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thema<br />

Polnische Einwanderung<br />

nach Bremen<br />

Ein fast vergessener Beitrag zur Stadtentwicklung<br />

Die Geschichte der polnischen Einwanderung<br />

nach Bremen ist eng verknüpft<br />

mit der beginnenden Industrialisierung<br />

Bremens seit den 70er Jahren<br />

des 19. Jahrhunderts auf der einen Seite<br />

und auch mit der schwierigen deutschpolnischen<br />

Beziehungsgeschichte der<br />

letzten 150 Jahre auf der anderen Seite.<br />

Letzteres trägt wesentlich mit dazu<br />

bei, dass der Anteil der Polen an der Bremischen<br />

Industriegeschichte heute nur<br />

wenig bekannt ist und die Polen als traditionelle<br />

und älteste Einwanderungsgruppe<br />

in der jüngeren Geschichte Bremens<br />

kaum wahrgenommen werden.<br />

Ihre Integration gilt für die Zeit vor 1945<br />

als gelungen, so dass ihr Verschwinden<br />

nach 1945 nicht weiter verwundert.<br />

Als klassische Gastarbeiter tauchen<br />

seit den 60er Jahren nur Türken,<br />

Italiener, Griechen und andere Südeuropäer<br />

auf, obgleich es auch nach Bremen<br />

seit der zweiten Hälfte der fünfziger<br />

Jahre einen steten, wenn auch nicht<br />

sehr starken Zufluss von Menschen aus<br />

Polen nach Bremen gab. Es handelte<br />

sich dabei um deutsche Spätaussiedler,<br />

doch in den siebziger und achtziger Jahren<br />

nahm die polnische Prägung dieser<br />

6<br />

Menschen stark zu, und vor allem durch<br />

neue Migranten aus Polen in den neunziger<br />

Jahren stellen Polen im Jahre 2007<br />

mit rund 6.800 Menschen die drittgrößte<br />

Ausländergruppe nach Türken<br />

und Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien<br />

in Bremen, 1 wobei die Dunkelziffer<br />

und die Anzahl der Menschen<br />

mit einem deutsch-polnischen Hintergrund<br />

bzw. einem polnischen <strong>Kultur</strong>hintergrund<br />

aber deutschen Papieren deutlich<br />

höher sein dürfte - ähnlich wie auch<br />

bei den Menschen aus der früheren Sowjetunion.<br />

Ziel dieses kurzen Beitrages ist es, einen<br />

kurzen Überblick über die Geschichte<br />

der polnischen Migration nach Bremen,<br />

ihre Besonderheiten und ihren Beitrag<br />

zur Stadtentwicklung zu geben. Dabei<br />

erfolgt eine Konzentration vor allem auf<br />

die Zeit bis 1918 (I), bevor in weiteren Abschnitten<br />

auf die Zwischenkriegszeit (II),<br />

die Nachkriegszeit (III) und die Periode<br />

ab 1989 (IV) Bezug genommen wird. Das<br />

III. Reich und die Ausbeutung von Polen<br />

als Zwangsarbeiter in Bremen, z.B. beim<br />

Bau des U-Boot-Bunkers Valentin verdient<br />

eine eigene Betrachtung und wird<br />

hier daher ausgeklammert.<br />

Aufgrund der ungenügenden Literaturlage<br />

und des Umstandes, dass intensivere<br />

Archivstudien nicht möglich waren<br />

und zudem kaum polnische Quellen,<br />

d.h. Materialien zur Binnenperspektive<br />

der polnischen Migranten vorliegen,<br />

kann der vorliegende Beitrag nur ein<br />

knapper, essayistischer Auftakt zu ei-<br />

1 Siehe www.statistik.bremen.de/sixcms/media.<br />

php/13biz2008.pdf<br />

Für die polnischen Einwanderer wurde 1898<br />

die katholische Kirche St. Marien in Walle<br />

gebaut. [Foto: Geschichtskontor / <strong>Kultur</strong>haus<br />

Walle Brodelpott]<br />

ner gründlicheren Erforschung der polnischen<br />

Migrationsgeschichte in der historischen<br />

Längsachse in Bremen sein.<br />

I. Von WanderarbeiterInnen zu<br />

MitbürgerInnen: Die Anfänge der<br />

polnischen Migration<br />

Mit prägend für die Industrialisierung<br />

Bremens waren neben Schifffahrt und<br />

Häfen sowie der Metallindustrie auch<br />

die Textilindustrie. Die Gründung der<br />

Bremer Wollwäscherei in Lesum 1872,<br />

der Bremer Wollkämmerei und der<br />

Norddeutschen Wollkämmerei und<br />

Kammgarnspinnerei, der sog. Nordwolle<br />

in Delmenhorst 1883/84, der Bremer<br />

Jutespinnerei und –weberei in Bremen-<br />

Hemelingen 1873, der Jutespinnerei und<br />

–weberei Bremen im Westen der Stadt<br />

und der Hanseatischen Jutespinnerei<br />

und –weberei 1870 in Delmenhorst sowie<br />

die Gründung weiterer Industriebetriebe<br />

bedingten die Anwerbung und<br />

den Zuzug von Tausenden von Arbeitern<br />

aus Schlesien, Polen und Böhmen, für die<br />

nach englischem <strong>Vor</strong>bild Arbeiterhäuser<br />

errichtet wurden. 2 Im Bremer Norden<br />

war es vor allem die Bremer Wollkämmerei<br />

(BWK), die sich schnell zum<br />

größten Betrieb ihrer Art in Deutschland<br />

entwickeln sollte. Mit zu diesem<br />

Erfolg trugen auch polnische Arbeiter<br />

bei, von denen im Februar 1886 die ersten<br />

in der BWK eingestellt wurden. Von<br />

den etwas mehr als 2.300 Arbeitern im<br />

Jahr 1899 waren nach einem Bericht der<br />

Regierung fast die Hälfte Polen. In Blumenthal,<br />

Rönnebeck und Lüssum, kleine<br />

Dörfer, die vor Gründung der BWK vom<br />

Niedergang von Handwerk und Schifffahrt<br />

betroffen waren, war mehr als ein<br />

2 Vgl. die knappe Darstellung bei Herbert<br />

Schwarzwälder, Geschichte der Freien Hansestadt<br />

Bremen. Bd. II. Von der Franzosenzeit bis<br />

zum Ersten Weltkrieg (1810-1918), erw. u. verb.<br />

Aufl. Bremen 1995, S. 342ff.

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