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"<strong>Wochenbericht</strong> <strong>der</strong> <strong>Bank</strong> <strong>Julius</strong> Bär"<br />

<strong>Zürich</strong>, <strong>22</strong>. Dezember 2005<br />

Sehr geehrte Leserin<br />

Sehr geehrter Leser<br />

Mit dem heutigen <strong>Wochenbericht</strong> erhalten Sie nicht nur den traditionellen Rückblick auf<br />

das Wirtschafts- und Börsengeschehen im zu Ende gehenden Jahr. Es ist zugleich die<br />

letzte Ausgabe des <strong>Wochenbericht</strong>s, dessen erste nummerierte Ausgabe vor siebzig<br />

Jahren, am 3. Januar 1936, erschien. Für den schwierigen Entschluss, die Publikation<br />

zum Jahresende einzustellen, gibt es verschiedene Gründe, die wir Ihnen gerne kurz<br />

erläutern möchten.<br />

Die grosse Anerkennung, die sich <strong>der</strong> <strong>Wochenbericht</strong> in vielen Jahrzehnten erworben<br />

hat, ist wohl gerade darauf zurückzuführen, dass es sich um keine "typische" <strong>Bank</strong>publikation<br />

handelt. Mit den Kommentaren eines hochkarätigen Autorenstabes zu aktuellen<br />

Fragen in Politik und Wirtschaft im In- und Ausland, zu Themen aus den Bereichen<br />

Bildung, Recht, Kunst o<strong>der</strong> Kultur wurden Positionen bezogen und kritische Diskussionen<br />

ausgelöst. Lange Jahre war <strong>der</strong> <strong>Wochenbericht</strong> das sehr persönliche Sprachrohr <strong>der</strong><br />

Familien-Partner und wi<strong>der</strong>spiegelte <strong>der</strong>en gesellschaftliche und wirtschaftspolitische<br />

Einstellung. Der Wandel <strong>der</strong> Medienlandschaft, die oft beklagte Informationsflut, das verän<strong>der</strong>te<br />

Informationsverhalten, die sich än<strong>der</strong>nden Anfor<strong>der</strong>ungen an ein international<br />

orientiertes <strong>Bank</strong>institut sowie auch das grosse zeitliche Engagement sind Argumente,<br />

die uns nach längeren Überlegungen bewogen haben, auf eine weitere Publikation des<br />

<strong>Wochenbericht</strong>s zu verzichten. Dafür bitten wir Sie alle, ganz beson<strong>der</strong>s die langjährigen<br />

Leserinnen und Leser, um Verständnis.<br />

Bei dieser Gelegenheit möchten wir uns, auch im Namen unserer Mitarbeiterin Frau<br />

Rosita Pauli, noch einmal sehr herzlich für Ihr Wohlwollen, Ihre Komplimente und auch<br />

die kritischen Kommentare bedanken. Wir haben damit gemerkt, dass <strong>der</strong> <strong>Wochenbericht</strong><br />

interessant war und aufmerksam zur Kenntnis genommen wurde.<br />

Es ist uns ein grosses Anliegen, auch in Zukunft sicherzustellen, dass sich die neue<br />

<strong>Julius</strong> Bär Gruppe in ihrer Publikationenvielfalt mit vertieften Analysen zu verschiedenen<br />

Themen zu Wort meldet, wenn es die aktuelle Lage verlangt.<br />

Zum bevorstehenden Jahreswechsel wünschen wir Ihnen alles Gute, Glück und Gesundheit<br />

und danken Ihnen herzlich für Ihr Vertrauen!<br />

Mit freundlichen Grüssen<br />

Raymond J. Bär<br />

Präsident des Verwaltungsrates<br />

Dr. Georg Sellerberg<br />

Redaktion <strong>Wochenbericht</strong><br />

BANK JULIUS BÄR & CO. AG<br />

Bahnhofstrasse 36, Postfach, CH-8010 <strong>Zürich</strong>, Telefon +41 (0) 58 888 1111, Telefax +41 (0) 58 888 11<strong>22</strong>, www.juliusbaer.com


CH-8010 <strong>Zürich</strong> Bahnhofstrasse 36 Postfach Telefon +41 (0) 58 888 5578 Telefax +41 (0) 58 888 4970 www.juliusbaer.com<br />

<strong>22</strong>. Dezember 2005 WOCHENBERICHT Nr. 50<br />

Wirtschaft und Börse im Jahr 2005<br />

Von Peter Horlacher<br />

Die Rückkehr zur Zuversicht war aus wirtschaftlicher Sicht das herausragende<br />

Merkmal des zu Ende gehenden Jahres. Die Konjunkturentwicklung<br />

in den meisten Regionen <strong>der</strong> Welt war ansprechend, wenn auch<br />

im Vergleich zum Vorjahr etwas schwächer. Dies ermöglichte dem Unternehmenssektor,<br />

die Wie<strong>der</strong>herstellung o<strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Profitabilität<br />

in eindrücklicher Weise fortzusetzen, was eine entsprechend positive<br />

Börsenentwicklung bewirkte, namentlich in Europa und Japan.<br />

Angesichts des robusten Wirtschaftswachstums und <strong>der</strong> von den gestiegenen<br />

Energiepreisen ausgehenden Gefahren für die Preisstabilität<br />

fand die unüblich lange Phase rekordtiefer Zinsen in den Industrielän<strong>der</strong>n<br />

ihr Ende. Dank <strong>der</strong> aufmerksamen Haltung <strong>der</strong> Zentralbanken<br />

konnten die Inflationserwartungen <strong>der</strong> Marktteilnehmer jedoch tief gehalten<br />

werden. Während die US-Notenbank (Fed) die Serie von Leitzinserhöhungen<br />

unbeirrt fortsetzte, sahen sich die Währungshüter <strong>der</strong><br />

Eurozone wie auch <strong>der</strong> Schweiz erst gegen Jahresende veranlasst, von<br />

ihrer als grosszügig eingestuften Geldpolitik abzuweichen. Sowohl die<br />

anhaltende Wachstums- als auch die sich ausweitende Zinsdifferenz<br />

sorgte für eine fortgesetzte Aufwertung des US-Dollars gegenüber den<br />

meisten an<strong>der</strong>en Hauptwährungen.<br />

Das Mass <strong>der</strong> Zuversicht wird erst richtig ersichtlich, wenn die vielen<br />

Einflussfaktoren und Ungleichgewichte aufgezählt werden, die<br />

meist für sich alleine und erst recht im zeitlichen o<strong>der</strong> sachlichen<br />

Zusammenspiel das Potenzial besassen, die positive Jahresbilanz erheblich<br />

zu trüben. So blieb die Welt auch im Jahr 2005 nicht von barbarischen<br />

Terrorakten und verheerenden Naturkatastrophen verschont.<br />

Viele schwelende geopolitische Konflikte harren nach wie vor einer<br />

dauerhaften Lösung. Die grossen regionalen Wachstumsunterschiede haben<br />

die Ungleichgewichte in den wirtschaftlichen Aussenbeziehungen<br />

weiter verstärkt.<br />

Ausmass und Geschwindigkeit <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungen haben Angst vor <strong>der</strong> eigenen<br />

Anpassungsfähigkeit geschürt – von <strong>der</strong> Anpassungswilligkeit<br />

ganz abgesehen. Die dadurch ausgelösten bekannten Reflexe, allen<br />

voran <strong>der</strong> Ruf nach Protektionismus, drohen die möglichen Wohlstandseffekte<br />

zu unterlaufen. Die Patt-Situation in <strong>der</strong> Dauha-Runde <strong>der</strong><br />

Welthandelsorganisation (WTO) legt Zeugnis ab von einer allzu bekannten<br />

Neigung, in <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung um das grösste Stück zu verhin<strong>der</strong>n,<br />

dass <strong>der</strong> grösstmögliche Kuchen gebacken werden kann. Die<br />

Weltbank schätzt die potenziellen Einkommenszuwächse bei einem er-


<strong>22</strong>. Dezember 2005 <strong>Wochenbericht</strong> Nr. 50 Seite 2<br />

folgreichen Abschluss auf jährlich 350 Milliarden US-Dollar für die<br />

Entwicklungslän<strong>der</strong> und 170 Milliarden US-Dollar für die Industrielän<strong>der</strong><br />

– falls die schwachen Impulse <strong>der</strong> eben zu Ende gegangenen WTO-<br />

Konferenz in Hongkong ausreichen, dass <strong>der</strong> Abschluss bis Ende 2006<br />

geschafft werden kann.<br />

Das gemessen am Einfluss und <strong>der</strong> allgegenwärtigen Präsenz dominierende<br />

Thema war jedoch <strong>der</strong> anhaltende Höhenflug vieler Rohstoffpreise,<br />

vor allem beim Erdöl. Bis zum Höchststand von knapp 68 US-<br />

Dollar anfangs September verteuerte sich die Sorte Brent um gut 66%,<br />

was einem doppelt so kräftigen Anstieg wie im gesamten Vorjahr entspricht.<br />

Gemessen an <strong>der</strong> seither eingetretenen Entspannung mag dies<br />

als ein Überschiessen im Zusammenhang mit den herbstlichen Wirbelstürmen<br />

in den USA interpretiert werden, die den För<strong>der</strong>- und Raffineriekapazitäten<br />

stark zugesetzt hatten. Die grosse Verwüstung weiter<br />

Teile <strong>der</strong> Südstaaten und <strong>der</strong> zeitweise Ausfall wichtiger Transportwege<br />

bargen die Gefahr, die US-Konjunktur aus dem Takt zu bringen,<br />

mit entsprechend schwerwiegenden Folgen für die Weltwirtschaft.<br />

Auch auf dem aktuellen Niveau von rund 58 US-Dollar und trotz gesunkener<br />

Abhängigkeit <strong>der</strong> westlichen Industriestaaten ist <strong>der</strong> Erdölpreis<br />

eine Belastung für die Weltwirtschaft. Gestiegene Energiepreise wirken<br />

wie eine Konsumsteuer und reduzieren direkt das verfügbare Einkommen.<br />

Was vom teureren Produktionsfaktor nicht an die Nachfrager<br />

weitergegeben o<strong>der</strong> durch Produktivitätsfortschritte aufgefangen werden<br />

kann, belastet die Profitabilität. Was auf höhere Endverkaufspreise<br />

überwälzt werden kann, bedroht die Preisstabilität und steht<br />

den Abnehmern nicht mehr für an<strong>der</strong>e Ausgaben zur Verfügung.<br />

Die Weltwirtschaft hat jedoch rund drei Jahre hoher Rohstoff- und<br />

Energiepreise erstaunlich gut überstanden. Im Gegensatz zu den Ölkrisen<br />

<strong>der</strong> 1970er-Jahre war die Ursache grösstenteils nachfragebedingt<br />

und damit Ausdruck einer robusten Konjunkturentwicklung. Die Gradualität<br />

des Anstiegs ermöglichte eine Anpassung an die erhöhten Energiekosten.<br />

Derzeit besteht kaum ein Grund, weshalb die aktuelle<br />

Wachstumsdynamik nicht fortgeschrieben werden könnte – schliesslich<br />

gehen die gängigen Prognosemodelle von Wirtschaftszyklen und graduellen<br />

Verän<strong>der</strong>ungen aus. Strukturbrüche sind unwillkommen. Doch zumindest<br />

hat die mit den Prognosen verbundene Unsicherheit zugenommen.<br />

Robustes Wachstum <strong>der</strong> Weltwirtschaft - aber ungleich verteilt<br />

Im viel beachteten World Economic Outlook rechnet <strong>der</strong> Internationale<br />

Währungsfonds (IWF) für das Gesamtjahr 2005 mit einem realen Wachstum<br />

<strong>der</strong> Weltwirtschaft von 4,3%. Verglichen mit dem Vorjahr, das mit 5,1%<br />

die höchste Zuwachsrate seit 30 Jahren brachte, sind 0,8 Prozentpunkte<br />

ein deutlicher Rückgang. Angesichts des immer noch beachtlichen<br />

Expansionstempos sollte allerdings mehr von einer Normalisierung<br />

denn von einem Einbruch gesprochen werden. Schliesslich verspricht<br />

das kommende Jahr mit einer prognostizierten Zuwachsrate von 4,3%<br />

eine Fortsetzung des Trends.


<strong>22</strong>. Dezember 2005 <strong>Wochenbericht</strong> Nr. 50 Seite 3<br />

Relativ zum Ausgangsniveau von 3,3% im Jahr 2004 war die Verlangsamung<br />

des Expansionstempos in <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> entwickelten Volkswirtschaften<br />

am ausgeprägtesten. Dabei verdeckt <strong>der</strong> ermittelte Durchschnittswert<br />

von 2,5% grosse Unterschiede. Mit 3,5% (nach 4,2% im<br />

Vorjahr) wuchsen die USA nicht nur erneut überdurchschnittlich, son<strong>der</strong>n<br />

fast mit dem dreifachen Tempo wie die Eurozone mit 1,2% (2,0%).<br />

Im Vergleich dazu expandierte die EU mit 1,6% (2,5%). Die geringste<br />

Wachstumsverlangsamung musste Japan mit 2,0% (2,7%) hinnehmen.<br />

Mit 6,4% nach 7,3% blieb die Wachstumsdynamik in <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> aufstrebenden<br />

Volkswirtschaften bzw. Emerging Markets erstaunlich hoch.<br />

Nach Regionen liegt Asien mit 7,8% (8,2%) an <strong>der</strong> Spitze, unverän<strong>der</strong>t<br />

dominiert von China mit einem Wachstum von 9,0% (9,5%) und Indien mit<br />

7,1% (7,3%). Einen vergleichsweise kräftigen Rückgang von 6,5% auf<br />

4,3% verzeichneten die Län<strong>der</strong> Mittel- und Osteuropas. Nicht zuletzt<br />

dank dem Stimulus <strong>der</strong> reichlich fliessenden Erdöleinnahmen konnte die<br />

Region des Nahen bzw. Mittleren Ostens das Expansionstempo mit 5,4%<br />

(5,5%) nahezu aufrechterhalten.<br />

Die grosse Frage bleibt, ob die im Jahr 2005 vor<strong>der</strong>gründig gestiegene<br />

Belastbarkeit <strong>der</strong> Weltwirtschaft die Rückkehr zu einer alten Normalität<br />

o<strong>der</strong> die Schaffung einer neuen Realität anzeigt. Unabhängig von<br />

<strong>der</strong> Antwort bezeichnete das Jahr 2000 mit dem Platzen <strong>der</strong> Spekulationsblase<br />

um die New Economy den Wendepunkt. Die alte Normalität bestünde<br />

erstens in <strong>der</strong> wie<strong>der</strong>erlangten Dominanz westlicher Industrielän<strong>der</strong>,<br />

was den technologischen Führungsanspruch und das von Produktivitätsfortschritten<br />

getriebene Wachstum betrifft. Die alte Normalität<br />

bestünde zweitens in geordneten Austauschrelationen zwischen den<br />

aufstrebenden Län<strong>der</strong>n, insbeson<strong>der</strong>e Asiens, und den Industrielän<strong>der</strong>n<br />

mit dem "natürlichen" Resultat, dass die aufstrebenden Län<strong>der</strong> ein<br />

Leistungsbilanzdefizit etwa im Ausmass <strong>der</strong> aus den reichen Län<strong>der</strong>n<br />

zugeflossenen Direktinvestitionen aufweisen würden.<br />

Zugunsten einer neuen Realität sprechen die riesigen Überschüsse in<br />

<strong>der</strong> Leistungsbilanz asiatischer Län<strong>der</strong>, insbeson<strong>der</strong>e Chinas. Trotz<br />

namhafter Investitionen des Privatsektors <strong>der</strong> Industrielän<strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />

Region erzielen die Schwellenlän<strong>der</strong> Asiens massive Überschüsse im<br />

Aussenhandel, die insbeson<strong>der</strong>e in den USA angelegt werden. Dieses<br />

spannungsgeladene Verhältnis kann nicht ewig bestehen bleiben. Wenn<br />

es bricht, werden die ablaufenden Anpassungsprozesse in den USA<br />

schmerzhaft sein: Kollaps des US-Dollars, steigendes Preisniveau im<br />

Inland, nach oben schnellende Zinsen, Preiseinbruch am Immobilienmarkt<br />

verbunden mit stark zunehmenden Privatkonkursen sowie einer<br />

scharfen Rezession wohl nicht nur in den USA.<br />

Die für die Weltwirtschaft wohl vorteilhafteste Antwort wäre etwas<br />

von beidem: eine Verstetigung des globalen Wirtschaftswachstums, wie<br />

es nur die Kombination von Geldwertstabilität und fortschreiten<strong>der</strong><br />

Globalisierung zu schaffen vermag, und ein geordneter Übergang in <strong>der</strong><br />

wirtschaftlichen Dominanz <strong>der</strong> einzelnen Län<strong>der</strong> und Regionen, in dessen<br />

Verlauf die bestehenden Ungleichgewichte ohne Schockwirkung behoben<br />

würden. Eine anspruchsvolle Wunschliste – o<strong>der</strong> gar eine unmög-


<strong>22</strong>. Dezember 2005 <strong>Wochenbericht</strong> Nr. 50 Seite 4<br />

liche? Paul Volcker, <strong>der</strong> Vorgänger Greenspans an <strong>der</strong> Spitze des Fed,<br />

bezifferte die Wahrscheinlichkeit mit 75%, dass die Welt innerhalb<br />

von fünf Jahren eine bedeutende Finanzkrise erleben wird. Das war im<br />

Herbst 2004. Höchste Zeit, dass sich die beiden Hauptkontrahenten USA<br />

und China an einen gemeinsamen Tisch setzen und sich in die Karten<br />

schauen lassen.<br />

China: unbekannter Gigant und unsichere Grösse<br />

Derzeit wird China in <strong>der</strong> Öffentlichkeit wie auch in den politischen<br />

Schaltzentralen <strong>der</strong> Welt als jene willkommene Wachstumsquelle wahrgenommen,<br />

als die sie vor zwei Jahrzehnten noch undenkbar gewesen wäre.<br />

Auf gute internationale Beziehungen bedacht und sicherheitspolitisch<br />

eine stabile Grösse, entwickelt sich das Land und seine Binnenwirtschaft<br />

rapide. Das kräftige Wirtschaftswachstum macht China zu beidem:<br />

einem gigantischen Warenexporteur und gleichzeitig zu einem<br />

enormen Markt für westliche Güter aller Art. Die Entwicklung weg von<br />

einem ländlichen Bauernstaat bringt eine grosse, zunehmend besser gestellte<br />

Mittelschicht hervor, die über ein nahezu unersättliches Verlangen<br />

nach allem verfügt, was <strong>der</strong> Westen zu bieten hat. Entsprechend<br />

scheint es für westliche Unternehmen nur eine gültige Maxime zu geben:<br />

Dabei sein ist alles. Doch ist das Eldorado tatsächlich bereits<br />

eröffnet?<br />

China verfügt über einen Fächer komparativer Vorteile, die von <strong>der</strong><br />

zentralen und in obskuren Zirkeln organisierten Führung kaum vorschnell<br />

aus <strong>der</strong> Hand gegeben werden: trotz bescheidener Aufwertung<br />

einen unverän<strong>der</strong>t fixierten Wechselkurs, ein tiefes Lohnniveau und<br />

eine grosse, schnell wachsende und zunehmend facettenreiche Binnenwirtschaft.<br />

Weshalb auf ausländischen Märkten beschaffen, was auch im<br />

Inland zu einem Bruchteil <strong>der</strong> Kosten hergestellt werden kann? Knowhow<br />

ist in reichem Mass vorhanden, wird vom Westen übernommen o<strong>der</strong><br />

von diesem sehr bereitwillig zur Verfügung gestellt - die Übernahme<br />

<strong>der</strong> PC-Sparte von IBM einschliesslich des renommierten Markennamens<br />

durch die chinesische Lenovo legt beredtes Zeugnis davon ab und hatte<br />

die Schaffung des weltweit drittgrössten PC-Herstellers zur Folge.<br />

Bereits bringt das Land bedeutend mehr Ingenieure, Wissenschaftler<br />

und Computerspezialisten hervor als die USA. Angesichts <strong>der</strong> verfügbaren<br />

Finanzmittel ist China heute kaum mehr als Entwicklungsland<br />

einzustufen, son<strong>der</strong>n präsentiert sich als eine äusserst effiziente,<br />

rasch die Wertschöpfungskette emporkletternde Produktionsmaschine. In<br />

dieser Darstellung wäre die globale Rolle von China die des effizienten,<br />

von unerreichbaren Skaleneffekten getriebenen Exporteurs in<br />

die ganze Welt, <strong>der</strong> angesichts <strong>der</strong> selbst tragenden Binnenwirtschaft<br />

keine grössere Abhängigkeit spürt als jene nach Rohstoffen.<br />

Gerade diese Abhängigkeit könnte sich als limitieren<strong>der</strong> Faktor im eigentlichen<br />

Sinne herausstellen. Insbeson<strong>der</strong>e im Energiebereich gehört<br />

China zu den Grossen unter den Verbrauchern – mit kaum eigenen Reserven<br />

und wenig Aussichten, den Bedarf durch an<strong>der</strong>e ausserhalb des eigenen<br />

Territoriums liegende Quellen bzw. durch Kauf von Unternehmen<br />

mit entsprechenden För<strong>der</strong>rechten zu decken. An<strong>der</strong>e Defizite bestehen


<strong>22</strong>. Dezember 2005 <strong>Wochenbericht</strong> Nr. 50 Seite 5<br />

in <strong>der</strong> Führungsstruktur und <strong>der</strong> Dominanz des kommunistischen Regimes,<br />

eher verstärkt als gemil<strong>der</strong>t durch den immer noch grossen Anteil einer<br />

ländlichen, stark rückständigen Bevölkerung. Soziale Spannungen<br />

und/o<strong>der</strong> ungenügen<strong>der</strong> Zugang zu Rohstoffen könnten zu einer Autarkiebewegung<br />

führen und in letzter Konsequenz das bedeutende, heute fast<br />

unreflektiert als gegeben betrachtete Wachstumspotenzial kappen.<br />

China ist international stark umworben und versiert im Spiel um Abhängigkeiten<br />

und Zugeständnisse. Sein gezielt im Namen des internationalen<br />

Wirtschaftswachstums aufrechterhaltener Protektionismus ist<br />

ansteckend. In den USA wie in Europa wurden in den vergangenen Monaten<br />

die Stimmen lauter, die in immer schrillerem Populismus nach<br />

Schutz <strong>der</strong> heimischen Industrie durch Kontingente und Zölle rufen.<br />

Dabei werden real existierende Abhängigkeiten ausgeblendet. So werden<br />

die USA fast vollständig von China eingekleidet. Um diese Tatsache zu<br />

än<strong>der</strong>n, fehlt die industrielle Basis. Deren Verdrängung, so schmerzhaft<br />

sie war, hat im unaufhaltsamen Trend einer entwickelten Volkswirtschaft<br />

zur Fertigung immer höherwertigerer Produkte und Dienstleistungen<br />

Wohlstand geschaffen. In diesem Zusammenhang, und nicht<br />

nur auf Textilien beschränkt, sind die Schwellenlän<strong>der</strong> als kosteneffizienter<br />

Werkplatz <strong>der</strong> Welt für den Grossteil <strong>der</strong> Preisstabilität<br />

in den Industrielän<strong>der</strong>n ausschlaggebend.<br />

Damit stellt sich für westliche Unternehmen ernsthaft die Frage nach<br />

dem Zeitpunkt, wann dieses Eldorado wirklich sein Potenzial zu zeigen<br />

beginnt. Der chinesische Markt ist zweifellos zu gross, um ignoriert<br />

zu werden. Für viele westliche Unternehmen stellt er <strong>der</strong>zeit das verheissungsvolle<br />

Absatzgebiet o<strong>der</strong> den Zukunftsmarkt schlechthin dar,<br />

mit einem nahezu unerschöpflichen Aufnahmepotenzial für Güter und<br />

Dienstleistungen. Aus realistischer Distanz betrachtet, scheint China<br />

<strong>der</strong>zeit jedoch eher zu einem riesigen Markt für die eigenen, lokal<br />

ansässigen Produzenten zu werden. Parallel dazu entwickelt sich das<br />

Land zu einem ernsthaften Konkurrenten für die verbliebenen westlichen<br />

Hersteller technologisch fortschrittlicher und dauerhafter Konsumgüter,<br />

die sich bisher vor chinesischer Konkurrenz sicher glaubten.<br />

Auch im Dienstleistungsbereich drohen die Heerscharen von zunehmend<br />

gut ausgebildeten Technikern, den USA und Indien ihren Platz als<br />

bevorzugte Standorte für die Entwicklung von Software und an<strong>der</strong>er<br />

Outsourcing-Dienste streitig zu machen.<br />

Wie geschickt auch immer die Vorteile Chinas für das eigene wirtschaftliche<br />

Wohlergehen ausgenutzt werden: Steigen<strong>der</strong> Lohndruck von<br />

innen und politisches Säbelrasseln von aussen werden den aggressiven<br />

Auftritt mil<strong>der</strong>n. In letzter Konsequenz wird sich eine weitere Aufwertung<br />

<strong>der</strong> eigenen Währung nicht vermeiden lassen, werden über geän<strong>der</strong>te<br />

Austauschverhältnisse die eigenen Güter im Vergleich zum Rest<br />

<strong>der</strong> Welt wie<strong>der</strong> unattraktiver. Dieses Schicksal wurde bereits von Japan<br />

und Südkorea erlebt, hat jedoch Jahrzehnte gedauert. Für westliche<br />

Unternehmen müsste dies bedeuten, den eigenen Vorteil, insbeson<strong>der</strong>e<br />

den technologischen Vorsprung, so gut wie möglich zu schützen.<br />

In China ist nur für jene westlichen Produkte ein mehr als kurzfristiger<br />

Erfolg zu erwarten, die auf globaler Ebene unangefochten sind


<strong>22</strong>. Dezember 2005 <strong>Wochenbericht</strong> Nr. 50 Seite 6<br />

und einen handfesten Mehrwert darstellen. Damit steht es um die Aussichten<br />

vieler Marken und Markenartikel eher schlecht bestellt. Denn<br />

für alles, was mit Masse zu tun hat und kopiert werden kann, ist<br />

China als Experimentierfeld schlicht zu gross und zu potent.<br />

Die USA wachsen am Kapitaltropf <strong>der</strong> Welt<br />

Die USA, global unangefochten die führende Wirtschafts- und Militärmacht,<br />

sind in <strong>der</strong> Welt sehr beliebt. Zu dieser Schlussfolgerung muss<br />

kommen, wer sich die ebenso gigantische wie scheinbar problemlos gewährte<br />

finanzielle Unterstützung des Landes vor Augen führt: In den<br />

vergangenen beiden Jahren wurde das Fiskaldefizit <strong>der</strong> USA zu 100% vom<br />

Ausland finanziert, drei Viertel davon von ausländischen Notenbanken,<br />

die damit rund 80% des Leistungsbilanzdefizits getragen haben. Gemäss<br />

dem Internationalen Währungsfonds wird sich das Defizit aller staatlichen<br />

Ebenen auf 4,4% des Bruttoinlandprodukts (BIP) belaufen, während<br />

das Leistungsbilanzdefizit bald die Marke von 6% des BIP erreichen<br />

wird. Den Amerikanern ist es möglich, ein Konsum- und Investitionsverhalten<br />

an den Tag zu legen, als ob fiskalpolitisch keine<br />

Restriktionen bestünden. Diese relative Unbeschwertheit lässt sich<br />

auch in <strong>der</strong> Konjunkturentwicklung ablesen.<br />

So hat sich das BIP auch im bisherigen Jahresverlauf nahe o<strong>der</strong> über<br />

<strong>der</strong> geschätzten Rate des Potenzialwachstums bewegt. Die viel zitierte<br />

Wachstumsschwäche im zweiten Quartal hat sich angesichts einer Zuwachsrate<br />

von real 3,3% auf Jahresbasis lediglich als leichte Verlangsamung<br />

herausgestellt. Sowohl im Quartal zuvor mit einer Jahresrate<br />

von 3,8% als erst recht im dritten Quartal mit 4,3% expandierte<br />

die Wirtschaft ausserordentlich robust. Dies unterstützt die verbreitete<br />

Ansicht, dass die beiden Wirbelstürme Katrina und Rita in <strong>der</strong><br />

Realwirtschaft tatsächlich nur wenig Spuren hinterlassen haben, und<br />

dass <strong>der</strong>en Beseitigung in den kommenden Monaten die Expansionskräfte<br />

eher noch zusätzlich stimulieren wird.<br />

So zeigten sich die Investitionen in Anlagen und Software kaum berührt.<br />

Ausserdem haben insbeson<strong>der</strong>e die Privathaushalte ihre Konsumtätigkeit<br />

unermüdlich aufrechterhalten und damit ihre Rolle als wichtige<br />

Stütze des US-Wirtschaftswachstums bestätigt. Der heftige Rückgang<br />

des Konsumentenvertrauens im Oktober als Folge <strong>der</strong> Sturmschäden<br />

erwies sich nur als temporär. Rückläufige Treibstoffpreise an den<br />

Zapfsäulen und die gute Börsenentwicklung im Herbst haben dazu ebenso<br />

beigetragen wie die erfreuliche Entwicklung des Arbeitsmarktes. Mit<br />

einer Arbeitslosenquote um die Marke von 5%, dem aktuellen Wert für<br />

den Monat November, ist nach gängiger Meinung in den USA <strong>der</strong> Zustand<br />

<strong>der</strong> Vollbeschäftigung erreicht. Obwohl nach Branchen und Regionen<br />

grosse Unterschiede bestehen, haben sich erste Anzeichen eines Arbeitskräftemangels<br />

bemerkbar gemacht. Noch kann jedoch nicht von einer<br />

eigentlichen Knappheit gesprochen werden, die sich auch in entsprechenden<br />

Lohnsteigerungen o<strong>der</strong> gar dem Beginn einer Lohn-Preis-<br />

Spirale nie<strong>der</strong>schlagen würde. Zum einen ist dies auf die weiterhin<br />

ansteigende Arbeitsproduktivität zurückzuführen, die im dritten Quartal<br />

ausserhalb <strong>der</strong> Landwirtschaft um 4,7% zugenommen hat. Zum an<strong>der</strong>en


<strong>22</strong>. Dezember 2005 <strong>Wochenbericht</strong> Nr. 50 Seite 7<br />

haben die Vergütungen zwar mit steigen<strong>der</strong> Tendenz zugenommen, vermochten<br />

aber mit <strong>der</strong> ebenfalls stark gestiegenen Teuerung nicht mitzuhalten.<br />

Dabei ist es für den Konsumenten wenig tröstlich, dass gemessen<br />

an <strong>der</strong> Kernrate <strong>der</strong> Teuerungsdruck weiterhin mo<strong>der</strong>at erscheint.<br />

Was zählt, ist das real verfügbare Einkommen. Trotz dessen Stagnation<br />

ist es dem Immobilienboom zuzuschreiben, dass die Konsumneigung <strong>der</strong><br />

Amerikaner ungebrochen ist. Die stark gestiegenen Preise für privates<br />

Wohneigentum haben es vielen Haushalten ermöglicht, durch Erhöhung<br />

<strong>der</strong> Hypothekarschuld bzw. durch günstigere Refinanzierung zusätzliches<br />

Kapital o<strong>der</strong> Einkommen freizusetzen. Dieses Phänomen steht in<br />

direktem Zusammenhang mit dem rekordtiefen Zinsniveau 2004, das vielen<br />

den Erwerb von Wohneigentum erst erschwinglich gemacht bzw. die<br />

Bautätigkeit in diesem Segment des Immobilienmarktes stark angeheizt<br />

hat.<br />

Diese Entwicklung ist mit dafür verantwortlich, dass die Sparquote in<br />

den USA gegen Null tendiert. Neue Formen <strong>der</strong> variablen Immobilienfinanzierung,<br />

oft verbunden mit sehr geringem Eigenkapitalanteil und<br />

eindeutig spekulativen Absichten eines Kapitalgewinns, haben zu einer<br />

steigenden Verschuldung <strong>der</strong> Privathaushalte geführt. Notenbankvertreter<br />

haben diese Konstellation als ein bedeutendes Risiko für<br />

die Konjunkturentwicklung bezeichnet. Über den Zins als wichtiger<br />

Einflussfaktor erhält diese Argumentation <strong>der</strong> Notenbankpolitik über<br />

die massive Staatsverschuldung bis zum Leistungsbilanzdefizit schnell<br />

eine internationale Dimension. Die resultierenden globalen Ungleichgewichte<br />

sind deshalb sowohl ein wirtschaftliches wie auch politisches<br />

Problem. Die verän<strong>der</strong>ten Abhängigkeiten haben den Grad <strong>der</strong><br />

Selbstbestimmung <strong>der</strong> USA faktisch stark eingeschränkt. Dies setzt für<br />

jeden Lösungsversuch ein wirtschaftspolitisch durchdachtes Vorgehen<br />

und zwingend ein kooperatives Verhalten voraus – nicht eine <strong>der</strong> Stärken<br />

<strong>der</strong> aktuellen Administration.<br />

Mehr als nur Morgenröte in Japan<br />

In mehr als einer Beziehung könnte das Jahr 2005 für Japan <strong>der</strong> Anfang<br />

vom Ende sein. So hat bereits begonnen, was erst in einigen Jahren<br />

erwartet worden war: Japans Bevölkerung schrumpft in absoluten Zahlen.<br />

Und was nach eineinhalb Jahrzehnten <strong>der</strong> enttäuschten Hoffnungen<br />

kaum mehr für möglich gehalten wurde, könnte diesmal länger dauern<br />

als nur ein paar wenige Quartale: Wirtschaftsaufschwung. Zwar präsentiert<br />

sich <strong>der</strong> konjunkturelle Datenkranz alles an<strong>der</strong>e als spektakulär.<br />

Doch angesichts <strong>der</strong> Tatsache, dass das Land erst vor Jahresfrist<br />

nur knapp an einer technischen Rezession vorbeischlitterte, verstanden<br />

als zwei aufeinan<strong>der</strong> folgende Quartale mit negativem Wachstum,<br />

sind vier Quartale robusten und vor allem breit abgestützten Wachstums<br />

bemerkenswert. Grund zur Zuversicht geht von den drei grossen<br />

Problembereichen Verschuldung, Überkapazität und Arbeitsmarkt aus,<br />

<strong>der</strong>en Bewältigung nahezu abgeschlossen scheint.


<strong>22</strong>. Dezember 2005 <strong>Wochenbericht</strong> Nr. 50 Seite 8<br />

So hat <strong>der</strong> Unternehmenssektor seit 1997 den Verschuldungsgrad in<br />

spektakulärer Weise reduziert. Die Entlastung <strong>der</strong> Bilanzen ermöglichte<br />

die Rückkehr zu einer Profitabilität, wie sie einst in den<br />

frühen 1980er-Jahren üblich war. Dank Unternehmensgewinnen nahezu auf<br />

Rekordstand konnte sich auch das angeschlagene Finanzsystem nachhaltig<br />

erholen. Der Anteil <strong>der</strong> faulen Kredite wurde bei den Grossbanken<br />

auf unter 4% <strong>der</strong> Gesamtsumme mehr als halbiert. Dies ermöglichte <strong>der</strong><br />

Zentralbank im März, die Einlagengarantie aufzuheben. Zeitgleich ging<br />

die Meldung um, dass die Japaner im eben zu Ende gegangenen Fiskaljahr<br />

erstmals seit einem Vierteljahrhun<strong>der</strong>t mehr Geld von ihren <strong>Bank</strong>und<br />

Postkonten abzogen als sie einzahlten. Mit einem Bestand von rund<br />

1'280 Milliarden US-Dollar ist immerhin vom weltweit grössten Sparstrumpf<br />

die Rede.<br />

Beson<strong>der</strong>s beachtenswert ist die Investition dieser Gel<strong>der</strong> in Anlagemöglichkeiten,<br />

die zwar ein grösseres Risiko aufweisen, aber auch einen<br />

höheren Ertrag als die kaum nennenswerte Kontoverzinsung versprechen.<br />

Das darin zum Ausdruck kommende Vertrauen in die Konjunkturentwicklung<br />

fand seine Entsprechung in einer haussierenden Börse, <strong>der</strong>en<br />

Kursverlauf jedoch zu einem grossen Teil von ausländischen Anlegern<br />

getrieben war. Entsprechend aussagekräftiger sind deshalb Zeichen <strong>der</strong><br />

Belebung im Immobilienbereich. So sind erstmals seit fünfzehn Jahren<br />

die Landpreise in Tokio, Osaka und an<strong>der</strong>en Städten wie<strong>der</strong> gestiegen.<br />

Ein Jahr mit positivem Wirtschaftswachstum, das im Gegensatz zu an<strong>der</strong>en<br />

Aufschwungsphasen nicht nur vom Exportsektor, son<strong>der</strong>n auch von<br />

den Ausgaben <strong>der</strong> Unternehmen und privaten Haushalte getragen war,<br />

vermochte den seit rund zehn Jahren anhaltenden Trend einer negativen<br />

Teuerung noch nicht zu brechen. Zumindest gemessen an <strong>der</strong> Kernrate<br />

scheinen sich die Konsumentenpreise aber zu stabilisieren. Bevor die<br />

<strong>Bank</strong> of Japan jedoch tatsächlich und wie bereits in <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />

diskutiert von ihrer äusserst expansiven quantitativen Geldpolitik<br />

abweichen kann, haben die Geschäftsbanken ihre Kreditvergabepolitik<br />

zu überdenken. Zusätzlich zur lähmenden Wirkung auf die Konjunkturentwicklung<br />

hat die übertriebene Zurückhaltung <strong>der</strong> Geschäftsbanken<br />

bei <strong>der</strong> Gewährung von Krediten die Notenbank eines wichtigen<br />

Transmissionsriemens zur Übertragung ihrer geldpolitischen Massnahmen<br />

in die Realwirtschaft beraubt. Dank gesün<strong>der</strong>en Bilanzrelationen und<br />

einer akkurateren Risikoeinschätzung zeigen sich die <strong>Bank</strong>en jedoch<br />

mittlerweile zugänglicher. Im Herbst konnte zum ersten Mal seit sieben<br />

Jahren wie<strong>der</strong> eine Zunahme bei den Kreditausleihungen verzeichnet<br />

werden.<br />

Gemäss regelmässigen Umfragen hat <strong>der</strong> Unternehmensbereich die aus <strong>der</strong><br />

Zeit <strong>der</strong> Technologie-Blase stammenden Überschusskapazitäten weitgehend<br />

abgebaut. Analoges kann über den Arbeitsmarkt gesagt werden. Der<br />

jahrelange Einstellungsstopp bzw. das Ausweichen auf flexibel einsetzbare<br />

Teilzeitbeschäftigte scheint vorüber. Die Schaffung neuer<br />

Langzeitstellen hat die Arbeitslosenquote im Oktober auf 4,5% gedrückt,<br />

nach einem Höchststand von 5,5% im Jahr 2003. Dieser Trend<br />

dürfte sich als Folge <strong>der</strong> Überalterung und dem damit verbundenen<br />

Rückgang <strong>der</strong> erwerbstätigen Bevölkerung um rund 0,6% pro Jahr fort-


<strong>22</strong>. Dezember 2005 <strong>Wochenbericht</strong> Nr. 50 Seite 9<br />

setzen. Aufgrund <strong>der</strong> Neigung zum Entsparen im letzten Lebensabschnitt<br />

kann eine stark alternde Bevölkerung <strong>der</strong> Wirtschaft kurzfristig<br />

durchaus positive Impulse vermitteln. Angesichts <strong>der</strong> angespannten Finanzlage<br />

des Staates könnte dieses demographische Defizit langfristig<br />

zu einer Begrenzung <strong>der</strong> Sozialausgaben bei gleichzeitig steigenden<br />

Steuern führen und damit das Wachstumspotenzial einschränken. Die<br />

konjunkturellen Bäume blühen, werden aber so bald nicht mehr in den<br />

Himmel Nippons wachsen.<br />

Europa: Hochgradig mit sich selbst beschäftigt<br />

Für einmal hat die Wirtschaft Europas die in sie gesetzten Hoffnungen<br />

erfüllt, sogar über Erwarten. Mit einem Realwachstum von 0,6% im<br />

dritten Quartal 2005 expandierten sowohl die Eurozone als auch die EU<br />

um die Hälfte schneller als im Vorquartal. Im Vergleich zur selben<br />

Periode des Vorjahres betrug die Zuwachsrate 1,6% (nach 1,2% zur Jahresmitte)<br />

bzw. 1,7% (1,4%). Damit hat <strong>der</strong> alte Kontinent immerhin<br />

jene konjunkturelle Miniwende geschafft, die für das zweite Halbjahr<br />

vorausgesagt wurde und angesichts <strong>der</strong> Wachstumsenttäuschungen zu Beginn<br />

des Jahres eine erfreuliche Entwicklung darstellt. Von einem<br />

neuen Trend zu sprechen wäre jedoch verfrüht. Vorsichtig argumentiert<br />

hat Europa nicht viel mehr produziert als einen technischen Aufschwung,<br />

dessen Basis erst noch alles an<strong>der</strong>e als robust erscheint.<br />

Der anerkannte Bedarf an Reformen und <strong>der</strong> Grad ihrer Umsetzung klaffen<br />

in Europa so weit auseinan<strong>der</strong> wie eh und je. Der ineffiziente<br />

Einsatz des Produktionsfaktors Arbeit wirkt weiterhin lähmend, verstärkt<br />

durch eine nur geringe Zuwachsrate <strong>der</strong> arbeitstätigen Bevölkerung.<br />

Angesichts <strong>der</strong> nur langsamen Fortschritte bei <strong>der</strong> Arbeitsproduktivität<br />

erstaunt die nur zögerlich zunehmende Investitionsbereitschaft<br />

<strong>der</strong> Unternehmen trotz wie<strong>der</strong>hergestellter Profitabilität<br />

nicht. Es ist kaum verwun<strong>der</strong>lich, dass die Europäische Zentralbank<br />

(EZB) das bisher auf rund 2,5% geschätzte Potenzialwachstum für die<br />

Eurozone auf 2,1% bis 2,2% reduziert hat.<br />

Im Verlaufe dieses Jahres hat zudem <strong>der</strong> gestiegene Erdölpreis die<br />

Wachstumsaussichten gleichzeitig auf zwei Ebenen zu trüben begonnen.<br />

Einerseits ist die Eurozone im Vergleich zu den USA aufgrund <strong>der</strong> Dominanz<br />

des Exportsektors deutlich anfälliger auf höhere Erdölpreise.<br />

An<strong>der</strong>erseits haben sich zumindest in <strong>der</strong> Interpretation <strong>der</strong> EZB die<br />

Inflationsrisiken nicht zuletzt aufgrund <strong>der</strong> Heraufsetzung <strong>der</strong> Energiepreise<br />

so stark erhöht, dass Anfang Dezember eine Anhebung <strong>der</strong><br />

Leitzinsen gerechtfertigt schien. Obwohl damit gemäss <strong>der</strong> EZB in <strong>der</strong><br />

Eurozone immer noch von einer expansiven Geldpolitik gesprochen werden<br />

kann, wurde <strong>der</strong> Schritt weit herum als voreilig o<strong>der</strong> gar unnötig<br />

kritisiert. Die EZB hat jedoch wie<strong>der</strong>holt durchblicken lassen, dass<br />

sie sich nicht als Instrument zur Mil<strong>der</strong>ung struktureller Defizite<br />

o<strong>der</strong> von Ungleichgewichten in den öffentlichen Haushalten <strong>der</strong> Mitgliedlän<strong>der</strong><br />

sieht. Insbeson<strong>der</strong>e Notenbankchef Jean-Claude Trichet hat<br />

nie einen Hehl daraus gemacht, dass er Strukturreformen als Schlüssel<br />

zum wirtschaftlichen Erfolg Europas sieht.


<strong>22</strong>. Dezember 2005 <strong>Wochenbericht</strong> Nr. 50 Seite 10<br />

Dabei verfügt Europa mit dem Exportsektor Deutschlands über ein Paradebeispiel<br />

für die Vorteile, die sich aus einer weltoffenen und<br />

marktorientierten, nur im absolut notwenigen Mass regulierten Struktur<br />

ergeben. Der Kontrast zur darbenden Binnenwirtschaft könnte gerade<br />

in Deutschland nicht grösser sein. Die Verkrustungen staatlicher<br />

Interventionslust lasten bleischwer auf den Verbrauchern. Soweit <strong>der</strong><br />

Reformbedarf auf politischer Ebene erkannt wurde, macht die Parteienkonstellation<br />

<strong>der</strong>en wirkungsvolle Umsetzung unmöglich – in <strong>der</strong> neuen<br />

Koalition noch stärker als in <strong>der</strong> alten.<br />

Noch schlimmer als tief greifende und schmerzhafte Reformen sind endund<br />

ergebnislose Debatten darüber. Die Aussicht, anstelle eines flotteren<br />

Reformtempos <strong>der</strong> finanziellen Schieflage von Bund und Län<strong>der</strong>n<br />

durch höhere Steuereinnahmen zu begegnen, lähmt zusätzlich. Der sichere<br />

Euro auf dem <strong>Bank</strong>konto ist dann allemal attraktiver als eine<br />

Konsumtätigkeit ins Ungewisse. Obwohl die EZB gestiegenes Geldmengenund<br />

Kreditwachstum mit als Grund für die Leitzinserhöhung nannte und<br />

<strong>der</strong> Unternehmensbereich seit Sommer tatsächlich etwas mehr Mut zu Anlageinvestitionen<br />

gefunden hat, erstaunt die Stagnation bei <strong>der</strong> Kreditvergabe<br />

an private Haushalte nicht wirklich.<br />

Soweit die Verordnung höherer Zinsen nicht ein zunehmendes Wachstum<br />

in Deutschland signalisiert, wird <strong>der</strong> Privatkonsum nur noch stärker<br />

darben. Angesichts eines von <strong>der</strong> Bundesbank erwarteten BIP-Wachstums<br />

von 1,1% ist diese Voraussetzung nicht erfüllt. Dafür aber an<strong>der</strong>swo,<br />

zum Beispiel in Spanien. Innerhalb <strong>der</strong> Eurozone gehört dieses Land<br />

mit einer Zunahme des BIP von 3,5% im dritten Quartal auf Jahresbasis<br />

zu den wachstumskräftigsten Län<strong>der</strong>n. Der anhaltende Immobilien- und<br />

Bauboom und <strong>der</strong> ebenfalls von tiefen Zinsen getriebene Konsumrausch<br />

liessen dort die Kreditvergabe an Privathaushalte um beachtliche 25%<br />

anschwellen. Als Kehrseite dieser Entwicklung ist die Verschuldung<br />

von Familien auf mehr als 100% des verfügbaren Jahreseinkommens gestiegen.<br />

Dies macht das Vorgehen <strong>der</strong> europäischen Währungshüter verständlicher,<br />

dokumentiert aber gleichzeitig <strong>der</strong>en Dilemma: Eine richtige<br />

Geldpolitik für alle Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> Eurozone gibt es nicht.<br />

Dies führt die Argumentation wie<strong>der</strong> zurück auf die Gestaltung des<br />

einheitlichen Marktes und jene Massnahmen, die zur För<strong>der</strong>ung eines<br />

engeren Zusammengehens unternommen werden. Eine Ansammlung von Nationalstaaten,<br />

die sich nur verbal zur gemeinsamen Sache bekennen, sich<br />

in konkreten Auseinan<strong>der</strong>setzungen aber immer wie<strong>der</strong> von Partikularinteressen<br />

leiten lassen, ist <strong>der</strong> Harmonisierung von Wachstums- und Inflationsraten<br />

nicht för<strong>der</strong>lich. Der nach monatelangem Ringen vor wenigen<br />

Tagen erreichte Kompromiss um den Finanzrahmen bis ins Jahr<br />

2013 legt angesichts des zementierten, die wirtschaftspolitische<br />

Rückständigkeit des EU-Haushalts so deutlich hervorhebenden Agrardossiers<br />

davon beredtes Zeugnis ab. Die Lissabon-Agenda und ihr Ziel,<br />

Europa bis zum Jahr 2010 "zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten<br />

wissensbasierten Wirtschaftsraum <strong>der</strong> Welt" zu machen, ist trotz ver-


<strong>22</strong>. Dezember 2005 <strong>Wochenbericht</strong> Nr. 50 Seite 11<br />

bleiben<strong>der</strong> Zeit und gut gemeinter Wie<strong>der</strong>belebungsversuche ebenso<br />

Makulatur wie das so mühevoll zusammengestellte, gigantische Verfassungswerk<br />

nach <strong>der</strong> ablehnenden Haltung in den Nie<strong>der</strong>landen und in<br />

Frankreich.<br />

Die Mitte des Jahres verordnete "Bedenkzeit" für den Verfassungsprozess<br />

von zwölf Monaten sehen Kritiker als Eingeständnis <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lage,<br />

könnte aber Prinzip werden. Anstelle grosser, plakativer und<br />

mit viel politischem Pomp angekündigter Projekte sind kleine, pragmatische<br />

Schritte angesagt. Realitätstest kommt vor Wunschdenken. Angesichts<br />

<strong>der</strong> Tatsache, dass das BIP pro Kopf in Europa seit 30 Jahren<br />

bei rund 70% des USA-Niveaus verharrt, bleibt das Freisetzen des<br />

Wachstumspotenzials eine so zentrale wie herkulische Aufgabe. Ermutigend<br />

ist deshalb die zunehmende Offenheit von Notenbankvertretern und<br />

Politikern, namentlich in Frankreich, sich an erfolgreichen an<strong>der</strong>en<br />

Beispielen zu orientieren. Die skandinavischen Län<strong>der</strong> stehen dabei im<br />

Zentrum des Interesses, ist ihnen doch eine eindrückliche wirtschaftliche<br />

Wie<strong>der</strong>belebung bei einem gleichzeitig hohen Grad an staatlich<br />

gesteuerter sozialer Sicherheit gelungen. Im positiven Sinne ist das<br />

verführerisch erfolgreich.<br />

Die Offenheit einer oft verschlossenen Schweiz<br />

Böse Zungen haben behauptet, das Wirtschaftswachstum in <strong>der</strong> Schweiz<br />

sei dieses Jahr ebenso stark von <strong>der</strong> Statistik bzw. von den neu eingeführten<br />

Erfassungs- und Berechnungsgrundlagen getrieben gewesen wie<br />

von <strong>der</strong> starken Einbindung in die Weltwirtschaft. Tatsächlich gab es<br />

kaum eine Veröffentlichung zum Gang <strong>der</strong> Konjunktur in <strong>der</strong> Schweiz,<br />

die nicht ebenso starke Revisionen wie Irritationen nach sich gezogen<br />

hätte. So auch anlässlich <strong>der</strong> Bekanntgabe <strong>der</strong> Angaben zum dritten<br />

Quartal. Mit einer realen Zuwachsrate von 1,0% gegenüber dem Vorquartal<br />

ist das BIP so kräftig gewachsen wie seit dem ersten Quartal des<br />

Jahres 2000 nicht mehr und hat auch die kühnsten Ökonomenschätzungen<br />

weit übertroffen. Angesichts <strong>der</strong> erneut beachtlichen Revisionen – sowohl<br />

für das erste wie auch das zweite Quartal erfuhr die Zuwachsrate<br />

auf 0,4% bzw. 0,6% jeweils eine Verdoppelung – und unter <strong>der</strong> Annahme,<br />

dass die schnellere Gangart im Schlussquartal beibehalten werden<br />

kann, strebt die Schweizer Wirtschaft für das Gesamtjahr 2005 immerhin<br />

eine Wachstumsrate von rund 1,5% an, nach 2,1% im Jahr 2004.<br />

Die höhere Konjunkturdynamik nach einem nur mässigen Wachstum im ersten<br />

Halbjahr ist in erster Line auf die beschleunigte Zunahme des<br />

privaten Konsums sowie den Export von Dienstleistungen zurückzuführen.<br />

Bei allen übrigen Komponenten – vom Staatskonsum bis zu den im<br />

ersten Halbjahr noch kräftig gewachsenen Anlageinvestitionen – zeigt<br />

sich ein sehr verhaltenes Bild, was wie<strong>der</strong>um Fragen nach den Berechnungsgrundlagen<br />

aufwirft. Es besteht die Vermutung, dass ein grosser<br />

Teil <strong>der</strong> vor<strong>der</strong>gründigen Dynamik u.a. in gestiegenen Lagerbeständen<br />

schlummert.


<strong>22</strong>. Dezember 2005 <strong>Wochenbericht</strong> Nr. 50 Seite 12<br />

Auch wenn <strong>der</strong> zyklische Aufschwung <strong>der</strong> Schweizer Wirtschaft im dritten<br />

Quartal jenen im nördlichen Nachbarland überholt hat, bleiben die<br />

Verflechtungen mit und die Abhängigkeiten zu Deutschland und <strong>der</strong> EU<br />

insgesamt unverän<strong>der</strong>t gross. Damit wird <strong>der</strong> Blick auf den Exportsektor<br />

als eigentlichem Motor des Konjunkturaufschwungs gelenkt. Dessen<br />

Wachstum hat, unterstützt vom etwas schwächeren Schweizer Franken,<br />

bis in den Herbst hinein angehalten, verbunden mit vollen Auftragsbüchern<br />

in <strong>der</strong> Industrie und einem weiterhin hohen Handelsbilanzüberschuss.<br />

Der Beitrag zum gesamtwirtschaftlichen Wachstum hat im dritten<br />

Quartal jedoch auf hohem Niveau stagniert – eine Erinnerung daran,<br />

dass die Schweiz immer noch eine stark geteilte Wirtschaft ist.<br />

Für eine breitere konjunkturelle Abstützung müssen nebst einer kräftigeren<br />

Investitionstätigkeit auch nachhaltige Impulse von den Konsumenten<br />

ausgehen.<br />

Dieser For<strong>der</strong>ung stehen immer noch <strong>der</strong> schwache Arbeitsmarkt und die<br />

abnehmende Kaufkraft <strong>der</strong> Privathaushalte entgegen – beides Argumente,<br />

die massgeblich zur schlechten Konsumentenstimmung beigetragen haben,<br />

die gemäss den jüngsten Erhebungen auf dem seit Januar 2004 tiefsten<br />

Stand vom vergangenen Juli verharrte. Die zum ersten Mal seit einem<br />

Jahr im Oktober wie<strong>der</strong> gesunkene Arbeitslosenquote, um 0,1 Prozentpunkte<br />

auf das im November unverän<strong>der</strong>t gebliebene Niveau von 3,7%,<br />

kann nicht als Lichtblick gewertet werden. Als Folge bleibt die Binnenwirtschaft<br />

frei von Teuerungsdruck bzw. zeigt in jenen Bereichen,<br />

die beson<strong>der</strong>s intensiv von ausländischen Mitbewerbern bearbeitet werden,<br />

sogar deflationäre Tendenzen. Selbst unter Berücksichtigung <strong>der</strong><br />

gestiegenen Energiepreise waren es nicht Inflationssorgen, die die<br />

Nationalbank Mitte Dezember zur Anhebung <strong>der</strong> Leitzinsen bewogen, son<strong>der</strong>n<br />

das zyklische Momentum, das Gelegenheit für eine weitere Normalisierung<br />

<strong>der</strong> Geldpolitik bot.<br />

Anlageumfeld mit Rätseln<br />

Der gleichermassen für seine verschlüsselte Art <strong>der</strong> Mitteilung wie<br />

auch für die pointierte Überhöhung von Sachverhalten bekannte Präsident<br />

<strong>der</strong> US-Notenbank, Alan Greenspan, fasste seine Einschätzung zum<br />

sehr tiefen US-Zinsniveau im Mai wie gewohnt zusammen: Conundrum, ein<br />

Rätsel. Wenn <strong>der</strong> Ende Januar des nächsten Jahres zurücktretende Notenbankchef<br />

erklärt, dass etwas nicht erklärbar sei, dann wird das<br />

von den Märkten ernst genommen. Über 18 Jahre an <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong> wohl<br />

einflussreichsten Behörde <strong>der</strong> USA haben seine Reputation geschaffen.<br />

Entsprechend blieb Rätselraten im Jahr 2005 eine <strong>der</strong> bevorzugten Beschäftigungen<br />

sowohl von Marktteilnehmern als auch von Ökonomen.<br />

Tatsächlich verhielten sich die Zinsen in den USA und damit in den<br />

meisten entwickelten Volkswirtschaften rätselhaft. So scheint <strong>der</strong> übliche<br />

Zusammenhang zwischen kurz- und langfristigen Zinsen nicht mehr<br />

zu bestehen. Das Fed hat einschliesslich <strong>der</strong> Sitzung vom 13. Dezember<br />

2005 die Leitzinsen in dreizehn Schritten um 325 Basispunkte auf aktuell<br />

4,25% erhöht. Die langfristigen Zinsen haben im Gegenzug zwar<br />

eine volatile Entwicklung durchgemacht, notieren aber per saldo mit<br />

4,45% für 10-jährige Staatsanleihen praktisch unverän<strong>der</strong>t verglichen


<strong>22</strong>. Dezember 2005 <strong>Wochenbericht</strong> Nr. 50 Seite 13<br />

mit 4,58% zu Beginn des Erhöhungszyklus' Mitte des Jahres 2004. Es<br />

sind die langfristigen Marktzinsen, die den geldpolitischen Willen<br />

<strong>der</strong> Notenbank für die Wirtschaftssubjekte direkt spürbar machen und<br />

<strong>der</strong>en Verhalten beeinflussen sollen. Trotz <strong>der</strong> massiv restriktiveren<br />

Geldpolitik haben sich die Hypothekarzinsen in den USA nicht bewegt<br />

und die Hauspreise in vielen Regionen <strong>der</strong> USA sind weiter gestiegen.<br />

Dieser Vermögenseffekt ist zusammen mit <strong>der</strong> zuversichtlichen Einschätzung<br />

des Arbeitsmarktes für das Wohlbefinden und die ungebrochene<br />

Kauflust <strong>der</strong> US-Konsumenten verantwortlich. Kaum erstaunlich<br />

löst die fehlende Bremswirkung Stirnfalten aus.<br />

Zur eigentlichen Frustration tragen die vielen möglichen Erklärungsansätze<br />

bei, die ein Eingrenzen <strong>der</strong> Ursache erschweren. Haben etwa<br />

die im Vergleich zu den Aktienmärkten sonst so fundamental getriebenen<br />

Obligationenmärkte ihre Interpretationsfähigkeiten verloren?<br />

Tiefe Zinsen und eine flache, zur Inversion neigende Zinsstrukturkurve<br />

sind oft gleichbedeutend mit <strong>der</strong> Aussicht auf ein stark verlangsamtes<br />

Wirtschaftswachstum o<strong>der</strong> gar eine Rezession. Diesem Argument<br />

stehen nicht nur die privaten und offiziellen Wachstumsprognosen<br />

gegenüber. Auch <strong>der</strong> positive Kursverlauf <strong>der</strong> internationalen Börsen<br />

unterstellt ein rosiges Konjunkturbild. Weniger Wi<strong>der</strong>spruch ergibt<br />

sich bei <strong>der</strong> ausschliesslichen Argumentation über die Inflation: In<br />

einer Welt mit deflationärem Konkurrenzdruck aus Asien, aufmerksamen<br />

Notenbanken und technologischer Innovation seien Inflationsgefahren<br />

gebannt, nahezu unabhängig von den Wachstumsraten. So gesehen können<br />

Aktienanleger sorglos bleiben, während sich Obligationäre mit tiefen<br />

realen und nominalen Zinsen begnügen müssen.<br />

Angesichts <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Realwirtschaft deutlich höheren erzielbaren<br />

Renditen bleibt eine unerklärliche Differenz. Möglicherweise werden<br />

die Zinsen durch einen globalen Überschuss an Ersparnissen relativ zu<br />

Investitionen künstlich tief gehalten. Ein Indiz dafür ist <strong>der</strong> Unternehmenssektor,<br />

<strong>der</strong> seit dem Platzen <strong>der</strong> Technologieblase und den dadurch<br />

geschaffenen Überkapazitäten in einen regelrechten Investitionsstreik<br />

getreten ist. Die seit dem Jahr 2000 erwirtschafteten<br />

überschüssigen Mittel von über 1'000 Milliarden US-Dollar sind u.a.<br />

in Form von höheren Dividenden, Aktienrückkäufen o<strong>der</strong> durch Rückzahlung<br />

von Schulden in die Weltwirtschaft geflossen. Doch auch <strong>der</strong> Privatsektor<br />

hat mit dazu beigetragen. Der Höhepunkt <strong>der</strong> Hausse im Jahr<br />

2000 war gleichzeitig <strong>der</strong> Höhepunkt <strong>der</strong> absoluten Anzahl von 24- bis<br />

44-Jährigen in den G7-Län<strong>der</strong>n. Die seither eingetretene Abnahme ist<br />

beachtlich und folgenreich: Diese Bevölkerungsschicht weist die<br />

grössten Zuwachsraten beim Konsum auf, stellt die Mehrheit <strong>der</strong> erstmaligen<br />

Hauskäufer und nimmt den grössten Teil jener Mittel auf, die<br />

den privaten Haushalten weltweit ausgeliehen werden. Der demographische<br />

Trend wird sich bis 2010 noch verstärken. Eine zunehmend geringere<br />

Kreditaufnahme bedeutet weniger Konsum und weniger Inflationsdruck<br />

mit <strong>der</strong> Folge, dass die realen Zinsen noch jahrelang tief bleiben<br />

könnten.


<strong>22</strong>. Dezember 2005 <strong>Wochenbericht</strong> Nr. 50 Seite 14<br />

Die unangefochtenen Sparweltmeister sind jedoch die Asiaten, allen<br />

voran <strong>der</strong>en Notenbanken. Als Reaktion auf die Serie von Finanzkrisen<br />

Ende des letzten Jahrhun<strong>der</strong>ts wurde die Investitionstätigkeit reduziert.<br />

In <strong>der</strong> Folge hat sich die kombinierte Leistungsbilanz von einem<br />

Defizit von 93 Milliarden US-Dollar im Jahr 1996 in einen Überschuss<br />

von 336 Milliarden US-Dollar im Jahr 2004 gewandelt. Der Anstieg<br />

<strong>der</strong> offiziellen Reserven ist denn auch gewaltig. Vor zehn Jahren<br />

hielten die führenden asiatischen Nationen 509 Milliarden US-Dollar<br />

an Fremdwährungsreserven, 36% des weltweiten Totals (exklusive<br />

USA). Ende 2004 betrug <strong>der</strong> Bestand 2'300 Milliarden US-Dollar, was<br />

einem Anteil von 60% entspricht. Der grösste Teil dieses Zuwachses<br />

fiel nach 2002 an. Rund 68% <strong>der</strong> globalen Reservehaltung <strong>der</strong> Notenbanken<br />

lauten auf US-Dollar. Für Neuanlagen beträgt dieser Anteil fast<br />

80%, mit US-Staatsanleihen als dem beliebtesten Vehikel. Dies hat mit<br />

zum gedrückten Zinsniveau beigetragen, gleichzeitig aber neue Abhängigkeiten<br />

geschaffen und globale Ungleichgewichte verstärkt. Von potenziellem<br />

Anpassungsdruck und möglichen Verwerfungen blieben die Finanzmärkte<br />

im abgelaufenen Jahr jedoch abermals verschont.<br />

US-Dollar im Aufwind<br />

Die Wechselkursentwicklung stand im Jahr 2005 ganz im Zeichen des<br />

wie<strong>der</strong> erstarkten US-Dollars. Die Verteuerung auf mehrjährige Höchststände<br />

gegenüber den meisten an<strong>der</strong>en Hauptwährungen war massgeblich<br />

von <strong>der</strong> sich ausweitenden Zinsdifferenz bestimmt und hat die Argumentation<br />

über die Tragbarkeit <strong>der</strong> hohen Defizite im US-Staatshaushalt<br />

sowie in den Aussenbeziehungen in den Hintergrund gedrängt.<br />

Beide Argumente sind jedoch über die Konjunkturentwicklung eng miteinan<strong>der</strong><br />

verbunden. Die lange Serie von Leitzinserhöhungen reflektiert<br />

eine robuste Binnenwirtschaft, die ohne die Unterstützung einer<br />

expansiven Geldpolitik auskommt. Solange die boomende US-Wirtschaft<br />

attraktive Anlagemöglichkeiten schafft, wird die Defizitfinanzierung<br />

durch ausländisches Kapital problemlos möglich sein. Dies wirft die<br />

Frage nach <strong>der</strong> Reaktion <strong>der</strong> Devisenmärkte auf, sollte <strong>der</strong> aktuelle<br />

Zinserhöhungszyklus und damit <strong>der</strong> Zinsabstand zum Rest <strong>der</strong> Welt im<br />

kommenden Jahr sein absehbares Ende finden.<br />

Vergleichsweise unspektakulär entwickelte sich <strong>der</strong> Schweizer Franken<br />

zum Euro. Die volatile Seitwärtsbewegung um die Marke von 1,55 zeugt<br />

einerseits von <strong>der</strong> engen Anbindung <strong>der</strong> helvetischen Wirtschaft an die<br />

Eurozone und an<strong>der</strong>erseits von <strong>der</strong> sehr expansiven Geldpolitik <strong>der</strong><br />

Schweizerischen Nationalbank (SNB). Sowohl gemessen an den Wachstumsals<br />

auch den Inflationsdifferenzen hat sich ein Aufwertungspotenzial<br />

aufgebaut, das eine Verteuerung des Schweizer Frankens bis gegen 1,50<br />

rechtfertigen würde.<br />

Mit <strong>der</strong> Abkopplung des Renminbi vom US-Dollar bzw. <strong>der</strong> Anbindung an<br />

einen von den Aussenhandelsströmen bestimmten Korb von Währungen<br />

vollzog China Mitte des Jahres einen seit langem beson<strong>der</strong>s von den<br />

USA gefor<strong>der</strong>ten Schritt. Die mit <strong>der</strong> Ankündigung verbundene Aufwertung<br />

um 2,1% hat sich im Rahmen <strong>der</strong> täglich erlaubten Schwankungs-


<strong>22</strong>. Dezember 2005 <strong>Wochenbericht</strong> Nr. 50 Seite 15<br />

bandbreite mittlerweile auf rund 2,5% erhöht. Aus Sicht <strong>der</strong> USA<br />

sollte dieser Anfang schnellstmöglich zu noch grösserer Flexibilität<br />

im Währungsbereich und zu einer Öffnung <strong>der</strong> Kapitalmärkte führen.<br />

Trotz zunehmendem Druck auf die Administration seitens des Kongresses<br />

verzichtete das Finanzministerium in seiner periodischen Untersuchung<br />

Ende November wohlweislich darauf, China o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e grosse Handelspartner<br />

<strong>der</strong> Währungsmanipulation anzuklagen. Als einer <strong>der</strong> grössten<br />

Schuldner Chinas sind die USA gut beraten, ein wirtschaftlich und damit<br />

politisch einvernehmliches Verhältnis aufrechtzuerhalten. Denn<br />

ein Abzug <strong>der</strong> mehrheitlich in US-Staatsanleihen angelegten Währungsreserven<br />

Chinas hätte verheerende Folgen für das Zinsniveau, den<br />

Wechselkurs und die Konjunktur, nicht nur in den USA.<br />

Mit einer Verteuerung im bisherigen Jahresverlauf um rund 15% auf<br />

deutlich über 500 US-Dollar pro Unze konnte Gold mit <strong>der</strong> allgemeinen<br />

Hausse vieler industriell genutzter Metalle mithalten. Getrieben von<br />

<strong>der</strong> wie<strong>der</strong> florierenden Schmuckindustrie, die rund 70% <strong>der</strong> weltweiten<br />

Goldnachfrage ausmacht, verzeichnete <strong>der</strong> Goldpreis seit Mai 2004<br />

eines <strong>der</strong> längsten Kursrallys seit <strong>der</strong> Freigabe des Goldhandels im<br />

Jahr 1968. Der erhöhten physischen Nachfrage stand jedoch eine nur<br />

bescheidene Ausweitung <strong>der</strong> Rohproduktion gegenüber. Als zusätzliche<br />

Quelle <strong>der</strong> Portfolio-Diversifikation seit längerem wie<strong>der</strong> bei Finanzinvestoren<br />

beliebt, lockten die attraktiven Renditen im Herbst vermehrt<br />

Spekulanten in den engen Markt und führten zu einem Überschiessen<br />

des Goldpreises auf über 530 US-Dollar pro Unze. Angesichts <strong>der</strong><br />

fehlenden fundamentalen Grundlage für diese Entwicklung - namentlich<br />

eine nicht erkennbare unmittelbare Gefährdung <strong>der</strong> Preisstabilität<br />

- dürfte die seither eingetretene deutliche Korrektur noch eine Weile<br />

andauern.<br />

Nach <strong>der</strong> Zinswende ist vor <strong>der</strong> Zinswende<br />

Im festverzinslichen Bereich haben die Anleger ein sehr aufreibendes<br />

Jahr hinter sich, das sich per saldo erst noch als wenig ertragreich<br />

erwies. Hin- und hergerissen zwischen Konjunkturhoffnungen, Wachstumssorgen<br />

und dem Effekt hoher Energiepreise verlief die Entwicklung<br />

<strong>der</strong> Kapitalmarktzinsen vergleichsweise erratisch.<br />

Der seit längerer Zeit erwartete Richtungswechsel bei den Kapitalmarktzinsen<br />

scheint angesichts des gestiegenen zyklischen Risikos<br />

seit Anfang September dauerhaft, wenn auch vergleichsweise unspektakulär<br />

vollzogen. Beson<strong>der</strong>s ausgeprägt ist <strong>der</strong> Renditeanstieg im kurzund<br />

mittelfristigen Bereich des Laufzeitenspektrums ausgefallen, was<br />

zu einer weiteren Verflachung <strong>der</strong> Zinsstrukturkurve geführt hat.<br />

Diese Entwicklung reflektiert die aufmerksame und aktive Haltung <strong>der</strong><br />

Notenbanken und, als Folge davon, die kaum existenten Inflationserwartungen<br />

bei den Marktteilnehmern. Entsprechend lässt sich <strong>der</strong> Anstieg<br />

<strong>der</strong> langfristigen Zinsen im Schlussquartal als konjunkturell<br />

durchaus gerechtfertigtes Ende <strong>der</strong> Phase unüblich tiefer Realzinsen<br />

interpretieren.


<strong>22</strong>. Dezember 2005 <strong>Wochenbericht</strong> Nr. 50 Seite 16<br />

Wie den Märkten signalisiert, hat das Fed seine Abkehr von <strong>der</strong> expansiven<br />

Geldpolitik <strong>der</strong> vergangenen Jahre unbeirrt fortgesetzt. Nach<br />

dreizehn Erhöhungen in Folge beträgt <strong>der</strong> massgebliche Ausleihsatz für<br />

Tagesgeld <strong>der</strong>zeit 4,25% und liegt damit nahe bei dem für eine neutrale<br />

Geldpolitik angenommenen Satz von rund 4,5%. Gedankenspiele des<br />

Fed, in welcher Form <strong>der</strong> aktuelle Zinserhöhungszyklus abgeschlossen<br />

werden könnte, haben am Markt zu Spekulationen auf ein unmittelbar<br />

bevorstehendes Ende aufkommen lassen. Die seither veröffentlichten<br />

robusten Konjunkturdaten lassen jedoch erwarten, dass sich <strong>der</strong> Nachfolger<br />

des abtretenden Notenbankchefs Greenspan die Gelegenheit nicht<br />

entgehen lassen wird, durch mindestens eine weitere Erhöhung <strong>der</strong><br />

Leitzinsen seine feste Haltung bei <strong>der</strong> Teuerungsbekämpfung zu demonstrieren.<br />

Gegen Ende des Jahres sah sich eine Reihe weiterer Notenbanken zu<br />

Leitzinserhöhungen veranlasst, prominent die EZB und die SNB. Während<br />

die EZB die erstmalige Erhöhung <strong>der</strong> Leitzinsen seit zweieinhalb Jahren<br />

um 25 Basispunkte explizit mit gestiegenen Teuerungsrisiken und<br />

ihrer Absicht rechtfertigte, die Inflationserwartungen <strong>der</strong> Märkte<br />

weiterhin tief zu halten, lag die Motivation <strong>der</strong> SNB hauptsächlich im<br />

zyklischen Momentum begründet: Angesichts des zum Euro und US-Dollar<br />

eher gedrückten Schweizer Frankens bot die wirtschaftliche Gesamtlage<br />

eine günstige Gelegenheit, die Geldpolitik weiter zu normalisieren<br />

ohne gleichzeitig den Konjunkturaufschwung zu gefährden.<br />

Aktien als Anlagekategorie erster Wahl<br />

Was sich im ersten Semester angesichts <strong>der</strong> konjunkturellen Unsicherheiten<br />

als ansprechende Kursentwicklung präsentierte, entwickelte<br />

sich in <strong>der</strong> zweiten Jahreshälfte zu einer regelrechten Börsenhausse.<br />

Die wie<strong>der</strong> an Dynamik gewinnende Weltwirtschaft und die positive Entwicklung<br />

<strong>der</strong> Unternehmensgewinne vermochten eine durchaus beachtliche<br />

Anzahl gegenläufiger Faktoren auszugleichen, so die gestiegenen Kapitalmarktzinsen,<br />

die restriktivere Haltung <strong>der</strong> Notenbanken, hohe Rohstoffpreise<br />

und davon abgeleitet gestiegene Inflationsrisiken.<br />

Im Vergleich zu festverzinslichen Anlagen galten Aktien während des<br />

grössten Teils des Jahres als attraktiver bewertet. Hohe Dividendenausschüttungen<br />

und Aktienrückkaufsprogramme sorgten für zusätzlichen<br />

Reiz, wurden in ihrer Bedeutung aber bald von <strong>der</strong> stark steigenden<br />

Übernahme- und Fusionsaktivität verdrängt. 2005 dürfte in dieser Beziehung<br />

das Jahr mit dem grössten Transaktionsvolumen seit dem Platzen<br />

<strong>der</strong> Technologieblase werden, wobei im internationalen Vergleich<br />

Europa sowohl nach Anzahl als auch nach Wert <strong>der</strong> Unternehmenszusammenschlüsse<br />

den Spitzenplatz belegt.<br />

Dies war mit ein Grund für die erneut überdurchschnittliche Performance<br />

<strong>der</strong> europäischen Börsen gegenüber dem amerikanischen Markt -<br />

ein Phänomen, das sich seit fast zwei Jahren beobachten lässt, in<br />

diesem Jahr aber beson<strong>der</strong>s eindrucksvoll zum Ausdruck kam. Weitere<br />

positive Faktoren waren die im Vergleich zu an<strong>der</strong>en Regionen tiefere


<strong>22</strong>. Dezember 2005 <strong>Wochenbericht</strong> Nr. 50 Seite 17<br />

Bewertung, die Verbesserung bei <strong>der</strong> Arbeitsproduktivität, das grössere<br />

Gewicht des Rohstoffsektors sowie die Schwächeneigung des Euros,<br />

die zumindest im Exportbereich für anhaltendes Wachstum sorgen wird.<br />

Zu einer eigenen Erfolgsgeschichte avancierte Japan und <strong>der</strong> dortige<br />

Aktienmarkt. Die positiven Faktoren wie politische Stabilität, eine<br />

anziehende Binnenkonjunktur, nahezu überwundene Deflation sowie ein<br />

Exportsektor, <strong>der</strong> sich im asiatischen Kontext sehr gut zu behaupten<br />

vermochte, wirkten insbeson<strong>der</strong>e auf ausländische Anleger attraktiv.<br />

Im Vergleich dazu und analog zu früheren Haussephasen hielten sich<br />

inländische Investoren jedoch stark zurück.<br />

In China dagegen vermochten die lokalen Börsen erneut nicht von <strong>der</strong><br />

anhaltend robusten Konjunkturentwicklung zu profitieren. Gemessen am<br />

Kursverlauf des für ausländische Anleger zugänglichen Segmentes <strong>der</strong><br />

Börse von Shanghai musste im bisherigen Jahresverlauf ein Rückgang um<br />

über 20% hingenommen werden, nach einem Minus von knapp 28% im Jahr<br />

zuvor. Noch lässt sich <strong>der</strong> chinesische nicht mit westlichen Finanzmärkten<br />

vergleichen. Der grosse staatliche Einfluss führt zu Verzerrungen,<br />

die kaum Rückschlüsse von <strong>der</strong> Wirtschafts- auf die Gewinnentwicklung<br />

von Unternehmen zulassen.<br />

Die Rekord hohe Ertragskraft <strong>der</strong> Schweizer Unternehmen, angesichts<br />

<strong>der</strong> namhaften Präsenz im Ausland massgeblich unterstützt vom stärker<br />

tendierenden US-Dollar, verhalf <strong>der</strong> Schweizer Börse zu einem Spitzenplatz<br />

unter den etablierten Handelsplätzen.<br />

Nachdruck, auch auszugsweise, gestattet nur unter dem Hinweis «Aus dem <strong>Wochenbericht</strong> <strong>der</strong> <strong>Bank</strong> <strong>Julius</strong> Bär».<br />

Äusserungen über Gesellschaften im Börsenteil basieren auf zuvor publizierten Empfehlungen. Zu rechtlichen<br />

Hinweisen und sonstigen Offenlegungspflichten verweisen wir auf die jeweilige Ursprungspublikation.<br />

<strong>Julius</strong> Bär Gruppe: <strong>Zürich</strong> (Hauptsitz), Basel, Dubai, Frankfurt, Genf, Grand Cayman, Guernsey, Lausanne, London, Lugano, Luxemburg,<br />

Luzern, Mailand, New York, Wien und Zug


<strong>22</strong>. Dezember 2005 <strong>Wochenbericht</strong> Nr. 50 Seite 18<br />

Statistiken<br />

Währungen<br />

12 Monate Performance in %<br />

16.12.2005 Höchst/Tiefst 2005* 2004 2003<br />

USD/CHF 1.29 1.32 - 1.13 13.90 -8.17 -10.94<br />

USD/JPY 116.23 121.06 - 102.04 13.37 -4.12 -9.85<br />

EUR/USD 1.20 1.36 - 1.17 -12.03 7.85 20.43<br />

EUR/CHF 1.55 1.56 - 1.53 0.20 -0.96 7.26<br />

GBP/CHF 2.28 2.32 - 2.18 4.28 -1.00 -1.00<br />

JPY/CHF 1.11 1.18 - 1.07 0.47 -4.23 -1.20<br />

Internationale Geldmärkte (in %)<br />

12 Monate Performance in %<br />

16.12.2005 Höchst/Tiefst 2005* 2004 2003<br />

USD 3 Monate Euromarkt 4.48 4.48 - 2.47 3.40 1.60 1.18<br />

EUR 3 Monate Euromarkt 2.48 2.48 - 2.06 2.09 2.12 2.34<br />

CHF 3 Monate Euromarkt 0.97 1.05 - 0.66 0.73 0.44 0.30<br />

Internationale Obligationenrenditen (in %)<br />

12 Monate Performance in %<br />

16.12.2005 Höchst/Tiefst 2005* 2004 2003<br />

USD Staatsanleihen 4.45 4.66 - 3.89 1.63 4.86 1.<strong>22</strong><br />

EUR Staatsanleihen 3.36 3.79 - 3.02 6.80 9.89 4.23<br />

CHF Staatsanleihen 2.05 2.31 - 1.79 5.06 6.10 -0.25<br />

GBP Staatsanleihen 4.23 4.86 - 4.11 7.27 7.09 2.00<br />

JPY Staatsanleihen 1.50 1.61 - 1.14 1.47 1.76 -2.70<br />

Börsenindizes<br />

USA<br />

Europa<br />

Asien<br />

12 Monate Performance in %<br />

16.12.2005 Höchst/Tiefst 2005* 2004 2003<br />

S&P 500 1267 1273 - 1138 4.6 9.0 26.4<br />

Dow Jones Industrial 10876 10941 - 10012 0.9 3.2 25.3<br />

Nasdaq Composite <strong>22</strong>52 <strong>22</strong>73 - 1904 3.5 8.6 50.0<br />

Dow Jones Stoxx 50 3344 3351 - 2757 20.5 4.3 10.5<br />

Amsterdam AEX 436 436 - 343 25.3 3.1 4.6<br />

Frankfurt DAX 30 # 5354 5354 - 4178 25.8 7.3 37.1<br />

Frankfurt TEC DAX 588 629 - 499 13.1 -3.9 50.9<br />

London FT 100 5532 5539 - 4697 14.9 7.5 13.6<br />

Paris CAC 40 4704 4704 - 3745 23.1 7.4 16.1<br />

Swiss Performance Index (SPI) # 5664 5747 - 4165 33.8 6.9 <strong>22</strong>.1<br />

Swiss Market Index (SMI) 7491 7612 - 5603 31.6 3.7 18.5<br />

Nikkei Dow Jones <strong>22</strong>5 15173 15779 - 10825 32.1 7.6 24.5<br />

Taiwan SE 100 6351 6456 - 5633 3.4 4.2 32.3<br />

Hongkong Hang Seng 15030 15466 - 13355 5.6 13.2 34.9<br />

* Performance-Berechnung bis 16.12.2005<br />

# Performance-Indizes, alle übrigen Preis-Indizes<br />

Quelle: Thomson Financial Datastream, Feri


<strong>22</strong>. Dezember 2005 <strong>Wochenbericht</strong> Nr. 50 Seite 19<br />

Zinsen<br />

J.P. Morgan Global Bond Index<br />

Stand<br />

16.12.05<br />

Stand<br />

30.09.05<br />

Stand<br />

30.06.05<br />

Stand<br />

31.03.05<br />

Hoch/Tief<br />

2004/2005<br />

Verän<strong>der</strong>ung<br />

seit 31.12.04<br />

in USD 343 346 350 354 364 - 315 -5.5%<br />

in EUR 286 287 289 273 291 - 261 7.0%<br />

in CHF 443 446 449 423 450 - 401 7.2%<br />

460<br />

JP Morgan Global Bond Index<br />

5.00<br />

Zinssaetze USD<br />

440<br />

4.50<br />

420<br />

400<br />

4.00<br />

380<br />

3.50<br />

360<br />

3.00<br />

340<br />

320<br />

2.50<br />

300<br />

2.00<br />

280<br />

1.50<br />

260<br />

240<br />

J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D<br />

USD<br />

EUR<br />

CHF<br />

Source: DATASTREAM<br />

1.00<br />

J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D<br />

Gov. Bonds<br />

USD Euro 3M<br />

Source: DATASTREAM<br />

4.50<br />

Zinssaetze EUR<br />

3.00<br />

Zinssaetze CHF<br />

4.00<br />

2.50<br />

3.50<br />

2.00<br />

3.00<br />

1.50<br />

2.50<br />

1.00<br />

2.00<br />

0.50<br />

1.50<br />

J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D<br />

Gov. Bonds<br />

EUR Euro 3M<br />

Source: DATASTREAM<br />

0<br />

J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D<br />

Gov. Bonds<br />

CHF Euro 3M<br />

Source: DATASTREAM<br />

5.40<br />

Zinssaetze GBP<br />

1.80<br />

Zinssaetze JPY<br />

5.20<br />

1.60<br />

1.40<br />

5.00<br />

1.20<br />

4.80<br />

1.00<br />

4.60<br />

0.80<br />

4.40<br />

0.60<br />

0.40<br />

4.20<br />

0.20<br />

4.00<br />

0<br />

3.80<br />

J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D<br />

Gov. Bonds<br />

GBP Euro 3M<br />

Source: DATASTREAM<br />

Quelle: Thomson Financial Datastream<br />

-0.20<br />

J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D<br />

Gov. Bonds<br />

JPY Euro 3M<br />

Source: DATASTREAM


000'S<br />

<strong>22</strong>. Dezember 2005 <strong>Wochenbericht</strong> Nr. 50 Seite 20<br />

Währungen / Gold<br />

1.40<br />

EUR/USD<br />

1<strong>22</strong><br />

USD/JPY<br />

120<br />

1.35<br />

118<br />

116<br />

1.30<br />

114<br />

112<br />

110<br />

1.25<br />

108<br />

106<br />

1.20<br />

104<br />

102<br />

1.15<br />

J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D<br />

100<br />

J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D<br />

Source: DATASTREAM<br />

Source: DATASTREAM<br />

1.34<br />

USD/CHF<br />

1.60<br />

EUR/CHF<br />

1.32<br />

1.30<br />

1.58<br />

1.28<br />

1.26<br />

1.56<br />

1.24<br />

1.<strong>22</strong><br />

1.20<br />

1.54<br />

1.18<br />

1.16<br />

1.52<br />

1.14<br />

1.12<br />

J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D<br />

1.50<br />

J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D<br />

Source: DATASTREAM<br />

Source: DATASTREAM<br />

1.26<br />

JPY/CHF<br />

2.40<br />

GBP/CHF<br />

1.24<br />

1.<strong>22</strong><br />

2.35<br />

1.20<br />

1.18<br />

2.30<br />

1.16<br />

1.14<br />

2.25<br />

1.12<br />

1.10<br />

2.20<br />

1.08<br />

1.06<br />

J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D<br />

2.15<br />

J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D<br />

Source: DATASTREAM<br />

Source: DATASTREAM<br />

540<br />

Gold in USD (pro Unze)<br />

23<br />

Gold in Tausend CHF (pro Kg)<br />

520<br />

<strong>22</strong><br />

500<br />

21<br />

480<br />

20<br />

460<br />

19<br />

440<br />

18<br />

420<br />

400<br />

17<br />

380<br />

16<br />

360<br />

J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D<br />

15<br />

J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D<br />

Quelle: Thomson Financial Datastream<br />

Source: DATASTREAM<br />

Source: DATASTREAM


000'S<br />

000'S<br />

<strong>22</strong>. Dezember 2005 <strong>Wochenbericht</strong> Nr. 50 Seite 21<br />

Aktienmärkte<br />

MSCI World Index<br />

Stand<br />

16.12.05<br />

Stand<br />

30.09.05<br />

Stand<br />

30.06.05<br />

Stand<br />

31.03.05<br />

Hoch/Tief<br />

2004/2005<br />

Verän<strong>der</strong>ung<br />

seit 31.12.04<br />

in USD 1268 1<strong>22</strong>4 1149 1151 1271 - 997 8.4%<br />

in EUR 1056 1015 949 886 1069 - 809 <strong>22</strong>.8%<br />

in CHF 1635 1578 1472 1372 1650 - 1239 23.0%<br />

1700<br />

MSCI World Index<br />

11<br />

Dow Jones Industrial<br />

1600<br />

10.80<br />

1500<br />

10.60<br />

1400<br />

1300<br />

10.40<br />

1200<br />

10.20<br />

1100<br />

10<br />

1000<br />

900<br />

9.80<br />

800<br />

J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D<br />

USD<br />

EUR<br />

CHF<br />

Source: DATASTREAM<br />

9.60<br />

J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D<br />

Source: DATASTREAM<br />

16<br />

Nikkei Dow Jones<br />

3400<br />

Dow Jones Stoxx 50<br />

3300<br />

15<br />

3200<br />

14<br />

3100<br />

3000<br />

13<br />

2900<br />

12<br />

2800<br />

2700<br />

11<br />

2600<br />

10<br />

J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D<br />

2500<br />

J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D<br />

Source: DATASTREAM<br />

Source: DATASTREAM<br />

5800<br />

Swiss Performance Index<br />

5400<br />

DAX Xetra<br />

5600<br />

5200<br />

5400<br />

5000<br />

5200<br />

4800<br />

5000<br />

4600<br />

4800<br />

4400<br />

4600<br />

4400<br />

4200<br />

4200<br />

4000<br />

4000<br />

3800<br />

3800<br />

J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D<br />

3600<br />

J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D<br />

Quelle: Thomson Financial Datastream<br />

Source: DATASTREAM<br />

Source: DATASTREAM

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