Das Neugeborenen-Screening Substitution bei primärer Hypothyreose

Das Neugeborenen-Screening Substitution bei primärer Hypothyreose Das Neugeborenen-Screening Substitution bei primärer Hypothyreose

26.11.2014 Aufrufe

5 len Entwicklung. Aber erst die Behandlung mit einer höheren Dosis gewährleistet IQ-Werte, die sich nicht mehr von einer Kontrollgruppe unterscheiden. Daher gehen auch alle bisherigen internationalen Empfehlungen von höheren Dosen aus. Doch bedarf „die Anpassung im höheren Dosisbereich einer gewissen Erfahrung in dem Sinne, dass man nicht vorschnell eine Dosis reduziert, wenn der TSH-Wert einmal supprimiert vorliegt“. Im Gegenteil: Neue Daten haben gezeigt, dass Kinder mit wiederholt supprimierten TSH-Werten die besten Entwicklungsdaten aufweisen [1]. Verlaufsbeobachtung Um den Verlauf der Therapie in den folgenden Jahren zu kontrollieren, reicht bei den klassischen kongenitalen Hypothyreosen die Bestimmung des TSH aus. Bei Änderungen der Dosis sollte man allerdings die peripheren Hormone mitmessen, um eine mögliche Überdosierung zu beurteilen. Die Untersuchungsintervalle variieren mit dem Alter: Bis zum zweiten Lebensjahr sind dreimonatige Kontrolltermine ratsam, danach halbjährliche. In der Pubertät, wenn die Jugendlichen oft ihre Therapie vernachlässigen, ist wieder eine engmaschigere Betreuung angesagt. „Die primäre Dosis sollte ein erfahrener pädiatrischer Endokrinologe ermitteln“, betont Heiko Krude. Wenn die Substitutionsdosis einmal gefunden ist „und sich alles im ruhigen Fahrwasser bewegt“, dann kann meist der niedergelassene Pädiater die Behandlung fortführen – im Kontakt zu einem endokrinologischen Zentrum, um Therapieentscheidungen bzw. Dosisänderungen gemeinsam zu besprechen. Das gilt auch für die Behandlung der zentralen Hypothyreose, die üblicherweise auf einer funktionellen Störung von TSH oder dem Thyreotropin-Releasing-Hormon TRH basiert. Mit einer Inzidenz von 1:20 000 bis 1:50 000 kann sie sich als isolierter Mangel von TSH zeigen – etwa weil bestimmte Proteine zur TSH-Synthese verändert sind – oder als kombinierte Hypophyseninsuffizienz, wobei diese auf Mutationen in bestimmten Transkriptionsfaktoren beruhen oder als Teil komplexer Hirnfehlbildungen auftreten können. Bei den kombinierten Formen geht mit der Hypothyreose ein Wachstumshormonmangel einher oder ein kompletter oder partialer Hypogonadismus und Hypokortisolismus. Gemäß Daten einer neuen Studie aus den Niederlanden, kann es zu einer sekundären transienten Hypothyreose kommen, wenn das Kind von einer Mutter mit einer starken unbehandelten oder nicht gut eingestellten Basedowschen Hyperthyreose geboren wurde [2]; auch daran sollte man denken. „Patienten mit zentraler Hypothyreose“, erklärt Krude, „werden durch das Neugeborenen-Screening nicht erfasst.“ Deshalb sollten Pädiater bei Routineuntersuchungen stets die Situation der Schilddrüse im Blick haben und auf klinische Zeichen achten wie beispielsweise eine verlängerte Hyperbilirubinämie oder eine Trinkschwäche bei Muskelhypotonie und offener kleiner Fontanelle. Insgesamt gilt, dass die Therapie nicht von der genauen Ursache abhängt. „Wenn nachweislich ein niedriger T4- Spiegel vorliegt und hierbei vor allem die für Neugeborene altersabhängigen Normalwerte berücksichtigt werden, dann sollte man auf jeden Fall substituieren“, sagt der Berliner Endokrinologe. Knifflig wird es bei Kindern mit grenzwertig niedrigen T4-, aber leicht erhöhten TSH-Werten: „Das ist dann deutlich schwieriger zu beurteilen; da muss man schauen, an welchem Punkt man die Kinder behandelt. Denn bei ihnen liegen zum Teil Störungen der hypothalamischen Regulation vor, die sich zum Beispiel bei frühgeborenen Kindern im Verlauf normalisieren. Kurzfristige Verlaufskontrollen sind daher wichtige Entscheidungshilfen vor einem Behandlungsbeginn.“ Diagnostik der Hashimoto- Thyreoiditis... Die angeborene Hypothyreose beruht meist auf einer primären Störung der Schilddrüsenfunktion (primäre Hypothyreose). Sie wird durch das Neugeborenen-Screening erfasst. Schilddrüse Da eine zentrale Hypothyreose im Neugeborenen- Screening nicht erfasst wird, ist es wichtig, bei Routineuntersuchungen auf typische klinische Zeichen zu achten. Sekundäre und tertiäre Hypothyreose nicht übersehen! Die häufigste Ursache einer erworbenen Hypothyreose im Kindesalter ist eine Autoimmunthyreoiditis (Hashimoto-Thyreoiditis). Typischerweise tritt sie bei einer Prävalenz von etwa 3,5 Prozent vor allem bei jugendlichen Mädchen auf, hat aber, entgegen mancher Vermutungen, in den vergangenen Jahren insgesamt nicht nachweislich zugenommen. Dennoch gehen Kinderärzte der Universität Erlangen um Hellmuth G. Dörr davon aus, dass die Autoimmunthyreoiditis oft unerkannt bleibt. Chronisch infiltrieren bei der Hashimoto- Thyreoiditis Lymphozyten die Schilddrüse, wodurch die Funktion des Organs langsam progredient verkümmert. War früher eine Priv. Doz. Dr. Heiko Krude Quelle: privat

6 Abb. 1: Abb. 2: Schilddrüse Abb. 3: Abb. 4: Abb. 1 - 4: Hypervaskularisation („vaskuläres Inferno“) bei Hyperthyreose Quelle: www.sonographiebilder.de / Albertinen-Krankenhaus, Hamburg Morbus Basedow verursacht eine deutliche Immunreaktion im SD-Gewebe. Die daraus folgende Entzündung führt zu einer Hypervaskularisation, die diese bunten Bilder erzeugt. Die Farbe auf den oberen Bildern wird durch den gerichteten Doppler (rot: auf den Schallkopf zu, blau: vom Schallkopf weg) bewirkt und die unteren Bilder zeigen den Power-Doppler, der empfindlicher für Strömungen ist, aber keine Richtung zeigt. Struma meist Spiegel eines Jodmangels, nährt sie heute in Zeiten weitaus besserer, aber bundesweit noch nicht optimaler Jodversorgung den Verdacht auf eine Thyreoiditis. Auch eine veränderte Echostruktur der Schilddrüse kann darauf hindeuten; dann sollten die Antikörper gegen die Schilddrüsenperoxidase bestimmt werden. Für Patienten mit Typ-1-Diabetes nehmen Prävalenz der Autoimmunthyreoiditis und das Hypothyreoserisiko mit steigendem Alter zu. Auch bei einer Struma und einem positiven Antikörpernachweis liegt vielfach noch keine Unterfunktion vor. In solchen Fällen können Symptome wie eine Obstipation und besonders eine Wachstumsverzögerung in der Pubertät die Diagnose am besten erhärten. Eine Kontrolle der basalen Schilddrüsenwerte und/ oder eine sonografische Untersuchung sind bei jeder Jugendvorsorgeuntersuchung erforderlich – besonders bei positiver Familienanamnese oder bei Erkrankungen wie beispielsweise Typ-1-Diabetes, Morbus Edison, Vitiligo oder Alopezie, die mit einer Hashimoto-Thyreoiditis assoziiert sein können. ...und deren Behandlung Wann sollte substituiert werden? Bei bestehender Hypothyreose in jedem Fall. Auch bei erhöhtem TSH und noch normalem T4 ist die Therapie ratsam. Allerdings sollte man regelmäßig kontrollieren, ob die TSH-Werte vielleicht nur vorübergehend erhöht sind. Bei „nur“ bestehender Struma oder positivem Antikörpernachweis oder beidem mit (noch) euthyreoter SD-Funktion fehlen bislang prospektive kontrollierte Studien, die zeigen, ob die Kinder wirklich von einer Substitutionstherapie profitieren – in dem Sinne, dass etwa eine manifeste Hypothyreose hinausgezögert wird oder gar völlig ausbleibt. Tatsächlich, das belegen ältere Daten aus den USA, heilt die Hashimoto-Thyreoiditis bei etwa einem Drittel der betroffenen Jugendlichen spontan [3, 4]. Zu viel Hormon: Morbus Basedow Im Gegensatz zur Hypothyreose wird die Hyperthyreose durch eine gesteigerte SD-Hormonsekretion und deren Wirkung auf den

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len Entwicklung. Aber erst die Behandlung mit<br />

einer höheren Dosis gewährleistet IQ-Werte,<br />

die sich nicht mehr von einer Kontrollgruppe<br />

unterscheiden. Daher gehen auch alle bisherigen<br />

internationalen Empfehlungen von höheren<br />

Dosen aus. Doch bedarf „die Anpassung<br />

im höheren Dosisbereich einer gewissen Erfahrung<br />

in dem Sinne, dass man nicht vorschnell<br />

eine Dosis reduziert, wenn der TSH-Wert einmal<br />

supprimiert vorliegt“. Im Gegenteil: Neue<br />

Daten haben gezeigt, dass Kinder mit wiederholt<br />

supprimierten TSH-Werten die besten Entwicklungsdaten<br />

aufweisen [1].<br />

Verlaufsbeobachtung<br />

Um den Verlauf der Therapie in den folgenden<br />

Jahren zu kontrollieren, reicht <strong>bei</strong> den klassischen<br />

kongenitalen <strong>Hypothyreose</strong>n die Bestimmung<br />

des TSH aus. Bei Änderungen der Dosis<br />

sollte man allerdings die peripheren Hormone<br />

mitmessen, um eine mögliche Überdosierung<br />

zu beurteilen. Die Untersuchungsintervalle<br />

variieren mit dem Alter: Bis zum zweiten Lebensjahr<br />

sind dreimonatige Kontrolltermine<br />

ratsam, danach halbjährliche. In der Pubertät,<br />

wenn die Jugendlichen oft ihre Therapie vernachlässigen,<br />

ist wieder eine engmaschigere<br />

Betreuung angesagt. „Die primäre Dosis sollte<br />

ein erfahrener pädiatrischer Endokrinologe ermitteln“,<br />

betont Heiko Krude. Wenn die <strong>Substitution</strong>sdosis<br />

einmal gefunden ist „und sich<br />

alles im ruhigen Fahrwasser bewegt“, dann<br />

kann meist der niedergelassene Pädiater die<br />

Behandlung fortführen – im Kontakt zu einem<br />

endokrinologischen Zentrum, um Therapieentscheidungen<br />

bzw. Dosisänderungen gemeinsam<br />

zu besprechen.<br />

<strong>Das</strong> gilt auch für die Behandlung der zentralen<br />

<strong>Hypothyreose</strong>, die üblicherweise auf einer<br />

funktionellen Störung von TSH oder dem Thyreotropin-Releasing-Hormon<br />

TRH basiert. Mit<br />

einer Inzidenz von 1:20 000 bis 1:50 000 kann sie<br />

sich als isolierter Mangel von TSH zeigen – etwa<br />

weil bestimmte Proteine zur TSH-Synthese verändert<br />

sind – oder als kombinierte Hypophyseninsuffizienz,<br />

wo<strong>bei</strong> diese auf Mutationen<br />

in bestimmten Transkriptionsfaktoren beruhen<br />

oder als Teil komplexer Hirnfehlbildungen auftreten<br />

können. Bei den kombinierten Formen<br />

geht mit der <strong>Hypothyreose</strong> ein Wachstumshormonmangel<br />

einher oder ein kompletter oder<br />

partialer Hypogonadismus und Hypokortisolismus.<br />

Gemäß Daten einer neuen Studie aus<br />

den Niederlanden, kann es zu einer sekundären<br />

transienten <strong>Hypothyreose</strong> kommen, wenn<br />

das Kind von einer Mutter mit einer starken<br />

unbehandelten oder nicht gut eingestellten Basedowschen<br />

Hyperthyreose geboren wurde [2];<br />

auch daran sollte man denken.<br />

„Patienten mit zentraler <strong>Hypothyreose</strong>“,<br />

erklärt Krude, „werden durch das <strong>Neugeborenen</strong>-<strong>Screening</strong><br />

nicht erfasst.“ Deshalb sollten<br />

Pädiater <strong>bei</strong> Routineuntersuchungen stets die<br />

Situation der Schilddrüse im Blick haben und<br />

auf klinische Zeichen achten wie <strong>bei</strong>spielsweise<br />

eine verlängerte Hyperbilirubinämie oder<br />

eine Trinkschwäche <strong>bei</strong> Muskelhypotonie und<br />

offener kleiner Fontanelle. Insgesamt gilt, dass<br />

die Therapie nicht von der genauen Ursache<br />

abhängt. „Wenn nachweislich ein niedriger T4-<br />

Spiegel vorliegt und hier<strong>bei</strong> vor allem die für<br />

Neugeborene altersabhängigen Normalwerte<br />

berücksichtigt werden, dann sollte man auf<br />

jeden Fall substituieren“, sagt der Berliner Endokrinologe.<br />

Knifflig wird es <strong>bei</strong> Kindern mit<br />

grenzwertig niedrigen T4-, aber leicht erhöhten<br />

TSH-Werten: „<strong>Das</strong> ist dann deutlich schwieriger<br />

zu beurteilen; da muss man schauen, an welchem<br />

Punkt man die Kinder behandelt. Denn<br />

<strong>bei</strong> ihnen liegen zum Teil Störungen der hypothalamischen<br />

Regulation vor, die sich zum Beispiel<br />

<strong>bei</strong> frühgeborenen Kindern im Verlauf normalisieren.<br />

Kurzfristige Verlaufskontrollen sind<br />

daher wichtige Entscheidungshilfen vor einem<br />

Behandlungsbeginn.“<br />

Diagnostik der Hashimoto-<br />

Thyreoiditis...<br />

Die angeborene<br />

<strong>Hypothyreose</strong><br />

beruht meist auf<br />

einer primären<br />

Störung der Schilddrüsenfunktion<br />

(primäre <strong>Hypothyreose</strong>).<br />

Sie wird<br />

durch das <strong>Neugeborenen</strong>-<strong>Screening</strong><br />

erfasst.<br />

Schilddrüse<br />

Da eine zentrale<br />

<strong>Hypothyreose</strong> im<br />

<strong>Neugeborenen</strong>-<br />

<strong>Screening</strong> nicht<br />

erfasst wird, ist es<br />

wichtig, <strong>bei</strong> Routineuntersuchungen<br />

auf<br />

typische klinische<br />

Zeichen zu achten.<br />

Sekundäre und tertiäre <strong>Hypothyreose</strong><br />

nicht übersehen!<br />

Die häufigste Ursache einer erworbenen <strong>Hypothyreose</strong><br />

im Kindesalter ist eine Autoimmunthyreoiditis<br />

(Hashimoto-Thyreoiditis). Typischerweise<br />

tritt sie <strong>bei</strong> einer Prävalenz von etwa 3,5<br />

Prozent vor allem <strong>bei</strong> jugendlichen Mädchen<br />

auf, hat aber, entgegen mancher Vermutungen,<br />

in den vergangenen Jahren insgesamt<br />

nicht nachweislich zugenommen. Dennoch<br />

gehen Kinderärzte der Universität Erlangen<br />

um Hellmuth G. Dörr davon aus, dass<br />

die Autoimmunthyreoiditis oft unerkannt<br />

bleibt.<br />

Chronisch infiltrieren <strong>bei</strong> der Hashimoto-<br />

Thyreoiditis Lymphozyten die Schilddrüse,<br />

wodurch die Funktion des Organs langsam<br />

progredient verkümmert. War früher eine<br />

Priv. Doz. Dr.<br />

Heiko Krude<br />

Quelle: privat

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