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"Mein Zuhause." 2012.pdf - Beamten-Wohnungs-Verein zu Berlin eG

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wv interview<br />

17<br />

dem Schlossplatz reagierten, der <strong>Berlin</strong> als Stadt<br />

der Vielfalt vorstellte. Über die gesamten zwei<br />

Monate riss der Zustrom an neugierigen Flaneuren<br />

nicht ab. Wir waren auch überrascht und<br />

angerührt von den fast 1000 persönlichen Zuwanderungsgeschichten,<br />

die die Besucher während<br />

der Ausstellung auf vorbereiteten Karten ergänzt<br />

haben. Eine größere Auswahl war ebenfalls ausgestellt<br />

und fand große Resonanz. Außerdem<br />

waren die kostenlosen Führungen <strong>zu</strong> den „Spuren<br />

des Mittelalters“ ein Dauerbrenner. Auch das vielfältige<br />

Programm in der Klosterruine mit Grabungsführungen,<br />

Vorträgen von Archäologen, Mittelaltermusik<br />

und Mittelalter-Filmen kam sehr gut<br />

an. Der glanzvolle Höhepunkt aller Feierlichkeiten<br />

war am 28. Oktober 2012 das große Fest <strong>zu</strong>m Jubiläum<br />

zwischen Schlossplatz und Nikolaiviertel mit<br />

Hunderttausend Besuchern.<br />

Mit <strong>Berlin</strong> verbindet man nicht nur glanzvolle<br />

6 Attribute, sondern es gibt noch viel <strong>zu</strong> tun.<br />

Worin besteht nach Ihrer Ansicht der größte<br />

Nachholbedarf? Ich träume von einer Fahrrad stadt<br />

<strong>Berlin</strong> und sehe Kopenhagen als leuchtendes Beispiel<br />

- mit mehrspurigen Fahrradwegen, Extra-<br />

Grünphasen für Radler, Leihrädern, die man unkompliziert<br />

nutzen und bezahlen kann, an jeder<br />

Ecke. Auch die Initiative, <strong>Berlin</strong> <strong>zu</strong>r Hauptstadt der<br />

Elektroautos <strong>zu</strong> machen, begrüße ich sehr. Manch<br />

einer findet <strong>Berlin</strong> <strong>zu</strong> laut, <strong>zu</strong> dreckig, <strong>zu</strong> hektisch,<br />

<strong>zu</strong> bunt und immer noch <strong>zu</strong> kaputt. Aber das sind<br />

genau die Attribute, ohne die von <strong>Berlin</strong> nicht viel<br />

übrig wäre. Das viel gelobte Grün und die vielen<br />

Gewässer entfalten nur in diesem Gegensatz ihren<br />

besonderen Reiz. Im Oderbruch, in der Märkischen<br />

Schweiz, in der Prignitz oder irgendwo sonst im<br />

malerischen, wasserreichen <strong>Berlin</strong>er Umland ist<br />

es eindeutig grüner. Städtebaulich wünsche ich<br />

mir, dass der Schloss-Neubau abgeblasen wird<br />

und mehr DDR-Architektur erhalten bleibt.<br />

Blickt man auf die 775jährige Geschichte<br />

7 <strong>Berlin</strong>s, erscheinen einem die 28 Jahre der<br />

Teilung fast schon als eine Randnotiz in der Stadtchronik.<br />

Aber natürlich ist diese mehr, oder?! Das<br />

ist für mich das größte Faszinosum an Geschichte<br />

überhaupt: Ein Wimpernschlag – zeitgeschichtlich<br />

gesehen – kann die ganze Welt verändern. Und<br />

das passiert ständig und immer wieder – darauf<br />

kann man sich wirklich verlassen. Wir haben die<br />

erste friedliche deutsche Revolution erlebt. Ist<br />

doch kein Wunder, dass die Leute gebetsmühlenartig<br />

immer nur „WAHNSINN“ gerufen haben – es<br />

hat die Sache auf den Punkt gebracht.<br />

8Uns in der Redaktion fiel bei dem Thema<br />

Stadtjubiläum spontan die Rede von Ronald<br />

Reagan am Brandenburger Tor im Jahre 1987 ein.<br />

Der geschichtsträchtige Satz „Mr. Gorbatschow,<br />

open this gate.“ berührt uns noch heute. Welche<br />

Erinnerungen haben Sie <strong>zu</strong>m Thema Stadtjubiläum<br />

im geteilten <strong>Berlin</strong>? Ich stand mit meiner<br />

einjährigen Tochter am Straußberger Platz und<br />

habe mir den Festum<strong>zu</strong>g <strong>zu</strong>r 750-Jahr-Feier<br />

angeschaut. Als junge Mutter kam es für mich<br />

nicht in Frage, mich brenzligen Situationen aus<strong>zu</strong>setzen<br />

(z.B. bei den Konzerten am Reichstag),<br />

von der Randale erfuhr ich natürlich aus den<br />

Medien. Dass erstmals skandiert wurde „Die<br />

Mauer muss weg!“, hat mich sehr berührt. Wir<br />

haben oft gesponnen, es müssten einfach alle<br />

auf einmal loslaufen, die Mauer überrennen –<br />

aber das waren ziellose Träumereien. An den<br />

Reagan-Satz erinnere ich mich nur vage, hab ihn<br />

vermutlich als Hirngespinst abgetan. Noch war<br />

die Diktatur äußerst lebendig, ein Jahr später<br />

wurde sogar der Sputnik verboten. Diese sowjetische<br />

Zeitschrift – es gab sie seit 1967 – verzichtete<br />

schon immer weitgehend auf die sonst<br />

übliche sozialistische Rhetorik. Das Verbot war<br />

wirklich alarmierend und hat mir richtig Angst<br />

gemacht. Völlig surreal waren dann die FDJ-<br />

Fackelzüge <strong>zu</strong>m 40. Jahrestag der DDR am<br />

7. Oktober 1989. Es war der Abgesang, wie wir<br />

Dr. Gabriele Miketta, Foto: © Kulturprojekte GmbH<br />

heute wissen. Heute bin ich nach wie vor dankbar,<br />

dass ich zwei verschiedene Gesellschaftssysteme<br />

aus eigener Anschauung kenne.<br />

Wir sehen und wollen <strong>Berlin</strong> als Weltstadt<br />

9 sehen. Ist sie dies inzwischen? Was meinen<br />

Sie? Die Fachleute haben da ganz strenge Kriterien<br />

und nach denen ist <strong>Berlin</strong> keine Metropole.<br />

Das ist mir piepegal. <strong>Berlin</strong> ist meine über alles<br />

geliebte Geburts- und Heimatstadt. Ich bin stolz<br />

auf meine hugenottische Herkunft (väterlicherseits)<br />

und meine schlesischen Wurzeln (mütterlicherseits).<br />

<strong>Mein</strong>e Vorfahren waren Zuwanderer<br />

- wie alle <strong>Berlin</strong>er, wenn man nur weit genug<br />

<strong>zu</strong>rückguckt.<br />

Zum Schluss unsere Wissensfrage: Wie<br />

10 viele Städte Deutschlands sind älter als<br />

750 Jahre? Das weiß ich nicht. Im 12. und 13 Jahrhundert<br />

ist die übergroße Mehrzahl der deutschen<br />

Städte gegründet worden – es müssen also sehr<br />

viele sein. Die Gründung der ältesten Städte geht<br />

bis in die Römerzeit <strong>zu</strong>rück. Da<strong>zu</strong> gehört neben<br />

Trier, Worms, Mainz und Koblenz auch Köln. Und<br />

die rheinischen Händler aus Köln haben ihre neue<br />

Heimat an der Spree <strong>zu</strong>nächst wenig einfallsreich<br />

nach der alten bezeichnet. Es hätte also auf Köln<br />

am Rhein und Köln an der Spree hinauslaufen<br />

können. Zum Glück ist es anders gekommen!

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