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Download - Verkehrshaus der Schweiz

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IN MOTION<br />

Aus dem Tagebuch<br />

vor 100 Jahren<br />

Autor Max Huwyler<br />

8<br />

Die Zeit um die Jahrhun<strong>der</strong>twende 1900 war geprägt<br />

von positiver Zukunftssicht. Fortschritt verstand<br />

sich im Wortsinn als Gang zum Besseren. Die technische<br />

Entwicklung war rasant. Mein Vater Gottfried, Jahrgang<br />

1898, war aufgewachsen in Cham neben <strong>der</strong> Anglo<br />

Swiss Milk Compagny, <strong>der</strong> späteren Nestlé, das Industriegleis<br />

vor <strong>der</strong> Haustüre. Aus seinen Erinnerungsnotizen<br />

liest sich seine Begeisterung für die Zeichen seiner Zeit:<br />

«1904: Mitternachtsgottesdienst: Erstes elektrisches<br />

Licht in Cham. – 1904: Beim Bau <strong>der</strong> Schlossstrasse erste<br />

Dampfwalze gesehen. – 1907: Erster Zeppelin über<br />

dem Zugersee – 1908: Ersten Kran gesehen – 1909:<br />

Geleiseanschluss <strong>der</strong> Nestlé – 1910: Erster Flugtag mit<br />

Wasserflugzeugen in Zug – 1912: Erstes Auto in Cham.<br />

Frau Page. Es ist nicht verwun<strong>der</strong>lich, dass Gottfried am<br />

Sonntagnachmittag, 4. August 1912, zum Schaufliegen<br />

auf die Zuger Allmend lief. Der Verkehrs- und Verschönerungsverein<br />

hatte René Grandjean und Emilio Taddeoli<br />

nach Zug eingeladen. Ihre beiden Apparate waren auf<br />

dem Stierenmarktareal ausgestellt, zudem Grandjeans<br />

«Hydravion» auf <strong>der</strong> Schützenmatt. Der Ingenieur Grandjean<br />

hatte seinen Eindecker mit Schwimmern ausgerüstet<br />

und so zum «Hydroplan» gemacht, <strong>der</strong> später zum<br />

«Wasserflugzeug» eingedeutscht wurde.<br />

Nach den Sommerferien hat <strong>der</strong> Sekundarschüler Gottfried<br />

einen Aufsatz geschrieben «Ein Feiertag». Die technischen<br />

Details hatte er in Vorschauen gelesen. Die romantischen<br />

Verschönerungsbil<strong>der</strong> mit den satten<br />

Adjektiven entsprachen weniger seinem Temperament<br />

als dem zeitgeistigen Schulschreibstil.<br />

«Ein Ferientag (Nach freier Wahl)»<br />

Der letzte Feriensonntag war mit günstiger Witterung angelangt,<br />

und das geplante Schaufliegen im lieblichen<br />

Städtchen am See konnte ausgeführt werden. Viel Volk<br />

von fern und nah strömte dorthin. Als Schauplatz war <strong>der</strong><br />

Ausstellungsplatz gewählt. Es erschienen die kühnen<br />

<strong>Schweiz</strong>erflieger René Grandjean, ein Waadtlän<strong>der</strong>, und<br />

<strong>der</strong> Tessiner Taddeoli. Ersterer hatte seinen Apparat<br />

selbst montiert. Sein Eindecker hat eine Flügelspann-<br />

weite von 9,2 Metern, eine Länge von 8,8 Metern und ein<br />

Tragflächenareal von 20 m 2 . Zur Herstellung wurde<br />

Eschenholz und gummierter Baumwollstoff verwendet.<br />

Die kühnen Luftsegler begannen ihre gefährliche Arbeit<br />

um ¼ vor 4 Uhr und schlossen um 6 Uhr. Grandjean war<br />

Eröffnungsflieger. Ein spannen<strong>der</strong> Augenblick war <strong>der</strong><br />

Moment des Aufstieges. Als sich die Propeller in Bewegung<br />

setzten, entstand ein heftiger Windstoss, sodass<br />

die Leute in den ersten Plätzen die Hüte halten mussten.<br />

Zwei Personen taten dies nicht, und sie mussten denselben<br />

nachlaufen. Nachdem <strong>der</strong> Apparat etwa 20 bis 30<br />

Meter auf dem Boden gefahren war, begann er langsam<br />

zu steigen und überflog in drei prächtigen, gelungenen<br />

Flügen das obst- und waldreiche Zuger- und Baarerbiet.<br />

Er führte die schärfsten Kurven wie ein Vogel aus und<br />

landete mit <strong>der</strong> gleichen Sicherheit und Grazie, wie er<br />

aufstieg. Weniger Glück hatte Taddeoli mit seinem Fahrzeug.<br />

Schon <strong>der</strong> Aufstieg war nicht «bock». Er musste infolge<br />

Motordefekts, <strong>der</strong> wegen Heisslaufens desselben<br />

entstanden war, ausserhalb des Flugplatzes landen und<br />

auf weitere Flüge verzichten.<br />

Ein Jahr später war Gottfried Schüler im Welschland.<br />

Er notiert: 1913: Handelsschule in Neuenburg. Anfang<br />

Juli grosser Empfang von Flieger Oskar Bi<strong>der</strong> nach seiner<br />

Alpentraversierung Bern – Mailand. Mit Schule grosse<br />

Manöver mit den ersten Militärfliegern Bi<strong>der</strong> und Borren<br />

im Berner Seeland. – Der Begriff Militärflieger war neu.<br />

Ab November 1912 befasste sich eine eidgenössische<br />

Aviatikkommission mit <strong>der</strong> Frage nach <strong>der</strong> Tauglichkeit<br />

des Flugzeuges als Waffe. Der Ausbruch des Ersten<br />

Weltkrieges brachte durch bundesrätliche Verordnung<br />

die Schaffung einer Fliegerabteilung. Zu Kriegsbeginn<br />

wurden die Flieger mit ihren privaten Maschinen aufgeboten:<br />

zehn Piloten mit acht verschiedenen Apparatetypen.<br />

Dieser «Grosse Krieg» und dann die Weltwirtschaftskrise<br />

brachen die Aufbruchstimmung und än<strong>der</strong>ten<br />

nachhaltig die Weltsicht meines Vaters. n

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