und offen für neue Impulse und Veränderungen zu se<strong>in</strong>.“ (Seite 26)<br />
Impressum:<br />
Herausgeber: LandesSportBund Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen<br />
Friedrich-Alfred-Str.25,47055 Duisburg<br />
Redaktion: Michael Heise (verantwortlich)<br />
Jürgen Driever, Torsten Haselbauer,<br />
Ra<strong>in</strong>er Kusch<br />
Fotos: M<strong>in</strong>kus, Bayer, Stephan<br />
Layout: KÖLNSPORT, 2001<br />
• Ke<strong>in</strong>e anmaßenden Funktionszuschreibungen Qualitätsdiskussion/-beschreibung/-angebote;<br />
genaue Profile<br />
• Diskussion von Schlüsselqualifikationen als unterstützende<br />
Entwicklungshilfe<br />
• Spezifische und spezielle Programme für Jugendliche mit<br />
Entwicklungsstörungen<br />
• Eigene Untersuchungen bzw. punktuelle Untersuchungsergänzungen<br />
<strong>in</strong> Zusammenarbeit mit anderen E<strong>in</strong>richtungen<br />
für e<strong>in</strong>e Ganztagsbetreuung; Kooperations- und Vernetzungsmodelle;<br />
besondere Abstimmung u.a. mit Eltern und Schule.<br />
Sportjugend und LandesSportBund haben vorausschauend<br />
schon längst verabredet, sich demnächst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Arbeitsgruppe<br />
mit den Daten und deren Konsequenzen zu beschäftigen.<br />
WIS: Welche Erfordernisse s<strong>in</strong>d im geplanten „Pakt für den<br />
Sport“ zwischen Landesregierung und LandesSportBund <strong>in</strong><br />
Bezug auf Ergebnisse der Studie festzuschreiben?<br />
Balster: Wir sollten das Angebot von M<strong>in</strong>ister Vesper, das er<br />
uns <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Statement am 5. März 2001 anlässlich der Pressekonferenz<br />
zur Präsentation der Studie <strong>in</strong> Düsseldorf unterbreitet<br />
hat, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Diskussionsprozess e<strong>in</strong>zusteigen, umgehend<br />
annehmen. In diesem offenen Me<strong>in</strong>ungsdialog können<br />
wir dann unsere umfänglichen aktuellen Anstrengungen und<br />
Programme vorstellen, die die besonderen unverwechselbaren,<br />
qualitativen Möglichkeiten des Vere<strong>in</strong>ssports, vor allem im Vergleich<br />
zu anderen Organisationen bzw. Institutionen, verdeutlichen.<br />
WIS: Vielen Dank für das Gespräch.<br />
Prof. Dr. Klaus Hurrelmann<br />
(Universität Bielefeld – Fakultät für Gesundheitswissenschaften)<br />
„Aus den Ergebnissen der sozialisationstheoretischen Jugendforschung<br />
kann der Schluss gezogen werden, dass <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong><br />
wie andere Organisationen, <strong>in</strong> denen Jugendliche ihre Freizeit<br />
verbr<strong>in</strong>gen, heute strukturell nur e<strong>in</strong>en begrenzten E<strong>in</strong>fluss<br />
auf die Persönlichkeitsentwicklung und auf die Steuerung von<br />
Entwicklungs- und Gesundheitsproblemen bei Jugendlichen<br />
haben können. <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> sollten das <strong>in</strong> ihrer <strong>in</strong>ternen Arbeit<br />
ebenso berücksichtigen wie <strong>in</strong> ihrer Außendarstellung. Sie<br />
können nur als e<strong>in</strong>e Sozialisations<strong>in</strong>stanz unter vielen auftreten<br />
und nur bei e<strong>in</strong>igen wenigen Jugendlichen davon ausgehen,<br />
dass sie e<strong>in</strong>e wirklich vorherrschende Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung<br />
e<strong>in</strong>nehmen können. Nur <strong>in</strong> seltenen Fällen<br />
haben sie prägende Bedeutung und können E<strong>in</strong>flüsse von<br />
Familie, Schule und Gleichaltrigengruppe überbieten.“ (Seite 24)<br />
„<strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> stehen vor großen Herausforderungen. Sie<br />
müssen ihr Programm weiter diversifizieren und auf die vielfältigen<br />
Bedürfnisse unterschiedlicher Jugendlichengruppen<br />
abstellen.“ (Seite 26)
106<br />
107<br />
6.0 Öffentliche Me<strong>in</strong>ungen<br />
Südwestfunk, FS-Inland,<br />
Reportma<strong>in</strong>z Sendung: 28.05.2001<br />
http://www.swr.de/report<br />
„Vollrausch e.V.“ – der Jugendsport <strong>in</strong> der Kritik<br />
Bericht:<br />
Kamera:<br />
Schnitt:<br />
Sebastian Bösel<br />
Heiko Picon<br />
Ulrich Vollert<br />
Jörg Becker<br />
Moderation Bernhard Nellessen:<br />
In deutschen <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n wird zu viel getrunken. Vor allem<br />
von Jugendlichen, und die fangen immer früher damit an. Das<br />
steht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Studie, die das Land Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen <strong>in</strong> Auftrag<br />
gegeben hat. Ist die Vorstellung, dass unsere K<strong>in</strong>der <strong>in</strong><br />
<strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n gut aufgehoben s<strong>in</strong>d, falsch? S<strong>in</strong>d Kampagnen<br />
wie „Ke<strong>in</strong>e Macht den Drogen“ pure Augenwischerei? Sebastian<br />
Bösel hat das untersucht.<br />
Bericht:<br />
Dr. Harald Schmid – e<strong>in</strong>er der populärsten Sportler Deutschlands.<br />
Mehrfacher Europameister im Hürdenlauf. Längst ist<br />
er nicht mehr aktiv, e<strong>in</strong>e große Hürde steht aber noch vor ihm:<br />
Er möchte, dass der Vere<strong>in</strong>ssport <strong>in</strong> Deutschland sauberer<br />
wird. Se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach haben viele <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> e<strong>in</strong> Alkoholproblem.<br />
O-Ton, Harald Schmid, Ex-Europameister:<br />
„Es gibt durchaus e<strong>in</strong>e gewisse Vere<strong>in</strong>skultur, wo auch das<br />
Tr<strong>in</strong>ken zum Beispiel dazugehört. Und wenn K<strong>in</strong>der immer nur<br />
sehen, dass Erwachsene saufen, dann machen sie es e<strong>in</strong>fach<br />
nach.“<br />
Das Ende e<strong>in</strong>es Kreispokalturniers irgendwo <strong>in</strong> der nordrhe<strong>in</strong>westfälischen<br />
Prov<strong>in</strong>z. Jubel bei der Jugend. Der Tra<strong>in</strong>er sorgt<br />
sich um die dritte Halbzeit.<br />
O-Ton, Tra<strong>in</strong>er:<br />
„So Jungs, tr<strong>in</strong>kt ihr was?“<br />
„Ja! Ja! Bier! Bier! Bier!“<br />
<strong>Die</strong> Stimmung ist gut, die Truppe tr<strong>in</strong>kfest. Auf der letzten Vere<strong>in</strong>sfahrt<br />
nach Spanien haben die Jungs tra<strong>in</strong>iert.<br />
O-Ton, Spieler:<br />
„Wir waren <strong>in</strong> Loret del Mar auf Mannschaftsfahrt, da s<strong>in</strong>d<br />
wir es gewohnt.“<br />
Frage: Wieso, was war da?<br />
O-Ton, Spieler:<br />
„Party ohne Ende! Zehn Tage fast durchgemacht, kann man<br />
so sagen. Wir s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>fach glücklich jetzt, stimmt's Freunde?“<br />
O-Ton, Tra<strong>in</strong>er:<br />
„Und noch mal? Noch e<strong>in</strong>e Runde? War mir klar! Noch e<strong>in</strong>mal<br />
bitte füllen!“<br />
<strong>Die</strong> Organisatoren des Turniers geben sich Mühe. Der Jugendleiter<br />
kümmert sich um die Kondition – der Zapfanlage. Während<br />
die Kids auf dem Rasen kicken. Hier fließt nicht nur<br />
Kölsch, sondern auch nötiges Geld <strong>in</strong> die Vere<strong>in</strong>skasse, aber<br />
nur wenn die Stimmung stimmt.<br />
O-Ton, Jugendleiter:<br />
„Dann wird hier richtig gefeiert. Dann geht richtig die Post ab.“<br />
Frage: Jung und Alt zusammen?<br />
O-Ton, Jugendleiter:<br />
„Jung und Alt zusammen. Dann wird gefeiert bis zum Abw<strong>in</strong>ken.“<br />
Vere<strong>in</strong>ssport ist gesund für unsere K<strong>in</strong>der – dachten wir bislang.<br />
Millionenschwere Kampagnen von Politik und Sportverbänden<br />
gaukelten jahrelang e<strong>in</strong>e heile Welt vor. Doch <strong>in</strong> <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
gibt es viel zu oft e<strong>in</strong> Milieu, das für die K<strong>in</strong>der und Jugendliche<br />
fatale Folgen haben kann.<br />
Das steht <strong>in</strong> dieser Studie, die <strong>in</strong> den nächsten Tagen veröffentlicht<br />
werden soll. Der Sportwissenschaftler Wolf-<strong>Die</strong>trich<br />
Brettschneider von der Universität Paderborn hat Ergebnisse<br />
vorgelegt, die erschrecken.<br />
O-Ton, Prof. Wolf-<strong>Die</strong>trich Brettschneider, Sportwissenschaft,<br />
Universität Paderborn:<br />
„Wir haben e<strong>in</strong>deutige Befunde, dass vor allem <strong>in</strong> Mannschaftssportarten,<br />
hier vor allem im Fußball, dicht gefolgt vom Handball,<br />
e<strong>in</strong>deutig Wirkungen erzielt werden, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e unerwünschte<br />
Richtung gehen. Das heißt, es wird <strong>in</strong> den Fußballmannschaften<br />
so viel geraucht, vor allem so viel getrunken wie ansonsten <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er<br />
anderen Sportart, aber auch wie ansonsten nicht bei Jugendlichen,<br />
die nicht <strong>in</strong> <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n engagiert s<strong>in</strong>d.“<br />
<strong>Die</strong> Studie belegt zwar, dass die Vere<strong>in</strong>e das Selbstwertgefühl<br />
der K<strong>in</strong>der und Jugendlichen unterstützen, das führt allerd<strong>in</strong>gs<br />
nicht dazu, dass sie Probleme besser bewältigen und zu Drogen<br />
Ne<strong>in</strong> sagen. <strong>Die</strong> ernüchternde Erkenntnis:<br />
Zitat:<br />
„Jugendliche Vere<strong>in</strong>ssportler s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ihrem Alkoholkonsum<br />
ke<strong>in</strong>eswegs zurückhaltender als ihre vere<strong>in</strong>sungebundenen<br />
Altersgenossen. In manchen Sportarten wird die Integration<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e „Alkoholkultur“ geradezu gefördert.“<br />
O-Ton, Prof. Wolf-<strong>Die</strong>trich Brettschneider, Sportwissenschaft,<br />
Universität Paderborn:<br />
„Aus der Suchtforschung ist ja bekannt, dass es Zusammenhänge<br />
gibt zwischen e<strong>in</strong>em frühen E<strong>in</strong>stiegsalter und der Gefahr,<br />
<strong>in</strong> diesem Suchtbereich hängen zu bleiben. Und das veranlasst<br />
uns natürlich, die Befunde h<strong>in</strong>sichtlich Alkoholkonsum sehr<br />
ernst zu nehmen.“<br />
Zurück zum Kreispokal <strong>in</strong> der Prov<strong>in</strong>z. Der Jugendbetreuer<br />
und se<strong>in</strong>e Schützl<strong>in</strong>ge. Er macht es vor, wie es geht – ohne darüber<br />
nachzudenken.<br />
Frage: <strong>Vorbild</strong> für die Jungs?<br />
O-Ton, Jugendbetreuer:<br />
„Ich denke schon. Man muss immer e<strong>in</strong> <strong>Vorbild</strong> se<strong>in</strong> für die<br />
Jungs, man muss sich immer so geben, wie man es von se<strong>in</strong>em<br />
Gegenüber auch verlangen würde, so sollte man sich geben.<br />
Und gerade bei den K<strong>in</strong>dern sollte man, da sie eben e<strong>in</strong>em<br />
viel abgucken, eben sich auch entsprechend verhalten.“<br />
Vor e<strong>in</strong> paar Tagen <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Schon wieder e<strong>in</strong> Plakat des Deutschen<br />
Sportbundes. Schon wieder die Botschaft: Vere<strong>in</strong>e machen<br />
unsere K<strong>in</strong>der stark gegen Drogen. Angesichts der neuen<br />
Erkenntnisse der Sportwissenschaft kl<strong>in</strong>gt dies fast wie Hohn.<br />
Der Deutsche Sportbund kennt das Problem schon lange. Es<br />
gab bereits mehrfach ähnliche Ergebnisse, sie wurden nahezu<br />
ignoriert. Jetzt braucht man e<strong>in</strong> Alibi, und wie immer <strong>in</strong> solchen<br />
Fällen müssen Vorzeigesportler ran.<br />
Bilanz der Aktion „K<strong>in</strong>der stark machen“, e<strong>in</strong>er Kampagne der<br />
Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung, des Deutschen<br />
Sportbundes und von Harald Schmid, dem Vorzeigesportler.<br />
Seit fünf Jahren versucht Harald Schmid, Betreuer und Tra<strong>in</strong>er<br />
für das Thema Drogen <strong>in</strong> <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n, zu sensibilisieren.<br />
E<strong>in</strong>e zweifellos vorbildliche Arbeit, leider auf Sparflamme.<br />
Erst 6.000 Tra<strong>in</strong>er konnte Schmid und se<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Team bislang<br />
ausbilden. In Deutschland gibt es rund e<strong>in</strong>e Million Betreuer<br />
und Tra<strong>in</strong>er. <strong>Die</strong> Funktionäre wachen erst langsam auf. Verantwortung<br />
wird abgewiesen.<br />
Frage: Müssen Sie sich da nicht fragen, ob Sie was falsch<br />
gemacht haben?<br />
O-Ton, Manfred von Richthofen, Präsident Deutscher<br />
Sportbund:<br />
„Ja, wir fragen uns natürlich, können wir alle Aufgaben, die an<br />
uns herangetragen werden, wirklich konsequent erfüllen. Und da<br />
müssen wir sagen: Ne<strong>in</strong>! Wir werden also <strong>in</strong> Zukunft verstärkt<br />
auch Aufgaben abweisen, so wichtig sie auch se<strong>in</strong> mögen.“<br />
Wohlgemerkt: Aufgaben, die die Funktionäre der Sportverbände<br />
sich selbst mit vordergründigen Kampagnen und Lobby-Arbeit<br />
gestellt haben.<br />
Auch beim Deutschen Fußballbund wird das Drogenproblem<br />
der Basis erst mal kle<strong>in</strong> geredet.<br />
O-Ton, Theo Zwanziger, Schatzmeister Deutscher<br />
Fußballbund:<br />
„Nach me<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>schätzung, und ich habe selbst mal Fußball<br />
gespielt, und wenn ich da nicht völlig schief liege, ist das <strong>in</strong><br />
me<strong>in</strong>er Jugendzeit, also so vor 30 – 35 Jahren wesentlich<br />
<strong>in</strong>tensiver gewesen, als das heute der Fall ist.“<br />
<strong>Die</strong>s ist offenbar nicht der Fall. Das zeigt e<strong>in</strong>e weitere Studie,<br />
die REPORT Ma<strong>in</strong>z vorliegt. In ihrer Doktorarbeit an der<br />
Universität Heidelberg hat die Erziehungswissenschaftler<strong>in</strong><br />
Beate Locher e<strong>in</strong>e Umfrage unter 13- bis 16 Jährigen <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>en<br />
gemacht – mit noch erschreckenderen Zahlen.<br />
O-Ton, Beate Locher, Erziehungswissenschaftler<strong>in</strong>:<br />
„Ich war doch sehr verblüfft, als ich mir die Zahlen angeschaut<br />
habe und gesehen habe, dass Jugendliche im sehr jungen<br />
Alter, zum Teil vor ihrem zehnten Lebensjahr mit dem Konsum<br />
beg<strong>in</strong>nen – Alkohol konsumieren oder Zigaretten rauchen –<br />
und sich das E<strong>in</strong>stiegsalter gegenüber bisherigen Studien<br />
doch weiter nach vorne verlagert.“<br />
<strong>Die</strong> Studie stellt fest:<br />
Zitat:<br />
„Jugendliche <strong>in</strong> <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n konsumieren nicht nur potentiell<br />
häufiger Alkohol als nicht-vere<strong>in</strong>sgebundene Jugendliche,<br />
sie zeigen auch öfter e<strong>in</strong>en Alkoholrausch.“<br />
Und weiter:<br />
Zitat:<br />
„<strong>Die</strong> Bestimmungen des Jugendschutzes werden so gut wie<br />
kaum wahrgenommen.“<br />
E<strong>in</strong>e D-Jugend nach dem Kreispokalsieg. <strong>Die</strong> Jungs s<strong>in</strong>d zwischen<br />
zehn und zwölf.<br />
Frage: Was macht ihr jetzt?<br />
O-Ton, Spieler:<br />
„Saufen! Feiern! Saufen gehen! Alles mögliche, was geht!“<br />
Frage: Was saufen?<br />
O-Ton, Spieler:<br />
„Biiiieer!“<br />
Es s<strong>in</strong>d die Rituale, die <strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>en früh gelernt werden: K<strong>in</strong>dersekt<br />
für die Zehnjährigen, der Kasten Bier für die B-Jugend.<br />
O-Ton, Spieler:<br />
„<strong>Die</strong> Stimmung, die ist klasse, e<strong>in</strong>fach klasse die Stimmung,<br />
wirklich!“<br />
Frage: Der Kasten ist schon leer, oder?<br />
O-Ton, Spieler:<br />
„Der Kasten ist schon leer, wir brauchen noch e<strong>in</strong>en, der hat ja<br />
gar nicht gereicht.“<br />
Frage: Woher habt ihr den Kasten?<br />
O-Ton, Spieler:<br />
„Den Kasten haben wir gespendet bekommen für unsere tolle<br />
Leistung.“<br />
Dem Spender und Tra<strong>in</strong>er ist's pe<strong>in</strong>lich, doch um Ausreden ist<br />
er nicht verlegen:<br />
O-Ton, Tra<strong>in</strong>er:<br />
„Wir haben hier nur noch mal uns e<strong>in</strong> bisschen zusammengesetzt,<br />
um den Zusammenhalt der Mannschaft so e<strong>in</strong> bisschen<br />
zu festigen.“<br />
<strong>Die</strong> Sportfunktionäre s<strong>in</strong>d nervös. Es geht um den Ruf der<br />
87.000 <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> Deutschland. <strong>Die</strong> meisten Vere<strong>in</strong>e leisten<br />
wertvolle Arbeit, bieten K<strong>in</strong>dern und Jugendlichen e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle<br />
Beschäftigung. Doch beim Umgang mit Drogen müssen<br />
viele Betreuer und Tra<strong>in</strong>er noch lernen. Ehrenamtliches Engagement<br />
darf ke<strong>in</strong>e Entschuldigung se<strong>in</strong>.<br />
Für Harald Schmid und se<strong>in</strong> Projekt „K<strong>in</strong>der stark machen“<br />
ist e<strong>in</strong>e Hürde zum<strong>in</strong>dest genommen. Der Deutsche Sportbund<br />
und der DFB wollen Suchtprävention zum Bestandteil<br />
der Tra<strong>in</strong>erausbildung machen. Vorerst e<strong>in</strong>e Absichtserklärung,<br />
nicht mehr.<br />
O-Ton, Harald Schmid, Projektleiter „K<strong>in</strong>der stark<br />
machen“.<br />
„Bis da mal e<strong>in</strong> festes Haus drübersteht, das wird e<strong>in</strong>e Baustelle<br />
se<strong>in</strong>, die noch sehr lange <strong>in</strong> Bewegung ist, und Übungsleiter<br />
und Tra<strong>in</strong>er s<strong>in</strong>d eben <strong>Vorbild</strong>er. Da muss man sagen: Hier,<br />
Leute, ihr habt doch Verantwortung, ja? Werdet euch endlich<br />
eurer Rolle bewusst! Das müssen wir schaffen!“<br />
Adressen/L<strong>in</strong>ks:<br />
LaOla, Projekt Suchtprävention <strong>in</strong> <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n Baden-<br />
Württemberg, c/o Badischer Landesverband gegen die Suchtgefahren<br />
e.V., Oskar-Muser-Str. 4, 77871 Renchen<br />
„K<strong>in</strong>der stark machen“, Projekt Suchtprävention <strong>in</strong> <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n,<br />
Dr. Harald Schmid, Agentur für Sport und Kommunikation,<br />
Schulstr. 11, 63594 Hasselroth
108<br />
6.0 Öffentliche Me<strong>in</strong>ungen<br />
6.2 Stellungnahmen aus den Fachverbänden, KSB/SSB,<br />
Vere<strong>in</strong>en und der Sportwissenschaft<br />
Westfalen Sport vom 10. August 2001 Zeitschrift des<br />
Fußball- und Leichtathletik-Verbandes Westfalen<br />
Brettschneider bedauert negative Presseveröffentlichung<br />
über Studie<br />
Entgegen der Ankündigung <strong>in</strong> der letzten Ausgabe des<br />
WESTFALENSPORT, das Thema Brettschneider-Studie<br />
abzuschließen, ist nach Me<strong>in</strong>ung der Redaktion aus aktuellem<br />
Anlass den Lesern e<strong>in</strong>e klärende Stellungnahme aus berufener<br />
Feder nicht vorzuenthalten. DFB-Schatzmeister Dr. Theo<br />
Zwanziger hat sich nicht nur mit dem vollständigen Bericht<br />
befasst, er hat auch an e<strong>in</strong>em Gespräch mit dem Autor der<br />
Studie sowie dem Präsidenten des DSB teilgenommen und<br />
daraufh<strong>in</strong> das DFB-Präsidium mit nachfolgenden Zeilen<br />
<strong>in</strong>formiert.<br />
1. Vorbemerkung<br />
Ich habe am 25. April <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> an e<strong>in</strong>em Gespräch mit dem<br />
Präsidenten des Deutschen Sportbundes und Herrn Prof.<br />
Brettschneider teilgenommen. Weitere Teilnehmer waren u. a.<br />
der Präsident des Deutschen Turner-Bundes und der Präsident<br />
des LandesSportBundes Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen.<br />
Herr Brettschneider erläuterte se<strong>in</strong>e Studie und erklärte e<strong>in</strong>gangs,<br />
dass die Ergebnisse für den organisierten Sport im Grunde<br />
positiv seien. Er bedaure die negativen Presseveröffentlichungen<br />
und habe dies <strong>in</strong> Gesprächen mit den Journalisten auch<br />
klargestellt. In der anschließenden Diskussion wurde Herrn<br />
Prof. Brettschneider zunächst sehr deutlich vorgehalten, dass<br />
er selbst aufgrund se<strong>in</strong>er verkürzten Zusammenfassungen für<br />
die teilweise negative Berichterstattung verantwortlich sei.<br />
Ich habe ihm dies nach Studium des vollständigen Berichtes<br />
an e<strong>in</strong>igen Beispielen belegt. Prof. Brettschneider räumte e<strong>in</strong>,<br />
dass ihm <strong>in</strong>sbesondere bei den Zusammenfassungen Nachlässigkeiten<br />
unterlaufen seien, die er bedaure.<br />
2. Zum Inhalt<br />
2.1 <strong>Die</strong> meisten Erhebungen s<strong>in</strong>d durchaus positiv. <strong>Die</strong>s gilt<br />
für den Organisationsgrad der Bevölkerung <strong>in</strong> den <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
(nach wie vor steigend) und die Attraktivität der Vere<strong>in</strong>e<br />
selbst (vergl. Schaubild Seite 84 des Berichtes). Auch die<br />
Fluktuationsraten s<strong>in</strong>d nicht ungünstig.<br />
2.2 Bei der Förderung der motorischen Leistungsfähigkeit<br />
s<strong>in</strong>d die Mitglieder <strong>in</strong> den <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n besser. Entgegen der<br />
Darstellung <strong>in</strong> der Öffentlichkeit bleibt dieser Vorsprung auch<br />
mit steigendem Lebensalter bestehen. <strong>Die</strong> von Brettschneider<br />
<strong>in</strong> die Öffentlichkeit getragene skeptische Beurteilung basiert<br />
lediglich darauf, dass die gesteigerte Motorik bei den Vere<strong>in</strong>smitgliedern<br />
nicht scherenartig immer weiter zu den Nicht-<br />
Vere<strong>in</strong>smitgliedern ause<strong>in</strong>ander geht (vergl. Seiten 75, 176<br />
des Berichtes).<br />
2.3 Nach den Erhebungen trägt der Sport auch e<strong>in</strong>deutig zur<br />
Entwicklung e<strong>in</strong>es positiven Selbstbildes der Jugendlichen<br />
bei, d. h., Vere<strong>in</strong>sjugendliche wissen besser, was man ist und zu<br />
leisten vermag und <strong>in</strong>tegrieren sich erfolgreicher <strong>in</strong> die gesellschaftlichen<br />
Zusammenhänge. Ich verweise <strong>in</strong>soweit <strong>in</strong>sbesondere<br />
auf die Seiten 219, 222, 253, 254, 272 und 273 des<br />
Berichtes.<br />
Leider bef<strong>in</strong>den sich auch hier im Bericht zu diesen an sich<br />
positiven Befunden immer wieder negative Ausführungen des<br />
Berichtsverfassers.<br />
2.4 Vere<strong>in</strong>sjugendliche leidenden deutlich weniger an psychosomatischen<br />
Beschwerden, wie Stress, Atemnot, Magenschmerzen,<br />
E<strong>in</strong>schlafschwierigkeiten etc. Ich verweise auf<br />
die Seiten 286, 287, 301 bis 303 des Berichtes.<br />
Es ist <strong>in</strong> diesem Zusammenhang schon sehr problematisch und<br />
kaum noch wissenschaftlich zu nennen, wenn der Verfasser die<br />
häufig positiven Befunde für die Vere<strong>in</strong>sjugendlichen so kommentiert,<br />
dass dies nicht am Sportvere<strong>in</strong>, sondern nur daran liege,<br />
dass nur die „starken Jugendlichen“ Vere<strong>in</strong>smitglieder werden.<br />
2.5 Was die sozialen B<strong>in</strong>dungen und sozialen Netzwerke<br />
betrifft (Seiten 374 ff des Berichtes) so wird deutlich, dass<br />
diese sehr stark von den Bezugspersonen abhängen. <strong>Die</strong>s s<strong>in</strong>d<br />
bei den <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n nun e<strong>in</strong>mal, wie wir sehr genau wissen,<br />
die Tra<strong>in</strong>er. Leider weist die Studie, was die Leistungsfähigkeit<br />
der Tra<strong>in</strong>er betrifft, große Lücken auf. Auf me<strong>in</strong>e Frage hat<br />
Prof. Brettschneider dies so beantwortet, dass diese Aufgabenstellung<br />
nicht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Auftrag enthalten gewesen wäre.<br />
Leistungen der Klubs umbewertet<br />
Er hat geprüft, wie die verschiedenen Netzwerke zue<strong>in</strong>ander<br />
stehen, so z. B. Schule, Elternhaus, Vere<strong>in</strong> und andere. Dabei<br />
ist er zu dem aus me<strong>in</strong>er Sicht sicher richtigen Ergebnis<br />
gekommen, das engere Beziehungen zwischen diesen Netzwerken<br />
notwendig wären. <strong>Die</strong>s wissen wir für unseren Bereich<br />
auch, was die Verb<strong>in</strong>dung zur Schule betrifft. Leider hat die<br />
Studie <strong>in</strong> diesem Zusammenhang auch nicht die Leistungen<br />
der Vere<strong>in</strong>e <strong>in</strong> der Ausländer<strong>in</strong>tegration überprüft. Auch hier<br />
erklärte Prof. Brettschneider, dies sei nicht Gegenstand se<strong>in</strong>es<br />
Auftrages gewesen.<br />
3. Neben den vorstehend genannten positiven Befunden<br />
s<strong>in</strong>d drei D<strong>in</strong>ge aus me<strong>in</strong>er Sicht kritisch für den Fußballsport<br />
zu h<strong>in</strong>terfragen.<br />
3.1 Prof. Brettschneider hat sich auf den Seiten 176–181 mit<br />
der Frage Motorik und Fußball ause<strong>in</strong>ander gesetzt. Offenbar<br />
g<strong>in</strong>g es ihm <strong>in</strong> dieser kurzen Passage darum, etwas Aufmerksamkeit<br />
zu f<strong>in</strong>den, zumal er auch sehr schlagwortartige und wenig<br />
wissenschaftliche Ausführungen gewählt hat. Im Ergebnis<br />
mahnt er Forschungsbedarf zu der Frage an, wie e<strong>in</strong>e effektive<br />
Talentförderung aussehen müsste.<br />
3.2 Wichtiger schien es mir, der Frage nachzugehen, wie werbemäßig<br />
ausgelegte Kampagnen (Ke<strong>in</strong>e Macht den Drogen,<br />
K<strong>in</strong>der stark machen) sich auf das Problemverhalten der<br />
Jugendlichen im Suchtbereich auswirken. Prof. Brettschneider<br />
kommt hier zu kritischen Ergebnissen (Seite 315 ff), die ich<br />
ansatzweise auch teile.<br />
Wir sollten e<strong>in</strong>mal mit unserem Partner, der Bundeszentrale<br />
für Gesundheitliche Aufklärung, diesem Punkt genauer nachgehen.<br />
Es macht ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n, mit hohem publizistischen Aufwand<br />
Botschaften zu überbr<strong>in</strong>gen, die beim Empfänger dann letztlich<br />
doch nicht ankommen.<br />
3.3 Äußerst negativ und für uns alle sehr erstaunlich, s<strong>in</strong>d die<br />
von Brettschneider erhobenen Befunde über die Konsumraten<br />
bei Bier, Zigaretten und Drogen soweit es Vere<strong>in</strong>sjugendliche<br />
und besonders Fußballleistungssportler betrifft.<br />
Wegen der Bedeutung dieses Untersuchungsteils verweise ich<br />
auf die bei Prof. Brettschneider abgedruckte Tabelle (S. 325).<br />
Ich denke, diese Tabelle muss für uns Anlass zu e<strong>in</strong>er Nachuntersuchung<br />
geben. In diesem Zusammenhang darf ich allerd<strong>in</strong>gs<br />
auch darauf h<strong>in</strong>weisen, dass e<strong>in</strong>e vom Sportfördervere<strong>in</strong> e<strong>in</strong>geholte<br />
Studie von Prof. Halfar über den Jugendfußball <strong>in</strong> den<br />
Vere<strong>in</strong>en des DFB – Soziale Funktionen und Kompetenzen –<br />
nicht zu e<strong>in</strong>em so auffälligen negativen Ergebnis kommt.<br />
4. Handlungsempfehlungen<br />
4.1 Auch wenn die Befunde und Datenerhebungen größtenteils<br />
positiv s<strong>in</strong>d, müssen wir uns mit der Gesamtproblematik ause<strong>in</strong>andersetzen.<br />
Das Präsidium sollte klare Zuständigkeiten für<br />
das Hauptamt und das<br />
Ehrenamt beim DFB<br />
begründen.<br />
4.2 Nach me<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>schätzung<br />
braucht der<br />
Fußball vertiefende Untersuchungen<br />
zu folgenden<br />
Fragen: – Gel<strong>in</strong>gt die<br />
Ausländer<strong>in</strong>tegration? –<br />
Wie sieht es mit der Qualifikation<br />
der Vere<strong>in</strong>stra<strong>in</strong>er<br />
aus? – Wie steht es<br />
mit dem Suchtverhalten<br />
bei Fußballern und zwar<br />
getrennt nach Leistungssportlern<br />
(klare Def<strong>in</strong>ition!)<br />
und Vere<strong>in</strong>ssportlern? –<br />
Werden die großen Kampagnen<br />
„Ke<strong>in</strong>e Macht den<br />
Drogen“ den <strong>in</strong> sie gesetzten<br />
Erwartungen gerecht?<br />
Entsteht möglicherweise<br />
e<strong>in</strong>e große Glaubwürdigkeitslücke?<br />
– Wie sähe unsere Gesellschaft<br />
aus, wenn es die Vere<strong>in</strong>e<br />
nicht gäbe?<br />
4.3 Wir s<strong>in</strong>d, so me<strong>in</strong>e ich,<br />
aufgerufen, e<strong>in</strong> klareres Profil<br />
zu bilden im S<strong>in</strong>ne des Machbaren<br />
und Leistbaren für unsere<br />
<strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> und dürfen die<br />
Erwartungen auch nicht zu hoch<br />
hängen. Das Machbare müssen<br />
wir allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> der Qualität<br />
sichern.<br />
„Westfalen Turner“<br />
Nr. 8/August 2001<br />
4.4 <strong>Die</strong> Kooperation der sozialen<br />
Netzwerke sollte mit all uns<br />
zur Verfügung stehenden Mitteln<br />
verbessert werden. Das Verhältnis<br />
zwischen Schule und Vere<strong>in</strong><br />
ist hier e<strong>in</strong> ganz besonderes<br />
Thema.<br />
4.5 Der Erfolg der Vere<strong>in</strong>sarbeit<br />
hängt mit der Förderung des<br />
Ehrenamts zusammen. Vor diesem<br />
H<strong>in</strong>tergrund s<strong>in</strong>d klare Erwartungen<br />
an die Politik zu def<strong>in</strong>ieren und öffentlich zu vertreten.<br />
<strong>Die</strong>s schließt e<strong>in</strong>e verbesserte Öffentlichkeitsarbeit zu all diesen<br />
Fragen e<strong>in</strong>. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass die<br />
E<strong>in</strong>ladung von Herrn Prof. Brettschneider zur Beiratssitzung<br />
des DFB Ende August <strong>in</strong> München e<strong>in</strong> Schritt <strong>in</strong> die richtige<br />
Richtung wäre.“<br />
Dr. Theo Zwanziger<br />
109
110<br />
111<br />
6.0 Öffentliche Me<strong>in</strong>ungen<br />
swimpool Nr. 4/01 5. April 2001<br />
Schwimmverband Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen e.V. (Hrsg.)<br />
Sport ist ke<strong>in</strong> Allheilmittel<br />
Auf diesen Tenor könnte man zusammenfassen, was Professor<br />
Wolf-<strong>Die</strong>trich Brettschneider von der Universität-Gesamthochschule<br />
Paderborn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er dreijährigen Studie an 1.600<br />
Schülern im Alter von 12 bis 18 Jahren durch Befragung und<br />
Tests im Auftrag des NRW-Sportm<strong>in</strong>isteriums herausgefunden<br />
hat. Se<strong>in</strong>e Feststellungen, dass Vere<strong>in</strong>sjugendliche genau<br />
so anfällig für Drogen und Gewaltbereitschaft s<strong>in</strong>d wie andere,<br />
ist für den E<strong>in</strong>en erschütternd, für den Anderen ernüchternd<br />
für die Meisten aber ist „die heile Welt der <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong><br />
e<strong>in</strong>gestürzt“. Und jetzt kommt der Trugschluss, der sich leider<br />
allzu schnell <strong>in</strong> vielen Berichten und Kommentaren <strong>in</strong> den<br />
Medien wiederf<strong>in</strong>det: <strong>Die</strong>s f<strong>in</strong>det nicht im Sportvere<strong>in</strong> statt<br />
sondern Vere<strong>in</strong>sjugendliche s<strong>in</strong>d augensche<strong>in</strong>lich genauso<br />
auffällig wie andere Jugendliche. Das war explizit das Ergebnis<br />
der Studie. Wobei es schon erstaunlich ist, dass noch nicht<br />
e<strong>in</strong>mal die körperliche Leistungsfähigkeit wesentlich besser<br />
se<strong>in</strong> soll als bei Untra<strong>in</strong>ierten.<br />
Der Sport hat me<strong>in</strong>es Wissens nie behauptet, dass er „Allheilmittel“<br />
gegen Krankheit, Krim<strong>in</strong>alität, Gewalt, asoziales Verhalten<br />
usw. ist. Richtig ist aber, dass <strong>in</strong> den <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n körperliche<br />
Ertüchtigung, soziales Verhalten und faires Mite<strong>in</strong>ander<br />
gelehrt wird. Damit können dort aber nicht die<br />
Versäumnisse von Familie, Gesellschaft und Politik „repariert“<br />
werden. Damit ist der Sport überfordert.<br />
Statistiken beweisen alles und nichts. Auch wenn das Ergebnis<br />
der Studie negativ für die <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> kl<strong>in</strong>gt, die ger<strong>in</strong>gste<br />
Schuld ist wohl bei den Vere<strong>in</strong>en selbst zu suchen. Wohlme<strong>in</strong>ende<br />
Worte gerade <strong>in</strong> diesem „Internationalen Jahr der<br />
Freiwilligen“ hört man oft genug. Aber diesen Worten müssen<br />
auch Taten folgen. Im Gegenteil, die f<strong>in</strong>anzielle Unterstützung<br />
des Sports wird immer ger<strong>in</strong>ger. Zusätzlich werden die<br />
Vere<strong>in</strong>e mit Gebühren für die Nutzung der Sportanlagen belastet.<br />
Wo soll da noch das Geld se<strong>in</strong>, um noch qualifiziertere<br />
Übungsleiter zu bezahlen. Viele Sportanlagen s<strong>in</strong>d dr<strong>in</strong>gend<br />
renovierungsbedürftig, aber die Kommunen s<strong>in</strong>d bis zur Halskrause<br />
verschuldet und verkaufen zunehmend ihr Tafelsilber.<br />
Wer hat unter diesen Bed<strong>in</strong>gungen noch große Lust, sich<br />
ehrenamtlich zu engagieren. Und trotzdem lassen wir uns<br />
nicht entmutigen. Wir werden weiter nach besten Kräften für<br />
die Ideale des Sports tätig. Wir s<strong>in</strong>d der Auffassung, dass der<br />
Sportvere<strong>in</strong> e<strong>in</strong> unverzichtbares Element der Jugendarbeit ist<br />
und es hierzu ke<strong>in</strong>e Alternative gibt.<br />
Manfred Peppekus<br />
Brief Stadtsportbund Bielefeld<br />
20. Februar 2001<br />
<strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> im Zwielicht<br />
(NW vom 16.02.2001)<br />
Sehr geehrter Herr Heise,<br />
die Medienresonanz auf e<strong>in</strong>e noch unveröffentlichte Studie<br />
des Paderborner Sportwissenschaftlers, Prof. Dr. Wolf-<strong>Die</strong>trich<br />
Brettschneider, hat unter den Bielefelder <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Empörung ausgelöst. „<strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> im Zwielicht“ heißt es da<br />
z.B. <strong>in</strong> der neuen Westfälischen vom 16.02.2001. Und was<br />
erfahren wir dort? Foto: da sitzt e<strong>in</strong> netter und freundlich<br />
lächelnder Junge auf e<strong>in</strong>em Fußball. Betitelung: „Kicken tun<br />
alle K<strong>in</strong>der gern – auch im Sportvere<strong>in</strong>. Hier machen sie häufig<br />
erste Erfahrungen mit Drogen“ Ferner im Text: „Jugendliche<br />
<strong>in</strong> Klubs gegen Drogenkonsum und Gewaltbereitschaft<br />
nicht gefeit“ … „Nirgendwo wird soviel geraucht und getrunken<br />
wie <strong>in</strong> den Breitensportarten Fußball und Handball“ …<br />
„Im Entwicklungsverlauf kann e<strong>in</strong> positiver E<strong>in</strong>fluss des<br />
Sportvere<strong>in</strong>s nicht identifiziert werden. Vere<strong>in</strong>en gel<strong>in</strong>gt es<br />
offenbar nicht, ihre jungen Mitglieder <strong>in</strong> ihrer körperlichen<br />
Entwicklung zu fördern“ … „Auch die positiven Sozialisierungseffekte,<br />
die Vere<strong>in</strong>ssport geme<strong>in</strong>h<strong>in</strong> zugesprochen werden,<br />
stellt Brettschneider <strong>in</strong> Frage“ ….<br />
<strong>Die</strong> zitierten Passagen führten deswegen zur Verärgerung,<br />
weil sie plakativ das ehrenamtliche Engagement von Menschen,<br />
die z.T. über Jahrzehnte h<strong>in</strong>weg dem Vere<strong>in</strong>ssport<br />
gedient und dabei <strong>in</strong>sbesondere K<strong>in</strong>der und Jugendliche<br />
betreut haben, <strong>in</strong> Frage stellt. Unausgesprochen wird durch<br />
diese Art der Berichterstattung unterstellt, dass es den vielen<br />
im Sport tätigen Menschen – <strong>in</strong> Bielefeld s<strong>in</strong>d es etwa 2500 <strong>in</strong><br />
233 Vere<strong>in</strong>en – mit ihrem vorbildlichen bürgerschaftlichen<br />
Engagements nicht gelungen ist, junge Menschen <strong>in</strong> ihrer körperlichen<br />
und sozialen Entwicklung zu fördern. Im Gegenteil,<br />
es wird der E<strong>in</strong>druck erweckt, sie hätten dazu beigetragen,<br />
dass junge Menschen eher zur Flasche und Zigarette greifen.<br />
<strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> s<strong>in</strong>d nun e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> Teil der Gesellschaft. <strong>Die</strong><br />
Menschen, die wir im Vere<strong>in</strong> antreffen s<strong>in</strong>d jene, die auch zu<br />
dieser Gesellschaft gehören. Man darf doch nicht allen Ernstes<br />
vom Sportvere<strong>in</strong> erwarten, dass er alle gesellschaftlichen<br />
Defizite automatisch und auch noch sozusagen kostenfrei<br />
behebt. Nicht der Sportvere<strong>in</strong> hat sich, wie behauptet wird,<br />
hochgesteckte und unrealistische Ziele <strong>in</strong> der Jugendarbeit<br />
gesteckt, sondern diese Ziele werden von außen an die Sportorganisation<br />
herangetragen.<br />
Was ist denn eigentlich mit anderen Sozialisations<strong>in</strong>stanzen?<br />
Man denke vor allem an das Elternhaus, aber auch an die<br />
Schule, die Medien, die neuen Kommunikationstechnologien<br />
und die Jugendkulturszene. Über deren Bedeutung wird<br />
natürlich ke<strong>in</strong> Wort verloren.<br />
Oder wagen wir doch e<strong>in</strong>mal den Umkehrschluss: Wenn<br />
<strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> so gar nichts bewirken, dann können wir sie uns<br />
doch e<strong>in</strong>fach mal wegdenken. Was wäre denn dann? K<strong>in</strong>der<br />
und Jugendliche, die nicht wissen, was sie mit ihrer Freizeit<br />
anfangen sollen; es gäbe ke<strong>in</strong>e liebevollen Laternenumzüge,<br />
Weihnachts- und Karnevalsfeiern; es gäbe ke<strong>in</strong>e sportlichen<br />
Ferienfreizeiten, es gäbe viele K<strong>in</strong>der und Jugendliche, die<br />
nicht von ihren Eltern <strong>in</strong> die Schwimmbäder gelassen würden,<br />
weil sie nicht schwimmen können; es könnte ke<strong>in</strong> Gefühl der<br />
grenzenlosen Freude und Begeisterung vermittelt werden und<br />
es gäbe auch ke<strong>in</strong> Lernfeld, <strong>in</strong> dem man mit Enttäuschung<br />
und Niederlage fertig werden muss; es gäbe ke<strong>in</strong>e flächendeckende<br />
Organisation, <strong>in</strong> der man demokratische Verhaltensweisen<br />
erlernen kann, die Lebensqualität von Menschen mit<br />
Beh<strong>in</strong>derungen wäre stark e<strong>in</strong>geschränkt, ebenso die Lebensqualität<br />
älterer Menschen und das, was unser Leben so<br />
lebenswert macht, nämlich Wärme und Geborgenheit, würde<br />
<strong>in</strong> großen Teilen fehlen.<br />
All das also, was der Vere<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>bar so gar nicht leisten<br />
kann, würde dann den Sozial-, Gesundheits- und Jugendpolitikern<br />
über den Kopf wachsen. Der Sportvere<strong>in</strong> ist nur deswegen<br />
nicht e<strong>in</strong>e Insel der Glückseligen, weil die gesellschaftlichen<br />
Problemlagen wie Bewegungsarmut, Drogenkonsum,<br />
Orientierungslosigkeit und Gewaltbereitschaft eben<br />
da s<strong>in</strong>d und er mit ihnen konfrontiert wird.<br />
Der Sport <strong>in</strong> den selbstorganisierten Vere<strong>in</strong>en und Verbänden<br />
bietet ungeahnte Chancen, er macht – übrigens als e<strong>in</strong>zige<br />
Personenvere<strong>in</strong>igung <strong>in</strong> unserem Lande – flächendeckende<br />
Angebote für alle unter sozialverträglichen Bed<strong>in</strong>gungen. Er<br />
kann e<strong>in</strong> sozialer Ort se<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Welt, wo B<strong>in</strong>dungs- und<br />
Orientierungslosigkeit zunehmen, er kann <strong>in</strong> der Prävention<br />
und Rehabilitation unschätzbare <strong>Die</strong>nste leisten und zu mehr<br />
Lebensqualität beitragen, er kann Menschen begeistern und<br />
sie motivieren, hart zu tra<strong>in</strong>ieren, um Höchstleistungen zu<br />
erbr<strong>in</strong>gen, er kann aber auch e<strong>in</strong>fach nur Freude bereiten.<br />
Sport soziologisch zu analysieren ist immer schwierig. Man<br />
kann ihn nicht beschreiben, um se<strong>in</strong> Wesen zu erfassen, man<br />
muss ihn betreiben.<br />
Abschließend möchte der StadtSportBund feststellen, dass er<br />
sehr wohl <strong>in</strong> der Lage ist, mit Kritik umzugehen, wenn sie<br />
konstruktiv und sachlich ist. Es wäre von daher besser gewesen,<br />
die Veröffentlichung erst e<strong>in</strong>mal abzuwarten und die<br />
Ergebnisse kritisch zu analysieren, bevor man sich zu voreiligen<br />
Kommentierungen und unreflektierten Rückschlüssen<br />
h<strong>in</strong>reißen lässt. Auf dem H<strong>in</strong>tergrund des Jahrs der Freiwilligen<br />
2001, für das der Bundespräsident die Schirmherrschaft<br />
übernommen hat, ist es ausgesprochen kontraproduktiv, e<strong>in</strong><br />
großes Reservoir an ehrenamtlicher Mitarbeit und Engagement<br />
<strong>in</strong> Misskredit zu br<strong>in</strong>gen.<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
Ulrich Zimmer<br />
Präsident<br />
Westfalen-Blatt (Bielefeld) 21. März 2001<br />
Paderborner Studie über die Vere<strong>in</strong>e<br />
Sport wehrt sich:<br />
„Wir s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Verwahranstalt“<br />
Paderborn/Düsseldorf (WB). <strong>Die</strong> ersten Reaktionen nach der<br />
offiziellen Vorstellung der Paderborner Studie über „Jugendarbeit<br />
<strong>in</strong> <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n“ <strong>in</strong> Düsseldorf – diese Zeitung berichtete<br />
ausführlich – reichte von „ernüchternd“ bis „erschrocken“.<br />
<strong>Die</strong>se Vokabeln benutzte jedenfalls Walter Probst, Geschäftsführer<br />
des LandesSportBundes (LSB) Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen,<br />
bei der Erkenntnis, dass die Jugendarbeit im organisierten<br />
Sport ke<strong>in</strong>e messbaren Auswirkungen auf den Alkohol- und<br />
Drogenkonsum hat. „Zu pauschal“ ist für e<strong>in</strong>ige Paderborner<br />
<strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> das bislang bekannt gewordene Ergebnis der<br />
Arbeit des Sportwissenschaftlers Wolf-<strong>Die</strong>trich Brettschneider.<br />
Der hatte seit 1997 etwa 1.600 Jugendliche (12 bis 16 Jahre)<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zeitraum von drei Jahren getestet und befragt.<br />
Andreas Preis<strong>in</strong>g, Präsident des Paderborner Squash Club,<br />
kennt die 500 Seiten starke Studie nicht im Detail, räumt aber<br />
mit dem falschen Bild vieler Eltern auf: „Der Sport wird nie<br />
Verwahranstalt für K<strong>in</strong>der se<strong>in</strong>. Wir bieten aber bessere Chancen,<br />
dass die Heranwachsenden nicht auf die schiefe Bahn geraten.“<br />
Deshalb sieht Preis<strong>in</strong>g die Vere<strong>in</strong>e auch nicht überfordert:<br />
„Wir s<strong>in</strong>d nicht die Reparaturwerkstatt für gesellschaftliche<br />
Schadensfälle. Was den K<strong>in</strong>dern im Elternhaus oder <strong>in</strong> der<br />
Schule nicht vermittelt wird, kann ke<strong>in</strong> Klub <strong>in</strong> wenigen Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsstunden<br />
nachholen.“<br />
Dennoch rumort es an der Basis nach Veröffentlichung der<br />
Studie des Paderborner Jugendforschers. Viele Ehrenamtliche<br />
sehen sich <strong>in</strong> ihrer Arbeit nicht mehr gewürdigt. Dabei sieht<br />
Michael Born, Geschäftsführer des Fußball-Oberligisten SC<br />
Paderborn 07, gerade <strong>in</strong> der unbezahlten Vere<strong>in</strong>sarbeit e<strong>in</strong>en<br />
Knackpunkt: „wie soll man denn kompetente Leute f<strong>in</strong>den,<br />
wenn die als Übungsleiter maximal 300 Mark steuerfrei dazuverdienen<br />
dürfen?“<br />
<strong>Die</strong> Frage bleibt unbeantwortet. Erst Recht, wenn Born folgende<br />
Rechnung aufmacht: E<strong>in</strong> Jugendcoach arbeitet bei SCP<br />
vier Mal <strong>in</strong> der Woche 90 M<strong>in</strong>uten mit den Spielern und<br />
betreut sie auch <strong>in</strong> den Meisterschaftsspielen. „Würden wir<br />
jede Stunde nur mit 30 Mark honorieren, wären mehr als<br />
1.000 Mark pro Monat fällig.“ Ähnlich sieht auch Bernd Zengerl<strong>in</strong>g,<br />
Vize-Präsident der Paderborn Baskets, die Problematik.<br />
Auch der Zweitligist würde gerne mehr Geld ausgeben,<br />
wenn es denn da wäre. „Viele Eltern s<strong>in</strong>d gerne bereit, 120<br />
Mark und mehr pro Monat für Ballettstunden auszugeben.<br />
Würden wir <strong>in</strong> ähnliche Dimensionen vorstoßen, bräche e<strong>in</strong><br />
Sturm der Entrüstung los.“<br />
LSB-Geschäftsführer Probst betont, die Übungsleiter im 4,9<br />
Millionen Mitglieder starken Landessportbund (1,8 Millionen<br />
davon s<strong>in</strong>d K<strong>in</strong>der- und Jugendliche) besser schulen zu wollen.<br />
Das würde nach se<strong>in</strong>er Schätzung 25 Millionen Mark kosten.<br />
Deshalb fordert Ra<strong>in</strong>er Tohermes, Vorsitzender des Paderborner<br />
Schwimmvere<strong>in</strong>s (2. Bundesliga), von se<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong>skollegen<br />
auch mehr Selbstbewusstse<strong>in</strong>: „Unsere Übungsleiter und Tra<strong>in</strong>er<br />
arbeiten mit den K<strong>in</strong>dern und Jugendlichen. Wenn also die<br />
Brettschneider-Studie Schwachstellen aufgedeckt hat, muss<br />
mehr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e fundierte Basisarbeit <strong>in</strong>vestiert werden.“ Statt<br />
Geldhähne zuzudrehen, fordert Tohermes deshalb das Land<br />
auf, tiefer <strong>in</strong> die Schatulle zu greifen. „Denn die Jugend ist e<strong>in</strong><br />
ganz wichtiger Bauste<strong>in</strong> unserer Gesellschaft.“<br />
Matthias Reichste<strong>in</strong>
112<br />
113<br />
6.0 Öffentliche Me<strong>in</strong>ungen<br />
„Sportvere<strong>in</strong> ist ke<strong>in</strong>e Firma für Defizite<br />
im Elternhaus“<br />
Der Präsident des Sportsportbundes Klaus Henter<br />
über das Ergebnis der sogenannten Brettschneider-Studie<br />
<strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> eignen sich nicht als Reparaturbetriebe für<br />
gesellschaftliche Defizite. Sie werden <strong>in</strong> ihren Leistungen<br />
für die Entwicklung junger Menschen überschätzt.<br />
<strong>Die</strong>sem Ergebnis e<strong>in</strong>er von der Landesregierung <strong>in</strong> Auftrag<br />
gegebenen (Brettschneider)-Studie der Uni Paderborn widersprach<br />
Stadtsportbund-Präsident Klaus Henter entschieden.<br />
Es könne ke<strong>in</strong>e Rede davon se<strong>in</strong>, dass Gewaltbereitschaft und<br />
Drogenkonsum bei Jugendlichen <strong>in</strong> <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n genauso<br />
häufig zu f<strong>in</strong>den seien wie bei Altersgleichen außerhalb von<br />
Sportklubs.<br />
„Richtig ist vielmehr, dass Jugendliche <strong>in</strong> <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n das<br />
Leben anders betrachten und erfahrungsgemäß anders meistern<br />
als Jugendliche außerhalb des Sports. Der Sportvere<strong>in</strong><br />
war nie als Firma für Defizite <strong>in</strong> Elternhaus oder Schule<br />
gedacht. Im Gegenteil, der Vere<strong>in</strong> hat sich immer als Ergänzungsmittel<br />
gesehen“, erklärte Henter. Deshalb begrüßte er<br />
die Richtigstellung des LSB. Der weist nämlich auf die hohe<br />
Integrationskraft im Sport h<strong>in</strong> und stellt die Frage: „Wo f<strong>in</strong>den<br />
sich mehr Jugendliche zusammen als im Sportvere<strong>in</strong>? Wo<br />
lernt man schneller solidarisches Handeln? Wo kann e<strong>in</strong> Fairplay<br />
besser erkannt werden?“ Zu Thema Nikot<strong>in</strong>- und Alkoholverbrauch<br />
sagt Henter „<strong>Die</strong> Behauptung, dass bei Vere<strong>in</strong>smitgliedern<br />
der Zigaretten- und Alkoholkonsum genauso<br />
hoch sei wie bei anderen Jugendlichen, muss man unter anderen<br />
Gesichtspunkten sehen. Es ist richtig, dass zur Geselligkeit<br />
im Sportvere<strong>in</strong> auch der Alkohol gehört. Aber die Voraussetzungen,<br />
ihn zu tr<strong>in</strong>ken, s<strong>in</strong>d andere.“<br />
Vom Stadtsportbund wird deshalb behauptet, dass Sport die<br />
Hauptsache im Leben junger Menschen darstellt und deren<br />
Selbstwertgefühl steigert. Allerd<strong>in</strong>gs wolle man sich, so Henter,<br />
mit der relativierten Brettschneider-Studie befassen und<br />
die Ergebnisse <strong>in</strong> die Ausbildungsprogramme der Sportjugend<br />
übernehmen. RD<br />
SPORT IN FORM 21. Mai 2001<br />
Wer alles will, hat am Ende gar nichts!<br />
Kaum e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>suntersuchung hat <strong>in</strong> den vergangenen Jahren<br />
bei Sportbünden, Fachverbänden und an der Basis bei den<br />
Vere<strong>in</strong>en für soviel Aufsehen gesorgt wie die mittlerweile zur<br />
„Brettschneider-Studie“ apostrophierten Forschungsarbeit<br />
des gleichnamigen Paderborner Sportwissenschaftlers.<br />
Warum das? <strong>Die</strong> Untersuchung fördert nämlich e<strong>in</strong>es nicht<br />
zutage: <strong>Die</strong> segensreichen Effekte des Vere<strong>in</strong>ssports auf die<br />
Entwicklung junger Menschen. Das landläufige Ansehen des<br />
Sports als Allheilmittel wird empf<strong>in</strong>dlich gestört und so<br />
kommt der Ausspruch, „der Sport ist populär, die Sportwissenschaft<br />
dagegen nicht“, hier mal wieder voll zum Tragen.<br />
Aber genauso wie <strong>in</strong> jedem sportlichen Spiel Regeln gelten,<br />
so s<strong>in</strong>d auch Forschungsleistungen an wissenschaftlichen<br />
Standards zu messen.<br />
Genehm s<strong>in</strong>d uns die Ergebnisse wohl nicht, aber mal ehrlich,<br />
waren wir wirklich so naiv zu glauben, e<strong>in</strong> Mitgliedsausweis<br />
reicht aus, um unsere K<strong>in</strong>der vor der Ausübung von Straftaten<br />
zu schützen, e<strong>in</strong> Spielerpass genügt, um clean zu bleiben oder<br />
immun zu se<strong>in</strong> gegen Zeitgeistdrogen jeglicher Art? Wie wird<br />
denn <strong>in</strong> aller Regel der entscheidende Sieg gegen den Abstieg<br />
der Fußball B-Jugend noch <strong>in</strong> der Kab<strong>in</strong>e begossen? Also,<br />
was soll die überzogene Kritik an e<strong>in</strong>er seriös durchgeführten<br />
Studie?<br />
Trotz alledem: Das heile Sportvere<strong>in</strong>sbild ist nicht vollends<br />
<strong>in</strong>s Wanken geraten. Wenn auch nicht als Reparaturwerkstatt<br />
für alle gesellschaftlichen Probleme, so haben unsere <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong><br />
auch nach der Studie ihre herausragende gesellschaftliche<br />
Bedeutung nicht verloren. Nach Überw<strong>in</strong>dung der ersten<br />
Schockwirkung des 500 Seiten starken Forschungsberichtes<br />
sollte uns dieser vielmehr wachrütteln, zumal er Handlungsansätze<br />
für e<strong>in</strong>e erfolgreiche Vere<strong>in</strong>sarbeit bietet. Viele<br />
Jugendliche s<strong>in</strong>d auf der Suche nach e<strong>in</strong>er neuen Wertewelt,<br />
die die Orientierung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sich immer schneller ändernden<br />
Realität ermöglicht. Hier liegen sowohl Chance als auch Aufgabe<br />
für den Vere<strong>in</strong>ssport – Halt gebende Instanz für die Identität<br />
junger Menschen zu werden.<br />
Wir sollten nicht länger Fachgeschäft, Supermarkt, Gesundheitszentrum<br />
und Sozialstation <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em se<strong>in</strong> wollen. Wer<br />
alles will, hat am Ende gar nichts! „Qualitätssicherung“ und<br />
„Profilbildungs lauten die Schlüsselbegriffe der Zukunft.<br />
Wenn es gel<strong>in</strong>gt, e<strong>in</strong>e wegweisende Debatte um diese Schlüsselbegriffe<br />
und damit um e<strong>in</strong>e Neuorientierung der <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong><br />
zu eröffnen, dann hat die Studie mit ihren Befunden e<strong>in</strong>e<br />
wichtige Aufgabe erfüllt.<br />
Von Christof Palm<br />
Referent für Öffentlichkeitsarbeit bei der Sportjugend Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz<br />
SPORT IN FORM 21. Mai 2001<br />
Werner Hölzer zur Jugendarbeit im Sportvere<strong>in</strong>:<br />
Wirkungsvoll, aber mit Ansprüchen<br />
überfrachtet<br />
Vorsitzender der Sportjugend Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz zur Brettschneider-Studie<br />
Welchen E<strong>in</strong>druck haben Sie von der Brettschneider-Studie?<br />
Als ich vor e<strong>in</strong>iger Zeit die ersten Informationen zu dieser<br />
Untersuchung <strong>in</strong> der Presse las, fiel mir spontan die japanische<br />
Weisheit e<strong>in</strong>: „Wenn du etwas wissen willst, dann frage<br />
ke<strong>in</strong>en Gelehrten, sondern e<strong>in</strong>en Erfahrenen“. Auch nach wie<br />
vor s<strong>in</strong>d mir e<strong>in</strong>ige Ergebnisse der Studie unerklärlich, so z.B.<br />
dass es im Entwicklungsverlauf der Jugendlichen (Vere<strong>in</strong>smitglied<br />
vs. Nichtsporttreibender) zu e<strong>in</strong>er Angleichung der<br />
motorischen Fähigkeiten kommen soll. Jetzt nach <strong>in</strong>tensiverer<br />
Ause<strong>in</strong>andersetzung mit der Studie sehe ich aber auch e<strong>in</strong>e<br />
mögliche positive Wirkung auf den Sport, da sie den Anstoß<br />
für e<strong>in</strong> systematischeres Qualitätsmanagement geben kann.<br />
Wie könnte das aussehen?<br />
Brettschneider warnt vor der Fasz<strong>in</strong>ation der großen Mitgliederzahlen<br />
und stellt vielmehr die Qualität der Arbeit mit jungen<br />
Menschen <strong>in</strong> den Vordergrund. Als Schlüsselbegriffe<br />
nennt er die Qualifizierung der Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter<br />
und die Profilbildung der Vere<strong>in</strong>e. Der Sportvere<strong>in</strong> von<br />
heute saugt alles auf, will allen alles bieten und alles se<strong>in</strong>:<br />
Freizeitanbieter und Institution der Sozialarbeit, Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs-<br />
zentrum und K<strong>in</strong>derbewahranstalt, Volkshochschule und<br />
Ferienbörse. Und am Ende steht er vielleicht mit leeren Händen<br />
da. Um diesem Dilemma beizukommen, plädiere ich<br />
dafür, dass sich Vere<strong>in</strong>e wieder e<strong>in</strong> differenzierteres Bild<br />
geben sollten. In der Wirtschaft spricht man <strong>in</strong> diesem<br />
Zusammenhang von der Konzentration auf Kernkompetenzen.<br />
Das heißt: Will man wieder mehr als Förderer denn als<br />
Bewahrer sportlicher Potenziale auftreten, müssen diese auch<br />
gezielt unterstützt werden.<br />
Gerade die <strong>in</strong> dem 500 Seiten starken Forschungsbericht<br />
niedergelegten Befunde zu den sozialen Leistungen des Sportvere<strong>in</strong>s<br />
im Jugendalter s<strong>in</strong>d zum Teil ernüchternd.<br />
Ja, <strong>in</strong> der Tat. Aber den von außen aufgebürdeten oder selbst<br />
auferlegten Leistungsansprüchen kann der Sportvere<strong>in</strong> angesichts<br />
der sozialen und kulturellen Umbrüche <strong>in</strong> unserer<br />
Gesellschaft nicht immer gerecht werden. Wenn Sozialisations<strong>in</strong>stanzen<br />
wie Schule und Elternhaus ihre Erziehungsaufgaben<br />
nicht mehr h<strong>in</strong>reichend wahrnehmen, kann auch der<br />
Sportvere<strong>in</strong> nicht die Rolle e<strong>in</strong>es Reparaturbetriebes für<br />
gesellschaftliche Probleme übernehmen. Der Sportvere<strong>in</strong><br />
kann nur unterstützend tätig werden. Und das macht er nach<br />
wie vor hervorragend.<br />
Wie ist die Arbeit der <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> Sachen Suchtprävention<br />
tatsächlich zu beurteilen.<br />
Insgesamt legen die Befunde nahe, allzu optimistische<br />
Annahmen über die sucht- und gewaltpräventive Wirkung des<br />
Sports zu relativieren. Das mag im E<strong>in</strong>zelfall stimmen. In der<br />
Mehrheit möchte ich Profi Brettschneider <strong>in</strong> diesem Punkt<br />
jedoch widersprechen und halte mich da an die oben zitierte<br />
japanische Weisheit und me<strong>in</strong>e Erfahrung, die mir sagt, dass<br />
die Vielzahl der Vere<strong>in</strong>sjugendlichen stark genug ist, um<br />
„Ne<strong>in</strong>“ sagen zu können zu Alkohol und Nikot<strong>in</strong>. Gerade <strong>in</strong><br />
jüngster Zeit schulen wir die Betreuer<strong>in</strong>nen und Betreuer im<br />
H<strong>in</strong>blick auf diese Thematik und verdeutlichen ihnen, welch<br />
wichtige Rolle sie als <strong>Vorbild</strong>er für die Jugendlichen gerade<br />
im Umgang mit Drogen haben.<br />
TURNERjugend Nr. 7/01 S. 18–19<br />
„Jugendarbeit im Sportvere<strong>in</strong> – Anspruch<br />
und Wirklichkeit“<br />
Wohl kaum e<strong>in</strong>e Untersuchung wirbelte <strong>in</strong> der letzten Zeit<br />
mehr Staub auf als die kürzlich vorgestellte Untersuchung<br />
„Jugendarbeit im Sportvere<strong>in</strong> – Anspruch und Wirklichkeit“<br />
des Paderborner Sportwissenschaftlers Prof. Dr. Brettschneider.<br />
Schlagzeilen zu dieser Studie schmückten den Sportteil vieler<br />
Zeitungen. Oft genug waren es aber reißerische Zitate, die aus<br />
dem Zusammenhang gerissen wurden. Womit befasste sich<br />
die Studie und welches waren ihre Ergebnisse und Empfehlungen?<br />
<strong>Die</strong>se Frage ist um so schwieriger zu beantworten, da<br />
die Untersuchung noch nicht veröffentlicht ist. <strong>Die</strong> folgende<br />
Zusammenfassung gibt e<strong>in</strong>en Überblick über die Untersuchung:<br />
Worum geht es <strong>in</strong> der Studie?<br />
Allgeme<strong>in</strong> wurde seit Jahrzehnten die Auffassung vertreten,<br />
dass sich die Arbeit mit K<strong>in</strong>dern und Jugendlichen <strong>in</strong> den<br />
Turn- und <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n positiv auf diese Zielgruppe auswirkt.<br />
Es wurde angenommen, dass K<strong>in</strong>der und Jugendliche<br />
<strong>in</strong> <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n sowohl <strong>in</strong> ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit<br />
als auch <strong>in</strong> den sogenannten psychosozialen Faktoren wie<br />
z.B. Selbstwertgefühl, Zuverlässigkeit und Durchhaltevermögen<br />
gefördert würden. Damit trügen die Vere<strong>in</strong>e zur Persönlichkeitsbildung<br />
und Erziehung <strong>in</strong> der Gesellschaft bei. <strong>Die</strong>s zu<br />
h<strong>in</strong>terfragen war das Anliegen der Brettschneider-Untersuchung.<br />
Wer wurde untersucht?<br />
<strong>Die</strong> Studie wurde als Längsschnittstudie mit 3.045<br />
Schüler/<strong>in</strong>nen nordrhe<strong>in</strong>-westfälischer Gymnasien und<br />
Hauptschulen <strong>in</strong> drei Altersgruppen und <strong>in</strong> jeweils drei aufe<strong>in</strong>ander<br />
folgenden Schuljahren durchgeführt. <strong>Die</strong> Teilnehmer/<strong>in</strong>nen<br />
der ersten Gruppe waren zu Beg<strong>in</strong>n zwölf Jahre alt<br />
(am Ende der Studie 14 Jahre), die zweite Gruppe 14 Jahre<br />
(am Ende 16) und die dritte Gruppe 16 Jahre (am Ende 18).<br />
Setzt man die Ergebnisse aller drei Gruppen zusammen, so<br />
erhält man e<strong>in</strong> Bild über das (Sport-)Verhalten der 12- bis 18-<br />
Jährigen. Verglichen wurden zwei Probantengruppen: E<strong>in</strong>erseits<br />
Jugendliche, die sich im Vere<strong>in</strong> sportlich betätigen und<br />
andererseits Jugendliche, die vere<strong>in</strong>sungebundenen Sport<br />
treiben.<br />
Was wurde untersucht?<br />
Mittels Fragebögen wurden Selbstauskünfte über E<strong>in</strong>stellung<br />
und Verhalten der Jugendlichen zum Sport- und Vere<strong>in</strong>sengagement<br />
(Vere<strong>in</strong>s- und/oder Freizeitsport), zum Selbstwertgefühl,<br />
über (psychosomatische) Beschwerden sowie über „Problemverhalten“<br />
(Alkohol, Nikot<strong>in</strong>- und Drogenkonsum und<br />
Gewaltanwendung) abgefragt. Im ersten und dritten Untersuchungsjahr<br />
wurde die körperliche Leistungsfähigkeit von<br />
1.228 Schüler/<strong>in</strong>nen anhand von fünf Übungen untersucht.<br />
Dafür wurden Übungen, wie z.B. Standweitsprung oder Ausdauerlauf<br />
ausgewählt, zu denen Vergleichsdaten aus anderen<br />
Untersuchungen vorlagen. Zusätzlich wurden im ersten und<br />
dritten Schuljahr E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>terviews mit 35 Probant/<strong>in</strong>nen und<br />
Eltern über ihr Selbstkonzept bzw. Selbstwertgefühl geführt,<br />
um H<strong>in</strong>tergründe zu den Antworten im Fragebogen zu erhalten.<br />
<strong>Die</strong> Ergebnisse<br />
Mehr als die Hälfte der Jugendlichen s<strong>in</strong>d oder waren Mitglied<br />
e<strong>in</strong>es Sportvere<strong>in</strong>s. Damit ist der Sportvere<strong>in</strong> nach wie<br />
vor der größte Jugendverband und e<strong>in</strong> wichtiger Faktor für die<br />
Entwicklung von K<strong>in</strong>dern und Jugendlichen <strong>in</strong> ihrer ganzen<br />
Breite. <strong>Die</strong> Vere<strong>in</strong>smitglieder besaßen zu Beg<strong>in</strong>n der Untersuchung<br />
mit zwölf Jahren e<strong>in</strong>e höhere körperliche Leistungsfähigkeit<br />
als Nichtvere<strong>in</strong>smitglieder. Allerd<strong>in</strong>gs nähern sich die<br />
Ergebnisse zum Ende (18 Jahre) e<strong>in</strong>ander an. Prof. Dr. Brettschneider<br />
formuliert diesen Sachverhalt als „die Talente werden<br />
bewahrt“, aber nicht gefördert. Beim Selbstwertgefühl fielen<br />
Vere<strong>in</strong>sjugendliche positiv auf, allerd<strong>in</strong>gs konnte e<strong>in</strong>e systematische<br />
positive E<strong>in</strong>flussnahme des Vere<strong>in</strong>ssports statistisch<br />
nicht nachgewiesen werden. Das gleiche Ergebnis stellte sich<br />
bei (psychosomatischen) Beschwerden wie Schlafstörungen<br />
und Kopfschmerzen dar, von denen Vere<strong>in</strong>sjugendliche weniger<br />
betroffen s<strong>in</strong>d. Bei anderen Beschwerden gibt es kaum Unterschiede,<br />
so dass auch hier ke<strong>in</strong>e signifikanten Aussagen<br />
gemacht werden konnten. Vere<strong>in</strong>sjugendliche tr<strong>in</strong>ken im<br />
Durchschnitt ebenso viel Alkohol wie Nichtvere<strong>in</strong>smitglieder<br />
und nehmen auch genau so viel oder wenig illegale Drogen.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs rauchen Vere<strong>in</strong>smitglieder deutlich weniger, und<br />
s<strong>in</strong>d bei Gewaltdelikten seltener vertreten. <strong>Die</strong> sportartspezifische<br />
Auswertung ergab hierbei, dass die Fußballjugendlichen<br />
im Bereich Bier und Zigaretten deutliche Spitzenreiter<br />
s<strong>in</strong>d. <strong>Die</strong> bisher zugeschriebene positive Wirkung des Vere<strong>in</strong>ssports<br />
auf Jugendliche ist daher nach Brettschneider zwar
114<br />
115<br />
6.0 Öffentliche Me<strong>in</strong>ungen<br />
ke<strong>in</strong>e automatische Folge der Vere<strong>in</strong>szugehörigkeit, trotzdem<br />
wirkt der Sportvere<strong>in</strong> positiv auf das Selbstwertgefühl von<br />
Jugendlichen e<strong>in</strong> und ist Bestandteil e<strong>in</strong>es sozialen Netzes für<br />
mehr als die Hälfte der untersuchten Jugendlichen<br />
Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Studie<br />
<strong>Die</strong> Ergebnisse legen nahe, dass der Sportvere<strong>in</strong> nicht „die<br />
Rolle e<strong>in</strong>es Reparaturbetriebes für gesellschaftliche Defizite“<br />
se<strong>in</strong> kann. Prof. Dr. Brettschneider empfiehlt deshalb den Vere<strong>in</strong>en:<br />
• e<strong>in</strong>e deutliche Profilbildung <strong>in</strong> deren Angebotsstruktur (z.B.<br />
Leistungssport- oder Breitensportgruppe),<br />
• Qualitätssicherung bei der Betreuung der Vere<strong>in</strong>sjugendlichen<br />
sowie<br />
• e<strong>in</strong>e Netzwerkbildung auf lokaler Ebene, um bei der stetigen<br />
Ausdifferenzierung der Gesellschaft den Jugendlichen<br />
Orientierung anzubieten.<br />
Abschließende Bemerkung<br />
Auch wenn die Studie noch e<strong>in</strong>ige Fragen offen lässt, so ergeben<br />
sich doch vielfältige Ansatzpunkte für Verbesserungen<br />
und Innovationen <strong>in</strong> der Vere<strong>in</strong>slandschaft. So kann resümiert<br />
werden, dass sich die Deutsche Turnerjugend mit ihren Angeboten<br />
bereits auf dem richtigen Weg bef<strong>in</strong>det. Denn der Deutsche<br />
Turner-Bund ist zum Beispiel der derzeit e<strong>in</strong>zige Sportfachverband,<br />
der e<strong>in</strong>e gesonderte Ausbildung für Übungsleiter/<strong>in</strong>nen<br />
im K<strong>in</strong>der- und Jugendbereich anbietet.<br />
Ingrid Kolupa<br />
Amtliche Mitteilungen Westdeutscher Fußballverband<br />
e.V. Nr. 4/2001 S. 17–18<br />
Der organisierte Sport macht se<strong>in</strong>e Sache<br />
gut! Mehr Selbstbewusstse<strong>in</strong> bitte!<br />
E<strong>in</strong> Kommentar zur Diskussion um die Studie „Jugendarbeit<br />
<strong>in</strong> <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n“ der Uni Paderborn<br />
Auch <strong>in</strong> Fußballkreisen hat die Studie der Universität Paderborn<br />
für Aufregung gesorgt. <strong>Die</strong>s vor allem deshalb, weil <strong>in</strong><br />
vielen Tageszeitungen der Aspekt, dass Jugendliche <strong>in</strong> Fußballvere<strong>in</strong>en<br />
laut Studie übermäßig viel Alkohol tr<strong>in</strong>ken,<br />
besonders herausgehoben wurde. So konnten die Leser sogar<br />
den E<strong>in</strong>druck bekommen, dass es <strong>in</strong> der Studie hauptsächlich<br />
um den Alkoholkonsum von Fußballern g<strong>in</strong>ge. E<strong>in</strong>ige Mitarbeiter<br />
des Westdeutschen Fußballverbandes, unter anderem<br />
der Jugendausschussvorsitzende Peter Frymuth, waren deshalb<br />
sehr gespannt der E<strong>in</strong>ladung der Landesregierung zu<br />
e<strong>in</strong>em „Sportforum“ unter dem Titel „Trendy se<strong>in</strong> im Sportvere<strong>in</strong>“<br />
gefolgt, bei dem die Studie diskutiert werden sollte.<br />
Hier e<strong>in</strong> Kommentar von WFV-Präsidiumsmitglied und Leiter<br />
des WFV-Bildungswerkes Willi Scheuerl zur Veranstaltung<br />
und zur Studie.“<br />
Es hätte e<strong>in</strong> spannender Abend werden können, wenn die<br />
zahlreichen, <strong>in</strong>teressierten und vielfach hochverdienten Vertreter<br />
des organisierten Sports im Plenum e<strong>in</strong> wenig präziser<br />
hätten wissen dürfen, welche konkreten Inhalte die „Paderborner<br />
Studie“ von Prof. Brettschneider enthält und auf welcher<br />
Grundlage die Podiumsteilnehmer diskutieren. Aber: <strong>Die</strong><br />
Studie war auch nach konkreten Anfragen des Westdeutschen<br />
Fußballverbandes und des Fußball- und Leichtathletik-Verbandes<br />
Westfalen weder durch die Landesregierung noch<br />
durch die Universität Paderborn zu erhalten. So blieben dem<br />
seriösen Besucher nur die im Internet veröffentlichte Kurzfassung<br />
und die Presse<strong>in</strong>formation des M<strong>in</strong>isteriums für Stadtentwicklung<br />
und Wohnen, Kultur und Sport zur <strong>in</strong>haltlichen Vorbereitung.<br />
<strong>Die</strong> Vielzahl der reißerisch-populistischen Artikel der Tagespresse,<br />
deren Verfasser die Orig<strong>in</strong>alstudie wohl auch nicht<br />
kannten, waren für Tausende ehrenamtlicher Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen<br />
<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>en und Sportverbänden e<strong>in</strong> unberechtigter, öffentlicher<br />
„Schlag <strong>in</strong>s Gesicht“, der sich auch durch das Streben<br />
nach hohen Auflagen und die Devise „only bad news are good<br />
news“ nicht rechtfertigen lässt. <strong>Die</strong> Anwesenden haben dies<br />
schnell erkannt, die Podiumsdiskutanten <strong>in</strong> ihren mehr als 70<br />
M<strong>in</strong>uten beanspruchenden E<strong>in</strong>gangsstatements entsprechend<br />
zurückweisend gewürdigt – dennoch wurde der organisierte<br />
Sport <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er unfairen Weise öffentlich an den Pranger<br />
gestellt für Untersuchungsergebnisse e<strong>in</strong>er unveröffentlichten<br />
Studie, die er nicht orig<strong>in</strong>är zu vertreten hat! Und die Vertreter/<strong>in</strong>nen<br />
der Sportorganisationen haben sich überwiegend <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>e Verteidigungsrolle drängen lassen – warum eigentlich?<br />
In der Studie wird der Sport nur <strong>in</strong>strumentalisiert dargestellt.<br />
Es werden ihm – wie sicher gerne <strong>in</strong> der öffentlichen Diskussion<br />
– Aufgaben zugewiesen, die er bei der Entwicklung von K<strong>in</strong>dern<br />
und Jugendlichen zu erfüllen hat. Aber: Der Sport hat auch<br />
e<strong>in</strong>en Selbstzweck, so wie es z.B. <strong>in</strong> allen Satzungen der Fußballvere<strong>in</strong>e<br />
zu lesen ist, die Förderung des Fußballspiels, des<br />
Jugendfußballs und die Durchführung des Spielbetriebes!<br />
<strong>Die</strong>se ursprünglichen Kernaufgaben erfüllt der Fußball zu<br />
100% mit den vorhandenen Strukturen. Und zwar mit mehr<br />
als 30% der im Sport organisierten Jugendlichen, durch mehr<br />
als e<strong>in</strong> Jahrhundert h<strong>in</strong>durch, weltweit, mit e<strong>in</strong>em, dem stetigen<br />
Wandel der Zeit standhaltenden, attraktiven Sportspiel, das<br />
alle kennen und so viele begeistert. <strong>Die</strong>se Fakten besitzen normative<br />
Kraft und s<strong>in</strong>d auch wissenschaftlich valide; sie sollten<br />
Grundlage e<strong>in</strong>es ausgeprägten Selbstbewusstse<strong>in</strong>s der zigtausend<br />
Ehrenamtlichem im organisierten Fußballsport der Vere<strong>in</strong>e se<strong>in</strong>.<br />
So war die kritische, aber gleichzeitig kooperative Stellungnahme<br />
von Seiten der Teilnehmer aus dem Fußball zu verstehen:<br />
Bedauerlich sei die negative Interpretation der Studie,<br />
die von den Journalisten verbrochen worden sei und zukunftsweisende<br />
Erkenntnisse überdeckt. Der Fußball habe im Breiten-<br />
wie im Spitzensport immer soziales Engagement bewiesen<br />
und auch gesellschaftlichen Zielsetzungen gedient. Wenn<br />
die Politik die Absicht trägt, pädagogisch besser ausgebildete<br />
Übungsleiter/<strong>in</strong>nen und Tra<strong>in</strong>er/<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> Fußballvere<strong>in</strong>en für<br />
kompensatorische Erziehungsaufgaben zu fördern, so seien<br />
die Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen und Organisationsstrukturen (Sportschulen,<br />
Weiterbildungse<strong>in</strong>richtungen etc.) vielfach vorhanden,<br />
aber das Geld fehle und müsse bereitgestellt werden, z.B.<br />
aus Mitteln der neuen Sportstiftung bzw. der durch den Fußball<br />
wesentlich gespeisten Oddset-Wette.<br />
<strong>Die</strong> durch die Studie bestätigten Befunde, dass der Sportvere<strong>in</strong><br />
die unangefochtene Nr. 1 unter den Jugendorganisationen<br />
ist (60% der 12jährigen und ca. 40% der 18jährigen), mit tendenziell<br />
steigendem Organisationsgrad im Zehnjahresvergleich<br />
(lt. Shell-Jugendstudie), spiegelt die gesellschaftliche<br />
Bedeutung des Vere<strong>in</strong>ssports wider. Sie rechtfertigt die politische<br />
Entscheidung zur f<strong>in</strong>anziellen Strukturförderung e<strong>in</strong>er<br />
ehrenamtlich getragenen Institution, die hauptberuflich nicht<br />
annähernd f<strong>in</strong>anzierbar wäre. <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> besitzen e<strong>in</strong>e hohe<br />
Integrationskraft, demokratische Grundstrukturen, verkörpern<br />
e<strong>in</strong>en „Quasi-Ernstbereich des Lebens“ mit festen<br />
(Spiel-)Regeln (gerade <strong>in</strong> den großen Sportspielen und Mannschaftssportarten)<br />
und führen unvermeidlich zu sozialer Interaktion<br />
im Spannungsfeld zwischen Leistung und Fairness.<br />
<strong>Die</strong> e<strong>in</strong>st „guten Tugenden“, wie Pünktlichkeit, Hilfsbereitschaft,<br />
Selbstdiszipl<strong>in</strong> (im Mannschaftssportgefüge) und die<br />
Entwicklung des Selbstwertgefühls s<strong>in</strong>d lange nicht alle, die<br />
der Vere<strong>in</strong>ssport unabd<strong>in</strong>gbar braucht. Wer weitere pädagogische<br />
und kompensatorische Erziehungsaufgaben <strong>in</strong> die <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong><br />
verlagern will, benötigt e<strong>in</strong>e realistische Konzeption<br />
und die f<strong>in</strong>anziellen Mittel, um die Ausbildung der ehrenamtlichen<br />
Vere<strong>in</strong>smitarbeiter/<strong>in</strong>nen zu erweitern und zu verbessern.<br />
Dann kann der organisierte Sport neben se<strong>in</strong>en orig<strong>in</strong>ären<br />
Kernbereichen an diesen zusätzlichen Aufgaben gemessen,<br />
werden!<br />
<strong>Die</strong>s wäre e<strong>in</strong> fairer Pakt mit dem Sport, den Sportm<strong>in</strong>ister Dr.<br />
Vesper me<strong>in</strong>te, <strong>in</strong> der Konsequenz der F<strong>in</strong>anzierung, jedoch<br />
letztlich nicht zusicherte. Denjenigen Menschen, die sich <strong>in</strong><br />
unserer Gesellschaft noch unentgeltlich für andere engagieren,<br />
mangelnde Qualität an Ausbildung vorzuwerfen, kann nicht<br />
beabsichtigt se<strong>in</strong>!<br />
Dort, wo Alkoholkonsum und Rauchen ke<strong>in</strong>e leistungslimitierenden<br />
Faktoren darstellen, im breitensportlichen Mannschaftsspiel,<br />
kann man Jugendlichen gesundheitsbewusstes<br />
Verhalten nur überzeugend „vorleben“. <strong>Die</strong> vielen Betreuer<br />
und Tra<strong>in</strong>er der Volkssportart Fußball und auch die heranwachsenden<br />
Jugendlichen und ihre Eltern s<strong>in</strong>d dabei repräsentativ<br />
für die Verhältnisse <strong>in</strong> unserer Gesellschaft – diese<br />
Verhältnisse wird der Sportvere<strong>in</strong> nicht im Alle<strong>in</strong>gang und<br />
nicht durch Bevormundung se<strong>in</strong>er Mitglieder verändern können.<br />
Kurzfristig messbare Erfolge s<strong>in</strong>d hier wahrsche<strong>in</strong>lich nur mit<br />
gesellschaftspolitischen Entscheidungen <strong>in</strong> der Gesetzgebung<br />
zu Werbung und öffentlichem Gesundheitsschutz zu erzielen.<br />
<strong>Die</strong>se kann der Sportvere<strong>in</strong> durch Aufklärung und die Schaffung<br />
von erzieherischen Anreizen für mehr Gesundheitsbewusstse<strong>in</strong><br />
unterstützen – trifft das den politischen Willen unserer Landesregierung<br />
im Pakt mit dem Sport?<br />
Auffällig war, dass fast alle hochgestellten Persönlichkeiten<br />
<strong>in</strong> der Zuhörerschaft und auf dem Podium von eigenen positiven<br />
Lebenserfahrungen mit Sport zu berichten wussten, die <strong>in</strong> der<br />
Studie nicht unbed<strong>in</strong>gt al≠s signifikant zu f<strong>in</strong>den waren.<br />
Gerade aus der Sicht des Fußballs sche<strong>in</strong>t es auf Grund der<br />
weltweiten Beliebtheit und des ungebrochenen Interesses<br />
bedeutsam, e<strong>in</strong>e konstante, überdauernde Größe mit hoher<br />
Verb<strong>in</strong>dlichkeit zu se<strong>in</strong>. Seit se<strong>in</strong>er „Erf<strong>in</strong>dung“ hat der Fußball<br />
se<strong>in</strong>e Regeln stets relativ e<strong>in</strong>fach und verständlich gestaltet,<br />
se<strong>in</strong>e Spielidee „Tore erzielen und Tore vermeiden“ nicht verändert<br />
und die Tatsachenentscheidungen des Schiedsrichters<br />
trotz technischer Möglichkeiten nicht preisgegeben. Dennoch<br />
haben Flexibilität und Variantenreichtum <strong>in</strong> verschiedenen<br />
Ausprägungsformen (Fußballtennis, Hallenfußball) und Anpassungen<br />
für bestimmte Alters- oder Zielgruppen (z.B. Bamb<strong>in</strong>i)<br />
moderne Erfordernisse schadlos <strong>in</strong>tegriert. Das große Sportspiel<br />
Fußball konnte sich bislang als e<strong>in</strong>e „feste überdauernde<br />
Größe“ behaupten, ohne Spielunterbrechungen durch Werbeblocks<br />
der Medien, trotz aller vergänglichen Fun- und Trendsportarten<br />
(zumeist durch die Sportartikel<strong>in</strong>dustrie umsatzsteigernd<br />
<strong>in</strong>itiiert) und sah bereits e<strong>in</strong>ige Sportarten-Booms<br />
kommen und gehen. Vielleicht ist es gerade das, was <strong>in</strong> Zeiten<br />
des viel diskutierten „Werteverfalls“ und des schnellen Wandels<br />
den Fußball so wertvoll macht – als B<strong>in</strong>deglied zwischen<br />
den Generationen und den Nationen, als Orientierungspunkt<br />
und „ruhenden Pol“ nach dem Menschen sich sehnen.<br />
So gesehen ist „trendy se<strong>in</strong>“ an sich ke<strong>in</strong>e „neue, anstrebenswerte<br />
Qualität“ und die „ständige Anpassung an den Wandel“<br />
erzeugt ke<strong>in</strong>e überdauernden Werte und Ziele und ke<strong>in</strong>e<br />
Grundlage zur Orientierung. Aber nicht nur <strong>in</strong> diesen Punkten<br />
unterscheiden sich moderne, Gew<strong>in</strong>n maximierende <strong>Die</strong>nstleistungsorganisationen<br />
(auch des kommerziellen Sports) von<br />
der „Non-Profit-Organisation“ Sportvere<strong>in</strong>.<br />
W. Scheuerl
116<br />
117<br />
6.0 Öffentliche Me<strong>in</strong>ungen<br />
DSB-Presse<br />
vom 10. April 2001<br />
Quelle: www.dsj.de
118<br />
6.3 Ergebnisse des „Trendmonitors“ zur Brettschneider-Studie<br />
119<br />
6.0 Öffentliche Me<strong>in</strong>ungen<br />
Der „Trendmonitor“ – wie wir ihn benennen – ist e<strong>in</strong><br />
Instrument zur Feststellung aktueller Trends und Tendenzen<br />
im Sport. <strong>Die</strong>ser „Trendmonitor“ wurde im Jahr<br />
2000 durch den LandesSportBund Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen<br />
e<strong>in</strong>gerichtet und auch erstmals e<strong>in</strong>gesetzt.<br />
Mittels Zufallsgenerator wurden aus der aktuellen<br />
ÜL/JL/OL – Adressendatei 500 Adressen herausgezogen<br />
und mit der Bitte angeschrieben, beim „Trendmonitor“<br />
mitzuwirken.<br />
Mit Stand 15. April 2001 haben sich ca. 150 Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />
und Mitarbeiter zur Mitwirkung bereit erklärt. <strong>Die</strong><br />
150 Adressen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>zwischen auf ca. die doppelte Anzahl<br />
angewachsen, so dass bei späteren Umfragen die Verlässlichkeit<br />
der Untersuchung entsprechend größer wird.<br />
<strong>Die</strong>se Mitarbeiter und Mitarbeiter<strong>in</strong>en werden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Telefonbefragung (<strong>in</strong> Zusammenarbeit mit dem Soziologischen<br />
Institut der Universität Duisburg) zu vorher<br />
festgelegten Fragen um Stellungnahme gebeten.<br />
Mit diesem Instrument Trendmonitor können wir gewährleisten,<br />
dass der LandesSportBund NRW zeitnäher auf<br />
aktuelle Problemstellungen, die vor allem an der Vere<strong>in</strong>sbasis<br />
auftreten, reagieren kann.<br />
In der folgenden Trendmonitor – Umfrage s<strong>in</strong>d die Befragungsergebnisse<br />
zur vieldiskutierten Brettschneider-<br />
Studie: „Jugendarbeit im Sportvere<strong>in</strong> – Anspruch und<br />
Wirklichkeit“ dokumentiert. Das Ergebnis ist nicht als repräsentative<br />
Stellungnahme der im Sport tätigen Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />
und Mitarbeiter zu sehen, sondern es kann aufzeigen,<br />
wie zum Zeitpunkt der Telefonbefragung der Informationsstand<br />
an der Basis zur Brettschneider-Studie ist.<br />
Ergebnisse der Blitzumfrage an Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />
und Mitarbeiter aus <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n zum<br />
Thema:<br />
„Jugendarbeit im Sportvere<strong>in</strong> – Anspruch und<br />
Wirklichkeit“<br />
Für die Telefonumfrage, die vom Rhe<strong>in</strong>-Ruhr-Institut<br />
für Sozialforschung und Politikberatung am Freitag, den<br />
30. April und Samstag, den 31. April durchgeführt wurde,<br />
konnten erstmals die Daten des erstellten „Trendmonitors“<br />
e<strong>in</strong>gesetzt werden.<br />
Hierbei handelte es sich um 146 Personen aus dem<br />
Bereich der <strong>in</strong> den <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n tätigen Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />
und Mitarbeiter, die sich für derartige Umfragen<br />
als Partner zur Verfügung gestellt haben.<br />
Von den 146 möglichen Kontaktpersonen konnten 94<br />
Personen erreicht werden und haben geantwortet.<br />
Frage 1<br />
Haben Sie e<strong>in</strong>en oder mehrere dieser Artikel gelesen<br />
oder von den Ergebnissen der Untersuchung gehört?<br />
• Artikel gelesen Ja/ne<strong>in</strong><br />
• Von den Ergebnissen gehört Ja/ne<strong>in</strong><br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Ja<br />
Ne<strong>in</strong><br />
Von den Ergebnissen der Untersuchung haben zusätzlich<br />
zu denen, die angeführt haben, e<strong>in</strong>en oder mehrere<br />
Artikel gelesen zu haben, noch e<strong>in</strong>mal 19,1% oder<br />
18 Personen gehört (zweiter Teil der Frage).<br />
<strong>Die</strong> detaillierte Auswertung ergibt:<br />
• 15 Personen haben e<strong>in</strong>en Artikel gelesen und zusätzlich<br />
von den Ergebnissen der Untersuchung gehört,<br />
• 14 Personen haben e<strong>in</strong>en Artikel gelesen, aber noch<br />
nichts weiteres gehört,<br />
• 3 Personen haben noch nichts über die Studie gelesen,<br />
aber schon davon gehört,<br />
• 4 Personen wußten nicht, ob sie etwas dazu gelesen<br />
haben,<br />
• 58 Personen haben beide Fragen mit ne<strong>in</strong> beantwortet.<br />
In der weiteren Befragung wurden nur noch diejenigen<br />
erfasst, die auf die obigen Fragestellungen zum<strong>in</strong>dest<br />
e<strong>in</strong>mal mit „Ja“ geantwortet haben.<br />
<strong>Die</strong>s waren 32 Personen – 34% der Befragten.<br />
weiß nicht<br />
Frage 2<br />
Woran er<strong>in</strong>nern sie sich, wenn sie sich die Ihnen<br />
bekannten Informationen über die Studie vor Augen<br />
führen?<br />
<strong>Die</strong> Frage wurde offen gestellt, es wurden ke<strong>in</strong>e Antwortmöglichkeiten<br />
vorgegeben. <strong>Die</strong> Antworten wurden<br />
<strong>in</strong> zuvor festgelegte Kategorien zugeordnet. Es waren<br />
Mehrfachnennungen möglich.<br />
Insgesamt lagen 42 Nennungen vor.<br />
• <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> haben wenig E<strong>in</strong>fluss<br />
auf die Jugend<br />
• Fussball/Handball<br />
• Alkohol/Nikot<strong>in</strong><br />
• Drogen<br />
• Tra<strong>in</strong>er<br />
• Ausbildung<br />
• Sport ist nicht gut für junge Leute<br />
• Pakt für den Sport<br />
• Sonstiges<br />
9 Nennungen<br />
2 Nennungen<br />
10 Nennungen<br />
7 Nennungen<br />
ke<strong>in</strong>e Nennung<br />
ke<strong>in</strong>e Nennung<br />
1 Nennung<br />
ke<strong>in</strong>e Nennung<br />
13 Nennungen<br />
Unter der Rubrik „Sonstiges“ wurden jeweils als<br />
e<strong>in</strong>e Nennung (wörtlich übernommen) aufgeführt:<br />
• Ab 13 Jahren haben <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> ke<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluß mehr<br />
auf die Jugendlichen<br />
• Breitensport<br />
• Dass die soziale Arbeit, die den <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>n zugesprochen<br />
wird, so nicht <strong>in</strong> Ordnung ist<br />
• Ehrenamt und se<strong>in</strong>e Schwierigkeiten<br />
• Ke<strong>in</strong> Unterschied zwischen tra<strong>in</strong>ierten und untra<strong>in</strong>ierten<br />
Jugendlichen im konditionellen Bereich<br />
• Krim<strong>in</strong>alität<br />
• Krim<strong>in</strong>alität bei Jugendlichen<br />
• Leute werden alle unter e<strong>in</strong>en Kamm geschert<br />
• Schule und Vere<strong>in</strong> Sport gegen rechts<br />
• Schulsport unterliegt <strong>in</strong> der Wertigkeit dem Vere<strong>in</strong>ssport<br />
• Trendsportarten<br />
• Verstärkt Jugendarbeit <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong>en betreiben<br />
• Zu wenig Schulen kooperieren mit Vere<strong>in</strong>en, um<br />
Jugendlichen auch neben dem Schulsport Vere<strong>in</strong>ssport<br />
zu bieten<br />
Frage 3<br />
Ist <strong>in</strong> Ihrem Sportvere<strong>in</strong>/<strong>in</strong> Ihrer Sportgruppe über<br />
die Ergebnisse der Studie gesprochen worden?<br />
Antwortmöglichkeit: Ja/ne<strong>in</strong><br />
Über Ergebnisse der Studie gesprochen worden?<br />
30%<br />
25%<br />
20%<br />
15%<br />
10%<br />
5%<br />
0%<br />
Ja<br />
Ne<strong>in</strong><br />
weiß nicht<br />
E<strong>in</strong>gangssatz zur Telefonbefragung:<br />
In den letzten zwei Wochen konnte man <strong>in</strong> der Presse<br />
Artikel über e<strong>in</strong>e Untersuchung zum Thema „Jugendarbeit<br />
und <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong>“ lesen.
120<br />
121<br />
6.0 Öffentliche Me<strong>in</strong>ungen<br />
Frage 4<br />
Und wie s<strong>in</strong>d die Ergebnisse <strong>in</strong> ihrem Sportvere<strong>in</strong><br />
bewertet worden?<br />
<strong>Die</strong> Frage wurde offen gestellt, es wurden ke<strong>in</strong>e Antwortmöglichkeiten<br />
vorgegeben. <strong>Die</strong> Antworten wurden<br />
<strong>in</strong> zuvor festgelegte Kategorien zugeordnet. Es liegen<br />
Mehrfachnennungen vor.<br />
<strong>Die</strong> Basiszahl der vorliegenden Antworten beruht auf<br />
dem Ergebnis der Frage Nummer 3 mit <strong>in</strong>sgesamt 5<br />
Antworten (5,3%)<br />
• Ergebnisse der Studie<br />
s<strong>in</strong>d nichts Neues<br />
ke<strong>in</strong>e Nennung<br />
• Ergebnisse der Studie veranlassen uns,<br />
über die Jugendarbeit <strong>in</strong> unserem Vere<strong>in</strong><br />
nachzudenken<br />
2 Nennungen<br />
• Ergebnisse s<strong>in</strong>d für die Arbeit im<br />
Sportvere<strong>in</strong> nicht von Bedeutung<br />
• Unser Informationsstand ist zur Zeit<br />
noch zu ungenau, wir warten auf<br />
entsprechende Veröffentlichungen<br />
• Das ist Sache der Wissenschaft, die<br />
haben ke<strong>in</strong>e Ahnung von der Praxis<br />
• Sonstiges<br />
ke<strong>in</strong>e Nennung<br />
ke<strong>in</strong>e Nennung<br />
1 Nennung<br />
3 Nennungen<br />
Unter der Rubrik „Sonstiges“ wurde jeweils als E<strong>in</strong>zelnennung<br />
(wörtlich übernommen) aufgeführt:<br />
• Der Anspruch ist zu hoch (des Sportvere<strong>in</strong>s),<br />
die Vere<strong>in</strong>e müßten mehr leisten<br />
• <strong>Die</strong> Ergebnisse haben uns erstaunt, wir halten uns für<br />
e<strong>in</strong>e positive Ausnahme<br />
• <strong>Die</strong> Studie ist <strong>in</strong>sgesamt positiv bewertet worden<br />
Frage 5<br />
Welche Konsequenzen sollten Ihrer Me<strong>in</strong>ung der<br />
LandesSportBund NRW die Sportjugend/aus den<br />
vorliegenden Ergebnissen der Untersuchung ziehen?<br />
<strong>Die</strong> Frage wurde offen gestellt, es wurden ke<strong>in</strong>e Antwortmöglichkeiten<br />
vorgegeben. <strong>Die</strong> Antworten wurden<br />
<strong>in</strong> zuvor festgelegte Kategorien zugeordnet. Es lagen<br />
Mehrfachantworten vor.<br />
Insgesamt gibt es 29 Nennungen.<br />
• Ausbildung weiter verbessern<br />
• Ausbildung mehr auf pädagogische<br />
Arbeit ausrichten<br />
• Ansprüche abbauen – <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong><br />
s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Sozialstationen<br />
• So weiter arbeiten wie bisher<br />
• Möglichst schnell gegen<br />
die Ergebnisse angehen –<br />
das kann nicht so stehen bleiben<br />
• Mehr staatliche Unterstützung für<br />
e<strong>in</strong>e bessere Jugendarbeit e<strong>in</strong>fordern<br />
• <strong>Die</strong> <strong>Sportvere<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> NRW erst e<strong>in</strong>mal<br />
gründlich <strong>in</strong>formieren und dann<br />
geme<strong>in</strong>sam nach Wegen suchen<br />
• Sonstiges<br />
6 Nennungen<br />
1 Nennung<br />
1 Nennung<br />
3 Nennungen<br />
ke<strong>in</strong>e Nennung<br />
2 Nennungen<br />
6 Nennungen<br />
10 Nennung<br />
Unter „Sonstiges“ wurde jeweils als E<strong>in</strong>zelnennung<br />
(wörtlich übernommen) aufgeführt:<br />
• Auf die Übungsleiter zugehen<br />
• Den Sport nicht <strong>in</strong> Verruf br<strong>in</strong>gen, der LSB sollte sich<br />
h<strong>in</strong>ter die Ehrenämtler stellen<br />
• <strong>Die</strong> Ergebnisse durch e<strong>in</strong>e neue Studie überprüfen,<br />
dabei sollte noch genauer nach Sportarten differenziert<br />
werden<br />
• <strong>Die</strong> Öffentlichkeitsarbeit sollte stärker die positiven<br />
Leistungen der Vere<strong>in</strong>e darstellen<br />
Bewertung der vorliegenden Ergebnisse der<br />
Blitzumfrage:<br />
• <strong>Die</strong>se Blitzumfrage mit Hilfe des Trendmonitor kann<br />
nur e<strong>in</strong> Me<strong>in</strong>ungsbild se<strong>in</strong><br />
• Ca. 1/3 der im Sport tätigen Mitarbeiter und Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />
haben die verschiedenen Ausführungen <strong>in</strong> der<br />
Presse gelesen. <strong>Die</strong>ser Wert ist erstaunlich ger<strong>in</strong>g, da<br />
auch die großen regionalen Zeitungen wie Rhe<strong>in</strong>ische<br />
Post, Westdeutsche Allgeme<strong>in</strong>e und Neue Ruhr Zeitung<br />
<strong>in</strong> großer Aufmachung über die Studie berichtet<br />
haben.<br />
• <strong>Die</strong> von den Zeitungen gewählten Überschriften, die<br />
hauptsächlich auf e<strong>in</strong>en Alkohol und Nikot<strong>in</strong>konsum<br />
Jugendlicher abhoben, haben sich offenbar im Gedächtnis<br />
festgesetzt – dies ist an den Nennungen zur<br />
Frage 2 (Alkohol/Nikot<strong>in</strong> mit 10 Nennungen, Drogen<br />
mit 7 Nennungen) deutlich zu sehen.<br />
• Der Begriff „Pakt für den Sport“ ist von den Befragten<br />
nicht <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung geblieben.<br />
• In der Bewertung der Ergebnisse kommt es bei denen,<br />
die sich damit ause<strong>in</strong>andergesetzt haben zum Nachdenken,<br />
auch über die Ansprüche, die an den Sportvere<strong>in</strong><br />
von außen herangetragen werden.<br />
• Als erste Konsequenz auf die Ergebnisse der Studie ist<br />
der ruf nach e<strong>in</strong>er verbesserten Ausbildung der übliche<br />
Weg – dies bestätigt sich auch <strong>in</strong> der Blitzumfrage. Ob<br />
man allerd<strong>in</strong>gs mit Hilfe dieser verbesserten Ausbildung<br />
das ursprüngliche Problem erreichen kann, ist zu<br />
klären.<br />
• Es besteht der den Wunsch nach gründlicher Information<br />
und nach der geme<strong>in</strong>samen Suche nach Lösungswegen.<br />
Hier ist vor allem die Landesorganisation – der<br />
LandesSportBund Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen – gefragt.<br />
• Insgesamt kann bei der Antwort auf mögliche Konsequenzen<br />
für die Arbeit des LandesSportBundes/<br />
die Sportjugend NRW auf drei Bereiche h<strong>in</strong>gewiesen<br />
werden:<br />
1. Mitarbeiteraus- und fortbildung<br />
• <strong>Die</strong> Tra<strong>in</strong>er stärker auf das Problem h<strong>in</strong>weisen<br />
• Ist sich mit den Ergebnissen nicht sicher<br />
• Möglichkeiten <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong> zu kommen für die<br />
Jugendlichen verbessern, auf die E<strong>in</strong>kommensverhältnisse<br />
e<strong>in</strong>gehen<br />
• Sportbund sollte se<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss geltend machen<br />
• Sport<strong>in</strong>stitutionen sollten mehr <strong>in</strong> die Öffentlichkeit<br />
gehen<br />
2. Interessenvertretung des LandesSportBundes für die<br />
Arbeit der ehrenamtlichen Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter<br />
3. Information über die Ergebnisse und Diskussion der<br />
Ergebnisse mit dem Ziel der Optimierung der Jugendarbeit.<br />
Norbert Käfer