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Ausgabe Mai 2010 - Extrablatt

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Wenn es Frühling wird auf Okinawa<br />

Melle-Hoyel/Okinawa. Während bei<br />

uns der Winter noch in vollem Umfang<br />

seine Muskeln spielen lies, zog<br />

es mich auch dieses Jahre wieder<br />

aufs Neue (schon das fünfte Mal) in<br />

deutlich angenehmere Gefilde. Mein<br />

Ziel war wieder der äußerste Süden<br />

des Reichs der Aufgehenden Sonne,<br />

Okinawa, die größte unter den fast<br />

100 Inselchen, die zusammen als das<br />

Ryukyu-Archipel im Ostchinesischen<br />

Meer liegen.<br />

Warum nach Okinawa?<br />

Okinawa ist ein Mythos. Zum<br />

einen leben dort mehr Hundertjährige<br />

an einem Ort als irgendwo<br />

sonst auf der Welt und zum anderen,<br />

und das ist der für mich wich-<br />

V.l.n.r.: Meister Minoru Higa, Joe Killian und Meister<br />

Oscar Higa.<br />

tigere Grund: Okinawa ist die Wiege<br />

des Karate. Der grundlegende<br />

Gedanke des Karate-Do ( jap: „Weg<br />

der leeren Hand“), seinen Körper<br />

so kraftvoll und beweglich zu halten,<br />

dass er nahezu jeder Herausforderung<br />

gewachsen ist, hat auf<br />

Okinawa ein lange Geschichte. So<br />

geht das „Uchina-Te“, die Ur-Form<br />

des gegenwärtigen Karate-Do,<br />

mindestens bis in die Anfänge des<br />

15. Jahrhunderts zurück. Der damalige<br />

Herrscher Okinawas ordnete<br />

zur Manifestierung seiner Macht<br />

eine generelle Entwaffnung seiner<br />

Untertanen an. Um sich dennoch<br />

wirksam gegen Bedrohungen wehren<br />

zu können, entwickelte sich in<br />

der Zivilbevölkerung eine Frühform<br />

dieser Verteidigungskunst.<br />

Daneben entstanden auch Formen<br />

der Verteidigung unter Einsatz<br />

landwirtschaftlicher Instrumente<br />

oder Alltagsgegenstände (heute<br />

als „Kobudo“ bekannt). Unter dem<br />

fortgesetzten chinesischen Einfluss<br />

wurden diese Künste immer weiter<br />

verfeinert und minutiös perfektioniert.<br />

Glücklicherweise kann man auch<br />

heute noch auf Okinawa Meister<br />

finden, die als lebende Kulturschätze<br />

unterrichten, was zum herausra-<br />

genden Erbe ihres Volkes gehört.<br />

Daher reisen heutzutage Kampfkunst-Enthusiasten<br />

aus allen Erdteilen<br />

auf die Hauptinsel der Ryukyu,<br />

um bei diesen Männern in die Lehre<br />

zu gehen. Einer dieser Meister ist<br />

Higa Minoru, der heutige Vorstand<br />

der Kyudokan-Schule in Naha-City.<br />

Bei ihm durfte ich auch dieses Jahr<br />

wieder als Schüler zu Gast sein.<br />

Das Dojo (= die Übungshalle)<br />

der Schule von Higa Hanshi liegt<br />

verborgen im alten Töpferviertel<br />

Tsuboya. Man muss den Weg durch<br />

die verwinkelten Gassen und Gässchen<br />

schon kennen, um das kleine<br />

Haus inmitten vieler Gebäude, die<br />

augenscheinlich schon vor dem<br />

„großen Krieg“ hier standen, überhaupt<br />

zu finden.<br />

Für die Besucher,<br />

die des<br />

Japanischen<br />

mächtig sind,<br />

deutet lediglich<br />

ein längliches<br />

Schild<br />

am Eingangstor<br />

auf die dahinter<br />

liegende<br />

Schule hin.<br />

Wenn man<br />

dann den<br />

Übungsraum<br />

betritt, scheint<br />

darin die Zeit stehen<br />

geblieben zu<br />

sein. Auch die große Uhr über der<br />

Stirnseite des Dojo ändert nichts<br />

daran, dass Zeit hier eine andere<br />

Bedeutung bekommt. Die Vielzahl<br />

alter Bilder an den Wänden, die von<br />

vielen Jahrzehnten blanker Füße<br />

glatt geriebenen Holzplanken des<br />

Bodens, die von den Händen vieler<br />

Generationen abgegriffenen Trainingsgeräte,<br />

all das weist auf eine<br />

Zeit, zu der Karate noch nicht - als<br />

Ware kinogerecht aufbereitet - seinen<br />

so fragwürdigen Weg um die<br />

Welt antrat, um im Westen dann<br />

vielfach zum Wettkampfsport verzerrt<br />

und missverstanden zu werden.<br />

Derjenige, der mit wachen<br />

Sinnen seine Füße in diesen Raum<br />

setzt, spürt unweigerlich etwas<br />

vom Geist des alten Okinawa-Te<br />

(der „Hand von Okinawa“) und damit<br />

etwas, das über die bloße Faszination<br />

des asiatisch Exotischen<br />

hinausgeht. Es muss also noch<br />

etwas anderes dahinter stecken.<br />

Vielleicht ist es der Geist fortwährender<br />

Übung, des anhaltenden<br />

Bemühens, der diese im Grunde zutiefst<br />

friedfertige Kunst ausmacht,<br />

der hier den Raum erfüllt. Und es<br />

scheint einem fast so, als wären die<br />

Seelen all derer, die hier über die<br />

Zeiten hinweg zahllose Stunden<br />

ihres Lebens verbracht haben, immer<br />

noch präsent, um den „Fremden“<br />

in dieser ganz eigenen Welt<br />

willkommen zu heißen.<br />

Aber worum geht es beim Karate-Do<br />

eigentlich? Ganz gleich, ob<br />

die Übung allein oder in der Gruppe<br />

geschieht, die Herausforderungen<br />

durch die manchmal endlos<br />

erscheinende Zahl von Wiederholungen<br />

verschiedener Bewegungsabfolgen<br />

nimmt schließlich nur<br />

derjenige immer wieder auf sich,<br />

der etwas von dem in sich wahrnimmt,<br />

was Higa Hanshi meint,<br />

wenn er manchmal sagt „Kokoro<br />

nashi – Karate nashi“ („Nur mit dem<br />

rechten Herzen gibt es wirkliches<br />

Karate“). Konzentration, Hingabe,<br />

Demut sowie ein waches Gefühl für<br />

sich selbst und den jeweils anderen<br />

zu kultivieren, das sind die wirklichen<br />

Inhalte der Kunst des Karate-<br />

Do. Das Streben nach Perfektion ist<br />

wesentliche Voraussetzung dabei.<br />

Im fortgesetzten Studium meist<br />

festgelegter Bewegungsabläufe<br />

(jap. „Kata“), wird der Körper in die<br />

Lage versetzt, in allen erdenklichen<br />

Situationen angemessen zu reagieren.<br />

Hochmut, Selbstsucht und<br />

Aggressionen haben jedenfalls keinen<br />

Platz in dieser<br />

Kunst, die im Westen<br />

vielfach so unglücklichmissverstanden<br />

wird. Auch<br />

diesmal verging<br />

meine Zeit auf Okinawa<br />

wie im Flug.<br />

Etwas mehr als<br />

acht Wochen sind<br />

vorüber, in der<br />

Rück-schau scheinen<br />

es nur ein<br />

paar Tage gewesen<br />

zu sein. Ich muss<br />

wieder zurück nach Deutschland,<br />

zurück in den Alltag dort. Für elf<br />

Monate jedenfalls. Denn selbstverständlich<br />

werde ich wiederkommen.<br />

Auf der „Sayonara-Party“<br />

am letzten Abend in einer kleinen<br />

Kneipe der Altstadt von Naha ist<br />

es schon Gewissheit: Im nächsten<br />

Frühjahr, wenn die ersten Kirsch-<br />

blüten auf Okinawa blühen, bin ich<br />

wieder hier.<br />

Bis dahin aber gibt es eine Menge<br />

zu tun. „Kyu Do Mu Gen“ ist das<br />

Motto unserer Schule von Higa<br />

Hanshi („Der Weg des Lernens hat<br />

kein Ende“). Darüber besteht nicht<br />

der geringste Zweifel und deswegen<br />

werde ich meine Zeit bis zum<br />

nächsten Jahr nutzen, um zu lernen<br />

und zu lehren.<br />

Wer Lust bekommen hat, sich<br />

ebenso auf den Weg der „Leeren<br />

Hand“ zu machen, der sei herzlich<br />

eingeladen, dies im Zendo-Hoyel<br />

e.V. zu tun (Foto unten). Ganz wichtig<br />

dabei: So wie bei uns Karate-Do<br />

unterrichtet wird, ist es für jeden<br />

Menschen praktizierbar. Vom Jugendlichen<br />

bis zum Greis. Denn auf<br />

Okinawa würde nie jemand auf so<br />

eine alberne Idee kommen und fragen,<br />

ob er „mit 40 Jahren schon zu<br />

alt für Karate“ ist. Im Gegenteil: dort<br />

gilt Meister Higa mit seinen nun 69<br />

Jahren noch fast alt Jüngling! In der<br />

Blüte seiner Jahre eben, ebenso wie<br />

die Kirschblüten im Februar.<br />

Joe Killian<br />

SchnupperKurS für junge und alte erwachsene<br />

22.05.<strong>2010</strong> von 11:00 uhr bis ca. 17.30 uhr<br />

Ort: Dojo des Zendo hoyel e.V.<br />

Diestelkamp 5, 49328 Melle / hoyel<br />

Kosten: 20 € erwachsene, 10 € für Schüler,<br />

Studenten, Arbeitssuchende<br />

Inhalt: Besonderheiten des Shorin ryu<br />

Kyudokan Karate Do<br />

Anmeldeschluss: 17. <strong>Mai</strong> <strong>2010</strong><br />

Tel. 0 52 26 - 1 83 27 • e-<strong>Mai</strong>l: info@zendo-hoyel.de<br />

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