A. Lerndaten 18. Teil: Beleidigung (§§ 185 ff.) B. Inhaltsübersicht 18 ...
A. Lerndaten 18. Teil: Beleidigung (§§ 185 ff.) B. Inhaltsübersicht 18 ...
A. Lerndaten 18. Teil: Beleidigung (§§ 185 ff.) B. Inhaltsübersicht 18 ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Lernprogramm Strafrecht <strong><strong>18</strong>.</strong> <strong>Teil</strong><br />
408<br />
_____________________________________________________________________<br />
A. <strong>Lerndaten</strong> <strong><strong>18</strong>.</strong> <strong>Teil</strong>: <strong>Beleidigung</strong> (<strong>§§</strong> <strong><strong>18</strong>5</strong> <strong>ff</strong>.)<br />
Seiten: 11 ( 4<strong>18</strong> insgesamt)<br />
! ca. 60 Minuten (1680 Min. = 28h insgesamt)<br />
B. <strong>Inhaltsübersicht</strong> <strong><strong>18</strong>.</strong> <strong>Teil</strong><br />
244 Der Ehrenschutz im Strafrecht (Grundsätze)<br />
245 Der Kundgabecharakter der <strong>Beleidigung</strong> (i.w.S.)<br />
246 Die Systematik der <strong>Beleidigung</strong>statbestände<br />
247 Die Verleumdung (§ <strong>18</strong>7)<br />
248 Die üble Nachrede (§ <strong>18</strong>6)<br />
249 Die <strong>Beleidigung</strong> i.e.S. (§ <strong><strong>18</strong>5</strong>)<br />
250 Besondere Rechtfertigungsgründe im Bereich des Ehrenschutzes<br />
251 <strong>Beleidigung</strong>sdelikte: Rechtsprechung<br />
C. Lernkontrolle <strong><strong>18</strong>.</strong> <strong>Teil</strong><br />
1. Durcharbeiten am: ...............<br />
2. Durcharbeiten am: ...............<br />
3. Durcharbeiten am: ...............<br />
© Eisenbeis Rechtsanwaltsges. mbH/RA Dr. U. Schlegel 2006
Lernprogramm Strafrecht <strong><strong>18</strong>.</strong> <strong>Teil</strong><br />
409<br />
_____________________________________________________________________<br />
<strong><strong>18</strong>.</strong> <strong>Teil</strong>: Straftaten gegen die Ehre<br />
244 Der Ehrenschutz im Strafrecht (Grundsätze)<br />
a) Schutzobjekt der <strong>§§</strong> <strong><strong>18</strong>5</strong>-<strong>18</strong>7 ist die Ehre. Schutzwürdig ist der aus der<br />
verdienten Wertgeltung hervorgehende Anspruch auf Achtung der Persönlichkeit.<br />
b) <strong>Beleidigung</strong>sfähig ist jeder Mensch (unabhängig von Alter und Geisteszustand),<br />
nicht aber Tote (vgl. § <strong>18</strong>9 - dort nur Schutz gegen besonders<br />
schwerwiegende Verletzungen).<br />
c) Problem: Passive <strong>Beleidigung</strong>sfähigkeit von Personengemeinschaften,<br />
Verbänden, Behörden und juristischen Personen:<br />
aa)<br />
Die h.M. geht über die in § 194 III, IV geregelten Fällen weit hinaus und<br />
billigt allen Personengemeinschaften und Verbänden unter Einschluss<br />
von Kapitalgesellschaften strafrechtlichen Ehrenschutz zu, soweit sie<br />
insbesondere<br />
• eine rechtlich anerkannte soziale Funktion erfüllen<br />
• und einen einheitlichen Willen bilden können (Joecks, Studienkommentar,<br />
Vor § <strong><strong>18</strong>5</strong>, RN 17; nach a.A. können nur Menschen über eine<br />
Ehre verfügen).<br />
BGHSt 6, <strong>18</strong>6: Eine Personengemeinschaft, die eine rechtlich anerkannte<br />
gesellschaftliche Funktion erfüllt und einen einheitlichen Willen<br />
bilden kann, genießt strafrechtlichen Ehrenschutz (hier: GmbH als Verleger<br />
einer Tageszeitung).<br />
Beispiele: Politische Parteien, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände,<br />
das Deutsche Rote Kreuz, Religionsgemeinschaften, GmbH (s.o.).<br />
bb)<br />
cc)<br />
Den Gegensatz bilden rein gesellige Vereinigungen wie etwa ein Tennisclub<br />
oder eine Skatrunde.<br />
Die Familie ist nach h.M. keine beleidigungsfähige Gemeinschaft (vgl.<br />
Joecks, a.a.O., RN <strong>18</strong>)<br />
© Eisenbeis Rechtsanwaltsges. mbH/RA Dr. U. Schlegel 2006
Lernprogramm Strafrecht <strong><strong>18</strong>.</strong> <strong>Teil</strong><br />
410<br />
_____________________________________________________________________<br />
Arg.: Die Familie ist kein korporativer Verband mit einheitlicher Willensbildung<br />
nach außen (s. aber nachfolgend d)<br />
d) Beachten Sie die Besonderheit der <strong>Beleidigung</strong> von Einzelpersonen<br />
unter einer Kollektivbezeichnung: Sie bietet den Angehörigen von<br />
Personengemeinschaften, die nicht selbständig beleidigungsfähig sind,<br />
ausreichenden Strafrechtsschutz. Voraussetzung dafür ist allerdings<br />
stets, dass<br />
• der betro<strong>ff</strong>ene Personenkreis klar umgrenzt sein und<br />
• deutlich aus der Allgemeinheit hervortreten muss (vgl. BGHSt 36,<br />
83, 85 f.).<br />
Sodann ist jeder einzelne, der dem genannten Kreis angehört, in seiner<br />
Ehre verletzt und antragsberechtigt (vgl. § 194).<br />
BGHSt 36, 83, 85 <strong>ff</strong>. [Aktive Soldaten der Bundeswehr]: Als wesentliches<br />
Kriterium für die Möglichkeit der Kollektivbeleidigung wurde in<br />
der bisherigen Rechtsprechung - weil feststehen müsse, welche einzelnen<br />
Personen beleidigt sind - angesehen, dass sich die bezeichnete<br />
Personengruppe auf Grund bestimmter Merkmale so deutlich aus der<br />
Allgemeinheit heraushebe, dass der Kreis der Betro<strong>ff</strong>enen klar abgegrenzt<br />
sei. Der Senat ist der Meinung, dass allein die Größe der beleidigten<br />
Gruppe kein ausreichendes Kriterium ist, um zusammen mit der<br />
Abgrenzbarkeit zu der an sich aus rechtsstaatlichen Gründen gebotenen<br />
Einschränkung der Kollektivbeleidigung zu gelangen; es ist nicht<br />
zuverlässig abzugrenzen, wo die nicht mehr überschaubare Menge<br />
beginnen würde. Dagegen ist richtig, dass Kollektivbezeichnungen vielfach<br />
allgemeine Werturteile enthalten, die nicht geeignet sind, einzelne<br />
Menschen in ihrer Ehre zu kränken. Bei Äußerungen wie "alle deutschen<br />
Ärzte sind Kurpfuscher" oder "alle deutschen Richter beugen<br />
das Recht" liegt auf der Hand, dass solche Behauptungen - und zwar<br />
auch in den Augen des sich so Äußernden - nicht zutre<strong>ff</strong>en; mangels<br />
Bezug auf individualisierbare Personen kann sich auch niemand betro<strong>ff</strong>en<br />
sehen. Jedoch gibt es abwertende Äußerungen über Kollektive,<br />
für die dieser Einwand nicht greift. So liegt es hier. [Der BGH bejaht die<br />
Frage, ob die aktiven Soldaten der Bundeswehr kollektiv beleidigt werden<br />
können.]<br />
aa)<br />
Die Rechtsprechung hat eine kollektive <strong>Beleidigung</strong> u.a. in den folgenden<br />
Fällen angenommen:<br />
Die deutschen O<strong>ff</strong>iziere; die deutschen Ärzte; die in Deutschland lebenden<br />
Juden, die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen<br />
waren (BGHSt 11, 207, 208).<br />
© Eisenbeis Rechtsanwaltsges. mbH/RA Dr. U. Schlegel 2006
Lernprogramm Strafrecht <strong><strong>18</strong>.</strong> <strong>Teil</strong><br />
411<br />
_____________________________________________________________________<br />
bb)<br />
Verneint wurde die kollektive <strong>Beleidigung</strong> u.a. in den nachfolgend aufgeführten<br />
Fällen:<br />
Die Katholiken, die Protestanten, die Akademiker (BGHSt 11, 207,<br />
209); die Polizei in ihrer Gesamtheit (OLG Düsseldorf NJW 1981, 1522<br />
und 2003, 295, 296; BayObLG NJW 2005, 1291, 1292).<br />
e) Möglich ist auch eine sog. mittelbare <strong>Beleidigung</strong>, wenn eine Ehrenkränkung<br />
außer dem unmittelbar Betro<strong>ff</strong>enen Dritte in ihrem Achtungsanspruch<br />
verletzt (z.B. "Hurensohn").<br />
245 Der Kundgabecharakter der <strong>Beleidigung</strong> (i.w.S.)<br />
a) Die <strong>Beleidigung</strong> ist ein Kundgabedelikt, d.h. die ehrenkränkenden<br />
Äußerungen müssen<br />
• einen bestimmten oder doch zumindest objektiv bestimmbaren Inhalt<br />
haben,<br />
• sich an einen anderen richten und<br />
• zur Kenntnisnahme durch andere bestimmt sein.<br />
b) Problem: Kundgabecharakter bei vertraulichen Äußerungen<br />
ehrenrührigen Inhalts über Dritte im engsten Kreis (v.a. innerhalb<br />
der Familie):<br />
h.M.: Beleidigende Äußerungen i.S. der <strong>§§</strong> <strong><strong>18</strong>5</strong>, <strong>18</strong>6 (nicht § <strong>18</strong>7!) im<br />
engsten vertraulichen Kreis sind nicht gegen die Wertgeltung des Betro<strong>ff</strong>enen<br />
in der Allgemeinheit gerichtet (Fall der teleologischen Reduktion,<br />
näher Joecks, a.a.O., RN 27 f.).<br />
c) Problem Vollendung: Die Ehrverletzung muss zur Kenntnis eines<br />
anderen gelangt sein. Streitig ist, wann von diesem Umstand<br />
ausgegangen werden kann:<br />
aa)<br />
bb)<br />
(Wohl) h.M.: Zur Kenntniserlangung im o.g. Sinne bedarf es des geistigen<br />
Erfassens des ehrenrührigen Sinnes (BGHSt 9, 17, 19).<br />
Mindermeinung: Die bloß sinnliche Wahrnehmung reicht zur Kenntniserlangung<br />
aus.<br />
© Eisenbeis Rechtsanwaltsges. mbH/RA Dr. U. Schlegel 2006
Lernprogramm Strafrecht <strong><strong>18</strong>.</strong> <strong>Teil</strong><br />
412<br />
_____________________________________________________________________<br />
cc)<br />
Vermittelnde Au<strong>ff</strong>assung: Bei der Kundgabe eigener Missachtung<br />
(§ <strong><strong>18</strong>5</strong>) ist der Mindermeinung zu folgen (Arg.: Die Verletzung des Achtungsanspruchs<br />
hängt nicht davon ab, ob der Betro<strong>ff</strong>ene den ehrenrührigen<br />
Charakter des Angri<strong>ff</strong>s zu erfassen vermag oder nicht). Wo<br />
die fremde Missachtung gefördert oder ermöglicht wird (<strong>§§</strong> <strong>18</strong>6, <strong>18</strong>7),<br />
ist der h.M. zu folgen.<br />
υ Achtung: Die <strong>§§</strong> <strong><strong>18</strong>5</strong> <strong>ff</strong>. setzen einen Strafantrag voraus (§ 194)!<br />
246 Die Systematik der <strong>Beleidigung</strong>statbestände<br />
υ Merke: Während die speziellen Tatbestände der <strong>§§</strong> <strong>18</strong>6, <strong>18</strong>7 das Behaupten/Verbreiten<br />
ehrenrühriger Tatsachen durch Kundgabe an Dritte<br />
voraussetzen, ergreift § <strong><strong>18</strong>5</strong> als Au<strong>ff</strong>angtatbestand alle Ehrverletzungen,<br />
die nicht unter <strong>§§</strong> <strong>18</strong>6, <strong>18</strong>7 fallen (z.B. abfällige Werturteile und<br />
Tatsachenbehauptungen unmittelbar dem Verletzten gegenüber).<br />
Übersicht 22:<br />
Tatsachenäußerung gegenüber<br />
dem zu Beleidigenden<br />
Werturteil gegenüber dem zu<br />
Beleidigenden<br />
§ <strong><strong>18</strong>5</strong> § <strong><strong>18</strong>5</strong><br />
Tatsachenäußerung gegenüber<br />
einem Dritten<br />
Werturteil gegenüber einem<br />
Dritten<br />
<strong>§§</strong> <strong>18</strong>6, <strong>18</strong>7 § <strong><strong>18</strong>5</strong><br />
Ergo: <strong>§§</strong> <strong>18</strong>6, <strong>18</strong>7 = Tatsache + gegenüber einem Dritten<br />
© Eisenbeis Rechtsanwaltsges. mbH/RA Dr. U. Schlegel 2006
Lernprogramm Strafrecht <strong><strong>18</strong>.</strong> <strong>Teil</strong><br />
413<br />
_____________________________________________________________________<br />
c) υ Achtung: Tateinheit zwischen § <strong><strong>18</strong>5</strong> und <strong>§§</strong> <strong>18</strong>6 f. ist nach<br />
h.M. dann möglich, wenn die beleidigende, unter § <strong>18</strong>6 fallende<br />
Kundgebung nach dem Willen des Täters sowohl dem Dritten als<br />
auch dem Beleidigten selbst zugehen soll.<br />
υ Lernhinweis: Nachfolgend die Einzelheiten der Straftatbestände der<br />
<strong>§§</strong> <strong><strong>18</strong>5</strong>-<strong>18</strong>7.<br />
247 Die Verleumdung (§ <strong>18</strong>7)<br />
a) Prüfschema<br />
Prüfschema 41: Verleumdung (§ <strong>18</strong>7)<br />
A.I. Objektiver Tatbestand<br />
1. Tatsachen, die geeignet sind,<br />
a) einen anderen verächtlich zu machen oder<br />
b) in der ö<strong>ff</strong>entlichen Meinung herabzuwürdigen oder<br />
c) dessen Kredit zu gefährden<br />
2. Unwahrheit der Tatsache<br />
3. Behaupten oder Verbreiten (der unwahren Tatsache)<br />
II. Subjektiver Tatbestand<br />
1. Vorsatz bzgl. obj. Tatbestand (dolus eventualis ausreichend)<br />
2. Direkter Vorsatz (d.d. 2.Grades) bzgl. Unwahrheit der Tatsache<br />
B. Rechtswidrigkeit (beachte § 193)<br />
C. Schuld<br />
υ Beachte: Strafantragserfordernis nach § 194!<br />
b) Details<br />
aa)<br />
Behaupten oder Verbreiten einer unwahren Tatsache ehrenrühriger Art<br />
gegenüber einem Dritten - Definitionen:<br />
• Ehrenrührig: Tatsache die geeignet ist, den Betro<strong>ff</strong>enen verächtlich zu<br />
machen oder in der ö<strong>ff</strong>entlichen Meinung herabzuwürdigen.<br />
© Eisenbeis Rechtsanwaltsges. mbH/RA Dr. U. Schlegel 2006
Lernprogramm Strafrecht <strong><strong>18</strong>.</strong> <strong>Teil</strong><br />
414<br />
_____________________________________________________________________<br />
• Behaupten: Etwas als nach eigener Überzeugung gewiss oder richtig<br />
hinstellen, gleichgültig, ob es als Produkt eigener Wahrnehmung erscheint<br />
oder nicht (auch Behauptungen in verklausulierter Form sind<br />
möglich!).<br />
• Verbreiten: Weitergabe von Mitteilungen als Gegenstand fremden<br />
Wissens.<br />
bb)<br />
Wer den nach § <strong>18</strong>7 erforderlichen "Drittbezug" verbirgt und lediglich<br />
eine den Betro<strong>ff</strong>enen kompromittierende Sachlage scha<strong>ff</strong>t, kann sich<br />
gemäß § <strong><strong>18</strong>5</strong>, nicht aber nach § <strong>18</strong>7 strafbar machen.<br />
cc)<br />
Strafschärfend wirkt der Umstand, dass die Tat<br />
• ö<strong>ff</strong>entlich,<br />
• in einer Versammlung oder<br />
• durch Verbreiten von Schriften (§ 11 III) begangen worden ist.<br />
Ö<strong>ff</strong>entlich: Maßgebend ist, ob die <strong>Beleidigung</strong> von einem größeren, individuell<br />
nicht begrenzten und durch nähere Beziehungen nicht verbundenen Kreis von<br />
tatsächlich Anwesenden unmittelbar wahrgenommen wird.<br />
248 Die üble Nachrede (§ <strong>18</strong>6)<br />
a) Prüfschema<br />
Prüfschema 42: Üble Nachrede (§ <strong>18</strong>6)<br />
A.I. Objektiver Tatbestand<br />
1. Tatsachen, die geeignet sind,<br />
a) einen anderen verächtlich zu machen oder<br />
b) in der ö<strong>ff</strong>entlichen Meinung herabzuwürdigen<br />
2. Behaupten oder Verbreiten in Beziehung auf einen anderen<br />
II. Subj. Tatbestand: Vorsatz (dolus eventualis ausreichend)<br />
III. Tatbestandsannex: Nichterweislichkeit der Unwahrheit<br />
B. Rechtswidrigkeit (beachte § 193)<br />
C. Schuld<br />
D. Strafantrag nach § 194 beachten!<br />
© Eisenbeis Rechtsanwaltsges. mbH/RA Dr. U. Schlegel 2006
Lernprogramm Strafrecht <strong><strong>18</strong>.</strong> <strong>Teil</strong><br />
415<br />
_____________________________________________________________________<br />
b) Details<br />
aa) Abgrenzung des § <strong>18</strong>6 gegenüber § <strong>18</strong>7<br />
Die Unwahrheit der Tatsache ist bei § <strong>18</strong>7 Tatbestandsmerkmal. Der<br />
Täter muss die Unwahrheit positiv gekannt haben. Wo der Grundsatz<br />
"in dubio pro reo" einer Verurteilung nach § <strong>18</strong>7 entgegensteht oder wo<br />
erwiesen ist, dass der Täter die ehrenrührige Tatsache für wahr gehalten<br />
hat, ist nur § <strong>18</strong>6 heranzuziehen!<br />
bb) Zu den Kundgabeformen s. die Ausführungen zu § <strong>18</strong>7.<br />
cc)<br />
Zum Begri<strong>ff</strong> der "Ehrenrührigkeit" s. ebenfalls die Ausführungen zu<br />
§ <strong>18</strong>7.<br />
dd)<br />
Die Nichterweislichkeit der Wahrheit ist nach h.M. eine objektive Bedingung<br />
der Strafbarkeit, auf die sich der Vorsatz nicht zu erstrecken<br />
braucht. Diesbezüglich ist kein Verstoß gegen § 244 II StPO anzunehmen:<br />
Den Angeklagten tri<strong>ff</strong>t keine Beweislast! Der Angeklagte trägt<br />
lediglich das Risiko einer ergebnislosen Wahrheitsfindung.<br />
ee)<br />
Strafschärfend wirkt der Umstand, dass die Tat<br />
• ö<strong>ff</strong>entlich oder<br />
• durch Verbreiten von Schriften (§ 11 III) begangen worden ist.<br />
Zum Begri<strong>ff</strong> "ö<strong>ff</strong>entlich" s. schon o. zu § <strong>18</strong>7.<br />
249 Die <strong>Beleidigung</strong> (§ <strong><strong>18</strong>5</strong>)<br />
a) Prüfungsschema<br />
Prüfungsschema 43: <strong>Beleidigung</strong> (§ <strong><strong>18</strong>5</strong>)<br />
A.I. Objektiver Tatbestand: <strong>Beleidigung</strong><br />
1. Werturteil gegenüber dem zu Beleidigenden oder<br />
2. Werturteil über den zu Beleidigenden ggü. einem Dritten<br />
3. Tatsachenbehauptung gegenüber dem zu Beleidigenden<br />
II. Subj. Tatbestand: Dolus eventualis ausr. ... (vgl. o. <strong>§§</strong> <strong><strong>18</strong>5</strong> f.)<br />
© Eisenbeis Rechtsanwaltsges. mbH/RA Dr. U. Schlegel 2006
Lernprogramm Strafrecht <strong><strong>18</strong>.</strong> <strong>Teil</strong><br />
416<br />
_____________________________________________________________________<br />
b) Details<br />
aa)<br />
<strong>Beleidigung</strong> meint die Kundgabe von Missachtung oder Nichtachtung<br />
durch<br />
(1) Meinungsäußerungen oder Werturteile (auch gegenüber Dritten)<br />
(2) symbolische Handlungen oder ehrkränkende Behandlung<br />
(3) Zumutung strafbarer oder unsittlicher Handlungen<br />
(4) Sog. Formalbeleidigungen i.S.v. § 192<br />
(5) Vorhalten ehrenrühriger Tatsachen unmittelbar dem Verletzten gegenüber<br />
(6) ehrverletzende Tätlichkeiten<br />
υ Merke: Die Frage nach dem Vorliegen einer <strong>Beleidigung</strong> ist stets eine<br />
Frage des Einzelfalls. Es kommt ganz darauf an, wer was zu wem<br />
sagt und unter welchen Umständen dies geschieht.<br />
bb)<br />
Kasuistik bzgl. des Vorliegens einer <strong>Beleidigung</strong><br />
(1) Eine <strong>Beleidigung</strong> ist in den folgenden Fällen zu bejahen:<br />
Bezeichnung des verkehrswidrig fahrenden Autofahrers als Schwein;<br />
das Tippen an die Stirn; Vergleich polizeilichen Vorgehens mit "Gestapo-Methoden";<br />
die Bezeichnung als Jude (BGHSt 8, 325); "alter Nazi";<br />
Faschist; "Scheißbulle" (T/F, § <strong><strong>18</strong>5</strong>, RN 9 mit zahlr. weiteren Beispielen).<br />
(2) Eine <strong>Beleidigung</strong> ist in den folgenden Fällen zu verneinen:<br />
Bei bloßen Unhöflichkeiten (so z.B. das Weglassen des "Herr"); Mahnung<br />
des Schuldners auf o<strong>ff</strong>ener Postkarte (Tröndle/Fischer, § <strong><strong>18</strong>5</strong>,<br />
RN 9 mit zahlr. weiteren Beispielen).<br />
cc)<br />
dd)<br />
Beachte bzgl. des subj. Tatbestandes: Der Vorsatz des Täters muss<br />
die Eignung der Kundgabe als Mittel der Ehrkränkung und deren<br />
Wahrnehmung durch andere umfassen.<br />
Die Unwahrheit einer dem Verletzten gegenüber erfolgten Tatsachenbehauptung<br />
ist hier - anders als in § <strong>18</strong>6 - ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal,<br />
das vom Vorsatz des Täters umfasst sein muss<br />
und für das es im Rahmen des Wahrscheinlichkeitsbeweises bei dem<br />
Grundsatz "in dubio pro reo" verbleibt.<br />
© Eisenbeis Rechtsanwaltsges. mbH/RA Dr. U. Schlegel 2006
Lernprogramm Strafrecht <strong><strong>18</strong>.</strong> <strong>Teil</strong><br />
417<br />
_____________________________________________________________________<br />
ee) Sonderproblem: Sexuelle/sexualbezogene Handlungen: BGHSt 36,<br />
150 steht auf dem Standpunkt, dass § <strong><strong>18</strong>5</strong> hier nur dann erfüllt ist,<br />
wenn der Täter durch sein (sexuelles) Verhalten zum Ausdruck bringe,<br />
der Betro<strong>ff</strong>ene weise einen seine Ehre mindernden Mangel auf. Ein<br />
Angri<strong>ff</strong> auf die sexuelle Selbstbestimmung erfüllt nur dann § <strong><strong>18</strong>5</strong>, wenn<br />
nach den gesamten Umständen in dem Verhalten des Täters zugleich<br />
eine - von ihm gewollte - herabsetzende Bewertung des Opfers zu<br />
sehen ist (OLG Karlsruhe, Urt. v. 6.6.2002, Az. 1 Ss 13/02, verlangt<br />
bei einer auf o<strong>ff</strong>ener Straße vorgenommenen sexuellen Belästigung<br />
eine nicht nur unerhebliche Beeinträchtigung und eine bei der Tat nach<br />
außen zutage tretende Herabwürdigung der Geschlechtsehre).<br />
250 Rechtfertigungsgründe im Bereich des Ehrenschutzes<br />
a) Notwehr<br />
b) Einwilligung<br />
c) § 193 - Wahrnehmung berechtigter Interessen:<br />
• Die Art der Interessenwahrnehmung muss den konkreten Umständen<br />
nach berechtigt sein<br />
• der Täter muss subjektiv zum Zwecke der Interessenwahrnehmung<br />
gehandelt haben<br />
• es muss sich um ein angemessenes Mittel zur Erreichung eines berechtigten<br />
Zwecks handeln<br />
• in besonderen Fällen bestehen Erkundigungspflichten (insbesondere<br />
im Bereich der Presse und anderer Massenmedien)<br />
• es besteht ein Pflicht der Massenmedien zu einer wahrheitsgemäßen,<br />
nicht einseitig verzerrenden Berichterstattung<br />
• schwerwiegende Eingri<strong>ff</strong>e in die Schutzgüter der Art. 1 und 2 GG sind<br />
durch die Kunstfreiheit (Art. 5 III 1 GG) nicht gedeckt<br />
© Eisenbeis Rechtsanwaltsges. mbH/RA Dr. U. Schlegel 2006
Lernprogramm Strafrecht <strong><strong>18</strong>.</strong> <strong>Teil</strong><br />
4<strong>18</strong><br />
_____________________________________________________________________<br />
251 <strong>Beleidigung</strong>sdelikte: Rechtsprechung<br />
KG NStZ 1992, 385: Die Anwendung der <strong>§§</strong> <strong><strong>18</strong>5</strong>, <strong>18</strong>6 wird bereits auf<br />
der Tatbestandsebene und nicht erst im Rahmen des § 193 durch Art.<br />
5 III 1 GG beeinflusst.<br />
BVerfG NStZ 2001, 640 [Verurteilung wegen <strong>Beleidigung</strong> durch<br />
Presseartikel]: „Die umstrittene Äußerung in dem Artikel, „C sollte lieber<br />
einen Arzt aufsuchen“ – nur hierauf haben die Gerichte die Verurteilung<br />
wegen <strong>Beleidigung</strong> gestützt – fällt in den Schutzbereich des<br />
Grundrechts auf Meinungsfreiheit. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit<br />
schützt die Meinungskundgabe unabhängig davon, ob die Äußerung<br />
rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie<br />
von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten<br />
wird (...). Auch die polemische oder verletzende Formulierung der Aussage<br />
entzieht sie nicht seinem Schutzbereich. (...) bei satirischer oder<br />
glossierender Meinungsäußerung darf Erklärungen kein Inhalt unterschoben<br />
werden, den ihnen ihr Urheber erkennbar nicht beilegen wollte.<br />
(...) Es ist widersprüchlich, eine Äußerung als ironisch zu charakterisieren,<br />
ihr sodann aber einen Bedeutungsgehalt beizumessen, der ihr<br />
nur zukommen würde, wenn sie als ernst gemeint beim Wort zu nehmen<br />
wäre.“<br />
OLG Karlsruhe, Urt. v. 6.6.2002, Az. 1 Ss 13/02: Ein Vergehen der<br />
tätlichen <strong>Beleidigung</strong> nach § <strong><strong>18</strong>5</strong>, 2. Alt. setzt eine körperliche Einwirkung<br />
voraus, allein der Versuch einer Berührung ist nicht ausreichend.<br />
BayObLG, Beschl. v. 20.10.2004, Az.: 1 St RR 153/04, NJW 2005,<br />
1291 = L & L 2005, 551 [„Wegelagerer“]: Die Bezeichnung eines Polizeibeamten,<br />
der eine Verkehrskontrolle durchführt, als Wegelagerer<br />
kann durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt sein.<br />
Das Recht des Bürgers, Maßnahmen der ö<strong>ff</strong>entlichen Gewalt ohne<br />
Furcht vor staatl. Sanktionen zu kritisieren, gehört zum Kernbereich<br />
des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung. Das Grundrecht auf<br />
Meinungsfreiheit ist nicht nur bei einem Beitrag zur ö<strong>ff</strong>entl. Meinungsbildung<br />
zu beachten, sondern auch bei Äußerungen, die im Rahmen<br />
einer Auseinandersetzung fallen. Dies gilt umso mehr, wenn sich das<br />
Werturteil auf staatl. Einrichtungen, deren Bedienstete und deren Vorgehensweise<br />
bezieht. Dabei fallen auch scharfe und übersteigerte Äußerungen<br />
in den Schutzbereich des Art. 5 I GG.<br />
Schließlich ist das Täterverhalten wg. § 193 auch nicht rechtswidrig, da<br />
der Täter im Rahmen der Verteidigung seiner Rechte und der Wahrnehmung<br />
berechtigter Interessen gehandelt hat. Die Grenze zur<br />
Schmähkritik ist nicht überschritten. Der Täter hat sich vorliegend im<br />
Zusammenhang mit dem konkreten Vorwurf einer Verkehrsordnungswidrigkeit<br />
geäußert. Seine Bemerkungen sind anlässlich der nachfolgenden<br />
Kontrolle gefallen und vor dem Hintergrund zu sehen, dass er<br />
den Verstoß gegen die Gurtanlegepflicht abgestritten hat. Wegen dieser<br />
Anlassbezogenheit der Äußerungen kann nicht davon ausgegangen<br />
werden, dass die Di<strong>ff</strong>amierung des Polizeibeamten im Vordergrund<br />
stand.<br />
BayObLG, Beschl. v. 14.04.2004, Az.: 5 StR 9/04, NStZ 2005, 215<br />
[„Spitzel“]: Wird bei einer Versammlung ein in Zivil eingesetzter Polizeibeamter<br />
als „Spitzel“ bezeichnet, ist bei der im Hinblick auf den<br />
Schutzbereich des Art. 5 I 1 GG gebotenen Abwägung die konkrete<br />
© Eisenbeis Rechtsanwaltsges. mbH/RA Dr. U. Schlegel 2006
Lernprogramm Strafrecht <strong><strong>18</strong>.</strong> <strong>Teil</strong><br />
419<br />
_____________________________________________________________________<br />
Gesamtsituation einzubeziehen. Bei der Gewichtung der Beeinträchtigung<br />
der betro<strong>ff</strong>enen Rechtsgüter ist insbesondere zu berücksichtigen,<br />
ob auf ein vorangegangenes Verhalten des Polizeibeamten unmittelbar<br />
reagiert wurde. Die Bezeichnung stellt dann keine <strong>Beleidigung</strong> dar,<br />
wenn der Täter vom Verletzten provoziert wurde (sog. Gegenschlag).<br />
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 01.06.2004, Az.: 1 Ss 46/04, NStZ 2005,<br />
158 [„Götz-Zitat“]: Eine Formulierung „Sie können mich mal …..“ ist<br />
nicht zwingend als <strong>Beleidigung</strong> i.S.d. § <strong><strong>18</strong>5</strong> anzusehen.<br />
Eine nach § <strong><strong>18</strong>5</strong> strafbare <strong>Beleidigung</strong> liegt vor, wenn eine Äußerung<br />
eine Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung enthält. Dies ist<br />
der Fall, wenn dem Betro<strong>ff</strong>enen der ethische oder soziale Wert ganz<br />
oder teilweise abgesprochen und dadurch der grds. uneingeschränkte<br />
Achtungsanspruch verletzt oder gefährdet wird. Ob eine solche Missachtung<br />
oder Nichtachtung vorliegt, ist durch Auslegung des obj. Sinngehalts<br />
der Äußerung zu ermitteln, wobei dies unter Berücksichtigung<br />
der gesamten Begleitumstände, wie etwa der Anschauungen und Gebräuche<br />
der Beteiligten, der sprachlichen und gesellschaftlichen Ebenen,<br />
auf welcher die Äußerung gefallen ist, sowie regionaler Besonderheiten<br />
und sprachlichen Dialekte zu erfolgen hat. Maßgebend ist<br />
dabei nicht, wie der Empfänger, sondern wie ein verständiger Dritter<br />
die Äußerung versteht. Ist eine Äußerung mehrdeutig, so hat sich der<br />
Tatrichter in den Urteilsgründen mit den verschiedenen Möglichkeiten<br />
der Deutung auseinander zu setzen, um dem Revisionsgericht die Prüfung<br />
zu ermöglichen, ob die vom Tatrichter vorgenommene Auslegung<br />
der Äußerung frei von Rechtsfehlern ist.<br />
OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.11.2004, Az.: 3 Ss 81/04, NStZ 2005, 575<br />
[Abtreibungspraxis eines Arztes]: Die wahrheitswidrige Behauptung<br />
über einen Frauenarzt, er führe rechtswidrige, wenn auch mit den geltenden<br />
gesetzlichen Bestimmungen im Einklang stehende straflose<br />
Abtreibungen durch, ist nicht geeignet, diesen Arzt i.S.v. § <strong>18</strong>6 verächtlich<br />
zu machen oder ihn in der ö<strong>ff</strong>entlichen Meinung herab zu würdigen.<br />
KG, Urt. v. 12.08.2005, Az.: 4 1 Ss 93/04 (91/04), NStZ 2005, 693<br />
[<strong>Beleidigung</strong> eines Polizeibeamten „Clown“]: Wird ein uniformierter<br />
Beamter der Schutzpolizei, der eine Fahrausweiskontrolle begleitet, als<br />
„Clown“ bezeichnet, handelt es sich nach den hier gegebenen Gesamtumständen<br />
des Geschehens nicht um die Kundgabe eines Werturteils,<br />
sondern um eine den Achtungsanspruch des Beamten verletzende<br />
Äußerung in Form einer Schmähkritik, da die Di<strong>ff</strong>amierung des<br />
Beamten im Vordergrund steht.<br />
© Eisenbeis Rechtsanwaltsges. mbH/RA Dr. U. Schlegel 2006