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Arbeiterinnen auf der Jute [l.]<br />
In der Jutefabrik (r.)<br />
Geschichte<br />
Auf der Jute<br />
wurde polnisch gesprochen<br />
Die Jute-Spinnerei und -weberei AG – Frühe Arbeitsmigranten im Bremer Westen<br />
öffnet. Da sich im zollfreien Gelände<br />
keine verarbeitende Industrie ansiedeln<br />
durfte, wurde wenig später der Holzund<br />
Fabrikenhafen gebaut, an dem<br />
sich u. a. die Großmühlen „Roland“ und<br />
„Hansa“ ansiedelten. Hier konnte das<br />
mit dem Schiff gelieferte Korn sofort zu<br />
Mehl verarbeitet, verpackt und mit der<br />
Bahn abtransportiert werden. Als größtes<br />
Industrieunternehmen wurde mit<br />
dem Hafenausbau schon 1888 die „Jute-<br />
Spinnnerei und -weberei AG Bremen“<br />
gegründet. Das Gelände der „Jute“ lag<br />
in Nähe des Europahafens zur Nordstraße<br />
hin, ungefähr auf der Höhe zwischen<br />
Elisabeth- u. Grenzstraße, direkt neben<br />
dem „Heimatviertel“, das damals – auch<br />
1888 – vom gemeinnützigen Bremer<br />
Bauverein gebaut wurde.<br />
Unter den ersten Aktionären der „Jute“<br />
befanden sich bekannte Bremer und<br />
Waller Namen wie Bernhard Loose, Senator<br />
Achelis, Stefan Lührmann und Ed.<br />
Wätjen.<br />
Die ersten 636 Arbeiterinnen und Arbeiter<br />
begannen an Spinnmaschinen und<br />
240 Webstühlen den Rohstoff Jute zu<br />
verarbeiten, der aus dem damaligen Britisch<br />
Indien mit Schiffen der Hansalinie<br />
„Unsere Schule liegt in einer <strong>Vor</strong>stadt,<br />
im Arbeiterviertel. Nicht weit davon sind<br />
die Häfen. Die Fabriken mit ihren großen<br />
Schornsteinen qualmen über die Häuser<br />
dahin. Da liegen z.B. die Jutespinnerei,<br />
die Hansa- und Rolandmühle, Kaffee<br />
Hag, die Bremen-Besigheimer Ölfabrik,<br />
die Ölfabrik Groß-Gerau, die Union-Brauerei,<br />
die Betriebe der Konsum-Genossenschaft<br />
<strong>Vor</strong>wärts, der Lokomotivschuppen<br />
der Reichsbahn. Das Wahrzeichen für unseren<br />
Stadtteil ist der Wasserturm, der<br />
mit seinen 61 Metern alle Häuser überragt,<br />
nur nicht die Rolandmühle, die noch<br />
zehn Meter höher ist.“(1) So haben Schüler<br />
der Versuchsschule an der Helgolander<br />
Straße 1927 ihren Stadtteil Walle gesehen.<br />
Was für sie schon Alltag war, entstand<br />
erst 40 Jahre vorher mit der Industrialisierung<br />
und dem Hafenausbau:<br />
ein ganzes Viertel zwischen Nordstraße,<br />
Lloydstraße und Steffensweg, in<br />
dem viele Industriearbeiter, Hafenarbeiter,<br />
Handwerker und Gewerbetreibende<br />
wohnten.<br />
Nachdem sich Bremen dem deutschen<br />
Zollgebiet angeschlossen hat, wurde<br />
1888 der Freihafen auf dem ehemaligen<br />
Gelände der Stephanikirchenweide ernach<br />
Bremen gebracht und im Hafen gelöscht<br />
wurde. Acht Jahre nach der Gründung<br />
vergrößerte sich der Betrieb um<br />
das Doppelte. Um die Jahrhundertwende<br />
waren schon 2.000 Arbeiterinnen<br />
und Arbeiter auf der „Jute“ beschäftigt.<br />
Die Erzeugnisse bestanden aus Säcken,<br />
Seilen und Linoleumgewebe. Abnehmer<br />
des Garnes waren z. B. Kabelfabriken,<br />
Seifereien, Teppichfabriken.<br />
Trotz der Wirtschaftskrisen (1924, 1929),<br />
die auch die „Jute“ zu spüren bekam, florierte<br />
das Unternehmen weiter. 1931 fusionierte<br />
die Jutespinnerei mit der Hanseat-Jutespinnerei<br />
und –weberei Delmenhorst.<br />
1938 erzeugten beispielsweise<br />
2.400 Arbeiterinnen pro Tag 60.000<br />
kg Garn und 45.000 kg Gewebe. Im II.<br />
Weltkrieg wurde das Bremer Werk an der<br />
Nordstraße stark zerstört, wurde nach<br />
dem Krieg aber noch bis in die 50er Jahre<br />
vor <strong>Ort</strong> weiter geführt und dann vollständig<br />
nach Delmenhorst verlagert.<br />
„Komm Matga, die Jute pfeift!“<br />
Auf der „Jute“ gab es im Gegensatz zu<br />
anderen Industriebetrieben einige Besonderheiten:<br />
Ca. 70 % der Beschäf-<br />
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