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A. Lerndaten 18. Teil: Beleidigung (§§ 185 ff.) B. Inhaltsübersicht 18 ...

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Lernprogramm Strafrecht <strong><strong>18</strong>.</strong> <strong>Teil</strong><br />

408<br />

_____________________________________________________________________<br />

A. <strong>Lerndaten</strong> <strong><strong>18</strong>.</strong> <strong>Teil</strong>: <strong>Beleidigung</strong> (<strong>§§</strong> <strong><strong>18</strong>5</strong> <strong>ff</strong>.)<br />

Seiten: 11 ( 4<strong>18</strong> insgesamt)<br />

! ca. 60 Minuten (1680 Min. = 28h insgesamt)<br />

B. <strong>Inhaltsübersicht</strong> <strong><strong>18</strong>.</strong> <strong>Teil</strong><br />

244 Der Ehrenschutz im Strafrecht (Grundsätze)<br />

245 Der Kundgabecharakter der <strong>Beleidigung</strong> (i.w.S.)<br />

246 Die Systematik der <strong>Beleidigung</strong>statbestände<br />

247 Die Verleumdung (§ <strong>18</strong>7)<br />

248 Die üble Nachrede (§ <strong>18</strong>6)<br />

249 Die <strong>Beleidigung</strong> i.e.S. (§ <strong><strong>18</strong>5</strong>)<br />

250 Besondere Rechtfertigungsgründe im Bereich des Ehrenschutzes<br />

251 <strong>Beleidigung</strong>sdelikte: Rechtsprechung<br />

C. Lernkontrolle <strong><strong>18</strong>.</strong> <strong>Teil</strong><br />

1. Durcharbeiten am: ...............<br />

2. Durcharbeiten am: ...............<br />

3. Durcharbeiten am: ...............<br />

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Lernprogramm Strafrecht <strong><strong>18</strong>.</strong> <strong>Teil</strong><br />

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<strong><strong>18</strong>.</strong> <strong>Teil</strong>: Straftaten gegen die Ehre<br />

244 Der Ehrenschutz im Strafrecht (Grundsätze)<br />

a) Schutzobjekt der <strong>§§</strong> <strong><strong>18</strong>5</strong>-<strong>18</strong>7 ist die Ehre. Schutzwürdig ist der aus der<br />

verdienten Wertgeltung hervorgehende Anspruch auf Achtung der Persönlichkeit.<br />

b) <strong>Beleidigung</strong>sfähig ist jeder Mensch (unabhängig von Alter und Geisteszustand),<br />

nicht aber Tote (vgl. § <strong>18</strong>9 - dort nur Schutz gegen besonders<br />

schwerwiegende Verletzungen).<br />

c) Problem: Passive <strong>Beleidigung</strong>sfähigkeit von Personengemeinschaften,<br />

Verbänden, Behörden und juristischen Personen:<br />

aa)<br />

Die h.M. geht über die in § 194 III, IV geregelten Fällen weit hinaus und<br />

billigt allen Personengemeinschaften und Verbänden unter Einschluss<br />

von Kapitalgesellschaften strafrechtlichen Ehrenschutz zu, soweit sie<br />

insbesondere<br />

• eine rechtlich anerkannte soziale Funktion erfüllen<br />

• und einen einheitlichen Willen bilden können (Joecks, Studienkommentar,<br />

Vor § <strong><strong>18</strong>5</strong>, RN 17; nach a.A. können nur Menschen über eine<br />

Ehre verfügen).<br />

BGHSt 6, <strong>18</strong>6: Eine Personengemeinschaft, die eine rechtlich anerkannte<br />

gesellschaftliche Funktion erfüllt und einen einheitlichen Willen<br />

bilden kann, genießt strafrechtlichen Ehrenschutz (hier: GmbH als Verleger<br />

einer Tageszeitung).<br />

Beispiele: Politische Parteien, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände,<br />

das Deutsche Rote Kreuz, Religionsgemeinschaften, GmbH (s.o.).<br />

bb)<br />

cc)<br />

Den Gegensatz bilden rein gesellige Vereinigungen wie etwa ein Tennisclub<br />

oder eine Skatrunde.<br />

Die Familie ist nach h.M. keine beleidigungsfähige Gemeinschaft (vgl.<br />

Joecks, a.a.O., RN <strong>18</strong>)<br />

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Arg.: Die Familie ist kein korporativer Verband mit einheitlicher Willensbildung<br />

nach außen (s. aber nachfolgend d)<br />

d) Beachten Sie die Besonderheit der <strong>Beleidigung</strong> von Einzelpersonen<br />

unter einer Kollektivbezeichnung: Sie bietet den Angehörigen von<br />

Personengemeinschaften, die nicht selbständig beleidigungsfähig sind,<br />

ausreichenden Strafrechtsschutz. Voraussetzung dafür ist allerdings<br />

stets, dass<br />

• der betro<strong>ff</strong>ene Personenkreis klar umgrenzt sein und<br />

• deutlich aus der Allgemeinheit hervortreten muss (vgl. BGHSt 36,<br />

83, 85 f.).<br />

Sodann ist jeder einzelne, der dem genannten Kreis angehört, in seiner<br />

Ehre verletzt und antragsberechtigt (vgl. § 194).<br />

BGHSt 36, 83, 85 <strong>ff</strong>. [Aktive Soldaten der Bundeswehr]: Als wesentliches<br />

Kriterium für die Möglichkeit der Kollektivbeleidigung wurde in<br />

der bisherigen Rechtsprechung - weil feststehen müsse, welche einzelnen<br />

Personen beleidigt sind - angesehen, dass sich die bezeichnete<br />

Personengruppe auf Grund bestimmter Merkmale so deutlich aus der<br />

Allgemeinheit heraushebe, dass der Kreis der Betro<strong>ff</strong>enen klar abgegrenzt<br />

sei. Der Senat ist der Meinung, dass allein die Größe der beleidigten<br />

Gruppe kein ausreichendes Kriterium ist, um zusammen mit der<br />

Abgrenzbarkeit zu der an sich aus rechtsstaatlichen Gründen gebotenen<br />

Einschränkung der Kollektivbeleidigung zu gelangen; es ist nicht<br />

zuverlässig abzugrenzen, wo die nicht mehr überschaubare Menge<br />

beginnen würde. Dagegen ist richtig, dass Kollektivbezeichnungen vielfach<br />

allgemeine Werturteile enthalten, die nicht geeignet sind, einzelne<br />

Menschen in ihrer Ehre zu kränken. Bei Äußerungen wie "alle deutschen<br />

Ärzte sind Kurpfuscher" oder "alle deutschen Richter beugen<br />

das Recht" liegt auf der Hand, dass solche Behauptungen - und zwar<br />

auch in den Augen des sich so Äußernden - nicht zutre<strong>ff</strong>en; mangels<br />

Bezug auf individualisierbare Personen kann sich auch niemand betro<strong>ff</strong>en<br />

sehen. Jedoch gibt es abwertende Äußerungen über Kollektive,<br />

für die dieser Einwand nicht greift. So liegt es hier. [Der BGH bejaht die<br />

Frage, ob die aktiven Soldaten der Bundeswehr kollektiv beleidigt werden<br />

können.]<br />

aa)<br />

Die Rechtsprechung hat eine kollektive <strong>Beleidigung</strong> u.a. in den folgenden<br />

Fällen angenommen:<br />

Die deutschen O<strong>ff</strong>iziere; die deutschen Ärzte; die in Deutschland lebenden<br />

Juden, die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen<br />

waren (BGHSt 11, 207, 208).<br />

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bb)<br />

Verneint wurde die kollektive <strong>Beleidigung</strong> u.a. in den nachfolgend aufgeführten<br />

Fällen:<br />

Die Katholiken, die Protestanten, die Akademiker (BGHSt 11, 207,<br />

209); die Polizei in ihrer Gesamtheit (OLG Düsseldorf NJW 1981, 1522<br />

und 2003, 295, 296; BayObLG NJW 2005, 1291, 1292).<br />

e) Möglich ist auch eine sog. mittelbare <strong>Beleidigung</strong>, wenn eine Ehrenkränkung<br />

außer dem unmittelbar Betro<strong>ff</strong>enen Dritte in ihrem Achtungsanspruch<br />

verletzt (z.B. "Hurensohn").<br />

245 Der Kundgabecharakter der <strong>Beleidigung</strong> (i.w.S.)<br />

a) Die <strong>Beleidigung</strong> ist ein Kundgabedelikt, d.h. die ehrenkränkenden<br />

Äußerungen müssen<br />

• einen bestimmten oder doch zumindest objektiv bestimmbaren Inhalt<br />

haben,<br />

• sich an einen anderen richten und<br />

• zur Kenntnisnahme durch andere bestimmt sein.<br />

b) Problem: Kundgabecharakter bei vertraulichen Äußerungen<br />

ehrenrührigen Inhalts über Dritte im engsten Kreis (v.a. innerhalb<br />

der Familie):<br />

h.M.: Beleidigende Äußerungen i.S. der <strong>§§</strong> <strong><strong>18</strong>5</strong>, <strong>18</strong>6 (nicht § <strong>18</strong>7!) im<br />

engsten vertraulichen Kreis sind nicht gegen die Wertgeltung des Betro<strong>ff</strong>enen<br />

in der Allgemeinheit gerichtet (Fall der teleologischen Reduktion,<br />

näher Joecks, a.a.O., RN 27 f.).<br />

c) Problem Vollendung: Die Ehrverletzung muss zur Kenntnis eines<br />

anderen gelangt sein. Streitig ist, wann von diesem Umstand<br />

ausgegangen werden kann:<br />

aa)<br />

bb)<br />

(Wohl) h.M.: Zur Kenntniserlangung im o.g. Sinne bedarf es des geistigen<br />

Erfassens des ehrenrührigen Sinnes (BGHSt 9, 17, 19).<br />

Mindermeinung: Die bloß sinnliche Wahrnehmung reicht zur Kenntniserlangung<br />

aus.<br />

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cc)<br />

Vermittelnde Au<strong>ff</strong>assung: Bei der Kundgabe eigener Missachtung<br />

(§ <strong><strong>18</strong>5</strong>) ist der Mindermeinung zu folgen (Arg.: Die Verletzung des Achtungsanspruchs<br />

hängt nicht davon ab, ob der Betro<strong>ff</strong>ene den ehrenrührigen<br />

Charakter des Angri<strong>ff</strong>s zu erfassen vermag oder nicht). Wo<br />

die fremde Missachtung gefördert oder ermöglicht wird (<strong>§§</strong> <strong>18</strong>6, <strong>18</strong>7),<br />

ist der h.M. zu folgen.<br />

υ Achtung: Die <strong>§§</strong> <strong><strong>18</strong>5</strong> <strong>ff</strong>. setzen einen Strafantrag voraus (§ 194)!<br />

246 Die Systematik der <strong>Beleidigung</strong>statbestände<br />

υ Merke: Während die speziellen Tatbestände der <strong>§§</strong> <strong>18</strong>6, <strong>18</strong>7 das Behaupten/Verbreiten<br />

ehrenrühriger Tatsachen durch Kundgabe an Dritte<br />

voraussetzen, ergreift § <strong><strong>18</strong>5</strong> als Au<strong>ff</strong>angtatbestand alle Ehrverletzungen,<br />

die nicht unter <strong>§§</strong> <strong>18</strong>6, <strong>18</strong>7 fallen (z.B. abfällige Werturteile und<br />

Tatsachenbehauptungen unmittelbar dem Verletzten gegenüber).<br />

Übersicht 22:<br />

Tatsachenäußerung gegenüber<br />

dem zu Beleidigenden<br />

Werturteil gegenüber dem zu<br />

Beleidigenden<br />

§ <strong><strong>18</strong>5</strong> § <strong><strong>18</strong>5</strong><br />

Tatsachenäußerung gegenüber<br />

einem Dritten<br />

Werturteil gegenüber einem<br />

Dritten<br />

<strong>§§</strong> <strong>18</strong>6, <strong>18</strong>7 § <strong><strong>18</strong>5</strong><br />

Ergo: <strong>§§</strong> <strong>18</strong>6, <strong>18</strong>7 = Tatsache + gegenüber einem Dritten<br />

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c) υ Achtung: Tateinheit zwischen § <strong><strong>18</strong>5</strong> und <strong>§§</strong> <strong>18</strong>6 f. ist nach<br />

h.M. dann möglich, wenn die beleidigende, unter § <strong>18</strong>6 fallende<br />

Kundgebung nach dem Willen des Täters sowohl dem Dritten als<br />

auch dem Beleidigten selbst zugehen soll.<br />

υ Lernhinweis: Nachfolgend die Einzelheiten der Straftatbestände der<br />

<strong>§§</strong> <strong><strong>18</strong>5</strong>-<strong>18</strong>7.<br />

247 Die Verleumdung (§ <strong>18</strong>7)<br />

a) Prüfschema<br />

Prüfschema 41: Verleumdung (§ <strong>18</strong>7)<br />

A.I. Objektiver Tatbestand<br />

1. Tatsachen, die geeignet sind,<br />

a) einen anderen verächtlich zu machen oder<br />

b) in der ö<strong>ff</strong>entlichen Meinung herabzuwürdigen oder<br />

c) dessen Kredit zu gefährden<br />

2. Unwahrheit der Tatsache<br />

3. Behaupten oder Verbreiten (der unwahren Tatsache)<br />

II. Subjektiver Tatbestand<br />

1. Vorsatz bzgl. obj. Tatbestand (dolus eventualis ausreichend)<br />

2. Direkter Vorsatz (d.d. 2.Grades) bzgl. Unwahrheit der Tatsache<br />

B. Rechtswidrigkeit (beachte § 193)<br />

C. Schuld<br />

υ Beachte: Strafantragserfordernis nach § 194!<br />

b) Details<br />

aa)<br />

Behaupten oder Verbreiten einer unwahren Tatsache ehrenrühriger Art<br />

gegenüber einem Dritten - Definitionen:<br />

• Ehrenrührig: Tatsache die geeignet ist, den Betro<strong>ff</strong>enen verächtlich zu<br />

machen oder in der ö<strong>ff</strong>entlichen Meinung herabzuwürdigen.<br />

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• Behaupten: Etwas als nach eigener Überzeugung gewiss oder richtig<br />

hinstellen, gleichgültig, ob es als Produkt eigener Wahrnehmung erscheint<br />

oder nicht (auch Behauptungen in verklausulierter Form sind<br />

möglich!).<br />

• Verbreiten: Weitergabe von Mitteilungen als Gegenstand fremden<br />

Wissens.<br />

bb)<br />

Wer den nach § <strong>18</strong>7 erforderlichen "Drittbezug" verbirgt und lediglich<br />

eine den Betro<strong>ff</strong>enen kompromittierende Sachlage scha<strong>ff</strong>t, kann sich<br />

gemäß § <strong><strong>18</strong>5</strong>, nicht aber nach § <strong>18</strong>7 strafbar machen.<br />

cc)<br />

Strafschärfend wirkt der Umstand, dass die Tat<br />

• ö<strong>ff</strong>entlich,<br />

• in einer Versammlung oder<br />

• durch Verbreiten von Schriften (§ 11 III) begangen worden ist.<br />

Ö<strong>ff</strong>entlich: Maßgebend ist, ob die <strong>Beleidigung</strong> von einem größeren, individuell<br />

nicht begrenzten und durch nähere Beziehungen nicht verbundenen Kreis von<br />

tatsächlich Anwesenden unmittelbar wahrgenommen wird.<br />

248 Die üble Nachrede (§ <strong>18</strong>6)<br />

a) Prüfschema<br />

Prüfschema 42: Üble Nachrede (§ <strong>18</strong>6)<br />

A.I. Objektiver Tatbestand<br />

1. Tatsachen, die geeignet sind,<br />

a) einen anderen verächtlich zu machen oder<br />

b) in der ö<strong>ff</strong>entlichen Meinung herabzuwürdigen<br />

2. Behaupten oder Verbreiten in Beziehung auf einen anderen<br />

II. Subj. Tatbestand: Vorsatz (dolus eventualis ausreichend)<br />

III. Tatbestandsannex: Nichterweislichkeit der Unwahrheit<br />

B. Rechtswidrigkeit (beachte § 193)<br />

C. Schuld<br />

D. Strafantrag nach § 194 beachten!<br />

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b) Details<br />

aa) Abgrenzung des § <strong>18</strong>6 gegenüber § <strong>18</strong>7<br />

Die Unwahrheit der Tatsache ist bei § <strong>18</strong>7 Tatbestandsmerkmal. Der<br />

Täter muss die Unwahrheit positiv gekannt haben. Wo der Grundsatz<br />

"in dubio pro reo" einer Verurteilung nach § <strong>18</strong>7 entgegensteht oder wo<br />

erwiesen ist, dass der Täter die ehrenrührige Tatsache für wahr gehalten<br />

hat, ist nur § <strong>18</strong>6 heranzuziehen!<br />

bb) Zu den Kundgabeformen s. die Ausführungen zu § <strong>18</strong>7.<br />

cc)<br />

Zum Begri<strong>ff</strong> der "Ehrenrührigkeit" s. ebenfalls die Ausführungen zu<br />

§ <strong>18</strong>7.<br />

dd)<br />

Die Nichterweislichkeit der Wahrheit ist nach h.M. eine objektive Bedingung<br />

der Strafbarkeit, auf die sich der Vorsatz nicht zu erstrecken<br />

braucht. Diesbezüglich ist kein Verstoß gegen § 244 II StPO anzunehmen:<br />

Den Angeklagten tri<strong>ff</strong>t keine Beweislast! Der Angeklagte trägt<br />

lediglich das Risiko einer ergebnislosen Wahrheitsfindung.<br />

ee)<br />

Strafschärfend wirkt der Umstand, dass die Tat<br />

• ö<strong>ff</strong>entlich oder<br />

• durch Verbreiten von Schriften (§ 11 III) begangen worden ist.<br />

Zum Begri<strong>ff</strong> "ö<strong>ff</strong>entlich" s. schon o. zu § <strong>18</strong>7.<br />

249 Die <strong>Beleidigung</strong> (§ <strong><strong>18</strong>5</strong>)<br />

a) Prüfungsschema<br />

Prüfungsschema 43: <strong>Beleidigung</strong> (§ <strong><strong>18</strong>5</strong>)<br />

A.I. Objektiver Tatbestand: <strong>Beleidigung</strong><br />

1. Werturteil gegenüber dem zu Beleidigenden oder<br />

2. Werturteil über den zu Beleidigenden ggü. einem Dritten<br />

3. Tatsachenbehauptung gegenüber dem zu Beleidigenden<br />

II. Subj. Tatbestand: Dolus eventualis ausr. ... (vgl. o. <strong>§§</strong> <strong><strong>18</strong>5</strong> f.)<br />

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b) Details<br />

aa)<br />

<strong>Beleidigung</strong> meint die Kundgabe von Missachtung oder Nichtachtung<br />

durch<br />

(1) Meinungsäußerungen oder Werturteile (auch gegenüber Dritten)<br />

(2) symbolische Handlungen oder ehrkränkende Behandlung<br />

(3) Zumutung strafbarer oder unsittlicher Handlungen<br />

(4) Sog. Formalbeleidigungen i.S.v. § 192<br />

(5) Vorhalten ehrenrühriger Tatsachen unmittelbar dem Verletzten gegenüber<br />

(6) ehrverletzende Tätlichkeiten<br />

υ Merke: Die Frage nach dem Vorliegen einer <strong>Beleidigung</strong> ist stets eine<br />

Frage des Einzelfalls. Es kommt ganz darauf an, wer was zu wem<br />

sagt und unter welchen Umständen dies geschieht.<br />

bb)<br />

Kasuistik bzgl. des Vorliegens einer <strong>Beleidigung</strong><br />

(1) Eine <strong>Beleidigung</strong> ist in den folgenden Fällen zu bejahen:<br />

Bezeichnung des verkehrswidrig fahrenden Autofahrers als Schwein;<br />

das Tippen an die Stirn; Vergleich polizeilichen Vorgehens mit "Gestapo-Methoden";<br />

die Bezeichnung als Jude (BGHSt 8, 325); "alter Nazi";<br />

Faschist; "Scheißbulle" (T/F, § <strong><strong>18</strong>5</strong>, RN 9 mit zahlr. weiteren Beispielen).<br />

(2) Eine <strong>Beleidigung</strong> ist in den folgenden Fällen zu verneinen:<br />

Bei bloßen Unhöflichkeiten (so z.B. das Weglassen des "Herr"); Mahnung<br />

des Schuldners auf o<strong>ff</strong>ener Postkarte (Tröndle/Fischer, § <strong><strong>18</strong>5</strong>,<br />

RN 9 mit zahlr. weiteren Beispielen).<br />

cc)<br />

dd)<br />

Beachte bzgl. des subj. Tatbestandes: Der Vorsatz des Täters muss<br />

die Eignung der Kundgabe als Mittel der Ehrkränkung und deren<br />

Wahrnehmung durch andere umfassen.<br />

Die Unwahrheit einer dem Verletzten gegenüber erfolgten Tatsachenbehauptung<br />

ist hier - anders als in § <strong>18</strong>6 - ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal,<br />

das vom Vorsatz des Täters umfasst sein muss<br />

und für das es im Rahmen des Wahrscheinlichkeitsbeweises bei dem<br />

Grundsatz "in dubio pro reo" verbleibt.<br />

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ee) Sonderproblem: Sexuelle/sexualbezogene Handlungen: BGHSt 36,<br />

150 steht auf dem Standpunkt, dass § <strong><strong>18</strong>5</strong> hier nur dann erfüllt ist,<br />

wenn der Täter durch sein (sexuelles) Verhalten zum Ausdruck bringe,<br />

der Betro<strong>ff</strong>ene weise einen seine Ehre mindernden Mangel auf. Ein<br />

Angri<strong>ff</strong> auf die sexuelle Selbstbestimmung erfüllt nur dann § <strong><strong>18</strong>5</strong>, wenn<br />

nach den gesamten Umständen in dem Verhalten des Täters zugleich<br />

eine - von ihm gewollte - herabsetzende Bewertung des Opfers zu<br />

sehen ist (OLG Karlsruhe, Urt. v. 6.6.2002, Az. 1 Ss 13/02, verlangt<br />

bei einer auf o<strong>ff</strong>ener Straße vorgenommenen sexuellen Belästigung<br />

eine nicht nur unerhebliche Beeinträchtigung und eine bei der Tat nach<br />

außen zutage tretende Herabwürdigung der Geschlechtsehre).<br />

250 Rechtfertigungsgründe im Bereich des Ehrenschutzes<br />

a) Notwehr<br />

b) Einwilligung<br />

c) § 193 - Wahrnehmung berechtigter Interessen:<br />

• Die Art der Interessenwahrnehmung muss den konkreten Umständen<br />

nach berechtigt sein<br />

• der Täter muss subjektiv zum Zwecke der Interessenwahrnehmung<br />

gehandelt haben<br />

• es muss sich um ein angemessenes Mittel zur Erreichung eines berechtigten<br />

Zwecks handeln<br />

• in besonderen Fällen bestehen Erkundigungspflichten (insbesondere<br />

im Bereich der Presse und anderer Massenmedien)<br />

• es besteht ein Pflicht der Massenmedien zu einer wahrheitsgemäßen,<br />

nicht einseitig verzerrenden Berichterstattung<br />

• schwerwiegende Eingri<strong>ff</strong>e in die Schutzgüter der Art. 1 und 2 GG sind<br />

durch die Kunstfreiheit (Art. 5 III 1 GG) nicht gedeckt<br />

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4<strong>18</strong><br />

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251 <strong>Beleidigung</strong>sdelikte: Rechtsprechung<br />

KG NStZ 1992, 385: Die Anwendung der <strong>§§</strong> <strong><strong>18</strong>5</strong>, <strong>18</strong>6 wird bereits auf<br />

der Tatbestandsebene und nicht erst im Rahmen des § 193 durch Art.<br />

5 III 1 GG beeinflusst.<br />

BVerfG NStZ 2001, 640 [Verurteilung wegen <strong>Beleidigung</strong> durch<br />

Presseartikel]: „Die umstrittene Äußerung in dem Artikel, „C sollte lieber<br />

einen Arzt aufsuchen“ – nur hierauf haben die Gerichte die Verurteilung<br />

wegen <strong>Beleidigung</strong> gestützt – fällt in den Schutzbereich des<br />

Grundrechts auf Meinungsfreiheit. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit<br />

schützt die Meinungskundgabe unabhängig davon, ob die Äußerung<br />

rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie<br />

von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten<br />

wird (...). Auch die polemische oder verletzende Formulierung der Aussage<br />

entzieht sie nicht seinem Schutzbereich. (...) bei satirischer oder<br />

glossierender Meinungsäußerung darf Erklärungen kein Inhalt unterschoben<br />

werden, den ihnen ihr Urheber erkennbar nicht beilegen wollte.<br />

(...) Es ist widersprüchlich, eine Äußerung als ironisch zu charakterisieren,<br />

ihr sodann aber einen Bedeutungsgehalt beizumessen, der ihr<br />

nur zukommen würde, wenn sie als ernst gemeint beim Wort zu nehmen<br />

wäre.“<br />

OLG Karlsruhe, Urt. v. 6.6.2002, Az. 1 Ss 13/02: Ein Vergehen der<br />

tätlichen <strong>Beleidigung</strong> nach § <strong><strong>18</strong>5</strong>, 2. Alt. setzt eine körperliche Einwirkung<br />

voraus, allein der Versuch einer Berührung ist nicht ausreichend.<br />

BayObLG, Beschl. v. 20.10.2004, Az.: 1 St RR 153/04, NJW 2005,<br />

1291 = L & L 2005, 551 [„Wegelagerer“]: Die Bezeichnung eines Polizeibeamten,<br />

der eine Verkehrskontrolle durchführt, als Wegelagerer<br />

kann durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt sein.<br />

Das Recht des Bürgers, Maßnahmen der ö<strong>ff</strong>entlichen Gewalt ohne<br />

Furcht vor staatl. Sanktionen zu kritisieren, gehört zum Kernbereich<br />

des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung. Das Grundrecht auf<br />

Meinungsfreiheit ist nicht nur bei einem Beitrag zur ö<strong>ff</strong>entl. Meinungsbildung<br />

zu beachten, sondern auch bei Äußerungen, die im Rahmen<br />

einer Auseinandersetzung fallen. Dies gilt umso mehr, wenn sich das<br />

Werturteil auf staatl. Einrichtungen, deren Bedienstete und deren Vorgehensweise<br />

bezieht. Dabei fallen auch scharfe und übersteigerte Äußerungen<br />

in den Schutzbereich des Art. 5 I GG.<br />

Schließlich ist das Täterverhalten wg. § 193 auch nicht rechtswidrig, da<br />

der Täter im Rahmen der Verteidigung seiner Rechte und der Wahrnehmung<br />

berechtigter Interessen gehandelt hat. Die Grenze zur<br />

Schmähkritik ist nicht überschritten. Der Täter hat sich vorliegend im<br />

Zusammenhang mit dem konkreten Vorwurf einer Verkehrsordnungswidrigkeit<br />

geäußert. Seine Bemerkungen sind anlässlich der nachfolgenden<br />

Kontrolle gefallen und vor dem Hintergrund zu sehen, dass er<br />

den Verstoß gegen die Gurtanlegepflicht abgestritten hat. Wegen dieser<br />

Anlassbezogenheit der Äußerungen kann nicht davon ausgegangen<br />

werden, dass die Di<strong>ff</strong>amierung des Polizeibeamten im Vordergrund<br />

stand.<br />

BayObLG, Beschl. v. 14.04.2004, Az.: 5 StR 9/04, NStZ 2005, 215<br />

[„Spitzel“]: Wird bei einer Versammlung ein in Zivil eingesetzter Polizeibeamter<br />

als „Spitzel“ bezeichnet, ist bei der im Hinblick auf den<br />

Schutzbereich des Art. 5 I 1 GG gebotenen Abwägung die konkrete<br />

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419<br />

_____________________________________________________________________<br />

Gesamtsituation einzubeziehen. Bei der Gewichtung der Beeinträchtigung<br />

der betro<strong>ff</strong>enen Rechtsgüter ist insbesondere zu berücksichtigen,<br />

ob auf ein vorangegangenes Verhalten des Polizeibeamten unmittelbar<br />

reagiert wurde. Die Bezeichnung stellt dann keine <strong>Beleidigung</strong> dar,<br />

wenn der Täter vom Verletzten provoziert wurde (sog. Gegenschlag).<br />

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 01.06.2004, Az.: 1 Ss 46/04, NStZ 2005,<br />

158 [„Götz-Zitat“]: Eine Formulierung „Sie können mich mal …..“ ist<br />

nicht zwingend als <strong>Beleidigung</strong> i.S.d. § <strong><strong>18</strong>5</strong> anzusehen.<br />

Eine nach § <strong><strong>18</strong>5</strong> strafbare <strong>Beleidigung</strong> liegt vor, wenn eine Äußerung<br />

eine Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung enthält. Dies ist<br />

der Fall, wenn dem Betro<strong>ff</strong>enen der ethische oder soziale Wert ganz<br />

oder teilweise abgesprochen und dadurch der grds. uneingeschränkte<br />

Achtungsanspruch verletzt oder gefährdet wird. Ob eine solche Missachtung<br />

oder Nichtachtung vorliegt, ist durch Auslegung des obj. Sinngehalts<br />

der Äußerung zu ermitteln, wobei dies unter Berücksichtigung<br />

der gesamten Begleitumstände, wie etwa der Anschauungen und Gebräuche<br />

der Beteiligten, der sprachlichen und gesellschaftlichen Ebenen,<br />

auf welcher die Äußerung gefallen ist, sowie regionaler Besonderheiten<br />

und sprachlichen Dialekte zu erfolgen hat. Maßgebend ist<br />

dabei nicht, wie der Empfänger, sondern wie ein verständiger Dritter<br />

die Äußerung versteht. Ist eine Äußerung mehrdeutig, so hat sich der<br />

Tatrichter in den Urteilsgründen mit den verschiedenen Möglichkeiten<br />

der Deutung auseinander zu setzen, um dem Revisionsgericht die Prüfung<br />

zu ermöglichen, ob die vom Tatrichter vorgenommene Auslegung<br />

der Äußerung frei von Rechtsfehlern ist.<br />

OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.11.2004, Az.: 3 Ss 81/04, NStZ 2005, 575<br />

[Abtreibungspraxis eines Arztes]: Die wahrheitswidrige Behauptung<br />

über einen Frauenarzt, er führe rechtswidrige, wenn auch mit den geltenden<br />

gesetzlichen Bestimmungen im Einklang stehende straflose<br />

Abtreibungen durch, ist nicht geeignet, diesen Arzt i.S.v. § <strong>18</strong>6 verächtlich<br />

zu machen oder ihn in der ö<strong>ff</strong>entlichen Meinung herab zu würdigen.<br />

KG, Urt. v. 12.08.2005, Az.: 4 1 Ss 93/04 (91/04), NStZ 2005, 693<br />

[<strong>Beleidigung</strong> eines Polizeibeamten „Clown“]: Wird ein uniformierter<br />

Beamter der Schutzpolizei, der eine Fahrausweiskontrolle begleitet, als<br />

„Clown“ bezeichnet, handelt es sich nach den hier gegebenen Gesamtumständen<br />

des Geschehens nicht um die Kundgabe eines Werturteils,<br />

sondern um eine den Achtungsanspruch des Beamten verletzende<br />

Äußerung in Form einer Schmähkritik, da die Di<strong>ff</strong>amierung des<br />

Beamten im Vordergrund steht.<br />

© Eisenbeis Rechtsanwaltsges. mbH/RA Dr. U. Schlegel 2006

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