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3-D-Formteil mit einfachen Mitteln - Meisterschule Schreiner München

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3-D-<strong>Formteil</strong><br />

<strong>mit</strong> <strong>einfachen</strong> <strong>Mitteln</strong><br />

Die Schüler der <strong>Meisterschule</strong> für<br />

<strong>Schreiner</strong> in <strong>München</strong> (MSM)<br />

entwerfen im ersten Semester<br />

ein kleines Möbelstück. Diese Projektarbeit<br />

ver<strong>mit</strong>telt sowohl den Ablauf des<br />

Entwurfsprozesses als auch die Bestandteile<br />

einer vollständigen Werkzeichnung.<br />

Eines der Möbel wird im<br />

zweiten Semester im Praxisunterricht<br />

gemeinsam gefertigt. Dies schult die<br />

Teamfähigkeit der Klasse, da die Schüler<br />

die Arbeit selbstständig strukturieren<br />

und einteilen müssen. Zur Übung und<br />

Weiterentwicklung der Fertigkeiten an<br />

den Standardmaschinen wird auf den<br />

Einsatz von CNC-Technik verzichtet.<br />

3-D-Formverleimung. In diesem Jahr<br />

wählte die Klasse ein als Taschenleerer<br />

konzipiertes Flurmöbel aus. Das Sideboard<br />

besteht aus einem allseits auf<br />

Gehrung gearbeiteten Korpus aus Nussbaum.<br />

Als echte Herausforderung erwies<br />

sich die aufgesetzte Schale aus<br />

Ahornfurnieren. Da die Schüler an der<br />

Verwendung von 3-D-Furnier interessiert<br />

waren, wollten sie <strong>mit</strong> diesem noch<br />

relativ unbekannten Material Erfahrun-<br />

46<br />

gen sammeln. Betreut und koordiniert<br />

wurde der Unterricht durch den Fachlehrer<br />

Isidor Schölderle, der die Schüler<br />

<strong>mit</strong> seiner langjährigen Berufserfahrung<br />

unterstützte.<br />

Herstellung der Verleimschablone. Die<br />

erste Schwierigkeit: Die dreidimensional<br />

gewölbte Schablone für die Formverleimung.<br />

Schnell verworfen wurde der<br />

Vorschlag, diese zu drechseln. Maßungenauigkeiten<br />

wären dabei kaum zu<br />

vermeiden. Angeregt durch Fachlehrer<br />

Gerd Bitterer, besannen sich die angehenden<br />

<strong>Schreiner</strong>meister auf die vielseitige<br />

Einsetzbarkeit der Oberfräse. So<br />

entstand die Idee, die Schablone <strong>mit</strong>tels<br />

einer Stirnplanfräsung anzufertigen.<br />

Frässchablone statt drechseln<br />

Zunächst stellten einige Schüler einen<br />

abgetreppten Rohling her. Die kreisförmigen<br />

Elemente <strong>mit</strong> abnehmenden<br />

Durchmessern schnitten sie <strong>mit</strong> dem<br />

Kreisfix an der Bandsäge aus und verleimten<br />

sie <strong>mit</strong> PVAC-Leim in der Furnierpresse<br />

(Bild 1) . Nun fertigten sie für<br />

die Fräsvorrichtung eine segmentbogen-<br />

Nur <strong>mit</strong><br />

Standardmaschinen<br />

hergestellt: das<br />

Taschenleerer-Flurmöbel<br />

von der <strong>Meisterschule</strong><br />

<strong>München</strong><br />

Schlichte Entwürfe erweisen sich in der Fertigung oft als sehr komplex. Diese Erfahrung<br />

machten die Schüler der <strong>Meisterschule</strong> für <strong>Schreiner</strong> in <strong>München</strong> beim Bau ihres<br />

Projektmöbels. Die Vorgabe, eine sphärisch gekrümmte Schale nur <strong>mit</strong> Standardmaschinen<br />

herzustellen, inspirierte sie zu unkonventionellen Lösungen.<br />

förmige Brücke aus Multiplexplatte. Ein<br />

Dübel in der Grundplatte diente als<br />

Drehpunkt. Am Auflagetisch der Oberfräse<br />

brachten sie einen zur Brücke passenden<br />

Schlitten an. Nun war durch<br />

Drehen des Rohlings bei gleichzeitigem<br />

Verfahren der Oberfräse auf der Brücke<br />

das exakte Fräsen der Schablone gut zu<br />

bewerkstelligen (Bild 2). Da die spätere<br />

Sichtseite der Schale auf der Schablone<br />

aufliegen würde, verspachtelten die<br />

Schüler die gefräste Oberfläche <strong>mit</strong> Polyester-Spachtelmasse<br />

und schliffen sie<br />

fein (Bild 3).<br />

3-D-Furnier. Parallel zu den Arbeiten an<br />

der Verleimschablone beschäftigte sich<br />

eine zweite Gruppe von Schülern <strong>mit</strong><br />

der Vorbereitung der Furniere. Sie verwendeten<br />

ein 3-D-Furnier der Firma Reholz<br />

GmbH aus Kesselsdorf (www.reholz.de).<br />

Dabei handelt es sich um ein<br />

1,15mm dickes Furnier, das in Faserrichtung<br />

in etwa 1,5mm breite Streifen aufgespalten<br />

ist (Bild 4). Gesichert sind diese<br />

Streifen auf der Rückseite durch<br />

Schmelzkleberfäden, die quer zur Faserrichtung<br />

in Abständen von einem Zenti-<br />

dds das magazin für möbel und ausbau 11/2010


meter aufgebracht sind (Bild 5). Bei den<br />

Deckfurnieren ist ein dünnes Edelfurnier<br />

auf ein Unterfurnier aufkaschiert,<br />

um die erforderliche Dicke von 1,15 mm<br />

zu erreichen. Dieser Aufbau erlaubt<br />

dreidimensional gewölbte Formverleimungen,<br />

die als Formsperrholz <strong>mit</strong><br />

kreuzweise angeordneten Lagen angefertigt<br />

werden. Es lassen sich <strong>mit</strong> dem<br />

tiefziehfähigen Furnier auch sphärisch<br />

gewölbte Bauteile aus anderen Materialien<br />

beschichten. Radien bis 50 mm werden<br />

hierbei fehlerfrei verarbeitet.<br />

Für ein elegantes Erscheinungsbild<br />

der Schale wählten die Schüler einen<br />

Aufbau aus nur fünf Furnieren. Bei den<br />

drei Mittellagen verwendeten sie Ilombafurnier,<br />

das sich an der Hirnholzkante<br />

farblich kaum von den Deckfurnieren<br />

aus europäischem Ahorn unterscheidet<br />

und einen deutlichen Preisvorteil bietet.<br />

Verleimen. Große Überraschung: Bei<br />

ersten Verleimversuchen ließen sich die<br />

einzelnen Furnierschichten zum Teil <strong>mit</strong><br />

der Hand voneinander lösen. Der üblicherweise<br />

an der Schule für Formverleimungen<br />

verwendete PUR-Leim war<br />

trotz ausreichender Presszeit in der Vakuum-Membranpresse<br />

nicht vollständig<br />

ausgehärtet.<br />

Kein PUR bei 3-D-Furnier<br />

Die Ursache für die mangelhafte Verleimung<br />

war schwer zu er<strong>mit</strong>teln. Zur Diskussion<br />

stand, ob es an der niedrigen<br />

Holzfeuchte der Furniere oder dem Fehlen<br />

von Luftfeuchtigkeit in der Vakuumpresse<br />

läge; auch die Schmelzkleberfäden,<br />

durch welche die Furniere nicht<br />

vollständig flächig aufeinander liegen,<br />

kämen in Betracht.<br />

Auf Empfehlung des Furnierherstellers<br />

Reholz brachte letztlich der Kalt-<br />

Kauritleim »285« von BASF <strong>mit</strong> Härterzugabe<br />

bei einer Presszeit von sechs bis<br />

acht Stunden ein tadelloses Verleimergebnis.<br />

Weniger überraschend war das<br />

Auftreten von Rissen und überschobenen<br />

Fugen an der Innenseite der Schale.<br />

Denn durch den Streifenaufbau hat das<br />

Furnier quer zur Faserrichtung kaum<br />

Stabilität. Abhilfe schufen die Schüler<br />

durch Längsfurnierstreifen, die sie an<br />

den Stirnenden an der Deckschichtinnenseite<br />

quer zur Faserrichtung entlang<br />

der Kanten <strong>mit</strong> Klebeband fixierten. Das<br />

1 Herstellung der Verleimschablone: Die<br />

Kreisfix-Schablone erleichtert die Arbeit<br />

3 Spachtelmasse und ein Feinschliff sorgen<br />

für Präzision und Sauberkeit<br />

5 ... Schmelzkleberfäden auf der Rückseite<br />

halten die Streifen zusammen<br />

7 Die Leimversuche <strong>mit</strong> PUR sind gescheitert.<br />

Kalt-Kaurit 285 brachte gute Ergebnisse<br />

Technik Klebstoffe<br />

2 Viel genauer als Drechseln: Frässchablone<br />

aus Multiplex-Viertelkreissegmenten<br />

4 Sphärisch krümmbar: 3-D-Furnier aus schmalen,<br />

in der Länge verschiebbaren Streifen ...<br />

6 Die fünf Furnierlagen: Klebeband und Längsfurnierstreifen<br />

verhindern Falten und Risse<br />

8 Das Furniersandwich vor dem Verpressen.<br />

Die Kunststofffolie hält die Presse sauber<br />

dds das magazin für möbel und ausbau 11/2010 47


Technik Klebstoffe<br />

9 Schließen der Vakuum-Membranpresse. Das<br />

Vliestuch soll das Vakuum gleichmäßig verteilen<br />

12 Der VacSys lässt sich ohne das Werkstück zu<br />

lösen gegen den Bandschleifer schwenken<br />

Format der Mittellagen fiel entsprechen<br />

kleiner aus. Zu diesem Zweck mussten<br />

sie die ursprünglich rund zugeschnittenen<br />

Furniere eckig schneiden (Bild 6).<br />

Eine weitere Stabilisierung erreichten<br />

sie durch das Umkleben der Kanten des<br />

gesamten Paketes <strong>mit</strong> Klebeband. Dadurch<br />

stützten die jeweils längs laufenden<br />

Schichten die benachbarten Querlagen.<br />

Mit dieser Vorbereitung war eine<br />

problemlose Verleimung in der Membranpresse<br />

möglich. Der Unterdruck betrug<br />

dabei –0,85 bar (Bilder 7 bis 10).<br />

Formatieren und Schleifen. Wie konnte<br />

die Schale für das Formatfräsen aufgespannt<br />

werden? Die in der Schule vorhandene<br />

Vakuumspann-Einheit brachte<br />

die Schüler auf eine unkonventionelle<br />

Idee, denn auf der VacSys von Festo können<br />

angesaugte Werkstücke frei gedreht<br />

werden. So entwickelten sie eine Vorrichtung,<br />

auf der neben dem Vakuum -<br />

sauger eine klappbare Rampe befestigt<br />

war. Mit einer darauf fixierten Oberfräse<br />

frästen sie den Schalenrohling unter<br />

Drehen auf sein Format (Bild 11). Beson-<br />

48<br />

10 Das Vakuum ist aufgebaut, Risse oder Falten<br />

sind weder fühl- noch sichtbar<br />

13 Flächenschliff <strong>mit</strong> dem Exzenterschleifer,<br />

Körnung 180/220<br />

derer Clou: Da der Sauger auch seitlich<br />

schwenkbar ist, ermöglicht die Vorrichtung<br />

ohne Umspannen auch das Schleifen<br />

der Kante auf einer passend befestigten<br />

Bandschleifmaschine (Bild 12).<br />

Oberfläche. Nach dem Flächenschliff<br />

(Bild 13) brachten die Schüler eine verdünnte<br />

Löse<strong>mit</strong>tel-Weißbeize auf, die<br />

Die Projektarbeit<br />

<strong>Meisterschule</strong>: Städtische <strong>Meisterschule</strong><br />

für das <strong>Schreiner</strong>handwerk, 80538 <strong>München</strong>,<br />

Tel. (089) 233436-16, Fax: 04,<br />

www.meisterschule-schreiner.de<br />

Durchführung: Jakob Adel , Florian<br />

Brandner, Andreas Eggert, Wolfgang<br />

Fischer , Simon Freund , Josef Ganslmaier,<br />

Tobias Handschuh , Matthias Hanrieder,<br />

Michael Huber , Boris Kalter , Sebastian<br />

Kellnhofer , Matthias Kopp und Andreas<br />

Strobl , Schüler des zweiten Semesters<br />

Entwurfs- und Konstruktionsbegleitung:<br />

Fachlehrer Gerd Bitterer<br />

Produktionsbegleitung: Fachlehrer<br />

Isidor Schölderle<br />

3-D-Furnier: Reholz GmbH<br />

01723 Kesselsdorf, Tel.: (035204)<br />

7804-30, Fax: -50, www.reholz.de<br />

11 Formatieren <strong>mit</strong> dem drehbaren VacSys von<br />

Festool und einer Rampe <strong>mit</strong> Handoberfräse<br />

14 Füllen der Fugen <strong>mit</strong> PUR-Füllgrund,<br />

Decklack PUR, seidenmatt<br />

ein späteres Vergilben des Ahorns verhindert.<br />

Um die Fugen zwischen den<br />

Furnierstreifen zu verfüllen, war es nötig,<br />

ein festkörperreiches Lacksystem zu<br />

verwenden. Mit Hochglanz-Füllgrund<br />

der Fa. Jordan-Lacke grundierten die<br />

Meisterschüler die Schalen so oft, bis die<br />

Fugen vollständig geschlossen waren.<br />

Nach jedem Auftrag wurde zwischengeschliffen.<br />

Abschließend kam ein seidenmatter<br />

PUR-Lack als Überzugslack zur<br />

Anwendung (Bild 14).<br />

Verfahren gut beherrschbar<br />

Dreidimensionale Formen, die <strong>mit</strong>hilfe<br />

moderner 5-Achs-Technologie gut zu bewerkstelligen<br />

sind, bringen Standardmaschinen<br />

schnell an ihre Grenzen.<br />

Durch kreativen Vorrichtungsbau erweiterten<br />

die angehenden <strong>Schreiner</strong>meister<br />

die Einsatzmöglichkeiten verschiedener<br />

Maschinen. Mit dem 3-D-Furnier lernten<br />

sie zudem ein Material kennen, das viele<br />

neue Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet.<br />

Boris Kalter,<br />

Schüler an der MSM<br />

dds das magazin für möbel und ausbau 11/2010<br />

Fotos: Simon Freund, Boris Kalter

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