Das Buch der Ursprünge - Das Mahabharata - Pushpak

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gestohlen. Die Tugend nimmt ab. Nehmt mich an die Hand, ihr Pandavas, denn ich versinke in dieser Not. Arjuna hörte die bitteren Klagen des Brahmanen und besänftigte ihn sofort: „Keine Angst!“ Doch in dem Raum, in dem die Pandavas ihre Waffen aufbewahrten, war gerade Yudhishthira mit Draupadi allein. So zögerte Arjuna, in die Kammer einzutreten. Auch wollte er nicht ohne Waffen dem Brahmanen folgen. Doch der Brahmane weinte und drängte ihn unaufhörlich. Und so überlegte Arjuna eine Weile mit besorgtem Herzen. Arjuna sprach zu sich: Nun, das Vermögen eines unschuldigen Brahmanen wurde geraubt. Ich sollte wirklich seine Tränen trocknen. Er kam an unser Tor und weint immer noch. Wenn ich ihn nicht beschütze, dann wird der König von Sünde berührt wegen meiner Gleichgültigkeit. Unsere Ungerechtigkeit wird sich im Lande ausbreiten, und wir bringen damit noch größere Sünde hervor. Wenn ich den König mißachte und die Kammer betrete, bin ich diesem feindlosen Monarchen allerdings untreu. Und außerdem lade ich die Strafe des Exils im Walde auf mich. Doch ich sollte das Ganze im Auge behalten. Dann habe ich keine Furcht, diese Sünde zu tragen, wenn ich (in diesem Fall) den König mißachten muß. Ich habe auch keine Furcht, wenn ich in die Wälder muß und dort vielleicht sterbe. Tugend ist wichtiger als der eigene Körper und währt auch nach dem Tode des Körpers noch lange an. So kam Arjuna zu seinem Entschluß. Er betrat die Kammer, erklärte sich Yudhishthira, kam mit seinem Bogen wieder und sprach freudig zum Brahmanen: „Geh schnell voran, oh Brahmane, damit die hinterhältigen Räuber keinen so großen Vorsprung gewinnen. Ich werde dich begleiten und dir dein Vermögen zurückholen, welches in die Hände von Dieben gefallen ist.“ Dann fuhr Arjuna mit seinem beflaggten Streitwagen, mit Harnisch und Bogen gerüstet davon, verfolgte die Diebe, durchbohrte sie mit seinen Pfeilen und jagte ihnen die Beute wieder ab. Anschließend übergab er dem Brahmanen sein Vieh. Und ruhmreich kehrte der Held in die Stadt zurück. Erst verbeugte er sich vor allen Älteren und wurde von ihnen beglückwünscht. Dann trat er vor Yudhishthira. Arjuna sprach: Gewähre mir den Abschied, oh Herr, damit ich dem Eid folgen kann, den ich schwor. Als ich dich mit Draupadi allein erblickte, verletzte ich unsere Regel. Und nun werde ich in den Wald gehen, denn das haben wir beschlossen. Als Yudhishthira diese schmerzlichen Worte hörte, rief er mit bewegter Stimme und von Trauer übermannt aus: „Warum?“ Und nach einer Weile sprach der König kummervoll zu seinem Bruder Arjuna mit dem lockigen Haar (Gudakesha), der niemals ein Gelübde brach. Yudhishthira sprach: Oh du Sündenloser, wenn ich eine Autorität bin, die es würdig ist, beachtet zu werden, dann höre mir zu, oh Held. Ich weiß ganz genau, warum du die Kammer betreten hast. Und ich weiß, warum du so handeltest, auch wenn du glaubst, mich damit mißachtet zu haben. Doch in meinem Geist ist keinerlei Ärger. Der jüngere Bruder sollte immer die Kammer betreten können, in welcher der ältere Bruder mit seiner Frau ist. Daran ist kein Makel. Nur der ältere Bruder handelt gegen die Regeln des Anstandes, wenn er mit seinem jüngeren Bruder und dessen Frau so verfährt. Oh bitte, trete von deinem Entschluß zurück. Tu, was ich sage. Deine Tugend ist nicht verringert worden. Du hast mich nicht mißachtet. Arjuna erwiderte: Gerade von dir habe ich gelernt, daß es in der Pflichterfüllung keine Ausflüchte gibt. Ich kann mich nicht von der Wahrhaftigkeit abwenden, denn die Wahrhaftigkeit ist meine Waffe. www.mahabharata.pushpak.de - 304 - Mahabharata - Buch 1, Adi Parva

So erhielt er die Erlaubnis des Königs und bereitete sich auf ein Leben im Walde für zwölf Jahre vor. Kapitel 216 - Arjunas Exil im Wald, seine Heirat mit Ulupi Vaisampayana sprach: Als der starkarmige Arjuna, dieser Verbreiter des Ruhmes der Kurus, in den Wald zog, da folgten dem ruhmreichen Helden vedenkundige Brahmanen in einiger Entfernung. Darunter waren alle Arten von Brahmanen - jene, welche die Veden und die Vedangas kannten, die der Anbetung des Höchsten Geistes folgten, musisch Begabte, Erzähler von Puranas und anderen heiligen Geschichten, Asketen, Schüler, die dem Zölibat folgten, Vanaprasthas, Brahmanen, welche liebenswürdig die himmlischen Geschichten darbrachten und noch viele andere angenehm sprechende Menschen. So reiste Arjuna wie Indra, dem die Maruts folgen. Auf seinem Weg erblickte der Held viele entzückende Landschaften, malerische Wälder, Teiche, Flüsse und Seen wie auch heilige Pilgerorte (Tirthas). Als er schließlich an der Quelle der Ganga angekommen war, dachte der mächtige Held daran, sich hier niederzulassen. Höre nun, oh Janamejaya, welch wunderbare Tat dieser Beste der hochbeseelten Söhne Pandus hier vollbrachte. Als sich Arjuna und auch die ihm folgenden Brahmanen eingerichtet hatten, da führten die ruhmreichen Brahmanen viele Agnihotra Opfer durch. Täglich nahmen die gelehrten, ihren Gelübden treuen und niemals vom rechten Pfad abweichenden Brahmanen ihr reinigendes Bad im heiligen Strom, opferten dem Feuer geklärte Butter und Blumen und ehrten es mit vielen Mantras. So wurde die Gegend, in der die Ganga in die Ebene strömt, wunderschön. Eines Tages begab sich Arjuna wie üblich zum Fluß, um seine Reinigungen durchzuführen. Danach opferte er den Ahnen Wasser. Als er den Fluß wieder verlassen wollte, um nun seine Opferriten vor dem Feuer durchzuführen, wurde der langarmige Held von der sehnsuchtsvollen Ulupi, der Tochter des Naga Königs, unter Wasser gezogen. Sie trug den Sohn des Pandu in den schönen Palast ihres Vaters Kauravya. Auch dort brannte ein Opferfeuer, und der Sohn der Kunti beendete seine Riten mit Hingabe. Agni war sehr zufrieden, wie furchtlos Arjuna die Gaben in seine manifeste Form schüttete. Als Arjuna alle seine Riten beendet hatte, wandte er sich an die Tochter des Naga Königs und sprach lächelnd zu ihr: „Oh schönes Mädchen, welch voreilige Tat hast du begangen, du Zarte? Wem gehört dieses schöne Land? Wer bist du und wessen Tochter?“ Ulupi antwortete: Es gibt einen Naga namens Kauravya, welcher der Airavata Linie entstammt. Ich bin, oh Prinz, seine Tochter, und mein Name ist Ulupi. Als ich dich, oh du Tiger unter den Männern, in den Strom gleiten sah, als du deine Waschungen vollführtest, da stahl mir der Gott der Liebe die Vernunft. Oh du Sündenloser, ich bin noch unverheiratet. Wegen dir bedrängt mich der Gott des Begehrens, oh du aus dem Geschlecht der Kurus. Gewähre mir Befriedigung und gib dich mir hin. Arjuna antwortete: Ich stehe unter dem Befehl von Yudhishthira, dem Gerechten, und folge dem Gelübde des Brahmacharin für zwölf Jahre. Ich bin nicht frei zu handeln, wie es mir beliebt. Doch, du Wasserjungfer, wenn ich könnte, würde ich dir gern Vergnügen schenken. Niemals habe ich die Unwahrheit gesprochen. Sag mir daher, oh Naga Maid, wie ich mich verhalten mag, so daß ich deinen Wunsch erfüllen kann und mich nicht der Lüge oder Pflichtverletzung schuldig mache. Ulupi sprach: Ich weiß, oh Sohn des Pandu, warum du über die Erde wanderst und auf Geheiß deines Bruders ein Leben als Brahmacharin führst. Dies war die Vereinbarung, die ihr Brüder geschworen habt: Wer unter euch Ehemännern von Draupadi aus Unachtsamkeit den Raum betritt, in dem einer von euch mit ihr allein ist, muß für zwölf Jahre ein Leben als www.mahabharata.pushpak.de - 305 - Mahabharata - Buch 1, Adi Parva

gestohlen. Die Tugend nimmt ab. Nehmt mich an die Hand, ihr Pandavas, denn ich versinke<br />

in dieser Not.<br />

Arjuna hörte die bitteren Klagen des Brahmanen und besänftigte ihn sofort: „Keine Angst!“<br />

Doch in dem Raum, in dem die Pandavas ihre Waffen aufbewahrten, war gerade<br />

Yudhishthira mit Draupadi allein. So zögerte Arjuna, in die Kammer einzutreten. Auch<br />

wollte er nicht ohne Waffen dem Brahmanen folgen. Doch <strong>der</strong> Brahmane weinte und<br />

drängte ihn unaufhörlich. Und so überlegte Arjuna eine Weile mit besorgtem Herzen.<br />

Arjuna sprach zu sich:<br />

Nun, das Vermögen eines unschuldigen Brahmanen wurde geraubt. Ich sollte wirklich seine<br />

Tränen trocknen. Er kam an unser Tor und weint immer noch. Wenn ich ihn nicht beschütze,<br />

dann wird <strong>der</strong> König von Sünde berührt wegen meiner Gleichgültigkeit. Unsere<br />

Ungerechtigkeit wird sich im Lande ausbreiten, und wir bringen damit noch größere Sünde<br />

hervor. Wenn ich den König mißachte und die Kammer betrete, bin ich diesem feindlosen<br />

Monarchen allerdings untreu. Und außerdem lade ich die Strafe des Exils im Walde auf<br />

mich. Doch ich sollte das Ganze im Auge behalten. Dann habe ich keine Furcht, diese Sünde<br />

zu tragen, wenn ich (in diesem Fall) den König mißachten muß. Ich habe auch keine Furcht,<br />

wenn ich in die Wäl<strong>der</strong> muß und dort vielleicht sterbe. Tugend ist wichtiger als <strong>der</strong> eigene<br />

Körper und währt auch nach dem Tode des Körpers noch lange an.<br />

So kam Arjuna zu seinem Entschluß. Er betrat die Kammer, erklärte sich Yudhishthira, kam<br />

mit seinem Bogen wie<strong>der</strong> und sprach freudig zum Brahmanen: „Geh schnell voran, oh<br />

Brahmane, damit die hinterhältigen Räuber keinen so großen Vorsprung gewinnen. Ich<br />

werde dich begleiten und dir dein Vermögen zurückholen, welches in die Hände von Dieben<br />

gefallen ist.“ Dann fuhr Arjuna mit seinem beflaggten Streitwagen, mit Harnisch und Bogen<br />

gerüstet davon, verfolgte die Diebe, durchbohrte sie mit seinen Pfeilen und jagte ihnen die<br />

Beute wie<strong>der</strong> ab. Anschließend übergab er dem Brahmanen sein Vieh. Und ruhmreich kehrte<br />

<strong>der</strong> Held in die Stadt zurück. Erst verbeugte er sich vor allen Älteren und wurde von ihnen<br />

beglückwünscht. Dann trat er vor Yudhishthira.<br />

Arjuna sprach:<br />

Gewähre mir den Abschied, oh Herr, damit ich dem Eid folgen kann, den ich schwor. Als ich<br />

dich mit Draupadi allein erblickte, verletzte ich unsere Regel. Und nun werde ich in den<br />

Wald gehen, denn das haben wir beschlossen.<br />

Als Yudhishthira diese schmerzlichen Worte hörte, rief er mit bewegter Stimme und von<br />

Trauer übermannt aus: „Warum?“ Und nach einer Weile sprach <strong>der</strong> König kummervoll zu<br />

seinem Bru<strong>der</strong> Arjuna mit dem lockigen Haar (Gudakesha), <strong>der</strong> niemals ein Gelübde brach.<br />

Yudhishthira sprach:<br />

Oh du Sündenloser, wenn ich eine Autorität bin, die es würdig ist, beachtet zu werden, dann<br />

höre mir zu, oh Held. Ich weiß ganz genau, warum du die Kammer betreten hast. Und ich<br />

weiß, warum du so handeltest, auch wenn du glaubst, mich damit mißachtet zu haben. Doch<br />

in meinem Geist ist keinerlei Ärger. Der jüngere Bru<strong>der</strong> sollte immer die Kammer betreten<br />

können, in welcher <strong>der</strong> ältere Bru<strong>der</strong> mit seiner Frau ist. Daran ist kein Makel. Nur <strong>der</strong> ältere<br />

Bru<strong>der</strong> handelt gegen die Regeln des Anstandes, wenn er mit seinem jüngeren Bru<strong>der</strong> und<br />

dessen Frau so verfährt. Oh bitte, trete von deinem Entschluß zurück. Tu, was ich sage.<br />

Deine Tugend ist nicht verringert worden. Du hast mich nicht mißachtet.<br />

Arjuna erwi<strong>der</strong>te:<br />

Gerade von dir habe ich gelernt, daß es in <strong>der</strong> Pflichterfüllung keine Ausflüchte gibt. Ich<br />

kann mich nicht von <strong>der</strong> Wahrhaftigkeit abwenden, denn die Wahrhaftigkeit ist meine<br />

Waffe.<br />

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