Sommer 2,79 MB - Institut St. Philipp Neri
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seinen Bruder im Himmelreich um<br />
den Platz zur Rechten und zur Linken<br />
Christi gebeten hatte. Johannes ist<br />
verwandelt durch die fühlbare, die<br />
leibliche Gegenwart des Herrn, und<br />
spätestens jetzt ist in ihm die tiefe<br />
Gotteserkenntnis aufgegangen, die er<br />
später in seinem Evangelium entfaltet<br />
hat.<br />
Von nun an trägt er Christus gewissermaßen<br />
in sich. Als einziger der<br />
Jünger steht er unter dem Kreuz, und<br />
Christus vertraut ihm, dem Lieblingsjünger,<br />
die Fürsorge über Maria<br />
an: “Siehe, das ist Deine Mutter!”.<br />
Johannes, der Jünger, der dem Leib<br />
Christi, der für die Welt gebrochen<br />
wurde, am nächsten war: Dieser<br />
Jünger wird jetzt der Adoptivsohn<br />
der Frau, die diesen göttlichen Leib<br />
dreiunddreißig Jahre früher in mystischer<br />
Kommunion in sich getragen<br />
hat. Beide sind sie Menschen, die<br />
besonders eng, besonders innig mit<br />
dem Leib Christi verbunden waren,<br />
beide sind sie Menschen, in denen<br />
dadurch besonders tiefe Gotteserkenntnis<br />
aufgegangen ist: Erkenntnis<br />
nicht im Sinne von nüchterner<br />
Verstandeserkenntnis und trockener<br />
Vernünftelei, sondern Erkenntnis im<br />
Sinne von umfassender, ganzheitlicher<br />
Einsicht in die göttlichen<br />
Geheimnisse, die eben nicht erlernt,<br />
sondern nur erfahren werden kann,<br />
erfahren durch die geistig-körperliche<br />
Verwandlung, die in der Berührung<br />
mit Christus geschieht. Und so<br />
wird Maria, der Sitz der Weisheit, wie<br />
18<br />
sie die Lauretanische Litanei nennt,<br />
die Mutter des Johannes, Johannes<br />
des Theologen, wie er in der Ostkirche<br />
heißt.<br />
Als Johannes sein Evangelium<br />
schreibt, sind seit diesen Ereignissen<br />
siebzig Jahre vergangen. Das erste<br />
Jahrhundert nach Christus geht zu<br />
Ende, Maria ist im Beisein aller Apostel<br />
in Ephesus, wo sie mit Johannes<br />
gewohnt hat, aus dem irdischen<br />
Leben geschieden, Johannes selbst<br />
ist ein fast hundertjähriger Greis, der<br />
einzige der Apostel, der noch am<br />
Leben ist. Und in diesem seinem<br />
Leben ist ihm viel widerfahren: Nur<br />
durch ein Wunder Gottes ist er dem<br />
Martyrium entkommen, später wurde<br />
er auf die Insel Patmos verbannt,<br />
wo er die Apokalypse geschrieben<br />
hat. In hohem Alter ist er schließlich<br />
wieder nach Ephesus zurückgekommen,<br />
und dort nimmt er es in Angriff,<br />
sein Evangelium zu schreiben.<br />
Die Gotteserkenntnis, die er am<br />
Gründonnerstag erfahren hat, steht<br />
ihm noch deutlich vor Augen, und<br />
darum ist bei Johannes das Bild von<br />
Christus ein anderes, ein intensiveres<br />
und leuchtkräftigeres als bei den<br />
anderen Evangelisten. Mehr noch<br />
als Matthäus, Markus und Lukas<br />
zeigt uns Johannes das Göttliche in<br />
Christus, zeigt er uns die Kraft und<br />
die Vollmacht, mit der der Erlöser<br />
spricht, zeigt er uns die Autorität<br />
und die Geistesstärke, mit denen Er<br />
Seine Gegner überwindet, zeigt er