Zukunft Strom - KEIN Hornbergbecken 2
Zukunft Strom - KEIN Hornbergbecken 2
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Z u k u n f t S t r o m<br />
Infomagazin der Internetseite www.hornbergbecken-2.de<br />
Januar 2012<br />
Sinnfrage<br />
Bislang wurde die Kritik am Bau des geplanten Pumpspeicher Atdorf gerne herunter gespielt.<br />
Naturschützer wollen ihn nicht (die schöne Natur). Landschaftsschützer wollen ihn<br />
nicht (die schöne Landschaft). Der Rest folgt dem Sankt-Florian-Prinzip. So einfach ist es<br />
schon lange nicht mehr.<br />
2011 lieferte die Photovoltaik mehr <strong>Strom</strong> als die Wasserkraft und hatte einen spürbar kostensenkenden<br />
Effekt an der <strong>Strom</strong>börse. Das ärgert die Pumpspeicherbetreiber. Das Bild zeigt eine Turbine der Schluchseewerk<br />
AG und die Anzeige einer Photovoltaik-Anlage.
Liebe Leserinnen,<br />
liebe Leser,<br />
Solange es gelang,<br />
Pumpspeicher als einzig<br />
wahre Speicheroption zu<br />
verkaufen, wollte niemand<br />
am Thron der<br />
Grande Dame der<br />
<strong>Strom</strong>speicher rütteln.<br />
Aber die Entwicklung<br />
geht weiter. Auch andere<br />
Speicher können, was<br />
Pumpspeicher versprechen.<br />
Und jetzt, wo<br />
neue Akteure, neue Ideen<br />
und Konzepte vorgestellt<br />
und umgesetzt<br />
werden, erscheinen auch<br />
Pumpspeicher in einem<br />
neuen Licht. Der Vergleich<br />
macht es möglich.<br />
Plötzlich haben andere<br />
Mütter auch schöne<br />
Töchter.<br />
Wenn es aber keinen<br />
Mangel an „technischen<br />
Optionen“ gibt. Wenn es<br />
sogar „weitaus mehr<br />
Möglichkeiten als Pumpspeicher,<br />
Elektroautos<br />
und Methanisierung“<br />
gibt. Wenn es Lösungen<br />
gibt, die wirtschaftlicher<br />
und einfacher sind, mit<br />
welchem Argument wird<br />
dann noch das öffentliche<br />
Interesse begründet?<br />
Viele Grüße<br />
Martin Rescheleit<br />
Speicherproblem ist lösbar<br />
09.11.2011. Bei einem Expertengespräch der Bundestagsfraktion von BÜNDNIS<br />
90/ DIE GRÜNEN wurde über das Thema: "Energiespeicher – Stolperstein für die<br />
Energiewende?" diskutiert. Über 100 Expertinnen und Experten nahmen daran<br />
teil. Erstes Fazit: „Die eingeladenen Experten konnten im Fachgespräch deutlich<br />
machen, dass in der Speicherfrage für Aktionismus kein Grund besteht.“ 1<br />
Ein weiteres Ergebnis: „So ist noch<br />
nicht absehbar, in welchem Umfang,<br />
wann und welche Speichertechnologien<br />
tatsächlich benötigt werden.“<br />
Eigentlich zu klärende Fragen bevor<br />
Baugenehmigungen erteilt werden.<br />
Selbst die angebliche Dringlichkeit<br />
scheint unbegründet.<br />
„In den kommenden Jahren<br />
werden größere Speicherkapazitäten<br />
kaum benötigt<br />
werden.“ … „Erst ab 2020 rückt<br />
der Speicherbau dann aber<br />
stärker in den Fokus.“ Genügend<br />
Zeit, bis kostengünstige und technologisch<br />
ausgereifte Speichermöglichkeiten<br />
einsatzbereit sind.<br />
Fazit dazu: „Dieses Ziel ist erreichbar,<br />
denn an technischen Optionen mangelt<br />
es nicht.“<br />
Auch aus ökonomischen Gesichtspunkten<br />
sind Speicher eine schlechte<br />
Wahl. „Der Speicherbedarf müsse<br />
Kritik aus den eigenen Reihen<br />
Die Bedenken sind unbegründet. Der<br />
Bundesverband der Energie- und<br />
Wasserwirtschaft (BDEW) – größter<br />
deutscher Lobbyverband der Energieversorger<br />
- hat in seinem Gutachten:<br />
„Flexibilisierung“ 2 vom 11.10.2011 die<br />
Entwicklung der zukünftigen Kraftwerksstruktur<br />
untersucht. Dem<br />
Gutachten zufolge gibt es erst ab 2030<br />
„merkliche Überschuss-Situationen.“<br />
Und die sind selten. „Hier handelt es<br />
sich“, so das Gutachten, „jedoch<br />
zumeist um sehr kurze, punktuell aber<br />
sehr hohe Überschuss-Leistungen (bis<br />
zu 49 GWe) in typischen seltenen<br />
Sturm-Wetterlagen. Die über ein Jahr<br />
kumulierte Überschuss-Energie beträgt<br />
nach Einsatz der vorhandenen<br />
Speicheranlagen sowie Nutzung der<br />
Import-/Export-Möglichkeiten lediglich<br />
rd. 0,5 Prozent der jährlichen EE-<br />
<strong>Strom</strong>erzeugung.“<br />
ökonomisch bewertet werden“, gab Dr.<br />
Carsten Pape vom Fraunhofer IWES<br />
und Prof. Dr. Wietschel vom<br />
Fraunhofer ISI zu bedenken. „Denn<br />
Speicherung sei kein Selbstzweck,<br />
sondern eine Dienstleistung, die durch<br />
andere, kostengünstigere Maßnahmen<br />
erfüllt werden könne.“ Dr. Felix<br />
Matthes vom Öko-Institut betonte: „es<br />
könne nicht das Ziel sein, so viel <strong>Strom</strong><br />
zu speichern wie möglich, sondern<br />
lediglich so viel wie nötig. ´Speichern<br />
ist teuer´, so sein Credo, ´aber wir<br />
haben noch Zeit´.“ Auch die<br />
Pumpspeicherung ist für ihn nur eine<br />
Option. „Es gebe weitaus mehr<br />
Möglichkeiten als Pumpspeicher,<br />
Elektroautos und Methanisierung“, so<br />
Matthes. Tomi Engel von der<br />
Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie<br />
stellte sogar die Sinnfrage:<br />
„Haben unsere Pumpspeicher<br />
wirklich eine Systemrelevanz?“<br />
Was aber, wenn keine weiteren Pumpspeicher gebaut werden? Gelten sie doch als<br />
Voraussetzung zum weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien. Was, wenn keine<br />
einzige Speichertechnologie verwirklicht wird? Weder Lastmanagement noch smart<br />
grids zum Einsatz kommen? Gehen die Lichter aus? Muss der Ausbau der<br />
Erneuerbaren gestoppt werden? Wird alles unbezahlbar?<br />
Damit kommt der BDEW zu folgendem<br />
Schluss: „Die Abregelung von EE-<br />
Anlagen in den seltenen Überschussphasen<br />
sowie der Einsatz flexibler<br />
Kraftwerke in den häufigeren EE-<br />
Defizit-Phasen stellt die bei weitem<br />
wirtschaftlichste und einfachste Lösung<br />
zur Aufrechterhaltung der Systemstabilität<br />
dar.“<br />
Dr. Christian Zimmer von der Consentec<br />
GmbH, die das Gutachten<br />
zusammen mit der RWTH Aachen<br />
erstellt hat, nennt auch eine<br />
Alternative, möchte man keinen EE-<br />
<strong>Strom</strong> verwerfen: „Alternativ bestünde<br />
die Möglichkeit, sämtliche <strong>Strom</strong>überschüsse<br />
zu speichern und zeitversetzt<br />
zu nutzen. Die einzige aus heutiger<br />
Sicht hierfür praktikable Technologie ist<br />
die Methanisierung, das heißt die<br />
Umwandlung in synthetisches Gas und<br />
Speicherung im Erdgasnetz.“ 3
Atomstromverbot<br />
und Kennzeichnungspflicht<br />
für Pumpspeicher<br />
Österreich. Das Bundesministerium<br />
für Land-<br />
und Forstwirtschaft, Umwelt<br />
und Wasserwirtschaft<br />
in Österreich hat<br />
zur Umsetzung der EU-<br />
Wasserrahmenrichtlinie<br />
einen "Kriterienkatalog<br />
Wasserkraft" herausgegeben,<br />
um Wasserkraftwerke<br />
besser beurteilen<br />
zu können. Dabei wurde<br />
erstmals festgelegt, dass<br />
Pumpspeicher de facto<br />
keine "grüne Batterien"<br />
sind.<br />
Österreichs Umweltdachverband<br />
kritisiert, dass<br />
die Speicher nach Angaben<br />
der Betreiber mit<br />
Graustrom, „dem billigsten<br />
und dreckigsten<br />
<strong>Strom</strong>, der in Europa<br />
verfügbar ist“, gefüllt<br />
werden.<br />
Der Umweltdachverband<br />
stellt bei diesen „Atomstromspülungsanlagen“<br />
-<br />
wie der Verband Pumpspeicher<br />
nennt - die Frage,<br />
„wie aus dieser Tatsache<br />
ein überwiegendes<br />
öffentliches Interesse<br />
am Bau von Anlagen<br />
zur Speicherung von<br />
Atomstrom herleitbar<br />
sein soll“ und fordert<br />
„ein Verbot der Verwendung<br />
von Atomstrom für<br />
Pumpspeicherkraftwerke,<br />
eine umfassende<br />
Kennzeichnungspflicht<br />
sowie eine lückenlose<br />
und unabhängige Kontrolle<br />
der österreichischen<br />
Pumpspeicher.“ 8<br />
Österreich hat keine<br />
Atomkraftwerke. Es genügt,<br />
wenn ein Nachbarland<br />
billigen Atomstrom<br />
liefert.<br />
Bumerang<br />
Zwei Jahre lang waren auf den Folien und Flyern der Schluchseewerk AG hauptsächlich<br />
Windräder zu sehen. Denn der überschüssige Windstrom aus dem Norden<br />
müsse ja gespeichert werden. Angeblich in Atdorf. Auch in den Anträgen<br />
zum Raumordnungsverfahren stand Windstrom an erster Stelle.<br />
Zwei Jahre später kam die<br />
Schluchseewerk AG zu der Erkenntnis:<br />
der Speicher ist doch nicht für<br />
überschüssigen Windstrom. „Dazu sei<br />
der Weg aus Norddeutschland, wo der<br />
meiste Wind ‚geerntet’ wird, zu weit“,<br />
wie Julia Liebich, Sprecherin der<br />
Schluchseewerk AG, dem Staatsanzeiger<br />
mitteilte. „Dafür falle aber im<br />
Süden umso mehr Sonnenenergie an.“ 4<br />
Der rasante Ausbau der Photovoltaik<br />
mache ein schnelles Handeln<br />
notwendig. Zum Beweis lieferte man<br />
beim Erörterungstermin zum Raumordnungsverfahren<br />
ein Leistungsdiagramm<br />
eines bereits bestehenden<br />
Pumpspeichers. Wenige Tage zuvor<br />
musste tagsüber gepumpt werden. Zu<br />
viel Sonnenstrom. Die Behörden waren<br />
beeindruckt.<br />
Die Tatsache, dass gleichzeitig in<br />
einem anderen Pumpspeicher der<br />
Schluchseewerk AG - wenige Kilometer<br />
entfernt - <strong>Strom</strong> ins Netz eingespeist<br />
wurde, war nicht Teil der Präsentation.<br />
Weitere zwei Jahre später. Heute<br />
könnte die Photovoltaik - einst Grund<br />
für die mutmaßliche Notwendigkeit des<br />
Speichers - der Grund für dessen Aus<br />
sein. Denn die Sonne steht - wer hat<br />
das ahnen können - zur Mittagszeit am<br />
höchsten. Und das ist gut so.<br />
Prof. Dr. Eike Weber, Leiter des<br />
Fraunhofer-Instituts für Solare<br />
Energiesysteme (ISE), beschreibt die<br />
Folgen:<br />
„Die Sonne scheint im Sommer zur<br />
Spitzenzeit des <strong>Strom</strong>verbrauchs.<br />
Früher war zu dieser Zeit der<br />
Spitzenstrom besonders teuer, nützlich<br />
für die <strong>Strom</strong>konzerne. Wenn dieser<br />
lukrative Spitzenstrom von der Sonne<br />
dezentral den Haushalten eingespeist<br />
wird, geht den Konzernen ein wichtiger<br />
Teil ihrer Profite verloren.“ 5 Gerade die<br />
Pumpspeicher leben von diesen<br />
Preisspitzen. Jetzt können die<br />
Investoren nur hoffen, dass es bald so<br />
viel Solarstrom gibt, dass der Preis zur<br />
Mittagszeit weit genug fällt, um dann<br />
einzuspeichern und auf hohe Preise in<br />
den (windstillen) Abendstunden zu<br />
hoffen. Und im Winter? Das ganze<br />
wäre ein unrentables Saisongeschäft.<br />
Auf viel Solarstrom aus den<br />
zahlreichen, dezentralen PV-Anlagen<br />
wartet ohnehin schon die Konkurrenz.<br />
Zum Beispiel im Badischen Willstätt<br />
nahe Offenburg. Dort startet laut einer<br />
VDI-Mitteilung ab Mitte des Jahres die<br />
Firma Leclanché mit der Großserienproduktion<br />
neuer Lithium-Ionen-<br />
Batterien. 6<br />
Auch VARTA Microbattery in Ellwangen<br />
steigt in das Geschäft ein. Zusammen<br />
mit EnBW Ostwürttemberg DonauRies<br />
(EnBW ODR) wurde am 19. Januar<br />
2012 eine „Pilotanlage mit innovativen<br />
Lithium-Ionen-Batteriesystemen zur<br />
Speicherung von Energie im Netz der<br />
ODR“ 7 in Betrieb genommen. „Ziel ist<br />
es, die Integration von Photovoltaik-<br />
Anlagen und damit die Netzstabilität im<br />
ODR-Netz wesentlich zu verbessern,<br />
um somit künftige Netzausbaumaßnahmen<br />
in Grenzen zu halten.“<br />
Laut Herbert Schein, CEO von VARTA<br />
Microbattery, benötigen durchschnittliche<br />
Haushalte 5 bis 15 kWh Speicherkapazität.<br />
Schließen sich mehrere<br />
Haushalte zusammen können größere<br />
Speicher mit 50 bis 200 kWh auch das<br />
Netz stabilisieren.<br />
„Bis zu einem niedrigen zweistelligen<br />
Megawatt-Bereich“ können die<br />
Speicher gebaut werden, so Schein.<br />
„Aber dann müsse man in Konkurrenz<br />
treten mit anderen Speichermedien<br />
wie den Pumpspeicherkraftwerken.“ 6<br />
Quellen:<br />
1 Bündnis 90/ Die Grünen: Energiespeicherung: Stolperstein für die Energiewende?<br />
2 BDEW Gutachten „Flexibilisierung“: Zentrale Ergebnisse und Bewertung<br />
3 BDEW Magazin 02/2011<br />
4 Staatsanzeiger vom 20.August 2010: Streit um geplantes Pumpspeicherwerk<br />
5 Badische Zeitung vom 04.02.2012: Die Photovoltaik braucht Förderung<br />
6<br />
VDI Nachrichten vom 20.01.2012: Lithium-Ionen-Speicher sollen <strong>Strom</strong>versorgung im Niederspannungssektor<br />
stabilisieren<br />
7<br />
VARTA Pressemitteilung vom 19.01.2012: Spitzenspeicher Nr. 1<br />
8<br />
Umweltdachverband Österreich: Pressemeldung vom 31.01.2012: Atomstromverbot und Kennzeichnungspflicht<br />
für Pumpspeicherkraftwerke fehlen nach wie vor